Elia am Bach Krit, bei der Witwe zu Sarepta: Gespeist und gerettet aus Lebensgefahr - Predigt zu 1. Könige 17,1–16 von Paul Geiß
17,1-16

Elia am Bach Krit, bei der Witwe zu Sarepta: Gespeist und gerettet aus Lebensgefahr - Predigt zu 1. Könige 17,1–16 von Paul Geiß

1 Und es sprach Elia, der Tischbiter, aus Tischbe in Gilead zu Ahab: So wahr der HERR, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe: Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn. 2 Da kam das Wort des HERRN zu ihm:3 Geh weg von hier und wende dich nach Osten und verbirg dich am Bach Krit, der zum Jordan fließt.4 Und du sollst aus dem Bach trinken, und ich habe den Raben geboten, dass sie dich dort versorgen sollen. 5 Er aber ging hin und tat nach dem Wort des HERRN und setzte sich nieder am Bach Krit, der zum Jordan fließt. 6 Und die Raben brachten ihm Brot und Fleisch des Morgens und des Abends, und er trank aus dem Bach.7 Und es geschah nach einiger Zeit, dass der Bach vertrocknete; denn es war kein Regen im Lande. 8 Da kam das Wort des HERRN zu ihm: 9 Mach dich auf und geh nach Sarepta, das zu Sidon gehört, und bleibe dort; denn ich habe dort einer Witwe geboten, dass sie dich versorge. 10 Und er machte sich auf und ging nach Sarepta. Und als er an das Tor der Stadt kam, siehe, da war eine Witwe, die las Holz auf. Und er rief ihr zu und sprach: Hole mir ein wenig Wasser im Gefäß, dass ich trinke! 11 Und als sie hinging zu holen, rief er ihr nach und sprach: Bringe mir auch einen Bissen Brot mit! 12 Sie sprach: So wahr der HERR, dein Gott, lebt: Ich habe nichts Gebackenes, nur eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Und siehe, ich habe ein Scheit Holz oder zwei aufgelesen und gehe heim und will's mir und meinem Sohn zubereiten, dass wir essen – und sterben.  13 Elia sprach zu ihr: Fürchte dich nicht! Geh hin und mach's, wie du gesagt hast. Doch mache zuerst mir etwas Gebackenes davon und bringe mir's heraus; dir aber und deinem Sohn sollst du danach auch etwas backen. 14 Denn so spricht der HERR, der Gott Israels: Das Mehl im Topf soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der HERR regnen lassen wird auf Erden.15 Sie ging hin und tat, wie Elia gesagt hatte. Und er aß und sie auch und ihr Sohn Tag um Tag. 16 Das Mehl im Topf wurde nicht verzehrt, und dem Ölkrug mangelte nichts nach dem Wort des HERRN, das er geredet hatte durch Elia.


Liebe Gemeinde,
wir denken heute über einen gefahrvollen Beruf nach, über den Beruf des Propheten und seine Herausforderungen.
Propheten warnen, Propheten kündigen im Auftrag Gottes Heil oder Unheil an, Propheten leben gefährlich, und trotzdem: Propheten handeln!
Elia war so einer. Er ist ein Prophet zur Zeit der Könige Israels. Er muss dem König Ahab im Namen Gottes eine Klimakatastrophe ankündigen. Der Grund: Ahab hat aus regionaler Diplomatie heraus eine phönizische Prinzessin geheiratet, Isebel. Sie bringt den Kult des Fruchtbarkeitsgottes Baal mit ins Land und versucht damit, das israelische Volk von ihrem Gott abzubringen. Sie hält ihren Gott für stärker als Jahwe, den Gott Israels. Das ist ein Sakrileg gegenüber dem Gott, der das Volk Israel ins gelobte Land geführt hat. Für Baal baut Ahab sogar einen Tempel, um Isebel und ihrem Volk zu gefallen. Er errichtet ihm einen Altar.
So macht sich Elia auf im Auftrag Gottes. Er spricht zu Ahab, er kündigt die Klimakatastrophe an, in den nächsten Jahren soll weder Tau noch Regen fallen.
Verheerende Voraussagen lässt sich so ein König nicht ohne weiteres gefallen. Er wird dadurch entmächtigt und vor seinem Volk bloß gestellt. Er kann ja sein Volk nicht vor der Katastrophe schützen. Das ist doch die Aufgabe eines Königs: vorausschauender Schutz.

Elia muss fliehen, er muss jetzt den Zorn des Mächtigen fürchten. Er steht aber unter dem besonderen Schutz Gottes, der verlässt ihn nicht. Elia findet auf Gottes Geheiß Ruhe und Versorgung weit entfernt von Ahab am Bach Krit im Ostjordanland. Als die Klimakatastrophe dann eintrifft und der Bach mit dem lebensspendenden Wasser austrocknet, wird er auf Gottes Geheiß weitergeschickt. Er kommt unter bei einer Witwe im fernen Sarepta, einer phönizischen Stadt am Mittelmeer im heutigen Libanon. Dort nimmt das Wunder der Nahrungsvermehrung seinen Lauf: Das Mehl im Topf und das Öl im Krug, die Hauptnahrungsmittel, sie gehen nicht aus. So können alle drei überleben, die Witwe, ihr Sohn und der Prophet Elia.

Heute fällt mir dazu auf: Die Geschichte trägt ziemlich patriarchalische Strukturen: Der Prophet ordnet an, die Frau ordnet sich unter, sie verpflegt zuerst ihn auf seinen Geheiß, dann kommen sie und der Sohn dran. Wahrscheinlich durfte sie nicht einmal mit ihm gemeinsam essen. So etwas haben wir seinerzeit in Indien erlebt, wir wurden bei Brahmanen zum Essen eingeladen, der Mann aß mit uns, die Frau nicht, vielleicht aus religiösen Gründen?

Aber nun zurück: Wer ist dieser Elia?
Sein Name ist Verheißung. Sein Name ist sein Programm. Elia heißt: Jahwe ist der Herr. Ähnlich sind bei uns heute selten gewordene Vornamen wie Gottfried, Gottlieb oder Gottlob, Namen können eine Verheißung sein. Elia macht seinem Namen alle Ehre. Er hat mehr Respekt vor Gott als vor Ahab. Er folgt Gottes Ruf und kündet Ahab die Katastrophe an. Jetzt muss er hat natürlich auch Angst um sein Leben haben. Er  kämpft leidenschaftlich für diesen Jahwe und sein Volk Israel und protestiert deswegen gegen die staatliche Politik, die um der Diplomatie willen die Einzigartigkeit und den Alleinvertretungsanspruch des Gottes Jahwe aufgehoben hat: Isebel, Ahabs Frau, bevorzugt den Gott Baal und die Göttin Aschera. Das ist ein Frevel, der in den Augen des Propheten nicht ungesühnt bleiben wird. So wird Elia ein Prophet, der die Katastrophe ankündigen muss.

Propheten warnen, Propheten kündigen im Auftrag Gottes Heil oder Unheil an, Propheten leben gefährlich, und trotzdem: Propheten handeln!

Aber ich habe auch eine andere Art von Propheten kennengelernt, liebenswürdige Eiferer im Namen Gottes. Sie sind mir immer wieder begegnet, Menschen, die von Gottes Wort überzeugt sind und ihm ihr Leben anvertraut haben und mit diesem Beispiel für ihren Glauben und ihr Lebensprogramm werben. Sie haben mich geprägt im Elternhaus, in der Schule, im Studium und dem späteren Beruf. Sie haben mir besonders in persönlichen Krisenzeiten geholfen durch ihren Rat, ihre Bereitschaft mich zu warnen, mich zu begleiten. Das waren für mich herausragende Persönlichkeiten, Propheten deren Führung ich mich anvertrauen konnte, Männer und Frauen, die mir Gottes Wege aufgezeigt haben.

In Indien haben wir einen entdeckt. Er war Engländer, der sich zum orthodoxen Christentum hingezogen fühlte. Er wurde ein orthodoxer Mönch, der sich nach dem Vorbild der Mönche von Besitz und irdischer Habe fernhielt und zum Teil länger als Einsiedler lebte. Er wollte die Bibel neu ins Englische übersetzen, auch die Erzählungen von orthodoxen Heiligen, die im englischen Sprachraum unbekannt waren. Er war die Güte und Freundlichkeit selbst und mahnte zu einem einfachen Leben fernab der Versuchungen der modernen Welt. Er betreute Klostergemeinschaften in Jerusalem, lebte in christlichen Ashrams in Indien, das sind Zentren des gemeinsamen spirituellen Lebens, ähnlich wie Klostergemeinschaften.
Nach einigen Jahrzehnten wurden wir zufällig wieder auf seinen Namen aufmerksam. Er hatte Platz in einem orthodoxen Heiligenkalender gefunden als Archimandrite Father Lazarus, so sehr hat sein Leben und sein Wirken die Gläubigen beeindruckt. Er war für mich ein Prophet, der Gottes Liebe weitersagte.

Bei unseren Erlebnissen in der Entwicklungshilfe in Afrika haben wir einen anderen überzeugenden Mitarbeiter Gottes erlebt.
Er war Missionar der methodistischen Kirche, über 70 Jahre alt. Er hat sein Leben dem Glauben gewidmet, dass Jesus Christus Menschen heilt und rettet. Er erklärte uns die drei Prinzipien, nach denen er versucht hat Menschen zu überzeugen und zu prägen:
Evangelisieren, das hieß für ihn: Menschen zur Taufe zu begleiten,
Erziehung, denn Christentum heißt dann auch Bildung, lesen und schreiben lernen, Schulen gründen und Menschen fit machen, um in der immer weiter fortschreitenden wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung mitzuarbeiten.
Und das dritte und schwerste:
Emanzipation: seinen eigenen Weg in der Freiheit im Glauben zu finden im Vertrauen auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit.
Evangelisation, Erziehung und Emanzipation, das war Basis und Methode seiner missionarischen christlichen Überzeugungsarbeit.

Das waren liebenswürdige Propheten und mit ihrem ganzen Leben Prediger des Evangeliums von Gott, dem Schöpfer und Vater, von Gott, dem Sohn Jesus Christus und von Gott, dem Heiligen Geist.
Solche Propheten bewirken Heilung und Heil, warnen, führen und begleiten Menschen und sind im wahrsten Sinne des Wortes segensreich.
Elia ist nur einer von vielen Propheten im Alten und Neuen Testament und in der weiteren Geschichte des Judentums und des Christentums. Wie Elia sagten später die Propheten Jesaja, Jeremia und Hesekiel auf Gottes Anordnung hin Unheil voraus, weil das Volk Israel seine Wege immer wieder missachtete. Und Propheten, die Kritik üben, deren Leben ist bedroht. Davon erzählt die Bibel immer wieder.
Elia muss fliehen, ein machtbewusster König lässt sich nicht von einem hergelaufenen Propheten herausfordern, er duldet keinen Widerstand. Das kennt man auch von heutigen Diktatoren. Und damals wie heute gab es auch liebedienerische Hofpropheten, die dem König und den Führungspersonen in Staat und Politik nach dem Munde redeten und sehr zu ihrem Schaden nur Gutes voraussagten. Auch mit solchen falschen Propheten mussten sich die Propheten im Namen Gottes auseinandersetzen.
Elia prophezeit auf der einen Seite eine Katastrophe für den König Ahab, auf der anderen Seite wird er zum Lebensretter für eine arme Witwe und ihren Sohn. Er wird von Gott am Leben erhalten durch eine Frau, die eine ganz andere Religion hat, das hat mich beeindruckt.
Elia scheint durchaus zu differenzieren: Hier die Königin Isebel, die einen heidnischen Fruchtbarkeitskult verbreitet und ein ganzes Volk in die Irre führt, dort eine vom Hungertod bedrohte Frau, eine Witwe, die einem anderen Volk angehört und durch andere religiöse Werte geprägt ist. So wird aus dem Unheil verkündenden Propheten ein Retter, der aus Gottes Barmherzigkeit heraus helfen kann, über die Grenzen der Religionen hinweg.
Er beweist seine Fähigkeit zur Toleranz in dieser Geschichte. Auch das können Gottes Wege sein. Die Barmherzigkeit Gottes überwindet auch die religiösen Grenzen.
Elia ist von Gott beauftragt mit den alttestamentlichen Einführungsworten: Da kam das Wort des HERRN zu ihm. Diese Überzeugung brennt in ihm, so dass er den Worten Gottes Taten folgen lassen muss. Seine ganze Existenz hat er mit der Verkündigung dieser Prophezeiungen aufs Spiel gesetzt. Dazu braucht er Gottvertrauen. Das muss er sich gegen seine Existenzangst erkämpfen. Immer wieder wird er nach den Erzählungen im Königebuch des Alten Testaments dabei von Gott angewiesen und geleitet. So findet er die Kraft zum Widerstand und die Kraft zur Überwindung auch religiöser Grenzen. Er weiß sich  von Gott gespeist, direkt und indirekt, und von Gott gerettet durch diese ebenfalls von der Klimakatastrophe bedrohte Frau.
Um Voraussagen und Prophezeiungen ernst zu nehmen und sich danach zu richten, bedarf es auch heute eines urtümlichen Gottvertrauens. Er wird es richten, er wird es hoffentlich gnädig richten, wir brauchen Vertrauen in Gott und die Demut, nicht unser eigenes Profil in den Vordergrund zu stellen. Mit diesem Vertrauen als Grundlage können wir uns auch den Prophetien und Voraussagen der heutigen Zeit stellen und prüfen, ob sie Gottes Wort ernst nehmen und uns nicht an der Nase herumführen. Dieses Vertrauen befreit uns nicht von Auseinandersetzungen, von schlimmen Erfahrungen und Zweifeln, aber die Grundüberzeugung: Gott ist mit uns, die lässt hoffen. Dafür sind Elia, für mich auch der Archimandrite Father Lazarus und ein solcher Missionar, ein Beispiel.

Propheten warnen, Propheten kündigen im Auftrag Gottes Heil oder Unheil an, Propheten leben gefährlich, und trotzdem: Propheten handeln!

Im Alten Testament wird im Übrigen der kommende Messias mit dem Namen Immanuel vorausgesagt. Das heißt übersetzt: Gott ist mit uns. Er ist über die hebräische Bibel hinaus für uns Christen der Maßstab für Glaube und Liebe und für Hoffnung auf  heilsame Bewahrung in dem, was auf uns zukommt.
Wie sagt es ein gewagter Satz aus dem 18. Psalm?
Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen. (Ps 18, 30). Das ist sicher ein beispielhaftes Gottvertrauen. AMEN

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Paul Geiß: 

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ein normaler Gemeindegottesdienst nach Abklingen der Pandemie, ich möchte die Predigthörenden mit hineinnehmen in eine spannende Geschichte aus dem AT, die auch heutigen Situationen nicht unähnlich ist mit ihren hierarchischen Abhängigkeiten, Machtmissbrauch und Gefahren, wenn man sich als ProphetIn exponiert.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Die Entdeckung: Propheten gibt es auch heute, damit habe ich eigene Erfahrungen als Pfarrer und Seelsorger. Unheilspropheten, aber auch liebenswürdige Eiferer im Namen Gottes, die Liebe und Barmherzigkeit tatsächlich leben.

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Ein Urvertrauen in Gottes Güte, die Parallelität von biblischen Geschichten mit heutigen Herausforderungen, die alten Geschichten sind aktuell. Ich gehe gegen auch eigene Zweifel immer wieder davon aus: etsi Deus daretur. Nur deshalb kann ich predigen.

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Ich bin bei Predigtvorbereitung eher ein Peripatetiker, der seine Gedanken über einen vorgegebenen Bibeltext gern im vertrauensvollen Gespräch beim Gehen entwickelt.
Das Predigtcoaching ist hilfreich, wenn es theologisch und redaktionell Gedanken präzisiert, auf sprachliche Defizite und Gedankensprünge hinweist und Unnötiges benennt. So waren die Feedbackanstöße durch den Coach hilfreich. Das kann ich als Methode nur jeder und jedem Predigenden empfehlen.

Perikope
Datum 18.07.2021
Bibelbuch: 1. Könige
Kapitel / Verse: 17,1-16