exegetisch-systematisch-theologische Gedanken zu Philliper 3,7-14 von Thomas Bautz
3,7-14

Eine Umkehrung der Werte – Paulus erachtet seine jüdische Herkunft als gesetzestreuer Pharisäer nach seiner „Bekehrung zu Christus“ (Damaskus-Erlebnis) nur noch als „Dreck“.

Seit den 1980er Jahren wird eine neue Perspektive in der Paulusforschung diskutiert. Dabei betrachtet man Herkunft und Theologie des Paulus unter Aspekten jüdisch-christlicher Beziehungsgeflechte.

Wir sehen Paulus gewöhnlich als Lehrer: Christologie und Rechtfertigungslehre sind zentral. Allein wer „durch Gottes Gnaden“ an Christus glaube, könne vor „Gott“ bestehen. Es bedürfe keiner eigenen Taten, schon gar nicht der „Gesetzeswerke“ bzw. der Erfüllung des Gesetzes, um vor „Gott“ als gerechtfertigt zu gelten. Diese Lehre provoziert mehrere Missverständnisse.

Ich möchte Paulus mit seiner Verwurzelung im Judentum, vor allem aber mit Rabbi Jesus, dem historischen Jesus, dem Jesus der Evangelien und seiner Verkündigung konfrontieren. Schalom Ben-Chorin meint, Paulus habe „das Joch des Gesetzes in seiner ganzen Schwere empfunden, nicht aber die Freude am Gesetz.“ An der Entwicklung seines „Gesetzesverständnisses“ wird klar, dass sie „eine Frucht der würgenden Angst des Paulus vor dem Gesetz und seinen Konsequenzen“ ist. Die kraft seiner Vision von „Christus“ geglaubte „Erlösung von der Sünde“ (Zielverfehlung) erkennt er als „Erlösung vom Gesetz“. [1]

Doch wenn Barmherzigkeit, Gnade, Liebe Gottes jedem Menschen vorbehaltlos gilt, wozu bedarf es dann noch einer Rechtfertigung? Oder soll sich Gott womöglich rechtfertigen, weil er so gütig ist? „Habe ich etwa nicht das Recht, mit dem, was mein ist, zu tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich gütig bin?“, so schließt das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,15).

Die paulinische Rechtfertigungslehre, die Luther als so befreiend erlebt und dann gegen den Katholizismus verwendet hat, täuscht darüber hinweg, dass Rechtfertigung und Glauben der hebräischen Bibel oder dem Ersten Testament keineswegs fremd sind. Einem der berühmten und zentralen Gestalten Israels, Abram, wird sein Gottvertrauen als Glaubensgerechtigkeit angerechnet. Als der Patriarch Abraham ist er und sein Glaube in den abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum, Islam bis heute gegenwärtig.

Um ein Gott wohlgefälliges Leben führen zu können, versucht man nach seiner Weisung und nach seinen Lebensregeln („Vorschriften“, Geboten) zu leben. Die zu verwirklichende Frömmigkeit hat unverzichtbar eine soziale, zum Teil sogar sozialpolitische Komponente oder Dimension. Gottesglaube ohne deutlichen Bezug zum Menschen ist widersprüchlich. Der Jude rechtfertigt sich nicht selbst und beruft sich auch nicht auf seine Taten und Werke, wie die Rechtfertigungslehre unterstellt. Er wird – wenn überhaupt – von Gott gerechtfertigt.

Zur Zeit des Paulus gibt es wesentlich mehr Juden, die dem christlichen Glauben beitreten, als dass es zunächst innerhalb des Paganismus, dem „Heidentum“, tieferes Interesse gäbe. Die aus der Jesusbewegung hervorgehenden Gruppen gelten anfangs als Zweig innerhalb des Judentums. Man hat zunächst auch keine Probleme mit der Tradition jüdischer Gebräuche, zum Beispiel: die Beschneidung als Zeichen der Zugehörigkeit zum Volk Israel, Einhalten des Schabbat, der Tempelbesuch und Speisegesetze.

Paulus vermag sich mehrfach in seinen Briefen als vorbildlicher Pharisäer auszuweisen, der streng nach dem „Gesetz“ lebt. Zu seiner Zeit wird aber bereits die gesamte hebräische Bibel als Tora, als Weisung betrachtet und studiert. Keineswegs nur die ersten fünf Bücher, was das von ihm verwendete griechische Wort für „Gesetz“ (nomos) aber suggeriert.

Das Leben mit und nach der Tora als Weisung Gottes wird schon in prophetischen Büchern und in der Weisheitsliteratur Israels als etwas Wohlschmeckendes, als Honig und als etwas Lebenserhaltendes angesehen. Das ist kein „Leben nach dem Gesetz“, wie es Christen noch bis Mitte des 20. Jh. und zum Teil noch heute so gern karikieren. Übrigens werden die insgesamt 613 Lebensregeln nur von einer Minderheit im Judentum befolgt. Für alle jüdischen Richtungen sind aber die Zehn Gebote, das Doppelgebot der Liebe, Feindesliebe und die sogenannte Goldene Regel („Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst“) zentral.

Die Beschneidung wird bis heute auch im liberalen Judentum noch diskutiert. Sie hat auch medizinische und juristische Komponenten. Ihre religiöse Wurzel und Bedeutung bleibt grundsätzlich unbestritten. Rückblickend ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass Paulus derart beleidigend und polemisch gegen Judenchristen und indirekt gegen das Judentum wettert, wobei er obendrein das von ihm konstruierte Christentum als einzige Alternative hinstellt (Phil 3,2-3): „Seht euch die Hunde an, seht euch die bösen Arbeiter an, seht euch die (Männer der) Verschneidung an! Denn wir sind die (rechte) Beschneidung, die wir Gott im Geiste dienen und unsern Ruhm in Christus Jesus suchen und unser Vertrauen nicht auf das Fleisch setzen (…).“

„Nehmt euch in Acht vor den elenden Hunden, den falschen Missionaren, den Zerschnittenen! Denn die wirklich Beschnittenen sind wir, die der Geist Gottes befähigt, Gott in der rechten Weise zu dienen. Denn wir bauen nicht auf Vorzüge, die irdisch und menschlich sind, sondern rühmen uns allein damit, dass wir zu Jesus Christus gehören.“

Es ist doch eine grobe Unterstellung, nur den Christusgläubigen zuzubilligen, „Gott in der rechten Weise dienen“ zu können. Die Verkündigung des Rabbi Jesus in den Evangelien hat bei aller Einzelkritik einen anderen Tenor. Im Übrigen ist er nicht gekommen, um die Tora aufzulösen – kein Iota soll davon vergehen –, sondern zu erfüllen oder ans Ziel zu führen.

Jesus von Nazareth warnt zeitlebens vor seinen „Nachfolgern“, die Lügen verbreiten und viele Gutgläubige verführen werden. Sie berufen sich auf Christus Jesus. Doch nur denjenigen, die „den Willen meines himmlischen Vaters tun“, die man an ihren Früchten erkennt, soll man folgen.

Paulus ist niemals in der Gefolgschaft des historischen Jesus gewesen, obwohl er ihm hätte begegnen können. Denn Rabbi Jesus ist sicherlich in Palästina und Kleinasien als Wanderprediger bekannt gewesen. Paulus müsste auch Wesentliches aus der mündlichen Evangelientradition erfahren haben. Die schriftliche Abfassung der Evangelien erfolgt erst nach dem Tode des Apostels. Erstaunlich ist, dass man in seinen Briefen kaum Bezüge auf die Evangelientradition oder eindeutige Anknüpfungen an die Spruchsammlung mit Worten des Nazareners findet. Vermutlich hat er aus diesem Grund ein eigenes Lehrgebäude geschaffen, untermauert mit vielen, meist aus dem Kontext gerissenen „Zitaten“ des Ersten Testaments.

Entsprechend weist die Theologie des Paulus wenige Gemeinsamkeiten mit jesuanischer Verkündigung auf. Sein Bekehrungserlebnis bei Damaskus finde ich ähnlich fragwürdig wie später dasjenige von Konstantin dem Großen. Was löst eine „Bekehrung“ aus? Worin besteht sie? Was bewirkt sie?

Obwohl sich Paulus nach Quellenlage sehr stark mit dem „Gesetz“, mit der jüdischen Tradition identifiziert, nimmt die neuere Paulusforschung an, das der Apostel vor seiner „Bekehrung“ möglicherweise unterschwellig, unbewusst einen inneren Konflikt mit dem „Gesetz“ auszufechten hat. Deshalb unterstreicht er seine Herkunft und Gesetzestreue, versteigt sich in Selbstruhm und „Narrenrede“:[2] Er weist auf die Verfolgung der christlichen Gemeinde hin. Er ist als Pharisäer, als „übermäßiger Eiferer für die väterlichen Überlieferungen“ (Gal 1,13-14), im Sinne der „Gesetzesgerechtigkeit“ ohne Tadel. Man könnte den Rückblick des Paulus auf die eigene Vergangenheit ganz nüchtern als autobiographisches „Memorandum“ verstehen[3], aber selbst wenn dies zuträfe, überwiegt doch die eindeutig polemische Funktion.

Paulus plagt die Tatsache, dass er nicht direkt wie die anderen Apostel, allen voran Petrus, vom Nazarener unter Zeugen, sondern durch eine „Offenbarung“ berufen worden ist. Man mag mutmaßen, dass er den ungebildeten Fischer Petrus deswegen gehasst hat.[4] Doch Paulus macht aus der Not eine Tugend und spielt während seiner erfolgreichen Mission immer wieder einen Trumpf aus: Er verkündet den „Heiden“, der paganen Gesellschaft und Kultur, einen „freien“ Zugang zur christlichen Religion ohne Umweg über die mosaischen Gesetze.[5] Auf dem Weg zu einer „Weltkirche“ braucht Paulus Autorität, die sich normalerweise auf ein direktes Mandat – wie im Falle des Petrus – stützt. Der Heidenapostel muss dauernd betonen, er habe seine Berufung direkt von „Gott“ erhalten.[6]

Der übereifrige missionarische Drang des Paulus speist sich aus seiner radikalen Abwendung von seiner ehemaligen geistigen, religiösen Heimat. Er treibt es bis zu einer Umwertung der Werte: Nur Christusgläubige sind jetzt das „Israel Gottes“. Sie legen nun die hebräische Bibel „richtig“ aus und gebrauchen sie „als Waffe gegen die Juden des Alten Bundes“, denn die Juden seien „vom Glauben abgefallen“.[7] Doch was bedeutet die Tora für den Juden?

Die Lebensregeln, die Worte der Tora sind für Paulus nicht wie „Honig“, sondern haben für ihn offenbar einen mehr als bitteren Beigeschmack. Deshalb verfällt er nach der Bekehrung ins Gegenextrem und verachtet sein früheres „Leben unter dem Gesetz“ als Müll, als vergeudete Zeit, als Verlust. Das „neue Leben in und mit Christus“ hingegen bezeichnet er als Gewinn. Wenn es stimmt, dass in Paulus schon Zweifel am theologischen Wert des „Gesetzes“ gären, die ihm während der Verfolgung der Christen nicht bewusst sind, die er vielmehr übertönen muss, nimmt es nicht Wunder, dass sein Fanatismus angesichts der Christusvision umschlägt: Darum sind Konvertiten die schlimmsten Fanatiker.[8]

Mag für Paulus der „Einbruch der Christuswirklichkeit“, „die Erkenntnis Christi Jesu“ (Phil 3,8) entscheidenden Gewinn für das Leben bedeuten, „weil er sein eigenes Leben in das Sterben und Auferstehen Jesu hineingenommen sieht“, mag er dadurch teilhaben am „Leben in der Gemeinschaft mit seinem Ursprung, mit Gott, ein Leben, das deshalb Bestand hat“, auch durch Leid- und Todeserfahrungen im Leben hindurch – so stellt sich dennoch für uns heute ebenfalls „die Frage nach der Lebensrelevanz“.[9]

Für mich hat die Verkündigung des Jesus der Evangelien unvergleichlich mehr Relevanz für mein Leben als ich es von der Theologie des Paulus zu sagen vermag. Ich darf daran erinnern, dass ein ernsthaftes Interesse an Jesus von Nazareth erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder erwacht ist. Dem Judentum war ein unbeschwerter, sachlicher Zugang durch die seit der Niederschrift des Johannesevangeliums und der Lehre einiger Kirchenväter sich ausbreitenden antijudaistischen Tendenzen verwehrt. Erst seit ein paar Jahrzehnten haben jüdische Gelehrte den Nazarener als Rabbi Jesus entdeckt.

Kirchliche, dogmatische, überwiegend von Paulus bestimmte Theologie ist bis heute sehr stark von theoretischen Konstrukten geprägt, die den Dialog mit dem Judentum erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen – allen voran christologische und trinitarische Dogmen. Doch hat die durch die Shoa entstandene Schuld gegenüber den Juden bewirkt, dass man teils mit schlechtem Gewissen, teils mit offenem Herzen interreligiöse Gespräche führt und auch Interessensgemeinschaften gegründet hat.

Nach meiner Erfahrung muss sich kirchliche, dogmatische Theologie selbstkritisch fragen, inwieweit sie wirklich am Jesus der Evangelien interessiert ist. Allerdings ist Jesus von Nazareth nicht „der Christus“. Unverkennbar aber haben sich Kirche und Theologie die Deutungsmacht über Leben und Person des Rabbi von Nazareth vorbehalten. Entsprechende Begriffe hindern interessierte Menschen an der Suche nach der Persönlichkeit Jesu und nach zentralen Gedanken seines Evangeliums.

Theologischer, kirchlicher Sprachgebrauch mündet in „verbale Ikonolatrie“ („Vergötzung“, Verabsolutierung bestimmter Fachausdrücke), „die dazu führt, in den Wörtern heilige Ikonen zu sehen“, die dann als unverzichtbar angesehen und gebetsmühlenartig wiederholt werden. Joachim Kunstmann fordert „die Rückkehr zur Botschaft Jesu“ als „einzige Alternative“ zu den „Zumutungen eines metaphysisch-dogmatisch normierten Wahrheits-Glaubens“ im Sinne kirchlich hausgemachter Christologien.[10] Wichtig ist auch die Bejahung freier, nicht kirchlich gebundener Religiosität und Distanziertheit zur Kirche – beides hat ein „theologisches Recht“.[11]

Solch ungenormte Religiosität spricht meist keinen kirchlich geprägten Jargon, hat aber den deutlichen Lebensbezug. Dem wäre deshalb eher in der Sprache Jesu zu begegnen, der das Wichtigste in Gleichnissen und Bildworten sagt, die aus dem Leben stammen. Glaube, der mit dem Alltagsleben nichts zu tun hat, verliert an Lebendigkeit und stirbt langsam, bis nur noch die Hülle übrig bleibt. Einer Lebenskrise oder ernsten, massiven Zweifeln vermag ein solcher Glaube kaum wirksam zu begegnen.[12]

Kirche als Institution und private religiöse Bedürfnisse stehen in prinzipieller Spannung zueinander. Individuelle Selbstverwirklichung und religiöser Systemerhalt gehen nicht bruchlos zusammen.[13] Noch heute wird Menschen, die in den Kirchen Gemeinschaft suchen und vermutlich etwas „von Gott erfahren“ wollen, vieles abverlangt, was mit ihrem Alltagsleben wenig zu tun hat: Formelhafte Bekenntnisse, die selten einmal reflektiert werden, vorformulierte, nicht frei gesprochene Gebete, genauestens festgelegte liturgische Formeln oder Texte und vieles mehr – eine im Wesentlichen lebensfremde Sprache.

Den Bruch zwischen „Gottesdienst“ und Alltagsleben habe ich häufig daran erkannt, dass selbst unter den Besuchern, die hinterher noch im Kirchencafé sitzen, nur selten über die Predigt oder den Gottesdienst insgesamt gesprochen wird. Freilich wird es auch Gemeinden geben, in denen man einen regen Gesprächsaustausch erfahren kann. Insgesamt drängt sich mir aber der Eindruck auf, als wäre alles um diesen kirchlich geprägten Glauben herum ein Stück Kulturgut, das man miteinander teilt; man hat etwas gemeinsam, woran man festhält.

Dies ist sicher löblich, aber es hat kaum etwas mit einer Gemeinschaft im biblischen Sinne zu tun. Den Aposteln zur Zeit des Neuen Testaments geht es nur zweitrangig um das Hochhalten von Bekenntnissen, die sich allzu rasch in Lippenbekenntnisse verwandeln. Sie stellen sich ein lebhaftes Miteinander in den Gemeinden vor. Eine Gemeinschaft mit sozialem, diakonischem Engagement für die Armen, Notleidenden, Schwachen. Gemeinde, in der einer den anderen höher achtet als sich selbst. Gemeinschaften, in der man einander mit verschiedenen Gaben dient, zur Erbauung aller. Gemeinde, worin floskelhaftes Reden schnell entlarvt und hochmütiges Gerangel um gewisse „Pöstchen“ bloßgestellt wird.

Natürlich können viele Gemeinden sozial-diakonische Arbeit vorweisen. Sie ist ohnehin meist institutionalisiert. Dagegen ist der menschenwürdige, respektvolle Umgang miteinander, ganz besonders den Querdenkern gegenüber noch sehr defizitär. Das liegt am mangelnden Willen zur echten, offenen Auseinandersetzung, sowohl mit der anderen Persönlichkeit wie auch mit dem eigenen und dem fremden Glaubensverständnis. Wichtig bleibt dabei „das Verstehen des geschichtlichen Phänomens Jesus, das überhaupt erst zur Tradition geführt hat“. Der tradierte „Christus“ ist aber nicht mit „Jesus“ identisch.[14]

Der Titel „Jesus Christus“ ist Konstrukt, Bekenntnis, Programm. Demgegenüber verhalten sich viele Evangelientexte, besonders „Jesusworte“ sperrig und mitunter widersprüchlich. Der historische Jesus hat zwar ein starkes Selbstbewusstsein. Er sieht sich als bevollmächtigtes Sprachrohr Gottes, wie viele Propheten in Israel vor ihm. Doch wäre es auch für ihn „blasphe-misch“, schriebe man ihm ein irgendwie „einzigartiges Gottesverhältnis“ zu, weil eine solche Beziehung dann die allgemein menschlichen Möglichkeiten einer Gotteserfahrung überträfe.

Vielmehr zeigt sich beim Rabbi Jesus diesbezüglich so viel Sensibilität, wie sie umgekehrt spätere christologische Überarbeitungen der Evangelientexte vermissen lassen.

„Der geschichtliche Jesus muß dem idealen Christus allzeit den Sockel unter den Füßen wegziehen […], denn eine 'Idee' vereint sich schließlich mit jeder Weisheit und jedem Eigendünkel und leiht ihnen ihren Heiligenschein. Aber der historische Christus […] steht nicht auf einem Sockel, er wandelt wirklich auf dem Markt des Lebens und zwingt das Leben, seinem Blick stille zu halten“.[15]

Zu Beginn einer Erzählung begegnet Jesus einem, der vor ihm niederkniet und wissen will, was er tun müsse, „um ewiges Leben zu erben“. Der Rabbi erfährt die Anrede „guter Lehrer“, die Jesus aber zurückweist: „Was nennst du mich gut? Keiner ist gut, außer Gott allein.“

Ich wünsche uns eine neue, kritische Sicht paulinischer Theologie und eine neugierige Suche nach dem Jesus der Evangelien, von dem zu lernen allemal unser Leben bereichert. Das Ziel, das Paulus sich gesetzt hat, dem er „nachjagt“ (Phil 3,12-14), kann nicht mein Ziel sein.

Literatur

Joachim Gnilka: Der Philipperbrief, HThK X (1968); Christoph Schluep-Meier: Der Philipperbrief/ Der Philemonbrief (2014); Hans Dieter Betz: Studies in Paul’s Letter to the Philippians, WUNT 343 (2015): III. An Autobiographical Memorandum (Phil 3:1b-21); Thomas Schmeller: Zwei Narrenreden? 2Kor 11,21b-33 und Phil 3,2-11 im Vergleich, in: Der Philipperbrief des Paulus in der hellenistisch-römischen Welt, hg.v. Jörg Frey/ Benjamin Schliesser, WUNT 353 (2015); Christian Dietzfelbinger: Die Berufung des Paulus als Ursprung seiner Theologie, WMANT 58 (1985); Gerd Theißen: Psychologische Aspekte paulinischer Theologie, FRLANT 131 (1983); Franz Rosenzweig: Der Stern der Erlösung. Mit einer Einführung von Reinhold Mayer u. einer Gedenkrede von Gershom Scholem (1988); Schalom Ben-Chorin: Paulus. Der Völkerapostel in jüdischer Sicht (1970; 1981); James D.G. Dunn: The New Perspective on Paul, WUNT 185 (2005); Weddig Fri />


[1] Schalom Ben-Chorin, Paulus: Leiden am Gesetz, 52-65.58f.

[2] vgl. Schmeller, 189-205.

[3] Betz, 47-67.

[4] Mertz, 30.

[5] AaO, 29.

[6] AaO, 31.

[7] Vgl. Fricke.

[8] Theißen, 237.

[9] Bauspieß, 94-97.96.

[10] Kunstmann, 179.

[11] Kroeger, 15. Vgl. auch: Kunstmann, 120.

[12] Jörns, 41.

[13] Kunstmann, 121.

[14] Schweizer, 672.

[15] Rosenzweig, 460-461.

Perikope
24.07.2016
3,7-14