Freude ohne Grenzen - Predigt zu Johannes 2, 1-11 von Andreas Schwarz
2, 1-11

Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus spricht zu ihr: Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm. Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten's, die das Wasser geschöpft hatten –, ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Der Blick ins Kirchenbuch unserer Gemeinde offenbart, was im vergangenen Jahr zu erleben war. Nur sehr wenige Trauungen haben stattgefunden. Kein Wunder. In den ersten Monaten war es noch zu kalt. Und dann wurde das Leben so stark eingeschränkt, dass Hochzeitsfesten die Freude abgeschnitten wurde. Wer will denn da heiraten? Unter solchen Bedingungen. Mit Abstand. Begrenzte Zahl an Gästen. Nicht singen. Nicht tanzen. Was soll das für eine Hochzeit werden? Dann lieber warten, bis es wieder geht. Aber dann ging es das ganze restliche Jahr auch nicht richtig.

Natürlich wäre eine Hochzeit rechtlich gültig, wenn das Paar mit ganz wenigen Gästen zum Standesamt geht. Ein Gläschen Sekt zum Anstoßen draußen vor der Tür trinkt. Und alle gehen nach Hause.

Aber eine Hochzeit ist doch ein Fest. Ein großes. Ein fröhliches. Ja, ein ausgelassenes. Weil Menschen verliebt sind. Weil sie sich auf gemeinsame Zeit freuen. Weil sie von einer schönen Zukunft träumen. Und alle sollen an dieser Freude teilhaben. Eltern und Geschwister. Freunde. Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen,

Großeltern, Nichten und Neffen. Und alle sollen Spaß haben. Sie sollen gut essen und trinken. Sie sollen fröhlich sein. Sie sollen singen und tanzen. Das Leben ist schön.

Das stimmt so oft nicht. Aber jetzt soll das Schöne am Leben gefeiert werden. Einmal im Leben. Das jedenfalls ist der Plan. Und es ist das, was die Beiden sich gegenseitig versprechen. So ausgiebig und lange wie möglich soll das gefeiert werden. Ohne Einschränkung und ohne schlechtes Gewissen. Da ist kein Gedanke an morgen oder übermorgen oder nächste Woche.

Da ist auch keine Furcht vor dem Tag danach, vor dem Kater oder dem Aufräumen. Feiern. Jetzt. Heute und morgen und die ganze Woche. Wenn es um die Liebe geht. Und um das Leben. Wenn es um das Leben geht, das zwei Menschen führen und genießen. Und das Leben, das aus ihrer Liebe entstehen darf, sie zu einer Familie macht. Das ist dann die reine Freude. Die Gott schenkt und gönnt. Herrlich!

Wie unangenehm, wenn diese herrliche Freude am schönsten Tag des Lebens getrübt wird.

Zum Beispiel dadurch, dass der Wein alle ist. Es ist dann völlig egal, ob mehr Gäste da waren. Ob einige mehr getrunken haben, als gedacht Oder ob einfach zu wenig bereit gestellt war. Er ist alle. Die Gäste möchten weiter trinken.

Hinter den Kulissen wird es unruhig. Gastgeber geraten in Panik. Wie peinlich, wie unangenehm. Wie soll das gerettet werden? Alle, die es mitbekommen, denken und überlegen mit. Auch Maria. Ich sag’s mal meinem Sohn, vielleicht weiß der, wie das hier hinzukriegen ist. Aber das geht völlig daneben. Ganz unfreundlich wird sie abserviert.

Es ist nicht meine Aufgabe, bedrohte Hochzeitsfeiern zu retten. Es gibt wohl Schlimmeres als das. Wenn das Leben selbst eingeschränkt wird. Wenn es bedroht wird. Durch Krankheit oder Gewalt. Durch den Tod.

Niemand ahnt, wem wann welche Stunde schlägt. Jesus schon. Er kennt seinen Weg. Er weiß, was kommt. Später, wenn diese Hochzeit längst vorbei ist. Wenn niemand mehr darüber spricht, dass der Wein alle war. Er weiß, dass Menschen auf ihn hören und ihm vertrauen,

dass sie ihm danken dafür, dass er sie geheilt, sie befreit hat. Aber er weiß eben auch, dass manche darauf aus sind, ihn loszuwerden. Er weiß, welchen Weg er gehen muss und gehen wird. In die Stunde hinein, in der niemandem nach Feiern zumute ist. In der Trauer angesagt ist, Abschied.

Das ist dann der Sieg des Todes. Da gibt es keinen Wein mehr, keine Freude, kein Leben.

Was aber, wenn Jesus zu den Menschen gekommen ist, um das Leben zu bringen? Wenn er eine Freude schenkt, die bleibt? Wenn er für Wein sorgt, damit es fröhlich zugeht? Dauerhaft. Ohne Ende.

Als wolle er sich nicht vereinnahmen lassen. Nicht von seiner Mutter. Nicht von dem Gastgeber der Hochzeit. Und auch nicht von denen, die still applaudieren, dass er dem Saufgelage nicht weiteren Zufluss liefert. Weil er zu erkennen gibt, dass er kein Erfüllungsgehilfe irgendwelcher Erwartungen ist.

Sondern dass er der ist, der verwirrt und erstaunt. Der frei entscheidet und handelt. Dass er bei allem, was er sagt und tut, das Leben im Blick hat. Und die Freude daran und darauf.

Ja, ich weiß. Immer habe ich es gehört. Dass Jesus für dieses Wunder kritisiert wurde. Wie kann er nur! Solche Mengen an Alkohol. Was ist das denn für ein Zeichen? Mitzuhelfen, dass Leute sich betrinken. Man kann doch auch ohne Alkohol fröhlich sein. Und überhaupt: Es ist eine ernste Angelegenheit mit dem Glauben.

Immerhin geht es um Leben und Tod. Um Verzicht. Um Distanz zu dieser Welt und was bei ihr gilt. Das Leben ist keine Party. Christen sollten nüchtern sein. Sie sollen wachen und beten. Sie sollen immer einen Blick und ein Herz für die Armen haben. Und jetzt so etwas:

Wasser zu Wein. Richtig viel. Davon können die Gäste lange trinken. Sie können weiter feiern und fröhlich sein. Mit Wein, der sogar noch besser schmeckt als der davor.

Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Ein Zeichen für die Freude, für ein fröhliches Fest. Ein Zeichen dafür, dass Jesus gekommen ist, damit Menschen leben. Er weiß von seiner Stunde; Er weiß von seinem Leiden und Sterben. Er weiß auch von all dem Elend der Menschen. Und doch hilft er zu ausgelassener Freude.

Gegen das schlechte Gewissen. Gegen die Moralprediger und Mahner: Das darfst du nicht. Das sollst du nicht. Und wenn schon Hochzeit, dann trink doch Wasser oder Saft. Nein. Wein. Wo Jesus ist, geht es um das Leben. Um das gute Leben. Um das Leben, das nicht eingeschränkt ist, nicht abgebremst. Sondern um das Leben, das frei und fröhlich ist.

Das Leben, das mit Jesus zu den Menschen kommt, wird sich als stärker als der Tod erweisen. Da muss die Freude grenzenlos sein. Und Christen müssen nicht die Spaßbremsen sein. Dafür ist das das erste Zeichen. Mit Jesus kommt die Freude, die größer ist als menschliche Sorge und Leid. Darum gibt es nichts zu mahnen, sondern zu feiern.

Natürlich warten Liebende auf eine Zeit, in der sie wieder fröhlich feiern können. Ohne Einschränkung und Abstand.  In der sie festlich essen, fröhlich singen und ausgelassen tanzen. Und Wein trinken. Ohne schlechtes Gewissen. Mit viel Freude. Und als Zeichen. So ist es, wenn Jesus kommt. So wird es einmal immer sein. Bei ihm und mit ihm.

Jesu, meine Freude, meines Herzens Weide. Jesu, meine Zier. Weicht, ihr Trauergeister, denn mein Freudenmeister, Jesus tritt herein. Jesu, meine Freude.

Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Pfarrer Andreas Schwarz

1.    Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Die Situation wird im Beginn der Predigt kurz beleuchtet. Das Jahr 2020 ist seit März extrem eingeschränkt, was besonders für Hochzeitsfeiern relevant war und ist. Mehre-re geplante Hochzeiten wurden abgesagt, bzw. ins Jahr 2021 verschoben. Was eine Hochzeitsfeier vor allem ausmacht – viele Gäste, Feier ohne Beschränkung – war und ist nicht möglich. Einige wenige Trauungen fanden statt, hatten aber mit den Beschrän-kungen zu kämpfen und waren am Ende nur ein schmaler Kompromiss. Das Wesen ei-ner Feier war kaum erkennbar.

2.    Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Die Erfahrung, Jesus in der Erzählung durch Johannes so kennen zu lernen, dass er sich den Mahnern widersetzt, dass er frei ist, sich dem Vorwurf auszusetzen, er sein Fres-ser und Säufer. Dass von grenzenloser Freude die Rede ist, zeichnet ein irgendwie fremd bleibendes und doch befreiendes Bild von Jesus.

3.    Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Du sollst dir kein Bildnis noch Gleichnis machen. Wenn ich glaube, ein klares und festes Bild davon zu haben wie Jesus ist, wie er redet und handelt, dann muss und möchte ich mich korrigieren lassen. Ich möchte mich auch bei bekannten Texten noch überra-schen lassen und an Jesus und seiner Verkündigung Neues entdecken.

4.    Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Es kam – erneut – zu einem sehr angenehmen und hilfreichen Austausch mit dem Coach. Die sehr differenzierte und ausführliche Wahrnehmung hat mich Dinge an meinen Formulierungen und vor allem auch an Stilelementen entdecken lassen, die zur Bearbeitung der vorliegenden Predigt geführt. Dafür bin ich dankbar und auch für künftige Arbeit (hoffentlich) sorgsamer.

Perikope
17.01.2021
2, 1-11