Fröhlich soll mein Herze springen - Christus ist geboren! Predigt zu Ex 2,1-10 von Matthias Rein
2,1-10

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus!

Liebe Gemeinde,

„Fröhlich soll mein Herze springen
dieser Zeit, da vor Freud alle Engel singen.
Hört, hört, wie mit vollen Chören alle Luft laute ruft:
Christus ist geboren.“

So jubelt Paul Gerhard in einem Weihnachtslied, gedichtet 1653.
„Fröhlich soll mein Herze springen – Christus ist geboren.“
So klingt Weihnachten. In diesem Klang feiern wir heute das Fest der Geburt Jesu.

Wie es bei Jesu Geburt zuging, haben wir gerade vom Evangelisten Matthäus gehört.
Eine ungewöhnliche, eine besondere Geburtsgeschichte. Es geht um Zweifel und Furcht, aber auch um den Gehorsam des Josef. Es geht um Gottes Verheißung und Gottes Wirken. Es geht um den Namen Jesus und den Namen Immanuel. Gott rettet. Gott ist mit uns.

Wir schauen heute am 1. Tag des Christfestes von dieser besonderen Geburtsgeschichte zu einer anderen Geburtsgeschichte.
Sie erzählt von der Bedrohung eines neugeborenen Kindes. Sie erzählt von mutigen Frauen und von Gottes verborgenem Handeln. Eine Rettungsgeschichte.
Folgen Sie mir bitte zum Volk Israel vor mehr als 3000 Jahren in Ägypten.
Es geht um den ersten Josef. Um den Sohn der Erzeltern Jakob und Rahel. Er wurde nach Ägypten verkauft. Und dort erlebte er den wunderbaren Aufstieg vom Sklaven zum Minister. Er holte seine 11 Brüder mit ihren Familien ins Land. Sie flohen vor Hunger und Not. Sie erlebten gute Zeiten in Ägypten. Ließen sich dort nieder, wurden heimisch. Die Familien wuchsen. Dann kam ein neuer König an die Macht und alles änderte sich. Sie galten nun als Fremde, als Bedrohung, als zu einflussreich und zu mächtig. Der König unterdrückte und verfolgte das Volk Israel in Ägypten.

Wir hören die Geschichte von der Geburt des Mose. Sie steht im 2.Buch Mose im 2. Kapitel.

21Es ging hin ein Mann vom Hause Levi und nahm eine Tochter Levis zur Frau.2Und sie ward schwanger und gebar einen Sohn. Und als sie sah, dass es ein feines Kind war, verbarg sie ihn drei Monate. 3Als sie ihn aber nicht länger verbergen konnte, nahm sie ein Kästlein von Rohr für ihn und verklebte es mit Erdharz und Pech und legte das Kind hinein und setzte das Kästlein in das Schilf am Ufer des Nils. 4Aber seine Schwester stand von ferne, um zu erfahren, wie es ihm ergehen würde.5Und die Tochter des Pharao ging hinab und wollte baden im Nil, und ihre Dienerinnen gingen am Ufer hin und her. Und als sie das Kästlein im Schilf sah, sandte sie ihre Magd hin und ließ es holen. 6Und als sie es auftat, sah sie das Kind, und siehe, das Knäblein weinte. Da jammerte es sie, und sie sprach: Es ist eins von den hebräischen Kindlein.7Da sprach seine Schwester zu der Tochter des Pharao: Soll ich hingehen und eine der hebräischen Frauen rufen, die da stillt, dass sie dir das Kindlein stille? 8Die Tochter des Pharao sprach zu ihr: Geh hin. Das Mädchen ging hin und rief die Mutter des Kindes. 9Da sprach die Tochter des Pharao zu ihr: Nimm das Kindlein mit und stille es mir; ich will es dir lohnen. Die Frau nahm das Kind und stillte es.10Und als das Kind groß war, brachte sie es der Tochter des Pharao, und es ward ihr Sohn, und sie nannte ihn Mose; denn sie sprach: Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.

Dramatisch geht es zu, liebe Gemeinde. Es geht um Leben und Tod.
Hören wir der Geschichte noch einmal genauer zu.
Eine Mutter in höchster Not. Sie bringt ein Kind zur Welt. Es ist ein feines Kind, wie es in der Luther-Übersetzung heißt. Aber jedes Kind ist fein in den Augen der Mutter, der Eltern. Gerade geborgen, schwebt es in Todesgefahr. Die Mutter will ihr Kind retten. Sie versteckt es. Und sie weiß sich nicht anders zu helfen, als das Kind aus der Hand zu geben. Sie legt es in ein Körbchen und versteckt das Körbchen im Schilf.

Schrecklich. Herzzerreißend.

Ich habe die jungen Frauen vor Augen, die mit ihren Kindern in kleine Boote steigen und aufs Meer fahren in der Hoffnung auf Rettung und besseres Leben. Ich habe die Frauen in Israel und in Gaza vor Augen, die sich vor ihre Kinder werfen, um sie vor Angriffen, Schüssen und Bomben zu schützen.
Die Mutter hofft, ihr Kind irgendwie zu retten. Sie hat einen Plan. Sie sorgt dafür, dass ihr Kind gefunden wird und dass es in gute Hände kommt.
Die Pharaostochter findet das weinende Kind, das Kind in Todesgefahr. Sie sieht: dieses Kind soll sterben. So der Befehl ihres Vaters, des Königs. Sie sieht das weinende Kind, 3 Monate alt. Sie erbarmt sich. Sie widersetzt sich der Anordnung des Königs.

Gefährlich! Mutig!

Und dann die mutige Schwester des Knaben. Sie schaut von Ferne. Sie fasst sich ein Herz und spricht die Königstochter an. Im richtigen Moment. Sie macht einen klugen Vorschlag: Ich kenne eine hebräische Frau, die kann das Kind stillen.
Alle stimmen zu. Die Frauen handeln gegen den Befehl des Königs. Jede trägt dazu bei, dass das Kind weiterleben kann.

Geistesgegenwärtig, mutig, widerständig gegen den Tod.

So wächst der Junge bei seiner leiblichen Mutter auf. Offiziell gilt er als Sohn der Königstochter. Das bedeutet Schutz und Rettung. Als der Junge groß ist, nimmt die Königstochter ihren adoptierten Sohn auf und gibt ihm einen Namen: Mose.
Das heißt übersetzt: Ich habe ihn aus dem Wasser gezogen.
Das kann man aber auch anders übersetzen: Er wird uns aus dem Wasser ziehen.
Und in Ägypten bedeutet der Name einfach Kind.
Mose hat zwei Mütter: seine leibliche Mutter, die ihn stillt, und die Pharaostochter, die ihm den Namen gibt. Zwei Mütter, zwei Familien, zwei Kulturen. Und ein Name, der von Rettung erzählt und Rettung ankündigt. Mose wird sein Volk durch das Schilfmeer führen. So befreit Gott sein Volk.
Gott kommt in dieser Geburtsgeschichte nicht vor. Nicht im Vordergrund. Aber im Hintergrund! Gott bewegt die Frauen zum Widerstand gegen den Tod für das Leben. Gott rettet Mose. Mit ihm hat er noch einiges vor.

Kehren wir zur Weihnachtsgeschichte zurück:
Unter widrigen Umständen kommt Marias Kind zur Welt. Im Stall, mit einem zweifelnden Vater. Und dann erfährt König Herodes von der Geburt eines neuen Königs der Juden. Er befiehlt, alle Kinder in Bethlehem zu töten. Vorsorglich. Josef und Maria fliehen - nach Ägypten.
Wirkt Gott auch hier? Man kann da so seine Zweifel haben. Gottes Geist wirkt die Entstehung des Kindes. Sein Name verspricht Rettung. Die Weisen aus dem Morgenland beten das Kind an.
Aber dann: Todesgefahr, Hilflosigkeit, Flucht.
Gott rettet – durch Mose, durch Jesus.
Was bedeutet dies für uns zu Weihnachten 2023?

Drei Gedanken, liebe Gemeinde:
Ein Kind wird geboren. Neues Leben kommt zur Welt. Dramatisch geht es dabei zu. Für Mutter und Kind Schwerstarbeit. Aber das Kind ist da. Ersehnt, bestaunt, geliebt.
Ein Kind bedeutet: Lebendigkeit, neuer Anfang, Zukunft, Hoffnung.
Gott kommt mit den Kindern in die Welt. Gott kommt als Kind in unsere Welt.

Israels Gründungsgeschichten und die Weihnachtsgeschichte erzählen von der großen Kraft der Frauen. Sie kämpfen für das Leben. Sie leisten Widerstand, sie setzen sich durch. Sie retten das Leben des Kindes.
Gott kommt durch die Kraft der Frauen in die Welt. Sie haben ihren Teil an der Rettung vor Tod und Verderben.

Und das Dritte:
Gott segnet. Oft verborgen, oft im Hintergrund. Aber doch dabei. Durch andere Menschen. Manchmal auch über Umwege. Aber immer für das Leben, für das Ende von Tod und Unterdrückung.

Weihnachten 2023, liebe Gemeinde, trotz allem hören wir den Klang der Lieder, freuen wir uns. Denn das Kind ist da, Maria und Josef werden es beschützen, so gut sie können. Gottes Segen durchwirkt uns und trägt.

„Fröhlich soll mein Herze springen – Christus ist geboren.“

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Dr. Matthias Rein

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Die Predigt halte ich in einem musikalisch reich gestalteten Abendmahlsgottesdienst im Ev. Augustinerkloster Erfurt am 1. Weihnachtsfeiertag. Die Gottesdienstgemeinde besteht aus 50 Teilnehmer*innen einer Weihnachtsfreizeit im Augustinerkloster, Menschen, die regelmäßig zum Gottesdienst ins Kloster kommen, und Gästen der Stadt. Wir feiern im Kapitelsaal, der 100 Menschen Platz bietet und gut gefüllt sein wird.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Mich hat die subversive Widerstandskraft der Frauen aus der Geschichte von Moses Geburt beeindruckt. Gott wirkt im Hintergrund u.a. durch die Frauen. Das ermutigt!

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Die Geschichte von Moses Geburt und Jesu Geburtsgeschiche sind verbunden. Es geht um Erzählmotive, Themen und Namen. Gott rettet – das steht in beiden Geschichten im Zentrum. Hier schließen sich grundsätzliche und aktuelle Fragen an: Gibt es eine Kontinuität des rettenden Handelns Gottes durch die Geschichte? Wie rettet Gott heute? Wo wird Gottes verborgendes Handeln heute sichtbar und erfahrbar?

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Für die Predigt war wichtig: Die Mosegeschichte muss ausführlich erzählt werden. Nicht alle Erzählmotive können aufgenommen werden (z.B. die Geschichte von den mutigen hebräischen Hebammen). Die Predigt soll einen fröhlichen und ermutigenden Grundton haben, trotz schrecklicher Nachrichten von Krieg, Gewalt und Demokratie-Erosion in Deutschland und in der Welt. Sie soll offen und doch grundsätzlich klar von Gottes rettendem Handeln in der Welt künden.

Perikope
25.12.2023
2,1-10