Jesus kam mit den Seinen in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden. (Lk 10,38-42)
I. Marta
Der Lammbraten ist saftig und braun. Gewürzt mit Rosmarin. Ein Meisterstück. Perfekt.
Die Brote außen knusprig und innen zart wie Watte.
Genau so muss das sein.
Das Obst steht schon bereit, Trauben und Feigen, frisch gewaschen, Wasserperlen glitzern darauf.
Dunkler Wein von den Hängen Judas duftet aus den steinernen Krügen. Sie hat den besten aus dem Keller geholt.
Marta ist stolz.
Jesus kommt ins Dorf. Da weiß sie sofort, was sie will.
Sie geht aus dem Haus und ruft: »Kommt herein!«
Die Nachbarn tuscheln: »Marta schon wieder! Benimmt sich, wie der Hausherr persönlich. Lädt einfach Fremde ein. Und wenn die dann da sind, dann wird sie sie auch noch bedienen! Also wirklich! Wie so ein Wirt in der Schenke.«
Und sie kichern: »Jaja, ihr wisst ja, was der Name bedeutet: Marta, ‚die Herrin’. So war sie ja schon immer. Die macht, was sie will.«
Marta weiß Bescheid. Sie sieht wie die anderen die Köpfe zusammenstecken.
Wie schon so oft. Weiß auch, was sie reden. Und es ist ihr egal.
Jetzt wird es eng im Haus. Dreizehn Männer, einige Frauen.
Marta in der Küche. Bereitet das Mahl. Für Jesus. Für die anderen.
Und es wird perfekt.
Sie zeigt, was sie kann. Macht, was sie will.
Sie ist ganz Marta. Eine Königin. Stark und stolz.
Jesus kam mit den Seinen in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. (Lk 10,38-40a)
II. Maria
Das Kissen ist weich.
Maria legt sich auf das Polster vor dem flachen Tisch.
Der steht in der Mitte. Rundherum liegen sie: Petrus, Johannes, Judas und die anderen.
Sie stützen den Kopf auf die linke Hand. Mit der rechten essen sie. Lammbraten mit Rosmarin, das knusprige Brot tauchen sie in gewürztes Olivenöl.
Greifen in die Schüssel mit den Feigen.
Setzen den Becher an und trinken Wein.
Es schmeckt wunderbar.
»Marta, du hast dich wieder selbst übertroffen«, sagt Petrus, als sie hereinkommt und nachschenkt.
Jesus greift zu. Er freut sich über das Mahl. Und über die Liebe, mit der es gemacht ist.
Maria liegt neben Jesus. Sie essen zusammen. Einfach so.
Maria kennt die Blicke der anderen. Das ist jedes Mal so. Sie sagen ja nichts, aber manchmal hat sie sie schon tuscheln hören. »Maria wieder! Als wäre sie ein Jünger! Legt sich einfach neben den Meister. Ist mit ihm. Lernt von ihm.«
Maria weiß das. Und es ist ihr egal.
Jesus kommt, und da weiß sie sofort, was sie will.
Legt sich zu ihm. Isst Brot und trinkt Wein.
Und sie hört. Hört Seine Stimme. Sein Wort. Jedes Wort wie ein Bissen Brot. Wie ein Schluck Wein. Jedes Wort ein Stück Leben.
Sie hört und hört und kann sich nicht satthören an seinen Worten.
Mit offenen Ohren und weitem Herzen.
Sie tut, was ihr wichtig ist. Macht, was sie will. Ist ganz Maria. Eine Königin.
III. Jesus
Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! (Lk 10,40)
Zwei Schwestern.
Zwei Königinnen.
Ganz Maria. Ganz Marta.
Ganz bei Jesus.
Zwei Schwestern.
Zwei Leben.
Ganze Leben.
Leben mit Jesus.
Zwei Herzen, die fühlen.
Ungleiche Schwestern.
Maria denkt die ganze Zeit: »Ach Marta. Leg dich doch auch hin. Komm, iss und trink, sieh und schmecke und höre, wie freundlich der Herr ist. Du machst und machst und tust und tust. Du machst das wunderbar – aber das Wichtigste verpasst du! Hör doch einfach mal hin! Diese Stimme. Diese Worte.«
Und Marta denkt: »Ach, Maria, immer dasselbe! Ich muss alles machen, und du hörst nur zu. Steh doch endlich auf! Du verpasst doch das Wichtigste! Tu endlich was! Kümmer dich! Um Jesus! Um die anderen.«
Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! (Lk 10,40)
Jesus merkt den Zorn. Kennt die Gedanken.
Weiß, was sie fühlen.
Wie sie ihn lieben.
Zwei Leben.
Beide ganz mit ihm.
Jesus schmeckt die Liebe in Martas Mahl, in Lammbraten, Trauben, Brot und Wein.
Er fühlt, wie Marta alles für ihn tut – mit jeder Faser ihres Lebens.
Er sieht die Liebe in Marias Augen. Spürt sie in ihrem Schweigen. Wenn sie zusammen sind bei Wein und Brot.
Er merkt, wie seine Worte sich in Marias Herz graben. Und tief in ihr Leben.
Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden. (Lk 10,42)
Eine hat gesprochen.
Einer antwortet er.
Gemeint hat er beide.
»Marta, Marta.« »Maria, Maria.«
»Lasst einander doch ganz. Ihr seid beide richtig, wie ihr seid.
Lasst der einen ihr Leben und der andere auch.
Ihr macht es so gut. Die eine wie die andere. Beide seid ihr ganz.
Ganz Maria und ganz Marta. Und beide ganz bei mir.
Nehmt das einander nicht weg.
IV. Ich und wir
Und Jesus kam mit den Seinen in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria. (Lk 10,38f)
Und Jesus kommt.
Nach Camburg und Kleingestewitz, nach Heiligenkreuz und überall auf die Welt.
Und da sind wir.
Manchmal wie Maria.
Manchmal wie Marta.
Manchmal wie beide zugleich.
Oder ganz anders.
Wir sind, wie wir sind.
Tun, was wir können.
Und was wir wollen.
Jesus kommt und wir nehmen ihn auf. So, wie wir es können.
Jeder und jede von uns ganz. Mit dem ganzen Leben.
Lasst das einander.
So ist es gut.
Amen.
Lied: Herr, dein Wort, die edle Gabe (EG 198,1-2)
1. Herr, dein Wort, die edle Gabe,
diesen Schatz erhalte mir;
denn ich zieh es aller Habe
und dem größten reichtum für.
Wenn dein Wort nicht mehr soll gelten,
worauf soll der Glaube ruhn?
Mir ist nicht um tausend Welten,
aber um dein Wort zu tun.
2. Halleluja, Ja und Amen!
Herr, du wollest auf mich sehn,
daß ich mög ijn deinem Namen
fest bei deinem Worte stehn.
Laß mich eifrig sein beflissen,
dir zu dienen früh und spat
und zugleich zu deinen Füßen
sitzen, wie Maria tat.