"Geerdete Glaubensgewissheit", Predigt zu 1. Korinther 15, 50-58 von Stefan Knobloch
15,50
Geerdete Glaubensgewissheit
Ostermontag. Ein zweites Mal sind wir eingeladen, die Auferstehung des hingerichteten Gekreuzigten zu feiern. Ein ungeheures Wort: Auferstehung. Es hat sich für uns zur Selbstverständlichkeit abgestumpft, wir nehmen es hin, feiern vielleicht in diesen Tagen die Ostergottesdienste, aber die Wucht des Wortes Auferstehung kommt bei uns nur schwer an. Hat sie den Panzer unserer Bedenken und Einwände schon durchstoßen, so dass wir ehrlich und aus gläubigem Herzen sprechen können: Ja, der am Kreuz so schrecklich hingerichtete Herr, er ist wahrhaft auferstanden?
Immer wieder holt uns das Problem ein, dass wir zwar die alten Auferstehungstexte vernehmen, der Herr ist auferstanden, wahrhaft auferstanden, aber sich unsere Zweifel, unser Stirnrunzeln mit diesen Texten verbinden. Die Osterlieder zu singen, in einer österlich gestimmten Feiergemeinde ist das eine. Aber wenn die Lieder verklungen sind, sich die Kirchentüren zum Alltag geöffnet haben, das ist dann das andere. Was bleibt dann an uns haften von der gefeierten Botschaft?
Solche Fragen stellen nicht erst wir, das waren auch schon die Fragen der ersten Christen und ihrer Gemeinden. Dabei hat sich allerdings die Art der Fragen verändert. Damals fragten die zum Glauben Gekommenen: Wie werden denn die Toten auferweckt, was für einen Leib werden sie haben (vgl. 1 Kor 15,35)? Heute fragen wir in aller Regel nicht nach dem Wie, sondern wir bezweifeln das Dass der Auferstehung. Und zwar bis weit in unsere Gemeinden hinein. Insofern hören wir die Sätze des Paulus aus der Lesung zum Ostermontag mit anderen Ohren als damals die Gemeinde von Korinth, an die sie gerichtet waren. Auch wenn das so ist, kann uns Paulus dennoch eine Hilfe sein, der Wirklichkeit, der Verlässlichkeit der Auferstehung näher zu kommen.
Leicht hat es Paulus gewiss nicht, unser Ohr, unseren Ton zu treffen. Das sollte uns nicht verwundern. Denn er schreibt in der Mitte des ersten christlichen Jahrhunderts, davon trennen uns fast zwei Jahrtausende. Wir werden also nicht mit jeder seiner Aussagen etwas anfangen können, das müssen wir auch nicht, aber der Kern seiner Argumentation kann uns doch nachdenklich machen.
Gleich der erste Satz der Lesung allerdings dürfte nahezu zwangsläufig unserem Missverständnis ausgesetzt sein. Paulus spricht vom Fleisch und Blut, das das Reich Gottes nicht erben könne. Hören wir daraus nicht sofort eine moralische Anspielung heraus? So rede eben die Kirche schon seit zweitausend Jahren, sie stehe immer etwas neben der Wirklichkeit. Dabei will Paulus etwas ganz anderes sagen. Gewissermaßen: der Schritt ins Jenseits – den Begriff des Jenseits haben wir ja noch in unserem sprachlichen Repertoire – führe über unser radikales Ende, über unsere radikale Verwandlung. In der Computersprache ausgedrückt, führe über eine totale Umformatierung unserer Existenz. Kaum versucht man das, was Paulus sagen wollte, so ins Heute zu übersetzen, so rasch ein neues Missverständnis ein, das Missverständnis einer Umformatierung nach unserem Tod in eine bloß neue irdische Existenzweise, in das, was man heute die Wiedergeburt nennt. Von solcher Wiedergeburt halten heute nicht wenige einiges. Eine Vorstellung, in der sie zu mindest die radikale Existenzvernichtung durch den Tod ausschließen.
Paulus hat mit keiner Silbe eine irdische Wiedergeburt vor Augen. Für ihn ist die irdische Wirklichkeit des Lebens in einer totalen Verwandlung radikal beendet und endgültig zurückgelassen. Dabei macht er es uns noch einmal nicht leicht, indem er diesen Schnitt in zwei Bildern entwirft. Wenn es soweit ist, „wenn die letzte Posaune erschallt“ – gestehen wir ihm dieses zeitbedingte Bild zu -, dann werden die Verstorbenen auferweckt, die aber in dem Moment noch Lebenden werden aus ihrem Leben heraus in die Wirklichkeit des Reiches Gottes verwandelt. Es läuft also bei den Verstorbenen wie bei den Lebenden auf dasselbe hinaus: sie werden verwandelt, es entsteht etwas Neues. In den Worten des Paulus: unsere vergängliche Existenz wird mit Unvergänglichkeit umkleidet, unsere Sterblichkeit mit Unsterblichkeit. Paulus kann das Erwartete auch nur in Bildern ausdrücken, er verfügt nicht darüber, das Kommende in adäquate Sätze zu fassen.
Dabei macht er uns im Bild der Umkleidung des Sterblichen mit Unsterblichkeit auf einen ganz entscheidenden Punkt aufmerksam: nämlich auf die Kontinuität unserer Existenz, die sie durch alle Verwandlung hindurch bewahrt. Wir bewahren unsere Identität als Person, den persönlich-biographische Befund und Ertrag unseres Lebens „nehmen wir mit“, auch wenn das Sterbliche und Vergängliche zurückbleibt. Und eben diese Identität wird mit Unsterblichkeit umkleidet.
Je länger wir uns diesen Gedanken des Paulus anvertrauen, könnte der Eindruck entstehen, Paulus ergehe sich hier in einem philosophischen Gedankengebäude, aus dem eine gewisse innere Stimmigkeit spricht, die in sich ruht, aber mit der Auferstehung des Herrn eigentlich nichts zu tun zu haben scheint. Wenn wir so dächten, müsste sich Paulus im Grabe umdrehen! Der Angelpunkt seiner Gedanken, in dem alles verankert ist und an dem alles hängt, so dass ohne diesen Angelpunkt alles in sich zusammenstürzen müsste, der Angelpunkt ist Jesus Christus, der in seiner Auferstehung den Tod besiegt hat. Paulus dankt Gott dafür, dass unserem Leben in der Auferstehung des Herrn die Auferstehung sicher ist. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? Der Sieg des Todes ist überwunden. Den Stachel des Todes aber, obwohl auch er grundsätzlich „gezogen“ worden ist, bekommen wir zu spüren, an dem kommen wir nicht vorbei.
Es sei denn, in unserem Glauben! In unserem Glauben an die Auferstehung, in unserem Glauben an ein neues Leben in der Wirklichkeit Gottes. Im Glauben an ein Leben, in dem wir von der Wirklichkeit Gottes beglückt erfüllt sind. Von der „visio beatifica“, von der beseligenden Schau Gottes sprach die alte Theologie. Aber selbst da könnte sich zum Schluss ein weiteres Missverständnis einschleichen. Wir könnten meinen, erst im Jenseits der Auferstehung hätten wir es mit Gott zu tun. Nein, wir haben es in unserem Leben schon mit seiner Präsenz, mit seiner Gegenwart zu tun, auch wenn wir dafür unsere Antennen meist zu wenig ausgefahren haben.
„Erden“ wir also Gottes Präsenz in unserem Leben. „Erden“ wir unser Leben im Glauben an die Auferstehung. Feiern wir sie nicht nur in kirchlichen Gesängen, sondern leben wir sie. Singen und rufen wir also mit geerdeter Glaubensgewissheit: Der Herr ist auferstanden, ja, er ist wirklich auferstanden!
Ostermontag. Ein zweites Mal sind wir eingeladen, die Auferstehung des hingerichteten Gekreuzigten zu feiern. Ein ungeheures Wort: Auferstehung. Es hat sich für uns zur Selbstverständlichkeit abgestumpft, wir nehmen es hin, feiern vielleicht in diesen Tagen die Ostergottesdienste, aber die Wucht des Wortes Auferstehung kommt bei uns nur schwer an. Hat sie den Panzer unserer Bedenken und Einwände schon durchstoßen, so dass wir ehrlich und aus gläubigem Herzen sprechen können: Ja, der am Kreuz so schrecklich hingerichtete Herr, er ist wahrhaft auferstanden?
Immer wieder holt uns das Problem ein, dass wir zwar die alten Auferstehungstexte vernehmen, der Herr ist auferstanden, wahrhaft auferstanden, aber sich unsere Zweifel, unser Stirnrunzeln mit diesen Texten verbinden. Die Osterlieder zu singen, in einer österlich gestimmten Feiergemeinde ist das eine. Aber wenn die Lieder verklungen sind, sich die Kirchentüren zum Alltag geöffnet haben, das ist dann das andere. Was bleibt dann an uns haften von der gefeierten Botschaft?
Solche Fragen stellen nicht erst wir, das waren auch schon die Fragen der ersten Christen und ihrer Gemeinden. Dabei hat sich allerdings die Art der Fragen verändert. Damals fragten die zum Glauben Gekommenen: Wie werden denn die Toten auferweckt, was für einen Leib werden sie haben (vgl. 1 Kor 15,35)? Heute fragen wir in aller Regel nicht nach dem Wie, sondern wir bezweifeln das Dass der Auferstehung. Und zwar bis weit in unsere Gemeinden hinein. Insofern hören wir die Sätze des Paulus aus der Lesung zum Ostermontag mit anderen Ohren als damals die Gemeinde von Korinth, an die sie gerichtet waren. Auch wenn das so ist, kann uns Paulus dennoch eine Hilfe sein, der Wirklichkeit, der Verlässlichkeit der Auferstehung näher zu kommen.
Leicht hat es Paulus gewiss nicht, unser Ohr, unseren Ton zu treffen. Das sollte uns nicht verwundern. Denn er schreibt in der Mitte des ersten christlichen Jahrhunderts, davon trennen uns fast zwei Jahrtausende. Wir werden also nicht mit jeder seiner Aussagen etwas anfangen können, das müssen wir auch nicht, aber der Kern seiner Argumentation kann uns doch nachdenklich machen.
Gleich der erste Satz der Lesung allerdings dürfte nahezu zwangsläufig unserem Missverständnis ausgesetzt sein. Paulus spricht vom Fleisch und Blut, das das Reich Gottes nicht erben könne. Hören wir daraus nicht sofort eine moralische Anspielung heraus? So rede eben die Kirche schon seit zweitausend Jahren, sie stehe immer etwas neben der Wirklichkeit. Dabei will Paulus etwas ganz anderes sagen. Gewissermaßen: der Schritt ins Jenseits – den Begriff des Jenseits haben wir ja noch in unserem sprachlichen Repertoire – führe über unser radikales Ende, über unsere radikale Verwandlung. In der Computersprache ausgedrückt, führe über eine totale Umformatierung unserer Existenz. Kaum versucht man das, was Paulus sagen wollte, so ins Heute zu übersetzen, so rasch ein neues Missverständnis ein, das Missverständnis einer Umformatierung nach unserem Tod in eine bloß neue irdische Existenzweise, in das, was man heute die Wiedergeburt nennt. Von solcher Wiedergeburt halten heute nicht wenige einiges. Eine Vorstellung, in der sie zu mindest die radikale Existenzvernichtung durch den Tod ausschließen.
Paulus hat mit keiner Silbe eine irdische Wiedergeburt vor Augen. Für ihn ist die irdische Wirklichkeit des Lebens in einer totalen Verwandlung radikal beendet und endgültig zurückgelassen. Dabei macht er es uns noch einmal nicht leicht, indem er diesen Schnitt in zwei Bildern entwirft. Wenn es soweit ist, „wenn die letzte Posaune erschallt“ – gestehen wir ihm dieses zeitbedingte Bild zu -, dann werden die Verstorbenen auferweckt, die aber in dem Moment noch Lebenden werden aus ihrem Leben heraus in die Wirklichkeit des Reiches Gottes verwandelt. Es läuft also bei den Verstorbenen wie bei den Lebenden auf dasselbe hinaus: sie werden verwandelt, es entsteht etwas Neues. In den Worten des Paulus: unsere vergängliche Existenz wird mit Unvergänglichkeit umkleidet, unsere Sterblichkeit mit Unsterblichkeit. Paulus kann das Erwartete auch nur in Bildern ausdrücken, er verfügt nicht darüber, das Kommende in adäquate Sätze zu fassen.
Dabei macht er uns im Bild der Umkleidung des Sterblichen mit Unsterblichkeit auf einen ganz entscheidenden Punkt aufmerksam: nämlich auf die Kontinuität unserer Existenz, die sie durch alle Verwandlung hindurch bewahrt. Wir bewahren unsere Identität als Person, den persönlich-biographische Befund und Ertrag unseres Lebens „nehmen wir mit“, auch wenn das Sterbliche und Vergängliche zurückbleibt. Und eben diese Identität wird mit Unsterblichkeit umkleidet.
Je länger wir uns diesen Gedanken des Paulus anvertrauen, könnte der Eindruck entstehen, Paulus ergehe sich hier in einem philosophischen Gedankengebäude, aus dem eine gewisse innere Stimmigkeit spricht, die in sich ruht, aber mit der Auferstehung des Herrn eigentlich nichts zu tun zu haben scheint. Wenn wir so dächten, müsste sich Paulus im Grabe umdrehen! Der Angelpunkt seiner Gedanken, in dem alles verankert ist und an dem alles hängt, so dass ohne diesen Angelpunkt alles in sich zusammenstürzen müsste, der Angelpunkt ist Jesus Christus, der in seiner Auferstehung den Tod besiegt hat. Paulus dankt Gott dafür, dass unserem Leben in der Auferstehung des Herrn die Auferstehung sicher ist. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? Der Sieg des Todes ist überwunden. Den Stachel des Todes aber, obwohl auch er grundsätzlich „gezogen“ worden ist, bekommen wir zu spüren, an dem kommen wir nicht vorbei.
Es sei denn, in unserem Glauben! In unserem Glauben an die Auferstehung, in unserem Glauben an ein neues Leben in der Wirklichkeit Gottes. Im Glauben an ein Leben, in dem wir von der Wirklichkeit Gottes beglückt erfüllt sind. Von der „visio beatifica“, von der beseligenden Schau Gottes sprach die alte Theologie. Aber selbst da könnte sich zum Schluss ein weiteres Missverständnis einschleichen. Wir könnten meinen, erst im Jenseits der Auferstehung hätten wir es mit Gott zu tun. Nein, wir haben es in unserem Leben schon mit seiner Präsenz, mit seiner Gegenwart zu tun, auch wenn wir dafür unsere Antennen meist zu wenig ausgefahren haben.
„Erden“ wir also Gottes Präsenz in unserem Leben. „Erden“ wir unser Leben im Glauben an die Auferstehung. Feiern wir sie nicht nur in kirchlichen Gesängen, sondern leben wir sie. Singen und rufen wir also mit geerdeter Glaubensgewissheit: Der Herr ist auferstanden, ja, er ist wirklich auferstanden!
Perikope