Geheimnis der Verwandlung: Hingabe für Andere
Er kam, sah und siegte, so heißt es von Cäsar. Er kam, sah und starb, starb für uns, tönt die Kunde von Jesus. Er kam, sah und siegte, so heißt es von Cäsar. Sein Schwert zog eine Blutspur durch Gallien. Schmerz und Rachegelüste, ohnmächtiger Kummer und Vergeltungssucht brachen bei den Gedemütigten auf. Er kam, sah und starb, starb für uns, tönt die Kunde von Jesus. Sein Blut tropfte aus seiner Seitenwunde, tropfte zur Erde – und die Liebe erblühte, neues Leben, tiefe Hoffnung, Glaube an ein Leben, frei von Rache und Vergeltungssucht – Ostern im Tod. Er starb für uns.
„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein, wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht“(Joh 12,24). Alles ist hier vorweggenommen und voraus in das klärende Licht gestellt, was über Jesus hereinbrechen wird. Sein Leidensweg, sein Sterbeweg, die Vollendung der Liebe in der Ohnmacht des Gekreuzigten, das Morgenlicht der Ewigkeit, Ostern im Tod, alles ist vorweggenommen und in das klärende Licht gestellt in diesem Wort: „Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht“(Joh 12,24).
Dieses Wort ist von tiefer Weisheit. Mit diesem Wort nimmt uns Jesus hinein in das Geheimnis der Hingabe, in das Geheimnis der Verwandlung. Leben ist Verwandlung, kann verwandelt werden. In Jesu Hingabe verwandelt sich die Welt. Der Kreislauf des Bösen wird aufgesprengt. Da schlägt einer nicht zurück, da vergilt einer nicht Böses mit Bösem. Die Liebe rechnet nicht auf. Sie sucht nicht das Ihre, „sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit, sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles“(1. Korinther 13,6). Sie gibt sich hin.
Jesus stirbt für uns. Sein Leben - Gottes Weizenkorn. Es fällt in die Erde und stirbt für uns. Die Frucht seines Leidens ist unser Leben, erbaut auf Glaube, Liebe und Hoffnung. Er opfert sich. Aber sein Opfer ist das Ende aller Opfer. Er stirbt, aber er stirbt „aus Liebe am blutigen Stamm. Abgrund der Liebe, wer kann dich ergründen? Jesus ist kommen, ein Opfer für Sünden“(EG 66,6), singt die christliche Gemeinde. Er stirbt als Verfluchter am Kreuz, aber er lässt uns verwandelt, gesegnet, versöhnt zurück.
Jesus deutet sein Sterben in einem Bildwort voll höchster Natürlichkeit. Aus dem Samen folgt die Frucht. Es ist ein Sterben in die Auferstehung hinein. Die Frucht selber gibt Samen frei, der neu erstirbt, um neuer Frucht willen. Sterben, um zu leben. Sterben, um Leben werden zu lassen, das Leben der Andern. Es ist das Geheimnis der Verwandlung, Auferstehung durch den Tod hindurch, Hingabe für andere. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein, wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht“(Joh 12,24).
Nennen wir ihn einmal Peter Mayer: Sagen wir: Wir schreiben den 14. August. Die Sonne drückt auf das Land. Der Rhein fließt träge dahin. Kinder spielen an seinem Ufer. Peter kommt am Kai entlang, ein Eis in den Händen. Seine Gedanken verlieren sich in Träumereien. Da sieht er – kaum ein Schrei liegt in der Luft – 2 Kinder treiben ab im Fluss. Sie kämpfen, sie strampeln. Der Fluss zieht sie davon. Peter wirft das Jackett ins Gras, stürzt in die Flut. Simon kann er erreichen, bringt ihn ans Land. Noch einmal stürzt er in den Strom, sucht Lukas zu fassen, es ist schwer, er verliert das Bewusstsein, er treibt ab. An der nächsten Schleuse findet man beide, tot. Doch Simon lebt. Peter gab sein Leben für ein Leben.
Reden wir von Dominik Brunner. Eine Pöbelei unter Halbstarken. Fahrgäste werden angemacht in der Münchner S-Bahn. Du Opfer, tönt es. Am nächsten Halt steigen sie aus. Dominik Brunner folgt, geht zwischen die Schläge, versucht zu schützen, versucht zu beruhigen, stellt sich zwischen Täter und Opfer. Die Schläger hören nicht auf, die Schläge prasseln nun auf ihn. Dominik Brunner stirbt. Aber das erwählte Opfer der Schläger entkommt, ist gerettet, lebt. Dominik Brunner gab sein Leben für ein Leben.
Sprechen wir von Frank-Walter Steinmeier. Seine Frau ist schwer krank. Die Nieren versagen. Nur eine Transplantation kann sie noch retten. Frank-Walter Steinmeier gibt eine Niere, er gibt sie für seine Frau. Das ist Hingabe, das ist Liebe, das ist die Bereitschaft, frei zu geben, sich mit hinzugeben, damit ein Anderer, hier der Lebenspartner wieder eine Chance hat zu leben. Organspende, die Bereitschaft zur Organspende. Die Kliniken harren sehnsüchtig auf Menschen, die bereit sind, im Falle ihres Todes ihre Organe freizugeben für Leben, das so gerettet werden kann. Unbekannte, aber sie leben dank meiner Niere, dank meiner Leber, dank meinem Herzen. Den Schritt, den Frank-Walter Steinmeier mitten im Leben für seine Frau ging, alles andere als ein leichter Schritt, um ihres Lebens willen, könnten viele gehen, zumindest im Tod. Sich und ihre Organe freigeben für andere. Das ist auch Hingabe. Hier bricht ein Stück Ostern auf inmitten des Todes.
Und sollten wir von Barbara Müller schweigen? Nichts ist hier dramatisch, es geht nicht um Sein oder Nichtsein, um Leben oder Tod, es geht nur um die stillen, schmerzlichen Stunden. Wieder wartet sie, wie so oft schon, dass ihr Sohn von der Disco heimkommt, wohlbehalten, gesund. Die Freude liegt beim Sohn, Vergnügen der Nacht. Der Kummer liegt bei Barbara. Er wird doch nicht trinken. Er wird doch nicht in die Szene abrutschen, Ekstasy konsumieren. Sie hat Angst um ihr Kind, aber sie betet für ihn immer neu und sie nimmt ihn in ihre Arme immer neu. Morgen für Morgen ist die Angst überstanden. Aber ihr Herz wird nicht bitter. Sie freut sich mit ihm, verschweigt ihre Not, duldet und verhärtet nicht. Das Frühstück steht wieder auf dem Tisch. Liebe geht durch den Magen. Sie lernt, ihn freizugeben, schweren Herzens, leichten Herzens ihn freizugeben. Er lebt. Er wird leben und sie? Sie lebt für ihn.
Die Kindheit muss sterben. Die Jugend vergeht. Die Jahre bleichen das Haar. Das Kind wird erwachsen, wird lieben – auf seine Art, leben und Gott loben – auf seine Art. Wir aber sterben. Es ist das Geheimnis der Verwandlung, Hingabe für Andere. Es ist das Geheimnis im Leben: Loslassen, um beschenkt zu werden, Sterben um Aufzuerstehen. Es ist das Geheimnis der Liebe: Hingabe für andere. Wieviel Ostern liegt im Tod, wieviel Segen im Loslassen, wieviel Liebe in der Annahme des Sterbens? Selige Sehnsucht: „Und so lang du das nicht hast, dieses: Stirb und werde! Bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde“(J.W.v.Goethe, aus dem Gedicht Selige Sehnsucht in Goethes West-östlichem Divan, zit. nach der Ausgabe München 1982, S.17), in den Worten des Evangeliums: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein, wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht“(Joh 12,24).
Schweigen wir einmal von Dietrich Bonhoeffer, schweigen wir einmal von Alfred Delp, schweigen wir einmal von Maximilian Kolbe, schweigen wir einmal von den großen Heroen der Hingabe, aber denken wir an die vielen kleinen Abschiede, an die vielen kleinen Momente des Loslassens, denken wir einmal an die vielen, täglich alltäglichen Schritte, die wie ein kleines Sterben sind, und die doch zum Leben dienen. Der Tag legt sich in den Abend, der Abend versinkt in der Nacht. Die Sonne geht auf, ein neuer Morgen. Die Verliebtheit hatte ihre Zeit, die Schmetterlinge im Bauch, das war einmal. Es ist vorbei. Da ist eine reife, bewährte, treue Liebe, aus dem Sehnen nach einander ist ein tiefes Wohlwollen füreinander geworden. Alles ist anders. Alles ist verwandelt. Die Kameraden der Jugend, sie sind in alle Welt zerstreut. Jeder geht seinen Lebensweg. Manchmal fehlen sie. Was blieb, sind Freunde. Die paar, die mit einem durch die Jahre gehen. Alte, neue Freunde.
Du hast dich eingesetzt, hast dich im Betrieb verbrannt. Die Zahlen waren gut. Mit dem Meister ging es auch gut. Aber jetzt ist alles vorbei. Der Ruhestand lockt. Schwer sich vorzustellen, ohne den täglichen Gang ins Werk. Aus dem Werkzeugmacher, der nie Zeit hatte wird nun ein in die Jahre gekommener, der Zeit verschenkt. Ehrenämter gibt es genug. Aufgaben gibt es genug. Und Stille darf auch sein, die Betrachtung der Natur, Lesen, Zeit für andere, Zeit für Gott – ein neues Glück für mich: Loslassen, um beschenkt zu werden, kleine Tode im Leben, um aufzuerstehen in neues Leben. Geheimnis der Verwandlung: Hingabe für Andere.
Niemand kann leben ohne Hingabe. Leben ist Verwandlung. In Jesu Hingabe verwandelt sich die Welt. Er kam, sah und siegte, so heißt es von Cäsar. Er kam, sah und starb, starb für uns, tönt die Kunde von Jesus. Er kam, sah und siegte, so heißt es von Cäsar. Sein Schwert zog eine Blutspur durch Gallien. Schmerz und Rachegelüste, ohnmächtiger Kummer und Vergeltungssucht brachen bei den Gedemütigten auf. Er kam, sah und starb, starb für uns, tönt die Kunde von Jesus. Sein Blut tropfte aus seiner Seitenwunde, tropfte zur Erde – und die Liebe erblühte, neues Leben, tiefe Hoffnung, Glaube an ein Leben, frei von Rache und Vergeltungssucht – Ostern im Tod. Er starb für uns. “Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein, wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht“(Joh 12,24).