Gemeinsam am Feuer - Predigt zu Johannes 20, 19-23 von Frank Muchlinsky
Liebe Gemeinde,
ganz gleich, mit wie vielen Menschen wir uns derzeit real treffen dürfen, es ist Pfingsten, also Grillzeit! Wir sind vereint im Garen von Lebensmitteln unter freiem Himmel. Was uns trennt, sind lediglich die Fragen nach den Speisen, die wir am liebsten auf den Rost legen, und die Entscheidung für die einzig wahre Art der Befeuerung: Gas oder Kohle? Das ist wie evangelisch oder katholisch. Man gehört einer Richtung an, und je ernster man es mit dem Grillen meint, desto wichtiger wird auch diese Entscheidung. Wer aus Überzeugung mit Kohle befeuert, rümpft schon einmal die Nase über die Gasgriller. Umgekehrt hat man schon hochgezogene Augenbrauen sehen können bei Menschen, denen der Geruch von Kohlegrills in die Nase stieg. Vor allem während des Anzündens kommen hier Brandbeschleuniger zum Einsatz, die entsetzlich stinken und rauchen können. So groß die Differenzen zwischen den Grillkonfessionen aber auch sein mögen: Wird man aber bei einem Grillmenschen der anderen Richtung eingeladen, herrscht schnell Eintracht. Man ist beisammen und freut sich am so oder so entfachten Brutzeln. Natürlich ist man sich immer einig in der Ablehnung von Elektrogrills, die eine Art Sekte sind.
Jesus war ein Kohlengriller. Das ist keine Behauptung, sondern eine biblische Tatsache. Als der auferstandene Jesus am See Tiberias seinen Jüngern erscheint, sind die gerade auf dem See am Fischen. Jesus steht am Ufer, ruft sie und "als sie nun an Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer am Boden und Fisch darauf und Brot." (Joh. 21,9) Jesus grillte also auf Kohle, und das ist eine schöne Verbindung zum Predigttext für heute. Der spielt nur ein Kapitel vor diesem Grilltreffen am See.
Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. (Joh. 20,19-20)
Die Stimmung in dieser Szene ist eine ganz andere, denn die Jünger sind nicht draußen an der frischen Luft und dazu noch auf dem Wasser. Sie haben sich vielmehr verschanzt, weil es draußen gefährlich ist. Wer raus geht, exponiert sich. Wer raus geht riskiert, von "den Juden" entdeckt und angeklagt zu werden. Alle Jünger selbst sind Juden, aber die Gefahr da draußen geht eben von den anderen aus, von der Menge, von "den Juden". Also bleiben sie lieber drinnen und verschließen die Türen.
Jesus tritt trotzdem ein, und als die Jünger ihn erkennen, ändert sich ihre Stimmung, sie werden froh. Jesus wiederholt noch einmal seinen Gruß und dann redet er zu seinen Jüngern.
Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. (Joh. 20,21-23)
Jesus schickt seine Jünger los, seinen Auftrag fortzusetzen. "Macht es wie ich!" sagt er ihnen, kurz nachdem er ihnen seine Wunden gezeigt hat, inklusive der Stelle, an der man mit einem Lanzenstich seinen Tod feststellte. "Ich sende euch", sagt er. Natürlich ist den Jüngern klar, was das bedeutet: Es heißt: "Raus mit euch dahin, wo die Gefahr lauert!" Damit man dazu bereit ist, sich derart in Gefahr zu bringen, muss man schon ordentlich brennen. Und hier zeigt sich Jesus als geübter Kohlengriller: Er bläst seine Jünger an. So, wie der Atem die Kohlen heißer brennen lässt, so lässt dieser Atem Jesu seine Jünger glühen.
Kohle braucht etwas Zeit, bis sie wirklich heiß brennt. Die Glut dringt langsam durch den festen Stoff. Der Sauerstoff in der Atemluft beschleunigt diesen Vorgang. So wirkt der Heilige Geist, den Jesus seinen Jüngern hier einbläst. Ich stelle mir Jesus gar nicht zart hauchend vor, sondern vielmehr kräftig pustend. Das ist eine schönere Geste, als die Jünger beispielsweise aus der Tür zu schubsen. So etwas wünschen wir uns auch, wenn wir wieder raus dürfen und irgendwie sollen und doch nicht ganz so wie wir vielleicht wollen. Wir wünschen uns einen Anschub, der uns erfüllt, der uns spüren lässt, dass da etwas in uns lebendig ist und glüht.
Die Bibel hat es gleich gesagt: Der Mensch atmet Gottes Atem. "Da machte Gott der HERR den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen." (Gen. 2,7) Und nun gibt es noch einen göttlichen Atemstoß von Jesus. Wie eine Mund zu Mund Beatmung für jemanden, der nur noch flach atmet, wie Blasen in die schwach glimmende Glut. Jesus erweckt seine Jünger neu zum Leben. Nun kann er sie senden "wie mich der Vater gesandt hat." Und so geht die Geschichte weiter, beziehungsweise, sie geht für die Jünger richtig los: Bisher waren sie die Gesellen, jetzt werden sie die Meister. Aus Zuhörern werden Prediger, sogar vergeben dürfen sie in Gottes Namen.
In unserer Grill- und Pfingstzeit merken wir, wie es uns aus den Häusern drängt. Manche spüren das Glimmen in sich, andere das Brennen. Und seit ein paar Wochen gibt es noch ganz andere Brandbeschleuniger als den Atem Jesu Christi, die uns heiß glühen lassen wollen: Verschwörungsphantasien werden wie Petroleum über uns ausgegossen. Man trifft sich zu Demonstrationen, um für das rechte Maß an Beschränkungen einzutreten, doch die Luft ist geschwängert von Hassparolen wie von einer Benzinwolke.
Wer sich aber vom Geist Gottes anfachen lässt, bekommt von Jesus gesagt: "Macht es wie ich!" Und das bedeutet: Brennt aus Liebe für einander! Vergebt einander! Und geht vernünftig mit euren Möglichkeiten um! Das steckt in den Satz "Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten." Das bedeutet doch: "Ihr habt große Macht, großen Einfluss auf andere Menschen." Es ist mittlerweile ein recht bekanntes Sprichwort, dass mit großer Macht auch große Verantwortung kommt.
Achten wir darum genau darauf, dass wir uns vom Geist Jesu anheizen lassen, der uns für andere brennen lässt. Meiden wir den Ungeist derer, die einfach das Feuer wollen! Treffen wir uns zum freundlichen Grillen im Freien dort, wo es wirklich erlaubt ist mit genügend Abstand. Laden wir dazu die Kohle-, die Gasgriller und auch die Elektrogriller ein, freilich nicht alle auf einmal. Der Geist Gottes erfüllt uns alle!
Amen
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich stelle mir vor, dass diese Predigt wohl weit häufiger gelesen wird als gehört. Eine Gemeinde, die in diesem Jahr einen live Pfingstmontag-Gottesdienst hielte, kenne ich nicht. Darum stelle ich mir vor allem Lesende vor.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Ich habe mich von dem Bild beflügeln lassen, wie Jesus sine Jünger anpustet. Er macht also das Schlimmste, was man in der Pandemie tun kann, beziehungsweise das, was man nur noch in ganz intimen Beziehungen tut. Dazu das Bild davon, wie jemand Grillkohlen anbläst, damit sie heißer glühen – schon war das Pfingstbild komplett für mich.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Die Intimität dieser Pfingstgeschichte im Unterschied zu der aus der Apostelgeschichte. Der Heilige Geist als "zweiter Atemstoß Gottes".
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Vor allem ein neues Ende. Ich hatte ein paar Sätze, die mir so gut gefielen, dass ich sie gern unterbringen wollte. Das führte dazu, dass der erste Schluss etwas ausfranste. Danke, Friederike Erichsen-Wendt für die Hilfe beim Bündeln!