Glauben, dass ein Krümel reicht – Predigt zu Römer 10,9-13 und Matthäus 15,21-28 von Kathrin Berger
10,9-17

Glauben, dass ein Krümel reicht – Predigt zu Römer 10,9-13 und Matthäus 15,21-28 von Kathrin Berger

„Wird es auch für mich noch reichen?“, fragt sich Elfriede. „Die Kirche verändert sich, soll sich, muss sich wohl verändern – wird sie dann noch meine Kirche sein? Wird es reichen?
Wird genug übrig bleiben für mich, dass ich mich dort noch wohlfühle?
Wird genug übrig bleiben von dem, was ich schon so lange kenne und mag und BRAUCHE?
Die Lieder, die ich als Konfirmandin ALLE auswendig lernen musste, mir ins Herz geschrieben habe.
Die Gottesdienste, regelmäßig und gleichmäßig, ich an meinem Platz, ruhig, sitzend.
Neulich mussten wir sogar mitmachen …
Und die neue Pfarrerin redet ganz anders …
Und jetzt reden sie wieder über neue Formen. Neue Lieder, neue Zeiten, andere Orte.
Und jetzt reden sie wieder über Konzeptionen. Im Kirchenkreis und für unsere Dörfer hier. Weniger Geld, weniger Gemeindemitglieder, weniger Pfarrer, weniger Gemeindehäuser wird es geben. Weniger Kirche für mich.
Da bleiben doch nur noch Krümel vom Kuchen für mich!
Wird es trotzdem reichen?“

„Wird es reichen?“, fragt sich Matthias. „Werden wir es schaffen, gemeinsam friedlich in diesem Land zu leben? Die Gesellschaft ist gespalten, man redet aneinander vorbei oder gar nicht mehr miteinander. Vielleicht teilt man noch auf Facebook seine Meinung mit anderen gleicher Meinung. Im Internet findet man a) „Freunde“ und b) „Feinde“. Da bleibt man lieber unter sich, in den sozialen Medien. Man ist eben entweder arm oder reich. Konservativ oder liberal. Links oder rechts. Es ist ganz einfach oder total komplex.
Und hier bin ich mit meinem Krümel Nächstenliebe. Was kann ich damit schon ausrichten? Ist das genug, damit ich weiterhin in jedem, wirklich jedem Menschen einen Menschen sehe? Und reicht das, wenn ich einem von ihnen helfe. EINEM in Not. Es brauchen doch so viele Menschen Hilfe und Unterstützung in unserm Land und überall. Wird er reichen, mein kleiner Krümel Mitmenschlichkeit?“

„Wird es reichen?“, fragt sich Rahel. „Was ich gesagt habe, was ich glaube. Wofür ich hier stehe und kämpfe und kniee und bitte. Wird es genug sein? Dürfen die Krümel der Gnade Gottes meiner Tochter ein neues Leben schenken?“ Gerade hat Rahel noch leidenschaftlich und selbstlos versucht, Jesus umzustimmen, ihre Tochter doch zu heilen. Nur die Krümel, das, was als Reste vom Tisch des auserwählten Volk Israels fällt. Nur die Krümel des Erbarmens, der Hilfe, erbittet sie von ihm, damit ihre Tochter befreit leben kann. Jetzt wartet sie, dass sie es bekommt.

Und Jesus sagt: Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst.
(Mt 15,28)

Und Paulus schreibt: Denn du hast mit deinem Munde bekannt, dass Jesus Herr ist. Denn du hast in deinem Herzen geglaubt, dass Gott aus allem Elend zu neuem Leben erwecken kann. Denn wenn man von Herzen glaubt, dann reicht das; und wenn man das mit Worten zum Ausdruck bringt, so wird einem geholfen. (Röm 10,9f Übertragung für Predigtkontext bzw. Mt 15 KB).

11 Denn die Schrift spricht: »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.«
12 Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und allen anderen Völkern (Griechen); es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen.  13 Denn »wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden«.
(Röm 10,11-13)

Es reicht für alle.
Jeder und jede bekommt genug.
Ein Krümelchen reicht.
Wer das glaubt und Jesus alles zutraut,
hat alles, war er oder sie braucht.
Es muss nicht die ganze Torte sein oder das größte Stück Brot.
Nur manche bekommen das, nicht immer wissen sie, wie sie damit umgehen sollen.
Jesus geht zuerst in die Synagogen, zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.
Westliche Nationen bauen ihren Wohlstand bis heute aus, ohne andere Länder wirklich daran zu beteiligen – im Gegenteil.
Die Kirche richtet sich immer noch hauptsächlich nach denen, die die Kirche im Dorf so lassen wollen, wie sie sie kennen.
Für die anderen bleiben nur die Reste, die Krümel.
Aber die reichen.
Das haben sie schon immer.
Den frühen Christen aus den Völkern reichten sie zu eigenem Selbstbewusstsein – nach einiger Zeit sogar zu Größe und Macht.
Den Armen in Lateinamerika und den Sklaven in den USA gab das Evangelium die Kraft, seelisch nicht zuschanden zu werden und lebendige Gemeinschaften zu werden.
Den unorthodoxen, den anderen, den queeren Christen reichten die Krümel. Es reichten die Überreste in den Schriften, die davon zeugen, dass Gott nicht nur bei denen war, die sich den vorherrschenden Lebensweisen der jeweiligen Zeit angeschlossen haben.
Die Krümel haben immer gereicht, um sich den Platz am Tisch des Herrn zu erkämpfen. Nicht ohne Worte, nicht ohne Diskussion. Nicht ohne leidenschaftliche und selbstlose Gebete zu Gott. Aber sie reichten.
Denn das ist mehr als genug. Es ist groß, zu glauben, dass es für alle reicht.
Es ist groß zu glauben, bei Gott gibt es keinen Unterschied. Da spielt es keine Rolle, ob wir gerade zu den Menschen mit der Torte auf dem Tisch gehören oder zu denen mit den Brotkrümeln unterm Tisch.
Wer wo sitzt, ändert sich mit der Zeit.
Die, die lange die Torte genossen haben, könnten auch mal die sein, die sich mit Krümeln begnügen müssen und können.
Die Tischordnung kann sich ändern, zumindest bei dem, was wir in der Welt sehen.

Bei Gott sitzen schon alle mit am Tisch, die glauben, dass ein Krümel der Gnade Gottes für sie reicht.

Bei Gott sitzen alle mit am Tisch.
Keiner ist zu klein, zu unwürdig, zu krümelig.
Keine soll so zuschanden werden.

Alle sollen das in ihrem Herzen glauben und in ihren Gebeten sagen können.
Das reicht Gott.
Und den Menschen auch.
Es reicht ein Krümel, um zu schmecken, das ist gut.
Es reich ein kleines Stückchen vom großen Kuchen, es reicht ein Krümel vom Laib Brot.
Das „Brot des Lebens“ macht uns hier noch nicht satt.
Aber es schmeckt wie: „Es wird genug sein, ganz bestimmt“.

Wie: „Ich werde bekommen, was ich brauche. Ich werde satt sein.“
Wie: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ (1.Joh 5,4)
Es wird reichen, auch wenn die anderen auch etwas bekommen, vielleicht sogar mehr haben als ich.

Es reicht für alle. Rahel war sich da schon sicher.
Es reicht aber auch für Elfriede und Matthias.
Für die regelmäßigen Gottesdienstbesucher und die Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe.

Für die Traditionellen und die Innovativen.
Für die Juden und die Griechen.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes reicht für alle.
Für dich und für mich und Sie und auch alle, die heute nicht da sind und nächste Woche auch nicht.

 

Amen.