Gott im Glauben vertrauen und das Leben gewinnen! - Predigt zu Hebr 10,32-39 von Winfried Klotz
10,32-29

Hebräer 10,32-39 aus der Gute Nachricht Bibel

32Erinnert euch doch an die Zeiten, als ihr gerade mit dem göttlichen Licht erleuchtet worden wart und dann sogleich einen harten, leidvollen Kampf durchstehen musstet! 33Die einen wurden öffentlich beleidigt und misshandelt, die andern standen denen treu zur Seite, die dies ertragen mussten. 34Ihr habt mit den Gefangenen gelitten, und wenn euch euer Eigentum weggenommen wurde, habt ihr das mit Freude ertragen; denn ihr wusstet, dass ihr einen viel besseren Besitz habt, der euch nicht genommen werden kann. 35Werft nur jetzt eure Zuversicht nicht weg, die doch so reich belohnt werden soll! 36Ihr braucht Kraft zum Durchhalten, damit ihr weiterhin tut, was Gott von euch will, und so auch bekommt, was er versprochen hat. 37Es heißt ja in den Heiligen Schriften: »Noch eine kurze, ganz kurze Zeit, dann kommt der, den Gott angekündigt hat. Er wird sich nicht verspäten. 38Wer mir im Glauben vertraut und das Rechte tut, wird durch sein Vertrauen am Leben bleiben. Wer aber mutlos aufgibt, mit dem will ich nichts zu tun haben.« 39Wir gehören doch nicht zu den Menschen, die den Mut verlieren und deshalb zugrunde gehen! Vielmehr gehören wir zu denen, die Gott im Glauben vertrauen und das Leben gewinnen. 
 

„Gott im Glauben vertrauen und das Leben gewinnen“, das ist eine passende Überschrift über diesen Abschnitt aus dem Hebräerbrief. Darum geht es dem Verfasser, wenn er erinnernd und ermahnend der Gemeinde schreibt.

Schwere Zeiten liegen hinter ihnen, aber ihre jetzige Lage ist noch schlimmer als damals, als sie beleidigt und misshandelt wurden, als man ihnen Hab und Gut nahm. Damals haben sie die Bedrängnis angenommen und gemeinsam getragen; damals ist ihr Vertrauen zu Jesus trotz Verfolgung gewachsen. Das Licht, das ihnen im Glauben geschenkt worden war, wurde in der Verfolgung nicht dunkler.

So war das damals; jetzt aber, Jahre später, sind viele der ersten Generation schon verstorben. Jetzt sind Zweifel aufgestanden, haben die Spötter vielleicht recht, die die Hoffnung auf das Kommen Jesu verlästern? Jetzt gehen manche ihre eigenen Wege, kommen nicht mehr zu den Versammlungen der Gemeinde, jetzt liegt eine sonderbare, schwer zu erklärende Lähmung auf der Gemeinde. Stirbt die Gemeinde?

Geht es uns heute nicht ähnlich? Nicht nur, dass die säkularen Medien nach meinem Eindruck mit Befriedigung das Schwinden von Kirche und Gemeinden besingen, müssen wir nicht selbst zugeben, wie instabil die Gemeinden sind? Ich erlebe als Ruhestandspfarrer, dass da und dort nur wenige zum Gottesdienst kommen; ich höre von Gottesdiensten, die ausfallen müssen, weil niemand aus der örtlichen Gemeinde mitfeiert. Ich lese in der Zeitung von hohen Austrittszahlen. Inzwischen gibt es in Deutschland mehr Menschen, die nicht kirchlich gebunden sind als Mitglieder. „Wie stabil ist die Kirche?“, so stand über großen Untersuchungen zum Zustand der Kirchen. Nach meiner Erinnerung hielt man sie für insgesamt noch stabil. Ja, die Kirche als Institution wird zuverlässig verwaltet, wenn auch sehr bürokratisch, aber das ist ein Zug unserer zur Perfektion strebenden Zeit. Aber wie ist der Glaubensstand der Gemeindeglieder? Darf man das überhaupt fragen? Als ich ins Pfarramt kam war es unüblich, oder schärfer, verpönt danach zu fragen. Erfolgreiches Theologiestudium, erfolgreiche praktische Ausbildung, Bereitschaft, die Verpflichtung bei der Ordination einzugehen, das genügte. Dass ein Propst je mit mir über meinen Glauben gesprochen hätte, ich erinnere mich nicht!

Was ist los mit Kirche und Gemeinden? Sind wir an einem toten Punkt angelangt- oder vielleicht schon drüber hinaus? Ein toter Punkt ist nicht ohne Hoffnung; ein Darüber-Hinaus schon. Ein Darüber-Hinaus bedeutet: ich verlasse die Gemeinde beim nächsten Anlass! Was da Sache ist, brauche ich nicht, interessiert mich nicht, finde ich ärgerlich und aus der Zeit gefallen. Die zentrifugalen Kräfte sind weit stärker als die Bindung. Stellt sich die Frage: Bindung an was? Hier sehe ich eine große Unklarheit: welche Möglichkeit zur Bindung bieten wir?

Es existiert immer noch das Traditionsmodell, zusammengefasst unter dem Stichwort „Volkskirche“. Getauft, konfirmiert, kirchlich getraut und irgendwann beerdigt, begleitet an den Übergängen. Wir wissen, das funktioniert immer weniger; wenige Taufen, wenige Konfirmanden, wenige kirchliche Trauungen. „Traditionsabbruch!“ Sich auf dieses volkskirchliche Modell zu verlassen war schon immer eine Sünde gegen das Evangelium! Denn das Evangelium ruft zum Glauben an Jesus den Christus. Gott im Glauben an Jesus vertrauen und das Leben gewinnen, das ist Kernpunkt. Das ist Basis und Aufgabe! Das Vertrauen auf Gott, weil er im Kommen Jesu uns seine große Güte gezeigt hat, uns die Verbindung zu IHM schenkt, das ist unsere Kraft; das zu bezeugen ist unsere Aufgabe. Wir leben den Glauben, wir legen Zeugnis davon ab, dass Jesus heute in unserem Leben Kraft der Versöhnung mit Gott und den Menschen, Grund der Hoffnung, Halt im Leben und Sterben ist.

In unserem biblischen Wort wird die Gemeinde an ihre Anfänge erinnert, an die Zeit, als durch den Glauben Gottes Licht in ihr Leben kam. Auf was schauen wir zurück, wenn wir nach dem Glauben fragen? Auf traditionelle christliche Erziehung, die 10 Gebote und das Gebot der Nächstenliebe oder auf eine Vertrauensbeziehung zu Gott durch Jesus, die uns Freiheit zum Leben gegeben hat und in Krisen Mut und Geduld! Wenn unser Predigtwort sagt: „Werft nur jetzt eure Zuversicht nicht weg, die doch so reich belohnt werden soll!“, verweist es nicht auf christliche Traditionen, sondern erinnert daran, dass allen, die auf Jesus vertrauen, ein freier, zuversichtlicher Zugang zu Gott geschenkt ist. Ganz im Sinne von Hebr. 4,16, wo es heißt: „Lasst uns also voll Zuversicht hingehen zum Thron der Gnade, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit.“ Das ist doch die Dynamik des Glaubens, dass wir täglich vertrauend beten können und wissen, ER hört mein Gebet; dass in uns ein Lob Gottes ersteht, manchmal trotz äußerer Bedrängnis, dass wir uns in seine guten Hände loslassen und damit Sorge und Angst überwinden. Werft eure Zuversicht nicht weg!, mahnt der Hebräerbrief und meint damit nicht etwas Statisches, sondern einen Vorgang; nämlich die Möglichkeit jedes Menschen, dem durch Jesus Bürgerrecht im Himmel geschenkt wurde, frei und offen und voller Zuversicht seine / ihre Anliegen vor Gott auszusprechen. Du hast Zugang zu Gott, also nutzte ihn! Darin erweist sich christlicher Glaube als Vertrauensbeziehung zu Gott, dass Du tust, was dir durch Jesus Christus ermöglicht wurde. So kommst du zur Gewissheit, so empfängst du einen ersten Lohn. Unser Vers redet vom Lohn; der erste Teil des Lohns ist der Geist Jesu, den du empfängst, indem du frei und mutig vor Gott aussprichst, was dir auf der Seele liegt. Hier wird dir Kraft zum Durchhalten geschenkt, Kraft, den Willen Gottes zu tun und im Vertrauen zu wachsen. So lernst du warten auf Gott, aber auch, wie überraschend Gottes Antwort oft ist. Manchmal meinen wir, Gott käme zu spät; wir legen einen Zeitplan fest und sind enttäuscht, ärgerlich, verbittert, wenn Gott ihn nicht einhält. Wir vertrauen Gottes Liebe nicht. Aber so nahe Gott uns in Jesus ist, so unbegreiflich bleibt er auch. Es bleibt uns nur, auf Jesus zu schauen und ihm zu vertrauen. So gehen wir voran, wenn auch seufzend und klagend. „Wir gehören doch nicht zu den Menschen, die den Mut verlieren und deshalb zugrunde gehen! Vielmehr gehören wir zu denen, die Gott im Glauben vertrauen und das Leben gewinnen.“ So der letzte Vers unseres Predigtwortes. Ist Christsein wirklich (manchmal) so ein schwerer Weg? Welchen „Vorteil“ bringt es dann zu glauben, wenn wir trotzdem so kämpfen müssen? Und uns dazu noch manchen „irdischen Leckerbissen“ entgehen lassen müssen, weil er nicht zu Jesus passt? Sind wir nicht dumm, wenn wir in der Spur Jesu auf unrechten Gewinn - siehe „cum-ex-Geschäfte“, auf erotische Abenteuer bei ehelicher Langeweile, auf den Verbrauch irdischer Güter wegen des Klimawandels verzichten? Unser Horizont ist ein anderer: Was Gott uns in dieser Zeit gibt, nehmen wir dankbar an und wissen, das Leben, das er uns durch Jesus schenkt, ist größer; es endet nicht, wenn wir am Ende sind! Deshalb: „Wir gehören doch nicht zu den Menschen, die den Mut verlieren und deshalb zugrunde gehen! Vielmehr gehören wir zu denen, die Gott im Glauben vertrauen und das Leben gewinnen.“ Amen.

Perikope
24.09.2023
10,32-29