Predigttext: Jesaja 55, 6-12a (aus der BasisBibel)
Sucht den Herrn, jetzt ist er zu finden! Ruft zu ihm, jetzt ist er nahe. Der Frevler soll seinen Lebensweg ändern! Wer Böses im Sinn hat, soll seine Pläne ändern und zum Herrn, zu unserem Gott zurückkehren! Der wird Erbarmen mit ihm haben und ihm reichlich Vergebung schenken.
So lautet der Ausspruch des Herrn: Meine Pläne sind anders als eure Pläne und meine Wege anders als eure Wege. Wie weit entfernt ist doch der Himmel von der Erde! So fern sind meine Wege von euren Wegen und meine Pläne von euren Plänen.
Regen oder Schnee fällt vom Himmel und kehrt nicht dahin zurück, ohne die Erde zu befeuchten. So lässt er die Pflanzen keimen und wachsen. Er versorgt den Sämann mit Samen und die Menschen mit Brot. So ist es auch mit dem Wort, das von mir ausgeht: Es kehrt nicht wirkungslos zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will. Was ich ihm aufgetragen habe, gelingt ihm.
Voll Freude werdet ihr aus Babylon fortziehen und wohlbehalten nach Hause gebracht werden.
Auf meinem Schreibtisch steht eine Postkarte: How to find God, „Wie man Gott findet“, steht darauf, und dazu einige Vorschläge wie oder wo man das tun könnte – Gott finden: Schau einer Möhre beim Wachsen zu - hebe Müll auf - schau in den Spiegel - mach Mathe - liebe, auch wenn niemand da ist – spiele!
Und noch einiges mehr.
(Die Postkarte „How to find God“ ist von editionahoi und kann auf der Homepage erworben werden.)
How to find God.
Ich brauche diese Erinnerung, wie ich Gott finden kann, damit ich mich überhaupt auf die Suche mache. In meinem Alltag, im Kleinen wie im Großen, manchmal ganz nebenbei. Ich brauche diese Erinnerung, nach Gott Ausschau zu halten.
Denn Gott steht bei mir nicht zuhause im Bücherregal und wartet darauf, bis ich Gott wie ein Buch aus dem Regal ziehe.
Einerseits erscheint mir das sehr praktisch und bequem, wenn Gott einfach im Bücherregal auf mich warten würde.
Andererseits – wenn ich ehrlich bin, hätte ich wahrscheinlich schon längst vergessen, dass Gott da überhaupt steht und auf mich wartet. Mit Büchern geht mir das ja auch so. Manchmal sogar mit den guten.
How to find God
Einige Israeliten im Exil in Babylon vor über 2500 Jahren brauchten die Erinnerung ebenfalls.
„Sucht den Herrn, jetzt ist er zu finden! Ruft ihm zu, jetzt er nahe!“,
ruft der Prophet Jesaja deswegen seinen Mitmenschen zu, von denen manche aufgehört hatten, Gott zu suchen, geschweige denn auf ihn zu hoffen.
Resigniert und hoffnungslos, weil sie kein Zurück in die Heimat mehr erwarteten und von ihrem Gott vielleicht enttäuscht waren die einen. Andere hatte sich in Babylon gut eingerichtet und Gott vergessen.
Und Jesaja ruft: „Los jetzt! Gott ist nahe, er lässt sich finden. Sucht ihn. Es lohnt sich! Am Ende wartet Gott auf Euch!“
Gott will gesucht – und gefunden werden von seinen Menschen.
Manchmal kommt es mir so vor, als mache Gott eine Schnitzeljagd mit uns.
Legt Spuren und Hinweise, fordert heraus und lockt, immer weiter und weiter, damit wir in Bewegung kommen, genau hinschauen – auf unsere Mitmenschen, in die Welt und manchmal in den Spiegel.
Gott lockt mich immer weiter und weiter, damit ich mein Zimmer, meine Wohnung und das Bücherregal, auch meine gewohnten Ansichten und Pläne, meine Ideen von Gott und der Welt bisweilen hinter mir lasse. Gott suche. Und finde, denn das ist Gottes Ziel – gefunden zu werden. Deswegen beginnt die Gottessuche mit einer Verheißung, die seit Jesaja in der Welt hallt: „Sucht den Herrn, jetzt ist er zu finden! Ruft ihm zu, jetzt er nahe!“
Die Gottessuche, die Schnitzeljagd mit Gott folgt allerdings noch einer anderen eigenen Regel: Gott lässt sich suchen und finden, aber nicht einfangen.
Gott lässt sich nicht festsetzten und aufteilen wie der Schatz am Ende der Schnitzeljagd.
Selbst wenn ich sicher bin, dass ich Gott erwischt und gefunden habe,
selbst wenn ich sicher bin, dass Gott in meinem Leben ist,
lässt Gott sich nicht bei mir zuhause ins Bücherregal stellen.
Auch in Kirchen lässt Gott sich nicht sperren.
Das Suchen und Finden und wieder Suchen und noch einmal Finden – das hört nicht auf mit Gott. Die Schnitzeljagd endet nie.
„Meine Pläne sind anders als eure Pläne und meine Wege anders als eure Wege“,
erinnert Jesaja alle daran, die meinen Gott zu haben.
„Meine Pläne sind anders als eure Pläne und meine Wege anders als eure Wege.“
Der Satz wird oft als Trost gesagt, wenn einem die Sinnlosigkeiten der Welt mit voller Wucht ins Gesicht schlägt, und er wird so zur bloßen Vertröstung. Als ob die Sinnlosigkeit mehr Sinn macht mit Gott. Gott bewahre! Und ich frage mich: Wozu das Suchen und Finden, wenn Gott bloß als Sinngebung in der Sinnlosigkeit herangezogen wird. Welcher Unfall, welche Krankheit, welcher Krieg macht schon Sinn?
„Meine Pläne sind anders als eure Pläne und meine Wege anders als eure Wege.“
Trotzdem macht mir genau dieser Satz Hoffnung bei der Schnitzeljagd nach Gott.
Denn stellen wir uns das einmal andersrum vor:
Eure Pläne sind meine Pläne und Eure Wege sind meine Wege.
Ich bin mir sicher, dass die meisten hier grundsätzlich gute Pläne und Wege haben, vielleicht sogar alle. Und Gott bleibt trotzdem entzogen. Gott sei Dank!
Denn wenn wir ehrlich sind: Wie oft gehen unsere Pläne am Ende doch nicht auf.
Wie zerstörerisch entpuppen sich viele unserer alten Wege für die Schöpfung.
Wie verletzend und brutal sind die Pläne von manchen.
Gottes Pläne und Wege sind andere: Das ist für mich kein Trost, sondern notwendiger Hoffnungsanker: Spielräume eröffnen sich und neue Möglichkeiten werden sichtbar, wo ich im Dunkeln tappe.
Neuanfängen entstehen, wo ich längst am Ende bin. Vergebung wird Wirklichkeit und die Enge öffnet sich zur Weite. Merkwürdige und ungeahnte Wege tun sich auf: Einer davon hat in der Krippe begonnen und am Kreuz geendet.
„Meine Pläne sind anders als eure Pläne und meine Wege anders als eure Wege.“
Gott legt Fährten und Spuren, lässt sich finden und entzieht sich wieder, stellt mir Wegbegleiter an die Seite und lockt mich, zieht mich – immer weiter ins Leben und in die Welt hinein. Und zu sich hin.
Zugegeben, das ist nicht bequem, bisweilen ärgerlich, und manchmal brauche ich davon auch eine Pause. Aber ich glaube es ist das, was es heißt Gott zu suchen und ins Leben zu lassen: in Bewegung sein, hinschauen, entdecken, sich überraschen lassen. Von neuen Möglichkeiten, Begegnungen und Spielräumen – von Gott.
How to find God.
Nur wie? Und wo anfangen, wenn Gott sich dann doch immer wieder entzieht?
Was für Fährten und Spuren legt Gott denn?
Jesaja erzählt davon, wie Gott die Distanz überwindet, wie Gott da ist und sich finden lässt immer wieder aufs Neue.
Wie Gott durch sein Wort wirkt – so wie unsere Worte auch wirken.
Sichtbar, spürbar.
„Regen oder Schnee fällt vom Himmel und kehrt nicht dahin zurück, ohne die Erde zu befeuchten. So lässt er die Pflanzen keimen und wachsen. Er versorgt den Sämann mit Samen und die Menschen mit Brot. So ist es auch mit dem Wort, das von mir ausgeht: Es kehrt nicht wirkungslos zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will. Was ich ihm aufgetragen habe, gelingt ihm.“
Gott lässt sich an seiner Wirkung erkennen.
Denn Gottes Wort verändert.
Wird für manche zum Trost am Grab – in dieser aberwitzigen Hoffnung, dass da am Grab nicht das Ende ist, sondern ein Neuanfang.
Menschen, Vereine und Gemeinden öffnen ihre Häuser und Wohnzimmer, um Kaffee und Zeit, Energie und Wärme zu teilen. Weil sie wissen, wie viele das jetzt brauchen: Wärme und auch Gemeinschaft.
Jugendliche, Kinder (auch Erwachsene) organisieren in ihren Schulen Hilfe für die Ukraine. Sie sammeln Spenden, packen Pakete mit Nudeln, Konserven und Kaffee und sorgen dafür, dass alles auf LKWs verladen wird und in den Kriegsgebieten ankommt.
Für mich sind das Wirkungen von Gottes Wort.
Oft kann ich es nur ahnen und glauben.
Beweisen oder erklären kann ich es nie.
Die Wirkung kann ich nur geschehen lassen.
Spüren und erfahren, mich davon anziehen, locken und überraschen lassen.
Immer wieder.
Gott zieht seine Menschen durchs Leben, legt Fährten und Spuren, überrascht und fordert heraus, lässt uns suchen und sich finden. Das hört nicht auf.
Und manchmal hinterlassen wir auf unserer Suche selbst Spuren von Gottes Wort. Oft, ohne dass wir es bemerken.
How to find God
Mit einer Verheißung fängt die Schnitzeljagd an, die dich auf Gottes Spuren durchs Leben bringt. Und wenn Du das vergisst oder einmal nicht mehr weißt, wo Du anfangen sollst, zu suchen, dann schau doch den Möhren beim Wachsen zu und lass dich von der Schöpfungskraft überraschen. Mach Mathe und staune über die Ordnung der Dinge. Liebe, selbst wenn niemand da ist. Oder schau mal wieder in den Spiegel. Gott wird sich schon finden lassen. Gott hat es versprochen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Die drei Lüneburger Innenstadtgemeinden feiern in diesem Winter zum ersten Mal gemeinsam Winterkirche: 2/3 der Gemeinde an dem Sonntag kenne ich also kaum. Mir sind trotzdem einige Personen vor Augen: diejenigen, die genau wissen, wie alles zu sein hat und das auch selbstbewusst vertreten und viele, die umgekehrt auf der Suche sind, was Gott und Glaube (auch Kirche) für sie (noch) bedeuten können, darunter viele Konfirmand*innen mit ihren Familien.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Die Predigt habe ich „suchend“ geschrieben – das Bild der Schnitzeljagd hat sich erst beim Schreiben ergeben und mich weitergelockt und das Bild, das ich ursprünglich stark machen wollte, vollkommen verdrängt.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Für mich ist der Gedanken des nahen und gleichzeitig sich entziehenden Gottes wichtig. Nähe und Distanz, Suchen und Finden gehören gleichermaßen zu Gott und zur Gottesbeziehung. Das macht für mich Lebendigkeit des Glaubens aus.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Die Fokussierung auf weniger Beispiele, die dafür stärker ausgearbeitet werden, einerseits und die Feststellung, dass in manchen unscheinbaren Sätzen Stärken sind, die ich selber gar nicht gesehen habe.