"Gott wohnt im Himmel – und in unserem Leben" - 1. Könige 8, 22-28, Werner Schwartz
8,22

"Gott wohnt im Himmel – und in unserem Leben" - 1. Könige 8, 22-28, Werner Schwartz

22 Und Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel
23 und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen;
24 der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage.

26 Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast.
27 Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen - wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?
28 Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörest das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir.
Salomo weiht den Tempel ein. Sein Vater David wollte ihn schon bauen, es war ihm aber nicht vergönnt. Jetzt baut Salomo den Tempel, der Sohn und Nachfolger auf dem Thron in Israel und Juda. Er baut Gott ein Haus.
Monumental war das Bauwerk für heutige Verhältnisse nicht, 28 m lang, 9 m breit, 14 m hoch, so die Maße, 60 x 20 x 30 Ellen (6,2). Ein Nichts gegen die großen Dome des Mittelalters. Jede mittlere Dorfkirche stellt diesen Tempel in den Schatten.
Und doch für damals die Wohnstätte Gottes. Der Ort, wo Gott eine Wohnung finden sollte, für immer und ewig. Deshalb wurde die Bundeslade dorthin überführt, der Thronsessel Gottes in Israel, und die Stiftshütte, das Zelt, das in der Zeit der Wüstenwanderung Zeichen dafür war, dass Gott mitzog mit seinem Volk. Die Zeichen der Begleitung auf dem Weg nun an einem festen Ort.
So habe ich nun ein Haus gebaut dir zur Wohnung, eine Stätte, da du ewiglich wohnest, sagt Salomo (v. 12).
Ein Haus für Gott. Sicher nicht nur Gott zuliebe, dass Gott weiß, wo er zu Hause ist, nein, auch für die Menschen, dass sie wissen, wo sie ihn anbeten und verehren, wo sie zu ihm flehen und ihm opfern können, - und ganz nebenbei auch ein Symbol der Macht dieses Königs, der solch einen Tempel baut und darin seinen Reichtum und die Wirtschaftskraft des Landes sichtbar demonstriert.
Salomo hat die Bundeslade zum neuen Tempel überführt, er hält eine Ansprache, und dann spricht er ein langes Gebet. Darin finden sich die Verse, die wir bedenken. Bevor er die versammelte Gemeinde segnet, das ist im Anschluss erzählt, und eine unvorstellbar große Herde von Tieren als Opfer schlachten lässt, 22.000 Rinder und 120.000 Schafe (v. 63). Man kann schon Angst kriegen, wovon Israel denn soll leben können, wenn das alles an einem Tag aufgegessen ist.
Dieses Gebet, in den Versen für heute, befasst sich mit zwei Fragen: Wie ist das mit der Treue Gottes? Und: Wo ist Gott, wo zu finden, wo anzubeten?
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Wie ist es mit der Treue Gottes? Wie ist das bei allem, was wir erleben und erlebt haben? Wie ist das mit der Treue Gottes? Hält er, was er zusagt? Kann ich mich darauf verlassen, dass Gott treu zu mir steht? Bei allem, was mein Leben mir bringt?
Schweres Schicksal, Verlust und Vertreibung, Trauer und Verzweiflung, Abschied von ungelebten Träumen und ganz mühsame Wege, überhaupt wieder festen Boden unter die Füße zu kriegen. Manche könnten davon beredte Geschichten erzählen.
Ist Gott treu? Hält er zu mir? Gibt er mir die Kraft? Bleibt sein Segen bei mir? Oder kann ich nur, nach Jahren, sagen: Dass ich nicht untergegangen bin, ist ein Zeichen für Gottes Hilfe?
Das Tempelweihegebet des Salomo ist wohl erst aufgeschrieben, als es den Tempel längst nicht mehr gab. Er war zerstört, das Volk in der Verbannung in Babylon. Da erinnert Salomo an die Verheißung an seinen Vater David und freut sich, dass sichtbar Gestalt angenommen hat, was David zugesagt war. Aufgeschrieben aus der Perspektive derer, die schon wissen: Das ist wieder zerstört.
Und wie kriegen sie das zusammen? Sie erklären, dass der Tempel, der verloren ist, wohl auch durch die Schuld derer verloren ist, die abgewichen sind von Gottes Weg. Gott hält seine Treue. Aber er erwartet auch Treue, er erwartet ein entsprechendes Verhalten, er erwartet, daß Menschen ihm folgen. Das klingt im Eingang an: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen.
Gott hält den Bund und seine Bundestreue, seine Barmherzigkeit und erwartet, daß seine Bundesgenossen einen entsprechenden Wandel pflegen. Wo nicht, ist er offenbar seiner Verpflichtung ledig, diesen Bund zu halten. Die Treue Gottes ist an die antwortende Treue der Menschen gebunden. Sonst zerbricht sie, löst sich auf in Nichts.
Wie ist das mit der Treue Gottes? Die Antwort hier: Gott hält seine Treue. Aber der Mensch kann sie verspielen, sich lossagen von Gott, und dann geht er eigene Wege und riskiert, daß Gottes Angesicht sich verdunkelt und der Tempel zerstört wird.
Und damit ist schon deutlich, worauf diese Geschichte hinausläuft: Sie ist eine Einladung an die, die sie hören, an uns, uns als Knechte Gottes zu verstehen, die vor Gott wandeln von ganzem Herzen. Damit Gott zeigen kann, wer er ist: Der HERR, der Gott Israels, und es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden ihm gleich, der hält den Bund und die Barmherzigkeit seinen Knechten.
Eine Einladung zum rechten Verhalten, zur Nachfolge, zum Gehen in Gottes Spur, zum Halten der Gebote. Das Tun des Guten, die Ethik gehört halt zum Glauben hinzu. Kein Glauben ohne das rechte Tun. Sonst kann der schönste Tempel darüber zerstört werden.
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Aber wenn der Tempel zerstört ist, wo ist Gott dann zu finden? Wo man doch davon hat ausgehen können, daß man Gott dort, im Tempel, anbeten kann?
Zugleich hat sich damals doch auch schon die kritische Frage erhoben: … sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen - wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?
Bei der Einweihung des Tempels schon die Frage: Braucht es den Tempel, um Gott zu verehren? Ist Gott nicht zu groß für jedes Haus der Welt? Wie kann der transzendente Gott in irgendeine uns Menschen zugängliche Form von Immanenz gebracht werden? Müssen nicht alle unsere Versuche, uns Gott zu nähern, scheitern, weil er der ganz Andere, Gott eben, ist?
Eine Frage, die besondere Brisanz hat in der Zeit des Exils, als der Tempel in Jerusalem zerstört ist. Braucht’s den Tempel überhaupt? Wozu? Als Ort für Opfer, als Ort der Gegenwart Gottes? Und was bleibt, wenn es den Tempel nicht mehr gibt?
Die Antwort findet sich in dem Gebet Salomos selbst: Wende dich … zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörest das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir.
Wo der Tempel nicht mehr ist, bleibt das Gebet. Das Heiligtum ist da, wo gebetet wird. Da, wo Menschen Gott anrufen und Gott sie hört und ihnen nahe ist und sie in Gottes Wegen wandeln. Da ist das Heiligtum, da ist Gott. Der Gott, den aller Himmel Himmel nicht fassen können. In den Menschen, die an ihn glauben und aus seiner Kraft leben.
Da, im Beten, ist Gott gegenwärtig. Da begegnet er den Menschen, da begegnen Menschen Gott. Da finden sie Halt und Orientierung, Sinn und Geborgenheit. Im Beten und dann im Tun.
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Merken Sie, da wird diese alte Tempeleinweihungsgeschichte zur Himmelfahrtsgeschichte.
Wo ist Gott, wo ist Jesus gegenwärtig? Jetzt, wo er nicht mehr greifbar ist, nicht mehr dinglich fassbar? Wie Gott halt nirgends dinglich fassbar ist.
Er ist in den Himmel aufgefahren. Und zugleich gegenwärtig in den Geschichten vom Himmel, vom Reich Gottes, die unter uns lebendig bleiben. In der Kraft des Heiligen Geistes, die auf uns kommt und uns befähigt, seine Zeugen zu sein, Zeugen Gottes und Zeugen Jesu Christi, durch unser Wort und unser Tun auf ihn hinzuweisen, jetzt wo Christus nicht mehr sichtbar und greifbar anwesend ist in dieser Welt.
Gott ist im Himmel. Und selbst der Himmel kann ihn nicht fassen. Und Christus ist beim Vater. Und wir haben die Geschichten, den ganzen Reichtum der Erinnerung, das Gedächtnis seiner Wunder, seiner Taten und seiner Reden. Er ist bei uns mit seinem Geist.
So können wir zu Gott beten. Unser Vater im Himmel … Unter Gottes Himmel sind wir nicht allein. Gott ist gegenwärtig. Wir können in seinem Geist des Vertrauens zu ihm beten. Und aus seinem Geist der Liebe leben. Glauben und Leben, Beten und Tun, das sind die Weisen, in denen Gott bei uns gegenwärtig ist und wirksam sein will. Glauben und leben, beten und tun. Wissen, dass im Glauben die Kraft liegt, die ins Leben und fürs Leben trägt. Die zur Liebe befähigt, zum Einsatz für andere.
Glauben und leben, beten und das Rechte tun.
Mit und ohne Tempel, in unseren Kirchen landauf landab. In der Liturgie und der Kirchenmusik und im Leben am Sonntagmittag – und am Montagmorgen und am Freitagabend, in der Kirchengemeinde und in der Familie und im Beruf.
Die Kirchengebäude, der Tempel auch, wie feierlich wir sie auch einweihen, mit wie viel Aufwand wir sie pflegen und wie prachtvoll und innig wir die Gottesdienste in ihnen ausgestalten, können nur ein unvollkommener Hinweis auf den Gott sein, auf den es für unser Leben ankommt. Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen - wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?
Gott ist bedeutsam für uns. Gott, zu dem wir beten können, dem wir vertrauen können und der uns hilft. Gott, der uns die Treue hält und der unsere Treue will, unsere Barmherzigkeit, unsere Liebe. Gott, der im Himmel wohnt und in unserem Leben wohnen will. Damit unser Leben erfüllt wird und gelingt.
HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen … Wende dich … zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörest das Flehen und Gebet deines Knechtes heute vor dir.
Amen