Liebe Gemeinde,
Ich möchte Ihnen eine Frau vorstellen.
Nennen wir sie Anna. Sie engagiert sich ehrenamtlich in der Kirchengemeinde. Gerade war der Tag des Ehrenamtes. Sie hatte von der Pfarrerin gute Dankesworte gehört für das große Engagement in ihrer Gemeinde. Sie besucht alte und kranke Menschen in der Gemeinde. Wenn sie das Gefühl hat, dass hier und da mal mehr notwendig ist, organisiert sie entsprechend. Was an ihr auffällt: Sie scheint nie schlechte Laune zu haben. Immer ist sie fröhlich. Sie trägt immer ein Lächeln auf den Lippen und beklagt sich nie. Vielmehr erzählt sie immer voller Wärme und Dankbarkeit von den Begegnungen mit Menschen. Mit ihrer fröhlichen Herzlichkeit steckt sie andere an. Nie hat jemand das Gefühl, dass man ihr zur Last fällt.
Wahrscheinlich kennen viele von Ihnen Anna oder Menschen wie sie. Es tut so gut, solchen Menschen zu begegnen.
An Anna musste ich denken, als ich den heutigen Predigttext aus dem Brief an die Gemeinde in Philippi las:
BigS Phil 4, 4-7
4Die ihr in der Gemeinschaft Christi seid, freut euch allezeit, und wiederum sage ich: Freut euch! 5Eure Güte lasst allen Menschen bekannt werden. Nah ist der, dem ihr euer Leben anvertraut habt. 6Lasst euch nicht von Sorgen bestimmen, bringt vielmehr in jeder Lage eure Anliegen in Gebet und Bitte vor Gott, immer begleitet von Danksagung. 7Und Gottes Friede, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Jesus Christus.
Wenn Anna heute fröhlich ihre ehrenamtliche Arbeit in der Gemeinde versieht, ist das kaum zu vergleichen mit den damaligen Zeiten. Die äußeren Umstände, die Lebens- und Glaubensverhältnisse sind völlig anders. Damals lebte die Gemeinde in Philippi in unsicheren Zeiten. Immer wieder liefen sie Gefahr, von den Mächtigen verfolgt zu werden.
Paulus selbst schreibt aus dem Gefängnis heraus an die Gemeinde. Wer von Paulus' Worten begeistert war und nun von seinem Schicksal hörte, konnte verunsichert sein. Aber die Menschen in Philippi scheinen nicht verunsichert zu sein. Sie schicken sogar jemanden zu Paulus, um ihm beizustehen.
Der Brief des Paulus an die Gemeinde in Philippi liest sich in großen Teilen wie ein Liebesbrief. Er könnte auch eine Laudatio sein. Wenn wir beispielsweise Anna für das Bundesverdienstkreuz vorschlagen würden, könnten wir in Teilen aus diesem biblischen Buch zitieren.
Unser heutiger Predigttext ist aus dem Briefschluss zitiert. Nach ausführlichen guten Ratschlägen und Ermutigungen fasst Paulus zusammen: Freut euch allezeit, und wiederum sage ich: Freut euch! 5Eure Güte lasst allen Menschen bekannt werden. … Lasst Euch nicht von Sorgen bestimmen!
Und dann dieser wunderbare Segen: 7Und Gottes Friede, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Jesus Christus.
Wir kennen ihn als Kanzelsegen am Ende einer Predigt. Ich selbst spreche ihn gern. Von manchen Gottesdienstbesucherinnen und Besuchern habe ich schon gehört, dass ihnen dieser Segen besonders wichtig ist. Nach all den Worten, die wir Pfarrerinnen geredet haben, verweisen wir mit diesem Segen auf Gottes Frieden. Der ist größer als jede Vernunft. Größer als all mein Reden über religiöse, christliche, theologische Inhalte. Über all dem steht Gottes Friede. Für mich bedeutet dieser Segen, dass Gottes Segen ganz unabhängig von meinen Worten und Gedanken in der Predigt zu den Menschen kommt. Ich muss nicht erst etwas mit meinem Verstand durchdrungen haben. Gottes Segen kommt direkt in mein Herz und in meine Gedanken. Durch und mit Gottes Segen gehöre ich in die Gemeinschaft mit Jesus Christus.
Die Gemeinde in Philippi hatte es nicht immer leicht. In sorgenlosen Zeiten ist es ja einfacher zu vertrauen und sich zu freuen. In schwierigen Zeiten fällt es mir manchmal schwer, die Leichtigkeit und Fröhlichkeit zu bewahren. Manchmal möchte ich lieber über etwas meckern, was nicht gut läuft. Manchmal rege ich mich auf über Menschen. Da gibt es Rücksichtslosigkeit oder Gedankenlosigkeit. Ich erlebe auch Bosheit und Neid. Es gibt so vieles, das es mir manchmal schwer macht, fröhlich und zuversichtlich zu bleiben.
Ich habe Anna einmal gefragt, wie sie das schafft, immer so viel Zuversicht auszustrahlen. Ihre Antwort war so einfach wie genial: „Es ist so viel einfacher, mit Jesus im Herzen zu lieben als gegen ihn zu wettern!“ Sie weiß sich von Jesus geliebt, von Gott begleitet. Ihre innere Kraftquelle, ihr Antrieb ist Gottes Nähe.
Gottes Friede ist höher als alle Vernunft.
Gottes Friede bewahrt unsere Herzen.
Gottes Friede bewahrt unsere Gedanken.
Gottes Friede schenkt uns Gemeinschaft mit Jesus Christus.
Vielleicht ist es wirklich einfacher, Gott in mein Herz zu lassen als gegen Gott zu wettern? Ich verfalle leider noch oft genug ins Wettern und Meckern. Dabei wäre ich gern viel häufiger so wie Anna. Den Kanzelgruß kann ich mir selbst immer mal wieder als Erinnerung sagen. Es ist eine Form von Achtsamkeit und Selbstfürsorge, sich auf Gottes Friede zu verlassen. Daraus kann viel Kraft erwachsen. So erlebte Paulus es in der Gemeinde in Philippi. Darum schreibt er ihnen eine Art Liebesbrief. Darum erinnert er die Menschen in Philippi am Schluss an Gottes Frieden, der höher ist als alle Vernunft und unsere Herzen und Gedanken in der Gemeinschaft mit Jesus Christus bewahrt.
Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Gerade vorher hatte ich mir angehört, wie ein Kollege über eine Kollegin klagte, die immer alles schwierig findet und überall Missgunst und Hinterlist vermutet. Andererseits hatte ich eine Frau getroffen, die ähnlich wie Anna in meiner Predigt immer fröhlich und herzlich wirkt. Solche Frauen kenne ich mehrere und finde sie so unendlich wertvoll.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Der Kanzelsegen ist mir im Laufe der Predigt noch wertvoller geworden als er sowieso schon ist. In wieweit kann der Kanzelsegen als Achtsamkeitsübung verstanden werden? Diesen Gedanken fand ich interessant. Kann der Kanzelsegel ein Flügel für meinen inneren Seelenfrieden werden? Bei „Anna“ scheint es so zu sein.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Kanzelgruß als Achtsamkeitsübung immer wieder durchbuchstabieren. Als Merkzettel an den Computer oder in einzelnen Abschnitten immer mal wieder stärken. So möchte ich mehr und mehr wie Anna werden.