Gottes Friedensbewegung: Böses mit Guten überwinden - Predigt zu Römer 12, 17 - 21 von Michael Plathow
12,17-21

Gemeindelied vor der Predigt: NG  116: „Da wohnt ein Sehnen tief in uns ...“

4. So. n. Trin. (5. 7. 2020)

Michael Plathow

1. „Da wohnt ein Sehnen tief in uns“, so haben wir gesungen, Liebe Gemeinde, ein Sehnen nach mehr Frieden und weniger Bösem in der Welt, nach Liebe und das in einer Zeit der Extreme: Politische Spannungen und Trennungen durch nationalen Egoismus und Stellvertreterkriege mit Kollateralschäden für die Zivilbevölkerung. Dazu Spaltungen durch Hassparolen und populistische Ideologien. Der Friede bleibt auf der Strecke.Tagtäglich öffnen Bad-News uns den Mund zur Klage über die Schrecken des Bösen, zum Schrei nach mehr Frieden und Gerechtigkeit. Zwischen moralisierender Empörung und trägem Egoismus, politischem Utopismus und ernüchtertem Pragmatismus sucht das Sehnen tief in uns Klärung und Entscheidungshilfe für den Weg des Friedens.

„Kirche auf dem Weg der Gerechtigkeit und des Friedens“ ist die Kundgebung der letzten EKD- Synode in Dresden. Dort hören wir Folgendes über Gottes Friedensbewegung und unseren Friedensauftrag: „Als Teil der Friedensbewegung Gottes in die Welt hinein verpflichten wir uns, in unseren eigenen Strukturen und Veränderungsprozessen, in unserem täglichen Handeln sowie in den gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen um Gottes Frieden zu bitten, ihn beständig zu suchen und für Gerechtigkeit und Frieden einzutreten. Wir sind unterwegs im Vertrauen, dass Gott unsere Füße auf den Weg des Friedens richtet“.

Die Verantwortung für die Frage des Friedens  kennt jedoch brisante Situationen – wie etwa den Genozid. Das Auslöschen eines Volkes ist wohl das schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich erinnere an den Holocaust. Da können notwendigen Zwangsmaßnahmen auch eine militärische Option einschliessen; sie müssen zugleich in zivile und politische Maßnahmen eingebettet sein.

2. Wie bei der EKD-Verlautbarung schlägt Paulus der christlichen Gemeinde in Rom vor, sich im christlichen Sinne von der Welt zu unterscheiden: „Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Its´s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“ (Röm 12, 18) Paulus ermutigt Christinnen und Christen für ihr Zusammenleben in Staat und Kirche dazu, jederzeit zu prüfen, „was der Wille Gottes“ ist.

Ein solcher Friedensauftrag kann nerven.

Zugleich trifft er aber auch den Nerv unseres Unvermögens. Denn es ist doch immer wieder festzustellen: Es gelingt nicht so ohne Weiteres, den Frieden zu bewahren.

Bedenkt aber, liebe Gemeinde: Der Friede ist ein Geschenk Gottes. Unverfügbar. Der Friede Gottes ist höher als alle Vernunft, sagt Paulus (Phil 4, 7). Das aber ist nicht alles: Unseren Frieden haben wir bereits in Jesus Christus. Durch ihn und den Heiligen Geist haben wir Anteil an der Friedensbewegung Gottes in unsere Welt hinein.

3. Durch den Gekreuzigten leben wir Christinnen und Christen als gerechtfertigte Sünder.

Gott liebt uns mit unserem Unvermögen.

Darum wagen wir immer wieder den Frieden in einer Welt unter der Macht der Sünde. Das ist schlechthin d i e Herausforderung für uns Christenmenschen:

„Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.

Ist´s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“

Sind wir also Friedwillige, so treffen wir dennoch auf Menschen, die Böses mit Bösem vergelten. Das ist die teuflische Spirale nach dem Motto: Auge um Auge, Zahn um Zahn

Sie führt tiefer in die Zerstörung. Kein Frieden, keine versöhnliche Haltung.

Sind wir aber Friedwillige, erkennen wir in den Anderen, in den Gegnern und Feinden unsere Mitmenschen.

Paulus öffnet uns die Augen für Gottes Friedensbewegung: Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes.

Jedem Menschen gilt Gottes Freundschaft.

Unsere feindliche Gesinnung wandelt sich unter der Friedensbewegung Gottes in Nachsicht und Güte, in eine versöhnliche Haltung. Teil dieser Friedensbewegung Gottes in die Welt hinein sind wir.

Entsprechend schreibt Paulus, seid im Vorhinein auf Gutes für alle Menschen bedacht. Wer jenseits der Grenze von Feindschaft lebt, erkennt den Anderen, den Gegner, den Fremden, als Mitmenschen und Freund Gottes, dem Gott Barmherzigkeit verheißt und der Gottes Liebe erfährt. Feindschaft wird aus den Angeln gehoben und umgekehrt in Schritte friedliebendem Zusammenlebens in religiöser und sozialer Hinsicht.

Gott selbst hat die Wende zum neuen Anfang gesetzt, den Sünder allein aus Gnade gerechtfertigt und zum neuen Leben berufen. Und mit diesem schöpferischen Neuanfang macht Gott selbst die vertrauensvolle Vorgabe; ihr folgen die Glaubenden, wenn sie grenzüberschreitend Schritte des Friedens tun mit Anderen, den Gegnern, den Fremden. Teilhaben sie an Gottes vorausgehender Friedenbewegung in die Welt hinein.

4.  Paulus ermutigt: „Überwindet das Böse mit Guten“. Schon Gott hat das Böse in euch  mit Gutem in Jesus Christus überwunden. Sein Reich ist längst angebrochen. Paulus glaubt an den friedensbewegten Gott. Er steht in der Nachfolge der Feldpredigt Jesu beim Evangelisten Lukas: „Tut wohl denen, die euch hassen; segnet die euch fluchen; bittet für die, die euch beleidigen. Wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück; richtet nicht, verdammt nicht, vielmehr vergebt und gebt“ (Lk 6, 27 – 39). Oft überfordert uns Christinnen und Christen solch friedliebendes Verhalten.

Erst recht in einer Welt wie der unsrigen: Unsere Wirtschaft lebt vom Konkurrenzkapf. Unsere Politik ist bedacht auf das Gleichgewicht der Kräfte.

Uns Christen wird der Verzicht auf Vergeltung, die Rücknahme eigener Ansprüche, so wie überhaupt jede Form von Mitleid als Schwäche ausgelegt. Schwäche aber führt zur Unfreiheit dem vermeintlich Stärkeren gegenüber. Ganz geschmacklos wird von der herrschenden Welt friedliebendes Verhalten mitunter auch als Duckmäusertum verunglimpft.

 „Überwindet Böses mit Gutem“. In der Friedenbewegung Gottes wird die wechselseitige Vergeltung unter uns Menschen ausgehebelt durch Schritte der göttlichen Liebe zum guten Miteinander. Schon der Kirchenvater Augustin hat erkannt: Schritte der Liebe werden gelernt, indem einer in der Liebe vorausgeht, den erste Schritt tut als Zugang auf den Weg des Friedens (De catechizandis rudibus).

Liebe meint da kein bloßes Gefühl. Liebe stellt eine Beziehung her durch ein Handeln, das für den Anderen Gutes tut, eine Wohltat bringt. Konkret gelebte Liebe durchbricht den Teufelskreis wechselseitiger Vergeltung hin zu mehr Frieden und Gerechtigkeit.

Christenmenschen dürfen leben in der Freiheit von der Fesselung an das ihnen geschehene Unrecht. Sie sind befreit davon, Böses mit Bösem zu vergelten. Sie sind frei, Böses mit Guten zu überwinden durch die Kraft der erbarmenden Liebe und Gerechtigkeit Gottes.

Der Wärmestrom der Liebe und  die Macht der Gerechtigkeit Gottes sind es, die die lebenverändernde und lebengestaltende Kraft des Glaubens den ersehnten Frieden stiften lässt.

Sie sind Zeichen für das schon angebrochene Reich Gottes mitten in unserer Welt.

6. Paulus mahnt schließlich: „Liebet eure Feinde“.

Feinde gibt es unzählige, liebe Gemeinde. Das zeigt sich tagtäglich..

Ist die Anfeindung kaum mehr zu ertragen, kann es sein, dass wir uns verteidigen: dass wir der Faust die Faust zeigen, dass wir nicht mehr stark genug sind, unseren Feinden mit ausnehmender Freundlichkeit und Hilfsbreitschaft zu begegnen. „Wenn deinem Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihm, gib ihm zu trinken. … So wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln“, heißt es im Alten Testament. „Tut wohl denen, die euch hassen, verfluchen, verspotten, bestehlen, quälen“, heißt es in Jesu Feldpredigt (Lk 6, 27 – 30). Die Liebe Gottes zu uns ist die stärkende Kraft in unserem Leben.

Die Liebe Gottes gibt nicht auf.

Allein deshalb wagen wir immer wieder die Liebe unseren Feinden gegenüber.

Jesus ist da unser Vorbild. Ihm wollen wir nachfolgen in der Liebe.

Jesus ist der, der „keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand, der nicht wiederschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt“.

Jesus lebte die Feindesliebe und überzeugte damit: Das kommende Reich Gottes ist bereits angebrochen. Seine Macht der Liebe und Gerechtigkeit haben das Böse überwunden.

Wir als die Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu im Glauben an das Gute haben Teil an der Friedenbewegung Gottes in der Welt. Auch wenn wir immer wieder im Gegenwind derer stehen, die ihre Gewinne auf Kosten anderer machen.

Wir aber wollen leben mit der „Goldenen Regel“: „Wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch“ (Lk  6, 31), auch wenn bei der Feindesliebe eine Rückerstattung nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit nicht zu erwarten ist.

7. Lasst euch nicht entmutigen, liebe Gemeinde. Wir sind unterwegs im Vertrauen, dass Gott unsere Füße auf den Weg des Friedens richtet.

Seht auf Jesus. Jesus hat Feindschaft, Verrat, Hass und Verleumdung mit Liebe entwaffnet.

Das ist unsere Hoffnung in der Liebe zu unseren Feinden.

Segen dem Fluch. Vergebung dem Unrecht. Jesu Gebet für die, die ihm zuriefen: Du bist ein Gotteslästerer.

Wir aber reihen uns ein in die vielen vor uns, die Jesu Nachfolgende waren: Dietrich Bonhoeffer, Edith Stein, Oskar Romero usw., usw. Auch wir, liebe Gemeinde, gehören zu ihnen.

Selbst dann, wenn ihr schwächelt unter dem Anspruch eines gottgefälligen Lebens. „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!“ (2. Kor 12, 9f). Gott stärkt den Schwachen den Rücken.

Jesus leitet uns an in der Liebe: Liebt einander. Liebt euch selbst. Liebt Gott. Liebt eure Feinde!

Darum liebt so, wie es euch möglich ist.

Denn schon längst seid ihr Kinder Gottes. Berufen zum ewigen Leben.

Mit Jesus auferstanden, seid ihr berufen zur Liebe.

Hineingenomen seid ihr schon jetzt in die Friedensbewegung Gottes.

Das ist die Frohe Botschaft. 

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne und unser Tun im Vertrauen auf Jesus Christus, der „unser Friede ist“ und uns zu Friedensstiftern macht. Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Prof. Dr. Michael Plathow

1.    Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Interessierte, z. T. Gerade auch junge Gemeindeglieder. Ökumenisch sehr offen. Teils-weise Besucher der Evang. Kirchentage
Errichtung eines friedensethschen Aninstituts der Landeskirche
 
2.    Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Diskussion um die EKD-Synode in Dresden.
Die seelsorgerliche Ausrichtung einer Predigt.
Mehr kurze Sätze.

3.    Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
 Gottes Friedensbewegung geht unseren Bemühungen um Frieden – nicht Böses mit Bösem zu erwiedern – immer schon voraus

4.    Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitun
 Die persönliche Anrede an die Hörer am Schluss der Predigt

Perikope
05.07.2020
12,17-21