Gottes Schweigen und Reden - Predigt zu Hebräer 1,1-3 von Christian Stasch
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Gottes Schweigen und Reden - Predigt zu Hebräer 1,1-3 von Christian Stasch

Gottes Schweigen und Reden

Liebe Gemeinde!

„Ich bin ein Berliner“ lauten die letzten Worte einer epochalen Rede. John F. Kennedy  in Berlin, zwei Jahre nach dem Mauerbau, der die Stadt vollends teilt, und  die Menschen verunsichert und trennt. Der US-Präsident kommt und packt seine Solidarität mit den Bürgern in die auf deutsch gesprochenen Worte: Ich bin ein Berliner. Epochal.

Im selben Jahr 1963 beim Marsch auf Washington, die Bürgerrechtsbewegung, 250.000 Menschen, und Martin Luther King entfaltet seinen Traum von der Überwindung der Rassenschranken:  I have a dream. Epochal.

1985 im Deutschen Bundestag: 8. Mai, Tag des Kriegsendes. Richard von Weizsäcker nennt diesen tag keinen Grund zum Feiern, aber einen Tag der Befreiung. Epochal.

Und vier Jahre später, Hans Dietrich Genscher. auf dem Balkon der Deutschen Botschaft in Prag, vor ihm auf dem Freigelände der Botschaft 4000 Menschen aus der DDR, ausreisewillig. Seine Rede, eigentlich nur ein einziger Satz: „Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise… (Tausendfacher Aufschrei und Jubel, und den Rest hört man kaum noch:) … in die Bundesrepublik Deutschland möglich geworden ist.“  Epochal. Ich krieg heute noch Tränen beim Anschauen dieser kurzen Rede.

Die letzten Dezemberwochen brachten auch große Reden.

Sigmar Gabriel hat geredet,  beim SPD-Parteitag, in Berlin. Über eineinhalb Stunden. Beklatscht wurde das knapp 5 min. lang. Er bekam hinterher 74 % bei der Wahl.

Dann Angela Merkel, sie hat geredet,  beim CDU-Parteitag , in Karlsruhe. Über eine Stunde. „Wir schaffen das!“ Beklatscht wurde das knapp 10 min. lang. Sie bekam hinterher 90 % bei der Wahl.

Und nun Weihnachten: Gott hat geredet. Durch Jesus, in Bethlehem, in Nazareth, in Jerusalem, wenige Jahre nur. Beklatscht wurde das von einigen, sie liefen Jesus zunächst hinterher, am Ende aber  weg von ihm. Bei der Wahl zur Begnadigung durch Pilatus bekam er dann, laut Bibel,  null %.

Gott hat geredet. Heißt es. Nach Ostern wurde dieses Reden immer wieder  erinnert und wiederholt und gedeutet und  schließlich aufgeschrieben, und die Zustimmungswerte stiegen allmählich an. Und es kam mehr und mehr vor, dass die Christen nicht verzagt und ängstlich waren, sondern den Mund ganz schön voll nahmen, festlich voll.

Wie auch der Anfang des Hebräerbriefes, unser heutige Predigttext:

 „Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten,  hat er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles,  durch den er auch die Welt gemacht hat.  
Dieser Sohn ist der Abglanz von Gottes Herrlichkeit
und der Stempel-Abdruck seines Wesens.“

Festlich vollmundig, weil hier nicht das Erniedrigt sein Jesu angesprochen ist (dreckiger Stall usw.), sondern sein Erhöht sein: Gottes Erbe, Abglanz, Mitschöpfer der Welt. Ganz große Glaubensbilder.

Gott hat geredet durch Jesus.
Jesus, der eine solche Gottesnähe verkörperte und vorlebte, dass man den Eindruck bekam:
Der zeigt uns, wie Gott ist.
Ein schönes griechisches Wort steht da im Text: „Charakter“. Stempelabdruck. Jesus ist Gottes Stempelabdruck. Ganz der Vater. So weit so weihnachtlich.
Aber: Das Ganze ist nicht eindeutig, sondern vieldeutig. Dass Gott überhaupt „redet“ oder geredet hat, das ist EINE Deutung unter vielen. Es ist DEUTUNG, nicht Fakt.
Gottes Rede gibt’s nicht auf Filmrolle,  nicht als Tonbandmitschnitt,  und auch nicht auf einem kleinen handlichen USB-stick. Gottes Rede gibt´s nur im Glauben.
Gott hat geredet - das ist zwar nicht eingebildet, aber doch eingeglaubt.
Denn wir machen doch auch ganz andere Erfahrungen. Die Erfahrung, dass Gott -  schweigt.
Ein Frankfurter Theologe schrieb kürzlich treffend, Gott sei, kommunikativ gesehen, doch eher ein stiller Typ.
Hält keine großen Reden. Ist kein Lautsprecher. Schweigt.
Fürchten wir dieses Schweigen?
Reden, sprechen, singen wir (auch im Gottesdienst!) die ganze Zeit, aus Angst, dass Gott schweigen könnte?
Oder: Redet Gott im Schweigen, in der Stille?

(Stille … !)

Ein Journalist fragte mal die berühmte Helferin der Armen in Kalkutta, Mutter Teresa, wie sie zu Gott bete. Sie antwortete ihm: „Ich rede eigentlich weniger und höre mehr Gott zu.“ Der Journalist hakte nach: „Und was sagt Gott Ihnen dann so?“. – „Ach, er redet eigentlich auch weniger und hört mehr mir zu.“

Dass Gott redet, haben wir offensichtlich nicht „in der Tasche“.
Dass Gott sich uns zuwendet, erfahren wir manchmal und manchmal scheint uns das nur Schall und Rauch und der Himmel wie verschlossen.
Sag doch was. O Heiland. Reiß den Himmel auf.
Menschen verzweifeln in ihrem Land. Sind verfolgt. Lassen alles zurück. Flüchten.
Sag doch was. O Heiland. Reiß den Himmel auf.
Hass und Gewalt nehmen zu. Vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Fragen. Junge Leute fahren darauf ab, sind fasziniert vom flüsternden Säuseln des Terrors.
Sag doch was. „O Heiland. Reiß den Himmel auf. Herab, herab vom Himmel lauf.
Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt, darauf sie all ihr Hoffnung stellt?“ (EG 7)
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Weihnachten hilft, die Erinnerung wach zu halten, dass Gott geredet hat.
Weihnachten hilft, die Hoffnung wach zu halten, dass Gott redet.
Weihnachten hilft, hilft mir immer wieder.
Und immer wieder feiere ich Weihnachten gern.
Finde Weihnachten sehr ansprechend.
Fühle mich angesprochen, weil es zu meinem Leben dazugehört und Weihnachtserinnerungen aus der Kindheit in mir aufsteigen und ganz lebendig sind. Weihnachten mit den Eltern, der Familie, ich habe in der Nase, wie es an Weihnachtstagen duftete. Ich sehe, wie es an Weihnachten glänzte,  im Wohnzimmer, und in den Christbaumkugeln, und in den Augen.
Und dann später, auch sehr schön, das eigene Vorbereiten und Arrangieren, für die eigenen Kinder.
Die Auseinandersetzung mit Weihnachtstraditionen, was wollen wir beibehalten, was ist nichts für uns?
 
Und die Lieder tun das ihre dazu.
Fassen das Geheimnis der Weihnacht wunderbar in Sprache.
Und ich werde beim Singen so was wie ein weihnachtlicher Mensch.
„Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen,
Und da ich nun  nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen.“ (EG 37, 4)
An Weihnachten ist es, als habe Gott geredet und Licht ins Dunkle gebracht.
„Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß.
Mit seinem hellen Scheine vertreibt´s die Finsternis.“ (EG 30)
Das ist wohl eher zu erfühlen und zu besingen als ganz zu begreifen.
So wirkt Weihnachten. So berührt mich Weihnachten.
Spricht mich an. Ich fühle mich da gemeint, mit hinein verwickelt.
Als ob ich mit an der Krippe stehe.
Ich bin angesprochen, angesehen, wertgeschätzt, geliebt!
Meine Hoffnung, für mein Leben und für diese Welt, bekommt neue Nahrung.
Gott hat geredet. Epochal.
Ja, und darf man fragen, was hat er denn nun gesagt hat?
Dafür könnte man eines der Evangelien lesen. Da steht es drin.
Das schaffen wir jetzt nicht.
In Kurzform sagt er dir und mir heute seine Nähe und Menschenfreundlichkeit zu:
Ich bin, der ich bin.
Bin bei jedem Menschen,
den Berlinern, den Winzlarern, und allen anderen.
Bin bei jedem Kind, dessen Leben beginnt und das aufwächst,
bei Jesus und allen anderen.
Bin bei jedem Sterbenden,
bei Jesus und allen anderen.
Bin bei den Lachenden und den Weinenden.
Bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.
Gesegnete Weihnachten.  Amen.