Gottloses Geschwätz und leichtfertig Worte – Clausnitz ist nicht nur in Sachsen
[Anmerkung: Der Predigttext wird nach der Neuen Genfer Übersetzung [NGÜ] verlesen. Stellenweise wird auf die Bibel in gerechter Sprache [BigS] verwiesen.]
Noch tun sie es in der Dunkelheit, aber lange schon nicht mehr heimlich. Ein kleines Dorf, man kennt sich. Viele sind schon weggezogen. Und die, die jetzt dort hinziehen, will man dort nicht haben. Ein Kleinwagen stellt sich quer und der Bus mit den 25 Neu-Clausnitzern kann nicht weiter. Es werden immer mehr Menschen erst 50, später sollen es um die 100 Menschen gewesen sein, die sich grölend den verängstigten Menschen in den Weg stellen. Sachsen wird wieder einmal zum Synonym und Symbol für ausländerfeindliche Übergriffe.
„Konkret heißt das: Alles, was ihr tut, soll von der Liebe bestimmt sein, denn auch Christus hat uns seine Liebe erwiesen und hat sein Leben für uns hingegeben.“ (Eph 5,2 NGÜ)
Der Polizeipräsident: Verhältnismäßig und absolut notwendig, die Anwendung von einfachem und unmittelbarem Zwang: "Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass die Kollegen richtig gehandelt haben."
Der Bürgermeister: Ein Großteil der Menge an diesem Abend war "nicht auf Krawall gebürstet […] Es ging um die große Politik und nicht um die Menschen an sich."
PEGIDA: „Ich schäme mich nicht für die Clausnitzer. Im Gegenteil: Ich habe Verständnis und respektiere den Mut der Bürger.“
Die Leute: “Unser Land, unsere Regeln, Heimat, Freiheit, Tradition.“
Und dann grölen sie wieder – nicht nur in Clausnitz: „Wir sind das Volk.“
Wir sind das Volk? - „Und das Volk schrie abermals: ,kreuzige ihn´ “(nach Mk 15,13).
„Lasst euch von niemand mit leeren Behauptungen täuschen! (Eph 5,6 NGÜ) […] üble Nachrede, leichtfertige Worte oder Stichelei. Das alles gehört sich nicht. (Eph 5,4 BigS) Darum hütet euch, mit solchen Menschen gemeinsame Sache zu machen!“ (Eph 4.7 NGÜ)
„Es ist nicht weit bis nach Rechenberg-Bienenmühle, der Ortschaft zu der Clausnitz gehört. Von Dresden aus fährt man [eine] ungefähr eine Stunde über Bannewitz, Welschhuf, Possendorf, Oberhäslich, Sadisdorf, Reichstädt ... Mitten hindurch durch die osterzgebirgische Provinz, wo das Handynetz immer schwächer wird und wo der Deutschlandfunk im Autoradio, der über das brennende Heim in Bautzen berichtet, sich irgendwann den tschechischen Frequenzen beugt. Die Gegend ist einsam, autoleer, menschenleer an diesem verhangenen Sonntag. Der Weg führt vorbei an Erdstoffdeponien, KFZ-Barankaufstellen, einem alten Sägewerk, Baustoffhöfen und Baumaschinendepots. Und immer wieder an Leerstand. Von Dippoldiswalde bis Nassau kann man überall die aufgelassenen Gasthöfe und blinden Mietshausfensterhöhlen sehen, die leer und kalt im Regen stehen. Dies ist offensichtlich eine Gegend mit zweifelhafter Zukunft, ein Landstrich, der von den Menschen verlassen wird. Sächsische Wirtschaftsflüchtlinge. Dazwischen der krasse Gegensatz der Einfamilienhäuser, deren frisch gestrichene Fassaden vom festen Willen künden, es sich schön zu machen hier im feuchten Tal. Dazu benutzen sie wie überall in der Provinz diese groteske Fassadenfarbe, deren Tönung weder in der Natur noch in irgendeinem Farbfächer vorkommt. Falbes Mint und getrübtes Orangebraun, gräuliches Gelb und Neonbeige – plötzlich wirkt der Nebel gnädig.“
(Facebook Seite von Karlo Tobler, Post vom 21.01.2016, 16.07 Uhr https://www.facebook.com/karlo.tobler?__nodl)
„Bringt vielmehr bei allem, was ihr sagt, eure Dankbarkeit gegenüber Gott zum Ausdruck.“ (Eph 5,4 NGÜ)
„Was sie denn bräuchten, fragen wir die Menschen im Haus, wie man ihnen am besten helfen könne. Und da sagt Frau Khatum tatsächlich: „Wir haben alles, was wir brauchen: Frieden und Sicherheit. Wir sind sehr dankbar.“ (Quelle s.o.)
Liebe Gemeinde,
ein sperriger Text aus dem Epheserbrief. Mahnungen zum richtigen Verhalten als Christ. In der Collage mit der aktuellen Berichterstattung aus den Medien der letzten Tage gewinnen die alten Zeilen eine bedrückende Aktualität.
Entschiedene Positionen, eindeutiges Verhalten, moralische Integrität. Das kennzeichnet diejenigen, die Christus nachfolgen, oder wie es unser Predigttext heute sagt, „solche, die Gott nachahmen.“
Sexuelle Unmoral, Schamlosigkeit jeder Art und Habgier – das mögen die drängendsten Herausforderungen aus der Sicht des Schreibers dieses frühchristlichen theologischen Traktates gewesen sein. Das ist es, was für den Autor des Epheserbriefes einfach völlig unvereinbar war, mit dem Status eines von Gott geliebten Kindes. „Seid also solche, die Gott als geliebte Kinder nachahmen. Lebt als Kinder des Lichts“ (Eph 5,1.8b BigS)
Eine Mahnung; entschiedene Position; eindeutiges Verhalten; klare Distanz zu den Dingen, die unsere Gottebenbildlichkeit verdunkeln.
Was ist es heute, das uns als Christenmenschen zur Entschiedenheit und Eindeutigkeit zur Klarheit und Distanz herausfordert? Die Collage zu Beginn der Predigt ist meine Antwort. Der Epheserbrief fordert ein entschiedenes moralisches Handeln im Alltag eines jeden Christenmenschen. Das Aufzeigen von Grenzen im Alltag, die moralische Entschiedenheit der Christenmenschen, ist auch hier und heute wieder mehr den je gefordert.
Und lasst euch von niemandem täuschen: Clausnitz ist nicht weit weg! Wo ziehen Sie die Grenze, im Gespräch mit Freunden, Kollegen, unter den Eltern im Kindergarten oder an der Schule? Wo läuft die Grenze zwischen einer angeregten, größtenteils auch aufgeregten politischen Debatte über Zuwanderung, Flüchtlingspolitik und Solidarität in Europa auf der einen Seite und gottlosem Geschwätz und Hetze, die immer schamloser vorgetragen wird?
Ab wann sagen Sie: „Hier kann ich nicht mitgehen! Da bin ich anderer Meinung! Das kann ich so nicht stehen lassen!
Immer wieder höre ich das, vor allem auch von älteren Menschen: „Uns hat damals auch niemand geholfen“ „Ich muss mit meiner kleinen Rente auskommen und die dürfen mit der Taxe zum Arzt fahren.“
Die Kirche hat sich für alle, die in soziale Not geraten sind einzusetzen, ohne Ansehen der Person. Aber im Bezug auf die Frage der Bürgerkriegsflüchtlinge sind diese Argumente nichts anderes als eine scheinheilige Neiddebatte und deshalb unmoralisch.
Am Heiligen Abend 2015 wurde vor unserem Gemeindehaus ein Flugblatt verteilt mit dem Titel „Jedes Asylheim ist ein Verbrechen gegen unsere Obdachlosen.“ Auch das, eine scheinheilige Neiddebatte. Es war schon immer ein beliebtes Spiel die Not des Einen gegen die Not des Anderen auszuspielen. Auch das ist eine Spielart der Habgier, die unser Predigttext streng brandmarkt. Stattdessen:
„Bringt vielmehr bei allem, was ihr sagt, eure Dankbarkeit gegenüber Gott zum Ausdruck.“ (Eph 5,4 NGÜ)
Kennen Sie eigentlich andere Staaten, die ein ähnlich ausgeprägtes Netz an sozialen Leistungen haben wie wir? Krankenversicherung, Arbeitslosengeld, Elterngeld, Kindergeld...
Gerne wird auch der zumeist muslimische Glaube ins Feld geführt, um gezielt Ängste vor Fremden zu schüren, so auch in jenem Flugblatt: "Hunderttausende der Einwanderer kommen aus Ländern, in denen Hass auf Christen und Andersgläubige zum Alltag gehört. [...] Und überhaupt: Ist Ihnen das eigene Volk und Land, das Grundlage Ihrer eigenen Kultur und Ihrer eigenen Werte ist, so wenig wert, dass sie das Fremde derart überhöhen?“
Grundlage meiner Kultur ist ein pluralistisches Staatsgebilde aus Schwaben und Sachsen, aus Franken und Friesen, Reinländern, Hessen ... aus Einheimischen, Zugezogenen und Gästen, die sich auf ein gemeinsames Grundgesetz verständigt haben.
Grundlage meiner Werte sind meine Prägung durch mein Elternhaus, mein Glaube an Gott und ein wacher Verstand, den Gott mir geschenkt hat. Land und Volk, also Blut und Boden, spielen für meine Kultur und für meine Werte keine Rolle.
Haben nicht gerade Dichter und Denker aus unserer Kultur einen großen Anteil an der Überwindung von Zollschranken und Feindbildern, an dem Projekt der europäischen Idee, dem Verständnis von Toleranz und Menschenrechten?
Wer die Menschen, die zu uns kommen, auf ein bestimmtes Merkmal reduziert, z. B. ihre Hautfarbe, ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie oder auch auf ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion argumentiert rassistisch.
Ein drittes Argument, das gerne genutzt wird, ist das der Meinungsfreiheit. „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“ „Wir leben schließlich in einem freien Land, in dem jeder seine Meinung sagen darf.“ – Ja, jeder und jede darf hier sagen, was er oder sie denkt. Jeder und jede muss allerdings auch damit leben, dass diese Meinung auch nach moralischen Maßstäben bewertet wird und deshalb unter Umständen auf Widerspruch stößt.
„Verhaltet euch so, wie Menschen des Lichts sich verhalten.“ (Eph 5,8b NGÜ)
Als Kirchgemeinde sind wir mit verantwortlich dafür, dass die moralische Bewertung von Aussagen und Handlungen klar bleibt. Auch das lehrt uns der heutige Predigttext. Deshalb bin ich dankbar, für die Erklärung der Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens vom 15. November 2015, die diese Klarheit für unsere Situation hergestellt hat:
„Als Christen sind wir entsetzt über Gewalt und die Infragestellung der Gleichwertigkeit aller Menschen egal welcher Herkunft und Religion. Organisationen und Bewegungen, die dies dulden oder fördern, rufen unseren entschiedenen Widerspruch hervor. Wir erklären, dass Fremdenhass und Rassismus in jeder Form sowie Gewalt in Worten und Taten nicht mit dem Evangelium Jesu Christi vereinbar sind. [...]
Wir bitten insbesondere alle Gemeindeglieder, nach ihren Möglichkeiten Flüchtlingen zu helfen, Gewalt in Wort und Tat entschieden entgegenzutreten und vom Dialog nicht abzulassen.“ (http://www.evlks.de/doc/Erklaerung_der_Landeskirche_zur_aktuellen_Lage_…)
Oder, um es noch einmal in Anlehnung an unseren heutigen Predigttext zu sagen:
„Alles, was ihr tut, soll von der Liebe bestimmt sein. Auf unmoralische Verschwörungstheorien, rassistisches Geschwätz und Neiddebatten sollt ihr euch nicht einmal in privaten Gesprächen einlassen, denn es gehört sich nicht für Gottes heiliges Volk, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Genauso wenig haben üble Nachrede, leichtfertige Worte oder Sticheleien etwas bei euch zu suchen. Bringt vielmehr bei allem, was ihr sagt, eure Dankbarkeit gegenüber Gott zum Ausdruck.“
Amen