Mein Haushalt im Advent
Der Advent macht nostalgisch. Ich backe Stollen und Plätzchen nach Omas Rezepten, mit viel Butter und so. Zu keiner Jahreszeit sind die Regeln so klar: morgens das Türchen im Adventskalender, abends die Kerzen auf der Fensterbank. Die Kollegin mit dem Deko-Fimmel hat neue Sterne mitgebracht aus buntem Transparentpapier. Dass es die immer noch gibt! Vorsichtig hänge ich sie am Fenster auf, Tesafilm klebt auf Glas.
Jetzt, zum 3. Advent, wird es auch höchste Zeit für die Weihnachtspost. Einmal im Jahr, da werden Karten geschrieben. Von Hand und mit Tinte, der Füller liegt ansonsten nur herum. Die Motive der Karten kommen mir vor wie aus einer anderen Zeit: Tannenbäume mit Schnee, die Kinder auf Schlittschuhen, Weihnachtsmänner mit Rauschebart und ein Rentier mit roter Nase!
Einmal im Jahr! Da werde ich Hausfrau. Wahrscheinlich liegt es an der dunklen, kalten Jahreszeit. Da wird gekocht und gebacken, da wird gemacht und getan. Nicht, dass Sie jetzt denken: Die macht sonst wohl nichts. Keineswegs ist das so. Einkaufen, Kochen, Aufräumen, Staubsaugen, Wäsche waschen, Woche für Woche muss das sein. Da bleibe ich dran. Aber – meist ist das nur Pflicht, keine Leidenschaft. Es sei denn, es passiert was Besonderes. Geburtstag oder Besuch, endlich wieder mal die Bude voll. Oder so voll, wie es eben gerade geht im pandemischen Winter. Kaffee und Kekse, Glühwein und Tannenduft. Ein bisschen mehr Hausfrau, ein bisschen mehr Hausmann sein. So ist der Advent.
Gute Haushalter sein
In meiner Familie gab es nie eine Haushälterin. Keine große, energische Frau mit festem Händedruck und frisch gestärkter Schürze. Haben Sie eine kennengelernt? In Jugendherbergen, im Landschulheim, in größeren Einrichtungen habe ich welche getroffen. In ihrer klaren, gut sortierten und zupackenden Art haben sie mich stets beeindruckt. Die Haushälterin, das war die, die das Machtwort sprach, wenn wieder alles durcheinander ging, wenn das Besteck nicht sortiert war und die Schuhe im Flur lagen. Die Haushälterin, das war die, die immer wusste, wo die Dinge hingehören, und die auch am Wochenende oder späten Abend noch irgendwo einen heißen Tee oder ein frisches Brot hatte.
So einen Hausstand zu haben, das ist schon ein Projekt. Der erste eigene Haushalt, und sei er noch so klein, ist etwas Besonderes. Das eigene Reich, das eigene Geld. Ein Zimmer oder eine kleine Wohnung ganz für mich; irgendwann im Leben hat jede und jeder von uns diesen Schritt gemacht, ist zuhause ausgezogen oder woanders dazu und hat plötzlich gemerkt: Jetzt entscheide ich selbst. Wer kommen darf und wer gehen muss, wie lange das Licht brennt und ob diese Wand weiß bleibt oder ob sie bunt gestrichen wird.
Selbst entscheiden heißt: Ich übernehme Verantwortung. In meinem eigenen kleinen Bereich und vielleicht auch darüber hinaus. Ein guter Haushalter, eine gute Haushalterin zu sein bedeutet: Ich gebe Acht auf das, was mir anvertraut ist. Ich lege mir einen Vorrat an. Ich passe auf, dass immer genug da ist und dass nichts verloren geht. Das gilt für kleines Geld wie für große Vermögen. Aufmerksam, umsichtig, vorausschauend, das sind die Eigenschaften, die es braucht, wenn man ein guter Haushalter sein will. Redlichkeit. Treue. Und Großzügigkeit im rechten Moment. Wohl dem Land und wohl der Stadt, die solche Haushalter haben.
Zuverlässig und treu. Das gilt nicht nur im materiellen Sinn. Das gilt für die Liebe, für das Vertrauen und für die Geheimnisse, die wir bewahren. Als Kinder hatten wir viele davon. Kästchen oder Schachteln, unter dem Bett oder im Schrank versteckt. Ein Tagebuch mit kleinem Vorhängeschloss oder geheime Orte auf dem Dachboden, im Stadtpark, im Wald.
Gott teilt Geheimnisse
Geheimnisse sind wunderbar! Ich hoffe, Sie haben welche, jetzt im Advent. Eine kleine Überraschung für den Liebsten oder die Liebste. Ein besonderes Geschenk, mit dem nicht zu rechnen war. Eine Neuigkeit, die noch warten muss, bis sie geteilt werden darf. Manchmal kann es ziemlich anstrengend sein, nicht einfach damit herauszuplatzen im falschen Moment. Auch das ist eine Kunst, den rechten Zeitpunkt zu finden.
Auch bei Gott gibt es Geheimnisse. Und ich mag den Gedanken: Er teilt sie mit uns. Macht uns zu Komplizen. Davon schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth: Wir sind es, denen Gott seine Geheimnisse anvertraut. Damit wir sie hüten wie einen Schatz, und damit wir sie sorgsam weiterverbreiten. Im rechten Moment. Damit wir erzählen, da wo es nottut: Vom Geheimnis seiner Liebe. Von seiner Nähe zu den Menschen, die sich in Christus zeigt.
Vom Geheimnis einer Lebenskraft, die stärker ist als der Tod. Vom Geheimnis, dass wir Menschen miteinander verbunden sind, auch wenn wir verschieden sind. Dass wir als Kinder des himmlischen Vaters zusammengehören.
Ja, und auch davon dürfen wir erzählen: Von dem Geheimnis, dass wir stark sind, wenn wir vertrauen. Da ist das Geheimnis der Taufe, ein unsichtbares Band zwischen Gott und mir. Das Geheimnis von Brot und Wein, das uns zu einer großen Gemeinschaft macht. Das Geheimnis der göttlichen Geistkraft, die in uns wirksam ist. Es sind so große Dinge, die er uns anvertraut. Nicht leicht mit Worten zu beschreiben. Ein Schatz in irdenen Gefäßen, so schrieb es Paulus einmal. Wunderbar und zerbrechlich.
Das Licht in der Finsternis
Irgendwann ist der Moment, da kommt das Geheimnis ans Licht. Mit großer Freude und mit Staunen. Mit Überraschung und mit lautem Knall. Da wird der Haushalter gelobt: Das hast du gut gemacht:
Oft ist es aber auch nur ein kleiner, leiser Moment. Da blitzt etwas auf von der Schönheit und Wahrheit. Gott ist in der Welt. Ein kleines Kind in einem Stall in Bethlehem. Ein Bote des Höchsten, der bezeugt, was er glaubt. Einer, der den Menschen sagt: Komm mit, lass dich anstecken von meiner Liebe. Hör auf mein Wort und tu es mir gleich.
Wir Christinnen und Christen sind die, die diese gute Nachricht haben, damit es hell wird in finsterer Zeit. Gott liebt diese Welt und er gibt sie nicht verloren. Allen Dunkelheiten zum Trotz. Immanuel. Gott ist mit uns. Ein Schatz, den wir hüten, so wie alles, was uns wertvoll ist. Das Rezeptbuch der Oma. Die Weihnachtsdeko der Freundin. Die Liebeserklärung des Partners. Und allem voran: Das große Ja, das Gott zu mir sagt, und zu dir. Ein Schatz, den wir teilen, weil er die Welt heller macht.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Der 3. Advent steht ganz im Zeichen des bevorstehenden Weihnachtsfestes und des Jahresendes. Auch im zweiten Pandemie-Winter herrschen Sorge und Unsicherheit. Viele Menschen leiden unter dem Verlust von Nähe, manche haben Angehörige verloren, andere ihren Arbeitsplatz. Wie steht es um unsere Gesundheit und um die unserer Lieben? Werden wir Weihnachten als Familienfest feiern können? Was sind vertraute Dinge und Rituale, die für Trost und Stabilisierung sorgen?
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Das Bild des „oikonomos“, des Haushalters oder der Haushalterin mit einer Vielzahl von Anknüpfungsmöglichkeiten im lebensweltlichen wie auch im theologischen Sinn.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Die Rede vom Geheimnis als eines Schlüsselbegriffs für Glaube und Theologie. Hier lohnt es sich, noch tiefer einzutauchen.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Der Text löst eine Fülle von Bilder und Assoziationen aus. Es tut der Predigt gut, nicht allen zu folgen, sondern sich auf eine Herzensbotschaft zu beschränken: Du hast ein kostbares Geheimnis. Bewahre es gut und teile es so, dass diese Welt heller wird.