Gute Vorsätze - Predigt zu Jakobus 4,13-17 von Sibylle Reh
4,13-17

Gute Vorsätze

Liebe Gemeinde,

Nun ist das Jahr 2015 vergangen, es hat das Jahr 2016 angefangen. Haben Sie es geschafft, gute Vorsätze des Vorjahres einzuhalten? Ich muss sagen, dass ich das selten geschafft habe.

Mir geht es meist so wie Lucy von den Peanuts, Sie wissen schon: das kratzbürstige kleine Mädchen, das der Sonntagschullehrer Charles M. Schulz erschuf. Als ihr jemand ein frohes neues Jahr wünschte, schrie sie: „Neues Jahr? Was denn für ein neues Jahr, ich bin doch mit dem alten noch nicht fertig!"

Es kommt doch auch alles meist ganz anders, als ich denke. Ich kann nicht von mir behaupten, eins der wichtigen Ereignisse von 2015 vorausgesehen zu haben, weder im öffentlichen noch im privaten Bereich.

Trotzdem mache ich, wie die meisten Menschen, Pläne. Menschen möchten ihr Leben in der Hand haben.

Die Psychologinnen Ellen J. Langer und Judith Rodin fanden bereits 1976 heraus, dass Bewohner eines Seniorenheimes wesentlich aktiver und gesünder waren als die einer Kontrollgruppe -und auch länger lebten-wenn sie ihre Zimmerpflanze selbst versorgen mussten und mitentscheiden durften, wann und wo sie Besuch erhielten und welche Filme sie wann sehen durften. Ein gewisses Maß an Selbstbestimmung ist also für Menschen - zumindest in unserem Kulturkreis- lebenswichtig. Alles, was uns die Macht zur Entscheidung aus der Hand nimmt, schwächt uns.

Man sagt, die moderne Wissenschaft bereite der Menschheit drei große Kränkungen: Kopernikus fand heraus, dass sich das Universum nicht um die Erde, d. h. um den Menschen dreht, Darwin behauptete, dass die Menschheit sich aus dem Tierreich heraus entwickelt habe und Freud schließlich postulierte, dass der Verstand nicht alle Handlungen des Menschen steuere.

Jakobus, dieser unbequeme Apostel, trifft natürlich genau diesen Nerv der Menschheit: Er erinnert uns, dass der Mensch nie ganz Herr seines Schicksals ist. Und dies schrieb er fast 2000 Jahre vor Freud.

„Der Mensch denkt, Gott lenkt.“ Alle meine Pläne sind z.B. davon abhängig, dass ich mich bei guter Gesundheit befinde. Ein Unfall, eine Viruserkrankung kann alle meine Pläne zunichte machen.

Bert Brecht reimte in dem „Lied von der Unzulänglichkeit
des menschlichen Strebens“ aus der Dreigroschenoper:
„Ja; mach nur einen Plan/ sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch´nen zweiten Plan/ gehn tun sie beide nicht.
Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht schlecht genug:
doch sein höch´res Streben ist ein schöner Zug ".

Die alten Griechen kannten den Glauben an das allmächtige Schicksal. Das Schicksal ist in der Mythologie mächtiger als die Götter. Es gibt zahlreiche Mythen und Geschichten, vom aussichtslosen Kampf der Menschen gegen ihr Schicksal. Das von König Ödipus ist das bekannteste.

Das Schicksal konnte als eine oder drei weibliche Gottheiten gesehen werden, war wie die Rachegöttinnen unerbittlich und mächtiger als selbst Zeus.

Die hebräische Bibel kennt kein von Gott unabhängiges Schicksal, allerdings kann Gott ebenso unergründlich oder unerbittlich sein wie das Schicksal. Aber Gott steht denn Menschen nicht so kalt gegenüber. Er will eine Beziehung zu den Menschen, in der auch Gefühle eine Rolle spielen.

Der Jakobusbrief ist nach Luther eine „stroherne Epistel“, in einer Tischrede soll er sogar gesagt haben, er würde einmal mit dem „Jeckel“ den Ofen heizen.

Das lag daran, dass Jakobus die Wichtigkeit guter Werke betont, ja predigt, Glaube ohne Werke sei tot. (Jakobus 2, 20).

Hier besteht nun eine Spannung im Brief. Jakobus fordert zwar gute Werke, an dieser Stelle aber betont er, dass der Mensch gar nicht Herr seines Schicksals ist, und daher gar nicht tun kann, was er will.

Das ist kein Widerspruch für Jakobus Er möchte, dass wir all unsere Kraft für ein Leben nach Gottes Gerechtigkeit ausrichten sollen. Aber er erinnert uns, wie klein die Kraft ist im Vergleich zur Macht Gottes.

Luther fürchtete, der Jakobusbrief könnte zu dem führen, was er "Werkgerechtigkeit" nannte, das heißt, Christen könnten meinen, kraft ihrer Werke gerecht zu erscheinen vor Gott und glauben, Gnade nicht nötig zu haben. Aber gerade das wollte Jakobus nicht sagen. Er wollte Christen von jedem hohen Ross und jedem selbstgebauten Thron herunterholen.

In diesem Sinne schrieb später Brecht: „Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht gut genug.“  (so im oben zitierten Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens).

Nur Gott ist vollkommenen nach Jakobus, und wissen kann ein Mensch höchstens, wie er anderen helfen kann. Das heißt: Gute Werke soll der Mensch nicht tun, um gerecht zu werden vor Gott, sondern weil das nun mal sein Platz und seine Aufgabe in diesem Leben ist.

Liebe Gemeinde, es ist eine schwierige Balance, zwischen Selbstbestimmung des Menschen und Allmacht Gottes, die Jakobus uns da zumutet. Aber er behauptet ja auch nicht, es sei leicht. Die Bestimmung des Menschen ist es seiner Meinung nach, anderen nach seinen Möglichkeiten Gutes zu tun. Den Lauf der Welt oder auch nur den Verlauf des eigenen Lebens zu planen, steht hingegen nach Jakobus nicht in unserer Macht.

Liebe Gemeinde, wenn ich nun über gute Vorsätze nachdenke, nicht nur die von 2016, sondern auch die von 2015, 2014 und die aller Vorjahre, so geht es mir wie Lucy von den Peanuts: ich bin eigentlich in keinem Jahr richtig fertig geworden.

Es ist die Erkenntnis Luthers: Wir sind Sünder vor Gott und Bettler, können nichts aus eigener Kraft.

Dennoch befreit uns das nicht von der Verantwortung, wenigstens zu versuchen, anderen etwas Gutes zu tun. So Gott will und wir leben, können wir einige der guten Vorsätze verwirklichen.

Perikope
01.01.2016
4,13-17