Habt Vertrauen- Predigt zu Jesaja 7,10-14 von Tanja Schmidt
7,10-14

Habt Vertrauen- Predigt zu Jesaja 7,10-14 von Tanja Schmidt

Liebe Gemeinde, der Text, über den ich in dieser heiligen Nacht predigen darf, steht im Buch des Propheten Jesaja. Die dort geschilderte Szene spielt im Jahr 733 vor Christus. Wir werden mit hinein genommen in einen Dialog zwischen, Ahas, dem König von Israel, und dem Propheten Jesaja. Der König befindet sich in einer militärischen Bedrohungslage. Jerusalem wird von feindlichen Truppen der Großmacht Assur belagert. Den König befällt daraufhin große Furcht, ihm zittert das Herz vor Angst im Leib. Er überlegt, ob er gegen die feindliche Großmacht ein Bündnis mit den Königen der Nachbarstaaten eingehen soll. Der Prophet Jesaja warnt Ahas vor diesem Bündnis und mahnt ihn zur Ruhe. „Hab Vertrauen!“ sagt er. „Zähle nicht auf die fremden Mächte, sondern allein auf Gott! Die Lage ist gar nicht so aussichtslos und er wird dir helfen.“ Aber Jesajas Worte erreichen das Herz des Königs nicht. Weiter heißt es: (Jesaja 7, 10-14)

Und der HERR redete abermals zu Ahas und sprach:
Fordere dir ein Zeichen vom HERRN, deinem Gott, es sei drunten in der Tiefe oder droben in der Höhe!
Aber Ahas sprach: Ich will's nicht fordern, damit ich den HERRN nicht versuche. Da sprach Jesaja: Wohlan, so hört, ihr vom Hause David: Ist's euch zu wenig, dass ihr Menschen müde macht? Müsst ihr auch meinen Gott müde machen? Darum wird euch der HERR selbst ein Zeichen geben:
Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.

Was für ein erstaunlicher Dialog. Hier wirbt Gott, der Ewige und Allmächtige, um das Vertrauen eines Königs. Er will ihm sogar beweisen, dass er an seiner Seite ist und bietet ihm dafür ein Zeichen seiner Gegenwart an. Es sei drunten in der Tiefe oder droben in der Höhe!

Aber Ahas schlägt diese Zeichen aus. Nicht aus Souveränität. Nein, aus Angst und Müdigkeit. Er ist nicht in der Lage, die Bedrohung durch die die Soldaten Assurs länger auszuhalten. Lieber vertraut er auf die Hilfe der Nachbarmächte, als auf Gottes Macht. Sein Herz ist verschlossen gegenüber Gottes freundlichem Angebot. Er ist gefangen in seiner Angst. Dieses mangelnde Gottvertrauen ist etwas, was vermutlich auch viele von uns kennen. Vieles im Leben trübt auch unser Vertrauen in Gott und hält unser Herz gefangen. Ich denke da zum Beispiel an uns Erwachsene in der Mitte des Lebens. Wir hetzen durch den Tag, versuchen den Beruf und die Familie unter einen Hut zu bringen. Gerade an Weihnachten sind viele von uns abgekämpft, weil sich im Beruf kurz vor Weihnachten alles ballt und wir das Fest doch gleichzeitig für unsere Lieben schön machen wollen. Müde sitzen wir dann unter dem Weihnachtbaum. Es fällt uns schwer, uns dort für Gottes Freundlichkeit zu öffnen. Bei anderen von uns ist der Schmerz am Leben einfach zu groß.  Ihr Herz hat sich gegenüber Gott verschlossen. Eine schwere Krankheit oder ein großer Verlust hat sie in eine schwere Glaubenskrise gestürzt. Manchmal höre ich solche Sätze bei meinen Besuchen: „Ich kann überhaupt nicht mehr glauben, dass es Gott gibt. Dass er es gut mit mir meint und an meiner Seite ist.“  

Und nicht zuletzt sind die Zeichen der Zeit, in der wir leben, so bedrohlich und gewalttätig. Wie da auf Gott vertrauen? Spricht nicht alles dafür, dass Gott in dieser Welt machtlos ist? Uns fehlt oft das Vertrauen in Gott. So wie dem König Ahas aus unserer Geschichte. Aber Gott bleibt hartnäckig. Auch wenn das mangelnde Vertrauen des Königs ihn müde macht. Er wirbt weiter um Ahas und er wirbt auch um uns. Da sprach Jesaja: Wohlan, so hört, ihr vom Hause David: Ist's euch zu wenig, dass ihr Menschen müde macht? Müsst ihr auch meinen Gott müde machen? Darum wird euch der HERR selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.

Ein Zeichen! – Gott will ein Zeichen setzen – gegen allen unseren Widerstand und Zweifel. Ein Zeichen, dass unser Herz anrühren und in uns Vertrauen wecken soll. Ein Kind soll es sein – und es soll den Namen Immanuel bekommen. Das heißt: Gott mit uns. Für uns Christen ist Jesus Christus dieser Immanuel. In Jesus Christus ist Gott selbst auf die Welt gekommen, um uns zu zeigen, dass er bei uns ist. Warum aber wählt Gott ein Kind als Zeichen seiner Gegenwart? Warum wirbt er in Gestalt eines Kindes um unser Vertrauen? Könnte es nicht ein machtvolleres Zeichen sein? Wieso kommt Gott ausgerechnet in einem kleinen, verletzlichen Kind zur Welt? Eine Antwort darauf finden wir auf dem Bild, das Sie vorne auf Ihrem Liedblatt finden. Die Künstlerin Dietlinde Assmus1 hat es gemalt. Es heißt schlicht: Weihnachten 2011. Vorne in der Mitte zieht das kleine Kind in der Krippe unsere Blicke auf sich. Mit weit offenen Armen  und einem lieben, offenem Gesicht liegt es vor uns. Es hat keine Angst vor den Menschen, ganz offen und vertrauensvoll wirkt es.  Wie viele kleine Kinder weckt es in uns die zärtlichsten Gefühle. Möchte man es nicht hochnehmen und an sich drücken? Dieses Kind hat keine Angst – es ist voller Vertrauen. Freundlich schaut es in die Welt. Und wir können gar nicht anders als uns ihm zu öffnen. Wir möchten uns zu ihm herabbeugen, es herzen. Seine zarten Hände bewundern, sein Gesichtchen streicheln. Wir möchten vor ihm auf die Knie gehen, wie die Menschen im Hintergrund des Bildes. Sie sind aus dem Dunkel ihrer Angst und Traurigkeit ans Licht dieser Krippe gekommen. Sie knien vor der Krippe. Sie müssen das nicht tun. Sie tun es freiwillig. Weil die Zartheit und Freundlichkeit dieses Kindes sie überwältigt. Dieses Kind strahlt absolute Offenheit und Vertrauen aus. Und wir können gar nicht anders, als mit Offenheit und Vertrauen zu antworten. Die dunkle Angst, die das Herz umklammert hielt, sie schwindet und macht Platz für Vertrauen. Für Gottvertrauen.

Hier, in diesem zarten Kind offenbart uns Gott sein Wohlwollen, seine Sehnsucht nach den Menschen. Er kann nicht ohne uns sein. Er streckt nach uns die Arme aus und will von uns mit Zärtlichkeit und Offenheit empfangen werden. Und er verzaubert uns so, dass wir in die Knie gehen und ihm Vertrauen schenken. Gottvertrauen, Ungetrübt. Deswegen bricht auf dem Bild unserer Künstlerin in die dunkle Nacht hinein der Himmel auf. Ein Stern geht auf, umkleidet von Rot – der Farbe der Liebe. Aus Liebe zu uns wird Gott ein Mensch. Gott will uns nahe sein, hautnah. An Weihnachten kommt Gott zu uns und bittet uns: Öffne dich für mich! Vertraue mir. Ich bin mit dir!

Davon erzählt die heilige Nacht. Erst bittet Gott Maria, dann Josef, dann die Hirten, Schließlich zeigt er sich den drei Weisen. „Vertraut mir. Lasst dieses Vertrauen durch nichts trüb werden. Es wird euer Schade nicht sein.“

Ja, vieles kann dann doch unser Vertrauen trüben, das stimmt. Nicht alles ist in unserem Leben so, wie wir es uns vorstellen oder wünschen. Längst nicht alles. Das tut weh. Der Schmerz gehört zum Leben dazu. Aber genau deswegen wird Gott ein Mensch. Um uns zu zeigen, dass er unser Leben, unsere Freuden und auch unsere Schmerzen teilt. Das Kind in der Krippe wird bald ein Mann sein. Und dann am Leben leiden. Wie wir. Er leidet unsere Schmerzen, er stirbt unseren Tod. Das ist das Geheimnis von Weihnachten: Gott liebt dich und kann ohne dich nicht sein. Kann dich nicht allein dieser Welt überlassen und schon gar nicht dem Tod. Dafür steht das Kreuz auf unserem Bild. Es ist durchdrungen von der österlichen Klarheit, die am Ende des irdischen Lebens stehen wird, wenn das Kind durch das Kreuz hindurch ganz und gar und bis zum letzten Atemzug sein Menschsein gelebt hat. Das leuchtende Kreuz auf unserem Bild zeigt: die Liebe Gottes macht nicht Halt vor der Dunkelheit der Welt. Sie will in die Dunkelheit eindringen und sie verwandeln.

Ich komme zu dir, sagt Gott an Weihnachten. Und Karfreitag geht dieser Satz weiter: Und ich bleibe bei dir! Und findet Ostern er sein vorläufiges Ende: Und du bleibst bei mir!

Lassen wir uns heute Nacht einladen von den offenen Armen des göttlichen Kindes. Es wecke in uns die Kräfte, ihm zu vertrauen – in allen Tagen und Nächten unseres Lebens. Amen

1 I Die Predigt wurde angeregt durch das Bild „Weihnachten 2011“ von Dietlinde Assmus und die begleitende Bildbetrachtung von Monika Dittmann. Veröffentlicht bei den Farbmänteln für Pfarr- und Gemeindebriefe Weihnachten 2017, Verlag Bergmoser und Höller