"Himmlische Weihnachten" - Predigt über Johannes 3, 31-36 von Jürgen Ziemer
3,31
Himmlische Weihnachten
Liebe Gemeinde!
Ist das wirklich ein Weihnachtstext? Nichts von Bethlehem, nichts vom Stall und von der Krippe, keine Hirtenfeld, kein Engelchor, weder Maria noch Josef, keine drei Könige – nichts von alledem. Eine Geburt wird überhaupt nicht erwähnt, ja nicht einmal der Name Jesus. Da ist kein vertrauter Ton.
Stattdessen vernehmen wir geheimnisvolle Sätze: „Der von oben kommt, ist über allen.“. Und: „Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, ist über allem.“ (V.31) Das klingt zunächst nicht unbedingt weihnachtlich. Gleichwohl: Es geht auch in diesem Text des Johannes wesentlich um die Botschaft dieses Festes, nur in anderer Sprache als wir es gewohnt sind, nicht konkret und erzählend wie bei Lukas, eher theologisch meditierend, nachdenklich . Denn Weihnachten, das ist nun ja in der Tat die Geschichte von dem, „der von oben kommt“.
Weihnachten „von oben“?
Damit hat mancher unter uns so seine Probleme. Ist es hilfreich, das so zu betonen, wie es unser Text tut?. Es könnte gutwillige Sympathisanten unseres Glaubens, die gestern unsere Kirchen füllten, irritieren. Auch mancher Prediger neigt deshalb eher zu Zurückhaltung.
Überhaupt: Müssen wir denn so genau sagen und bekennen, woher der ist, in dessen Namen wir Weihnachten begehen?
Wäre es nicht einfacher, sich dem allgemeinen Weihnachtstrend anzuschließen und Weihnachten zu feiern, ohne das „von oben“ groß herauszustreichen – einfach so ein schlichtes, menschliches, fröhliches Weihnachten ohne „oben“? Die alten Lieder „vom Himmel hoch“ und über den, „den aller Weltkreis nie erschloss“, der erscheint als das „ewig Licht“ und dem der Imperativ „Jauchzet ihr Himmel!“ gilt – die können ja ruhig bleiben als unvergängliches Kulturgut, als Zeichen unserer Treue zur christlichen Tradition. Und auch von dem Christkind mag weiter gesungen werden, das „alle Jahre wieder“ zu uns „auf die Erde nieder“ kommt. Aber damit wäre es dann auch gut. Weihnachten ohne „oben“ – das würde manches erleichtern.
Der Wunsch danach ist gar nicht neu. So gibt es bereits eine mittelalterliche Weihnachtsikone aus Novgorod, in der der Himmel über dem Geburtsgeschehen mit dunkler blauer Farbe einfach übermalt ist. Vermutlich handelt es sich um das Werk einer frühen kirchenkritischen Gruppe. Die Geburt des Heilands: kein „himmlisches“ Weihnachten, vielmehr ein rein irdisches Geschehen ohne Engel, ohne Lichtglanz, ohne Gott.
Eine einfache Lösung, bei Lichte besehen freilich: auch eine traurige Lösung. Ein Problem scheint erledigt, in Wahrheit ist ein Weg versperrt.
Weihnachten mit verschlossenem Himmel, ohne „Gott“, ohne den, „der von oben kommt “ – da bringen wir uns um das Eigentliche dieses Festes und seiner Botschaft. Denn darin geht es um nichts weniger als um Gottes Weg zu uns und um unseren Weg zu Gott.
Weihnachten – Gottes Weg zu uns.
Jesus ist geboren. In ihm kommt Gott zur Welt, zu uns. Weihnachten wird von Gott her das Tor zu uns hin geöffnet. Gott macht sich in unsere Richtung auf den Weg:
„Heute geht aus seiner Kammer Gottes Held, der die Welt reißt aus allem Jammer.“ Die Menschen spüren es von Anfang an: Jesus ist anders. Er spricht nicht für sich allein. Er handelt und bezeugt Gott zugunsten der Menschen, oder wie es in unserem Text ausdrücklich heißt: „der, den Gott gesandt hat, redet Gottes Worte.“ (V.34)
Im Grunde wird das schon deutlich in der allerersten Episode, die Jesus als redenden bezeugt, in der Geschichte vom zwölfjährigen Jesus. Da schon erkennen die Zuhörer im Tempel den „Geist ohne Maß“ (V.34), der ihm gegeben ist. Und das nimmt seinen Fortgang: Jesus wird den Anbruch des Reiches Gottes verkündigen, er wird sich den Armen, den Kranken, den Ausgestoßenen zu wenden. Er wird dem Unrecht entgegentreten, die verkrustete Religiosität der religiösen Institutionen in Frage stellen. Er wird ein wahrhaftiger Zeuge seines himmlischen Vaters sein, ein Zeuge von dessen Liebe zu allen Menschen. Er wird darin geliebt und gehasst werden. Er wird aufgenommen, aber auch abgewiesen und ignoriert werden. „Der von oben kommt“ geht einen risikoreichen Weg.
Er bleibt dabei, in unseren Tagen, zu unserem Weihnachten –gerade auch dann, wenn viele Zeitgenossen empfinden, dass dieses Fest gut auch ohne Ihn ginge.
Denn: die Botschaft bleibt, er bleibt. Wer glaubt, kann ihn erkennen, Jesus, der so anders ist, uns zum Heil.
Das, was wir für unseren Glauben mit Weihnachten verbinden und worauf der Predigttext aus dem Johannesevangelium zielt, war für die Christen der ersten Jahrhunderte das Fest seiner „Erscheinung“ in der Öffentlichkeit, in der Er als „der von oben kam“ sichtbar wurde und Gott in ihm. Dieses Geschehen – das schon am 6. Januar, später auch am 25. Dezember gefeiert wurde – geht doch über jedes feste Datum hinaus. Gottes Weg zu uns kommt an sein Ziel, einmal und immer wieder von Neuem. Martin Luther hat den Weg dessen, „der von oben kam“, in seinem Weihnachtslied auf unvergleichliche Weise zum Ausdruck gebracht:
Das ewig’ Licht geht da herein
Gibt der Welt ein’ neuen Schein;
Es leucht wohl mitten in der Nacht;
Und uns des Lichtes Kinder macht.
.
Die letzte Zeile weist auf uns. Des „Lichtes Kinder“ sollen wir sein. Da wird es deutlich:
Weihnachten, das ist auch: Unser Weg zu Gott.
„Der von oben kommt“, öffnet für uns den Weg nach oben.
Ein Ausleger schreibt. „Der von oben nach unten gekommen ist, wird wie wir. Damit wird aber nicht nur der Himmel zur Erde hin aufgerissen. Auch die selbst gebauten Gefängnisse der Menschen werden aufgebrochen. Sein Kommen genügt. Kommt er von oben, gerät unsere Tiefe in Bewegung.“ (G.Goldbach) Das ist im Kern die weihnachtliche Erfahrung.
Ein alter Mann erzählt von den Weihnachten seines Lebens, am tiefsten sei ihm der Eindruck aus jenen Jahren, in den es kaum etwas gab, das den Magen füllte oder die Sinne reizte. Es gab nur Zerstörtes, und es regierte die totale Knappheit. Aber es gab Weihnachten, den Gottesdienst, die Geschichte von Christi Geburt. Mit ihr eine offene Tür, ein Lichtstrahl in der Finsternis. Eine Erinnerung aus der Gefangenschaft, wie sie Helmut Gollwitzer aufgeschrieben hat, bekräftigt und verstärkt diese Erfahrung: „Dass es jemals anders werden würde, wagten wir nicht zu hoffen und konnten doch von der Hoffnung nicht lassen. War es dass einer an uns dachte und von uns wusste?“
Die Botschaft von dem, „der von oben kam“, trifft uns persönlich in ganz unterschiedlichen Situationen – sei es in einer glücklichen Lebensphase, in familiärer Geborgenheit, sei es in eher getrübten Stimmung, unter dem Eindruck einer Enttäuschung, sei es im Gefühl großer Einsamkeit. Wie hoffnungsvoll ist meine Zukunft, wie ausgefüllt meine Leben, wie haltbar mein Glück?
Frohe Weihnachten? O gerne, aber nicht immer gelingt es. Wenn ich den Weg nur finde! Den Weg zu Gott, den Weihnachten uns eröffnet.
Oft ist es ein Tasten, den Weg zu finden, mancher bleibt auf der Suche. Aber gerade dazu ermutigt, „der von oben kommt.“
Auf solche Suchwege gerät, um ein Beispiel zu nennen, die Schweizer Dichterin Erika Burkart immer wieder. Einmal bekennt sie, beinahe widerstrebend: „Ich komme nicht aus/ ohne Hintergrund-Gott“. Damit spricht sie etwas an , was viele ganz ähnlich empfinden. Sie erlebt diesen „Hintergrund-Gott“ in seiner Abwesenheit und zugleich als „All-Präsenz“, darin als den, der abwesend-anwesend „Leben zulässt, Liebe“. Ist das etwa wenig?
Tastende Wegsuche zu Gott. Ähnlich, aber auch anders, der „schwierige Weg zu Gott“, den eine junge Wissenschaftlerin unter dem Titel „Was mich nicht zum Atheisten macht“ beschrieben hat: „Auch wenn mein Glaube manchmal schwindet und ich atheistisch fühle, ich streiche Gott nie wieder aus meinem Denken…Ich streiche Gott nicht mehr durch, weil ich glaube, dass der Mensch, wenn er „Ich“ sagt, nicht nur seine Erziehung und seine Gene meint, sondern das Dahinter, das, was geliebt werden kann, das was manchmal durchblitzt in dem kleinen Gesicht meines Kindes … Eine Seele. Schönheit. Etwas Fremdes.“
Gewiss, „unsere Wege zu Gott“ sind nicht immer gradlinig. Aber „der von oben kommt“ lässt all die holprigen, angedeuteten, auch die nicht zu Ende gegangenen Wege gelten.
Er kommt uns ja entgegen!
Darum: Frohe Weihnachten, liebe Gemeinde!
Amen
Liedempfehlung. EG 36 (nach der Predigt: V.6ff!)
Nachweise: Die Novgoroder Weihnachtsikone ist abgebildet bei Konrad Onasch, Ikonen, Berlin 1961, Tafel 32. Das Zitat von Günter Goldbach stammt aus: Predigtstudien 2012-2013/ I, Stuttgart 2012, 60, das aus der Gefangenschaft ist von Helmut Gollwitzer, abgedruckt in: Walter Jens (Hg.), Es begibt sich aber zu der Zeit, Frankfurt 1993, 142. Das Gedicht „Entgegnung“ ist nachzulesen bei: Erika Burkart, Ortlose Nähe, Zürich 2005, 29f. Der Radiotext „Was mich nicht zum Atheisten macht“ von Esther Maria Magnis wurde im Deutschland-Radio Kultur am 14.12.12 gesendet.
Liebe Gemeinde!
Ist das wirklich ein Weihnachtstext? Nichts von Bethlehem, nichts vom Stall und von der Krippe, keine Hirtenfeld, kein Engelchor, weder Maria noch Josef, keine drei Könige – nichts von alledem. Eine Geburt wird überhaupt nicht erwähnt, ja nicht einmal der Name Jesus. Da ist kein vertrauter Ton.
Stattdessen vernehmen wir geheimnisvolle Sätze: „Der von oben kommt, ist über allen.“. Und: „Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, ist über allem.“ (V.31) Das klingt zunächst nicht unbedingt weihnachtlich. Gleichwohl: Es geht auch in diesem Text des Johannes wesentlich um die Botschaft dieses Festes, nur in anderer Sprache als wir es gewohnt sind, nicht konkret und erzählend wie bei Lukas, eher theologisch meditierend, nachdenklich . Denn Weihnachten, das ist nun ja in der Tat die Geschichte von dem, „der von oben kommt“.
Weihnachten „von oben“?
Damit hat mancher unter uns so seine Probleme. Ist es hilfreich, das so zu betonen, wie es unser Text tut?. Es könnte gutwillige Sympathisanten unseres Glaubens, die gestern unsere Kirchen füllten, irritieren. Auch mancher Prediger neigt deshalb eher zu Zurückhaltung.
Überhaupt: Müssen wir denn so genau sagen und bekennen, woher der ist, in dessen Namen wir Weihnachten begehen?
Wäre es nicht einfacher, sich dem allgemeinen Weihnachtstrend anzuschließen und Weihnachten zu feiern, ohne das „von oben“ groß herauszustreichen – einfach so ein schlichtes, menschliches, fröhliches Weihnachten ohne „oben“? Die alten Lieder „vom Himmel hoch“ und über den, „den aller Weltkreis nie erschloss“, der erscheint als das „ewig Licht“ und dem der Imperativ „Jauchzet ihr Himmel!“ gilt – die können ja ruhig bleiben als unvergängliches Kulturgut, als Zeichen unserer Treue zur christlichen Tradition. Und auch von dem Christkind mag weiter gesungen werden, das „alle Jahre wieder“ zu uns „auf die Erde nieder“ kommt. Aber damit wäre es dann auch gut. Weihnachten ohne „oben“ – das würde manches erleichtern.
Der Wunsch danach ist gar nicht neu. So gibt es bereits eine mittelalterliche Weihnachtsikone aus Novgorod, in der der Himmel über dem Geburtsgeschehen mit dunkler blauer Farbe einfach übermalt ist. Vermutlich handelt es sich um das Werk einer frühen kirchenkritischen Gruppe. Die Geburt des Heilands: kein „himmlisches“ Weihnachten, vielmehr ein rein irdisches Geschehen ohne Engel, ohne Lichtglanz, ohne Gott.
Eine einfache Lösung, bei Lichte besehen freilich: auch eine traurige Lösung. Ein Problem scheint erledigt, in Wahrheit ist ein Weg versperrt.
Weihnachten mit verschlossenem Himmel, ohne „Gott“, ohne den, „der von oben kommt “ – da bringen wir uns um das Eigentliche dieses Festes und seiner Botschaft. Denn darin geht es um nichts weniger als um Gottes Weg zu uns und um unseren Weg zu Gott.
Weihnachten – Gottes Weg zu uns.
Jesus ist geboren. In ihm kommt Gott zur Welt, zu uns. Weihnachten wird von Gott her das Tor zu uns hin geöffnet. Gott macht sich in unsere Richtung auf den Weg:
„Heute geht aus seiner Kammer Gottes Held, der die Welt reißt aus allem Jammer.“ Die Menschen spüren es von Anfang an: Jesus ist anders. Er spricht nicht für sich allein. Er handelt und bezeugt Gott zugunsten der Menschen, oder wie es in unserem Text ausdrücklich heißt: „der, den Gott gesandt hat, redet Gottes Worte.“ (V.34)
Im Grunde wird das schon deutlich in der allerersten Episode, die Jesus als redenden bezeugt, in der Geschichte vom zwölfjährigen Jesus. Da schon erkennen die Zuhörer im Tempel den „Geist ohne Maß“ (V.34), der ihm gegeben ist. Und das nimmt seinen Fortgang: Jesus wird den Anbruch des Reiches Gottes verkündigen, er wird sich den Armen, den Kranken, den Ausgestoßenen zu wenden. Er wird dem Unrecht entgegentreten, die verkrustete Religiosität der religiösen Institutionen in Frage stellen. Er wird ein wahrhaftiger Zeuge seines himmlischen Vaters sein, ein Zeuge von dessen Liebe zu allen Menschen. Er wird darin geliebt und gehasst werden. Er wird aufgenommen, aber auch abgewiesen und ignoriert werden. „Der von oben kommt“ geht einen risikoreichen Weg.
Er bleibt dabei, in unseren Tagen, zu unserem Weihnachten –gerade auch dann, wenn viele Zeitgenossen empfinden, dass dieses Fest gut auch ohne Ihn ginge.
Denn: die Botschaft bleibt, er bleibt. Wer glaubt, kann ihn erkennen, Jesus, der so anders ist, uns zum Heil.
Das, was wir für unseren Glauben mit Weihnachten verbinden und worauf der Predigttext aus dem Johannesevangelium zielt, war für die Christen der ersten Jahrhunderte das Fest seiner „Erscheinung“ in der Öffentlichkeit, in der Er als „der von oben kam“ sichtbar wurde und Gott in ihm. Dieses Geschehen – das schon am 6. Januar, später auch am 25. Dezember gefeiert wurde – geht doch über jedes feste Datum hinaus. Gottes Weg zu uns kommt an sein Ziel, einmal und immer wieder von Neuem. Martin Luther hat den Weg dessen, „der von oben kam“, in seinem Weihnachtslied auf unvergleichliche Weise zum Ausdruck gebracht:
Das ewig’ Licht geht da herein
Gibt der Welt ein’ neuen Schein;
Es leucht wohl mitten in der Nacht;
Und uns des Lichtes Kinder macht.
.
Die letzte Zeile weist auf uns. Des „Lichtes Kinder“ sollen wir sein. Da wird es deutlich:
Weihnachten, das ist auch: Unser Weg zu Gott.
„Der von oben kommt“, öffnet für uns den Weg nach oben.
Ein Ausleger schreibt. „Der von oben nach unten gekommen ist, wird wie wir. Damit wird aber nicht nur der Himmel zur Erde hin aufgerissen. Auch die selbst gebauten Gefängnisse der Menschen werden aufgebrochen. Sein Kommen genügt. Kommt er von oben, gerät unsere Tiefe in Bewegung.“ (G.Goldbach) Das ist im Kern die weihnachtliche Erfahrung.
Ein alter Mann erzählt von den Weihnachten seines Lebens, am tiefsten sei ihm der Eindruck aus jenen Jahren, in den es kaum etwas gab, das den Magen füllte oder die Sinne reizte. Es gab nur Zerstörtes, und es regierte die totale Knappheit. Aber es gab Weihnachten, den Gottesdienst, die Geschichte von Christi Geburt. Mit ihr eine offene Tür, ein Lichtstrahl in der Finsternis. Eine Erinnerung aus der Gefangenschaft, wie sie Helmut Gollwitzer aufgeschrieben hat, bekräftigt und verstärkt diese Erfahrung: „Dass es jemals anders werden würde, wagten wir nicht zu hoffen und konnten doch von der Hoffnung nicht lassen. War es dass einer an uns dachte und von uns wusste?“
Die Botschaft von dem, „der von oben kam“, trifft uns persönlich in ganz unterschiedlichen Situationen – sei es in einer glücklichen Lebensphase, in familiärer Geborgenheit, sei es in eher getrübten Stimmung, unter dem Eindruck einer Enttäuschung, sei es im Gefühl großer Einsamkeit. Wie hoffnungsvoll ist meine Zukunft, wie ausgefüllt meine Leben, wie haltbar mein Glück?
Frohe Weihnachten? O gerne, aber nicht immer gelingt es. Wenn ich den Weg nur finde! Den Weg zu Gott, den Weihnachten uns eröffnet.
Oft ist es ein Tasten, den Weg zu finden, mancher bleibt auf der Suche. Aber gerade dazu ermutigt, „der von oben kommt.“
Auf solche Suchwege gerät, um ein Beispiel zu nennen, die Schweizer Dichterin Erika Burkart immer wieder. Einmal bekennt sie, beinahe widerstrebend: „Ich komme nicht aus/ ohne Hintergrund-Gott“. Damit spricht sie etwas an , was viele ganz ähnlich empfinden. Sie erlebt diesen „Hintergrund-Gott“ in seiner Abwesenheit und zugleich als „All-Präsenz“, darin als den, der abwesend-anwesend „Leben zulässt, Liebe“. Ist das etwa wenig?
Tastende Wegsuche zu Gott. Ähnlich, aber auch anders, der „schwierige Weg zu Gott“, den eine junge Wissenschaftlerin unter dem Titel „Was mich nicht zum Atheisten macht“ beschrieben hat: „Auch wenn mein Glaube manchmal schwindet und ich atheistisch fühle, ich streiche Gott nie wieder aus meinem Denken…Ich streiche Gott nicht mehr durch, weil ich glaube, dass der Mensch, wenn er „Ich“ sagt, nicht nur seine Erziehung und seine Gene meint, sondern das Dahinter, das, was geliebt werden kann, das was manchmal durchblitzt in dem kleinen Gesicht meines Kindes … Eine Seele. Schönheit. Etwas Fremdes.“
Gewiss, „unsere Wege zu Gott“ sind nicht immer gradlinig. Aber „der von oben kommt“ lässt all die holprigen, angedeuteten, auch die nicht zu Ende gegangenen Wege gelten.
Er kommt uns ja entgegen!
Darum: Frohe Weihnachten, liebe Gemeinde!
Amen
Liedempfehlung. EG 36 (nach der Predigt: V.6ff!)
Nachweise: Die Novgoroder Weihnachtsikone ist abgebildet bei Konrad Onasch, Ikonen, Berlin 1961, Tafel 32. Das Zitat von Günter Goldbach stammt aus: Predigtstudien 2012-2013/ I, Stuttgart 2012, 60, das aus der Gefangenschaft ist von Helmut Gollwitzer, abgedruckt in: Walter Jens (Hg.), Es begibt sich aber zu der Zeit, Frankfurt 1993, 142. Das Gedicht „Entgegnung“ ist nachzulesen bei: Erika Burkart, Ortlose Nähe, Zürich 2005, 29f. Der Radiotext „Was mich nicht zum Atheisten macht“ von Esther Maria Magnis wurde im Deutschland-Radio Kultur am 14.12.12 gesendet.
Perikope