Hingabe an Gott – der dem Wort entspringende Gottesdienst - Predigt zu Römer 12,1-3 von Bogislav Burandt
Hingabe an Gott – der dem Wort entspringende Gottesdienst
Predigttext (in eigener Übersetzung):
Ich ermahne euch nun, Schwestern und Brüder, angetrieben durch die Barmherzigkeit Gottes: Bringt euch mit Leib und Seele als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer dar. Das sei euer dem Wort entspringender Gottesdienst.
Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung eures Sinnes, damit ihr ein sicheres Urteil darüber gewinnt, was der Wille Gottes ist: nämlich das Gute und ihm Wohlgefällige und das Vollkommene.
Aufgrund der Gnade, die mir gegeben ist, sage ich einem jeden unter euch: Denkt nicht höher von euch, als zu denken sich gebührt, sondern seid auf eine besonnene Selbsteinschätzung bedacht nach dem Maß des Glaubens, das Gott einem jeden zugeteilt hat.
Liebe Gemeinde,
Vor gut einer Woche haben wir die Menschen, die uns lieb und teuer sind, besonders gegrüßt. Gerade Weihnachten und der Jahreswechsel sind für uns in unserem Leben Einschnitte, an denen wir Kontakt suchen. Und so haben wir das unbekannte Gelände des neuen Jahres nicht betreten, ohne mit Familienangehörigen oder Freunden zusammen zu sein oder mit ihnen zu telefonieren. Auch E-Mails, Briefe und die gegenseitigen Geschenke dienen der gegenseitigen Wertschätzung und machen deutlich: Wir wollen miteinander verbunden bleiben.
Und wie steht es mit unserem Kontakt zu Gott? An Weihnachten haben wir von Gottes Gnade und Barmherzigkeit gehört, die uns in dem kleinen Kind in der Krippe zugute kommt. Und wie reagieren wir darauf? Der Apostel Paulus ruft uns folgendes zu: Ich ermahne euch nun, Schwestern und Brüder, angetrieben durch die Barmherzigkeit Gottes: Bringt euch mit Leib und Seele als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer dar. Das sei euer dem Wort entspringender Gottesdienst.
In der Antike gehörte das Opfer ganz selbstverständlich zum Umgang mit den verehrten Gottheiten. Die Menschen suchten mit den heiligen Göttern in Kontakt zu treten, und sie taten dies, indem sie den Göttern Opfer darbrachten. Übrigens auch in Jerusalem, wo zur Zeit des Paulus im Tempel der Gott Israels verehrt und mit Opfern bedacht wurde. Wie gesagt: Opfern war normal. Die Opfergaben von Einzelnen und Gemeinschaften, sie dienten der Kontaktpflege zu den Göttern.
So gesehen haben die Christen in Rom, an die der Brief des Paulus geschickt wurde, sich über das Stichwort „Opfer“ nicht gewundert. Und sie hatten in den 11 Briefkapiteln vor unserem Text ja auch ausführlich dargelegt bekommen, was es mit der Barmherzigkeit Gottes durch Jesus Christus auf sich hatte:
Gott hat sich aller Geschöpfe erbarmt. Gott hat gegen die Dunkelheit von Bosheit, Sünde und Schuld seinen Sohn Jesus Christus in diese Welt gesandt. Er hat ihn gesandt, um Mensch und Kreatur von Angst und Todverfallenheit zu befreien. In Jesus Christus, in seinem Tod am Kreuz hat Gott sich selber als Opfer hingegeben für uns. Dadurch hat Gott neues Leben eröffnet, so dass nun gilt: Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist.
Von dieser Barmherzigkeit Gottes weiß Paulus sich angetrieben, so dass er seinerseits zu Opfern aufruft. Allerdings: Die Christen sollen sich selber als Opfer darbringen! Darüber freilich werden die Christen in Rom nicht wenig gestaunt haben. Und ihr Erstaunen reicht bis in unsere Zeit hinein! Statt eines toten Tieres sollen die Christen sich selber als lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer darbringen!
Was damit gemeint ist? Ich denke, Paulus geht es mit diesem Ausdruck um die menschliche Entsprechung zum Handeln Gottes. So wie Gott durch die Sendung seines Sohnes in diese Welt persönlichen Einsatz gezeigt hat, so sollen wir - auf menschliche Art und Weise - durch persönliche Hingabe an Gott unser Christsein bewähren. Das geht nur durch lebendiges Engagement von unserer Seite, darum das Stichwort „lebendig“.
Die persönliche Hingabe an den heiligen Gott verdient das Stichwort „heilig“. Damit schließt Paulus zugleich aus, dass irgendjemand, der nicht unser Gott ist, uns zu Opfern aufrufen darf. – Ich erspare Ihnen und mir die unerfreulich lange Geschichte vom Missbrauch des Begriffs „Opfer“...
Und schließlich soll unser Engagement Gott „wohlgefällig“ sein. Das Gute, das gefällt unserem Gott. Und „Wohlgefallen“ hat Gott an seinem Sohn, wie uns das Evangelium von der Taufe Jesu (Mt 3,17) erzählt. Das heißt: Wenn wir uns in unserem Tun an Jesu Worten und Taten orientieren, dann sind wir auf dem richtigen Weg; auf dem Weg, der Gott gefällt.
Persönliche Hingabe an Gott. Das sei euer dem Wort entspringender Gottesdienst, sagt Paulus. Gottesdienst ist eben nach christlichem Verständnis nicht das Opfern von Tieren oder gar Menschen. Sondern Gottesdienst hat es mit Wort und Antwort zu tun. Gottesdienst ist menschliche Antwort auf den Anruf Gottes, menschliche Antwort auf das Wort der Weihnachtsbotschaft, menschliche Antwort auf die mir von Gott zugesprochene Liebe. Gottesdienst ist nach christlichem Verständnis weder blinder Gehorsam oder das Ableisten von Ritualen oder Pflichten sondern menschliche Erwiderung des durch Gottes Barmherzigkeit eröffneten Gespräches.
Und diese Aussagen gelten übrigens sowohl für unseren Gottesdienst am Sonntag als auch für unseren Gottesdienst im Alltag der Welt. Die persönliche Hingabe gegenüber Gott, zu der Paulus aufruft, beschränkt sich nicht auf eine Stunde am Sonntagvormittag!
Möglicherweise wird jetzt der eine oder die andere ungeduldig und fragt, wie denn bitteschön die Aufforderung des Paulus umzusetzen ist: Bringt euch mit Leib und Seele als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer dar. Diese Frage kann ich freilich nur an jeden von Ihnen zurückgeben. Denn in die persönliche Hingabe des einzelnen Christen gegenüber seinem Gott darf sich niemand von außen einmischen!
Immerhin. Als ein Beispiel, das mich vor einiger Zeit sehr beeindruckt hat, kann ich auf das Internationale Cafe in Winsen an der Luhe verweisen. Da sind engagierte evangelische Christen mit Unterstützung des Gemeindepastors und des Superintendenten 2013 auf die Idee gekommen, ihr Gemeindehaus an Samstagen für die Begegnung mit Flüchtlingen zu öffnen. Und so kommen fast 60 fremde Menschen jeden Samstag dorthin, um mit Einheimischen in Kontakt zu treten. Da gibt es Gelegenheit, die neue Sprache zu sprechen und voneinander zu erzählen. Und endlich trauen sich auch einige der älteren Deutschen, von ihren eigenen Erfahrungen mit Flucht und Vertreibung zu erzählen...[i] Doch. Ich denke, die Ehrenamtlichen im Internationalen Cafe in Winsen leisten dort wie Paulus sagt einen dem Wort entspringenden Gottesdienst.
Natürlich. Das ist nur ein Beispiel. Das uns anrufende Wort Gottes, dem unser antwortender menschlicher Gottesdienst entspringt, stellt verschiedene Möglichkeiten bereit. Es gibt verschiedene Befähigungen, die uns nach dem Maß des Glaubens zugemessen werden. Davon handeln dann übrigens die an unseren Predigtext anschließenden Verse.
Immerhin können wir dem Apostel, was die vom ihm geforderte persönliche Hingabe an Gott angeht, noch drei grundsätzliche Überlegungen entnehmen: Er findet es notwendig, auf Abstand zu achten von den landläufigen Meinungen. Er empfiehlt ein den eigenen Sinn erneuerndes Nachdenken über Gottes Barmherzigkeit, um dadurch dem Willen Gottes auf die Spur zu kommen. Und er warnt vor Selbstüberschätzung im persönlichen Urteilsvermögen.
Abstand zu landläufigen Meinungen. Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an, sagt Paulus. In der Wortwahl des Apostels schwingt mit, was wir als Fremdwort aus dem Griechischen kennen: Schema. Haltet euch als Christen vom Schema F fern meint Paulus. Gerade zu Beginn dieses neuen Jahres empfinde ich das als einen christlichen Weckruf, damit wir Abstand von der Gehirnwäsche der allgegenwärtigen Werbung um uns herum bekommen und uns nicht von vermeintlichen Selbstverständlichkeiten einlullen lassen. Und das Wörtchen „alternativlos“ ist aus einem christlichen Wortschatz zu streichen!
Guter Gott,
erneuere meinen Sinn, damit ich das Gute, das Du willst, erkenne,
gib mir die Kraft, das Gute auch zu tun,
bewahre mich vor falscher Anpassung an den Zeitgeist,
hilf mir zu besonnener Selbsteinschätzung
steh mir mit Deinem guten Geist bei in allem,
was ich rede oder tue.
Das bitte ich Dich in Jesu Namen.
AMEN