Hoffen und Bangen - Predigt zu Lukas 1,39-56 von Christoph Hildebrandt-Ayasse
1,39-56

Liebe Gemeinde,

Zwischen Hoffen und Bangen. Wie könnte es auch anders sein. Elisabeth und Maria erwarten ihr erstes Kind. Neues Leben wächst in ihnen und will zur Welt kommen. Ein Lebensabschnitt, ein Lebensgefühl zwischen Hoffen und Bangen. Wie wird es werden mit ihnen, den Müttern, mit ihren Männern, mit der neuen kleinen Familie?

Es werden besondere Kinder sein, der Johannes und der Jesus. So hatten es der Engel Gabriel Elisabeth und Maria verkündigt. Johannes und Jesus werden nicht nur das Leben ihrer Eltern völlig verändern, sondern auch die Welt. Den Glauben werden sie verändern. Gott und die Welt neu verstehen lassen. Das werden sie.

„Johannes wird (….) viele zu Gott bekehren“, verkündigte der Engel Gabriel dem Priester Zacharias, Elisabeths Mann. Väter werden sich herzlich ihren Kindern zuwenden. Er wird bewirken, dass Menschen ohne Ziel im Leben klug werden und zu fragen beginnen, wie es gerecht in der Welt zugehen kann. Er wird die Menschen darauf vorbereiten, Gott ganz neu zu begegnen. (Lk. 1, 17)

Und der Maria hatte der Engel Gabriel verkündigt, dass ihr Sohn Jesus Gott ganz nahe sein wird. Den Sohn des Höchsten, den Sohn Gottes wird man ihn nennen. Ja, nicht nur nennen: er wird es sein. Gott in Jesus, Jesus mit Gott mitten in unserer Welt.

Sie werden besondere Menschen werden, Johannes und Jesus, die Elisabeth und Maria in sich tragen. Und da braucht es schon einen besonderen Engel, der diese Kinder ankündigt. Gabriel heißt er. Sein Name bedeutet: Held Gottes. Ein Engel, der Mut macht; einer der stärkt. So einer, wie ihn sich alle Menschen wünschen, die ein Kind erwarten. Einer, der zwischen Hoffen und Bangen der werdenden Eltern Gottes Hilfe und Begleitung verkündigt.

Und nun treffen sich also diese beiden Mütter, die diese besonderen Kinder erwarten. Die schwangere Maria besucht ihre Verwandte, die schwangere Elisabeth. Und, wie wunderbar, Johannes macht sich bemerkbar im Bauch der Elisabeth. Ein schöner Augenblick. Er „hüpft“ in ihrem Leib, wie Luther so feinfühlig übersetzt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt spüren auch Väter hautnah, dass da ein neues Leben in ihre Welt tritt. Wirklich und fühlbar tritt.

Und jetzt, als Elisabeth und Maria sich treffen, ist da mehr Hoffen als Bangen. Maria drückt es aus; in einem tiefempfundenen Gebet, einem Lobpreis, einem Gotteslob. Hoffen und Bangen treten bei Maria zurück und schiere Freude macht sich in ihrer Seele Raum. Und diese Freude muss in Worte gefasst werden, muss ausgesprochen werden: „Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes meines Heilandes.“

Die Welt erscheint ihr in einem neuen Licht. Gott bekommt für sie ein neues Gesicht. Was Angst und Bange macht erscheint nun so klein gegenüber der Hoffnung, die empfunden wird. Es wird gut werden, jubelt Maria. Und in ihrem Lobpreis spricht sie sie aus. Die Verheißungsworte von Gott. Diese Es-wird-gut-werden-Worte. So, wie sie sie aus der Bibel kennt, der Hebräischen, unserem Alten Testament.

Wenn Sie zuhause eine Bibel mit Querverweisen haben, dann werden Sie sehen, dass Maria in ihrem Lobgebet fünf Psalmverse und drei Verse aus dem 1. Buch Mose zitiert. Nicht wörtlich, sondern so wie sie es versteht und erlebt. So, wie es sie anspricht und wie sie es aussprechen möchte. Diese Es-wird-gut-werden-Worte der Bibel.

Wie die Miriam, die Schwester des Mose, die nach der Errettung aus der Sklaverei in Ägypten, nach der Flucht durch das Schilfmeer zur Handpauke greift und spontan ein Danklied anstimmt; so wie die Hannah ihren ganz eigenen Lobpreis anstimmt aus Dankbarkeit über die Geburt ihres Sohnes Samuel damals im Tempel in Silo; so kann hier Maria aus voller Seele, aus ganzem Herzen und „ganz spontan aus dem Bauch heraus“, wie man so sagt, und hier bei Maria mit einer ganz besonderen Beziehung und Bedeutung dieses „aus dem Bauch heraus“, beten, danken und jubeln.

Das Bangen und Hoffen der schwangeren Maria weicht einem trotzigen: So wird und so muss es werden; so gut, wie Gott es will. Denn Gott ist barmherzig zu allen, die ihm ihre Fehler bekennen, vor ihm ablegen, neu beginnen und anders leben wollen. „Kehrt um, denn Gott ist euch nahe gekommen. Ein anderes Leben ist möglich.“ Das sind auch die Predigtworte, mit denen Johannes und Jesus ihren Auftrag unter den Menschen beginnen werden. Die sie uns sagen. Und wer könnte das Wort „barmherzig“ besser verstehen als die schwangeren, hebräisch sprechenden werdenden Mütter Elisabeth und Maria? Ist das Wort für Barmherzigkeit im Hebräischen doch das gleiche wie für Mutterschoß.

Und trotzig und ganz voller Vertrauen in die Es-wird-gut-werden-Worte Gottes betet Maria weiter:

Angeberei und Überheblichkeit finden bei Gott keinen Beifall. Er wischt sie mit seinem Arm einfach weg. Auf ein ehrliches Herz kommt es ihm an, freut sich Maria. So muss es sein vor Gott.

Und die, die das Sagen haben und alles bestimmen und sogar gewalttätig werden, um ihre Ziele zu verfolgen, diese alle werden entmachtet und versetzt. Einfach so.

Und der Blick und alles Augenmerk wird sich auf die Übersehenen und die Mühseligen und Beladenen richten. Ihnen wird endlich einmal etwas Gutes getan. Richtig so.

Und da ist so viel Hunger in der Welt. Mütter, die nicht wissen, woher sie das Brot für ihre Kinder nehmen sollen. Fliehende, die nichts mehr haben und sich schämen, nun die Hand aufhalten zu müssen. Und für die die Budgets der Helfenden erschöpft sind. Weil man Geld verrechnet und nicht Not. Warum den Reichen nicht einfach einmal sagen: Genug so?

Maria betet ihr trotziges Gebet voller Freude und Hoffnung. Denn sie weiß: ihre Vorfahren im Glauben haben auch schon so gebetet. Seit Abrahams Zeiten. So sollen auch wir beten. Voller Hoffnung, Freude und Einsatz. Weiter so.

Und das Gebet der Maria und unsere Gebete haben schon viel verändert in dieser Welt. Und es muss sich noch viel verändern. Bei gewalttätigen Islamisten, bei ignoranten Reichen, bei uns hartherzigen Normalbürgern.

Drei Monate werden Elisabeth und Maria in der Zeit ihrer Schwangerschaft, dieser Zeit zwischen Hoffen und Bangen, miteinander verbringen. Maria aber hat mit ihrem Lobgebet diese Zeit unter eine andere Überschrift gestellt. Vertrauen in Gottes Verheißungen. Das bestimmt jetzt ihre gemeinsame Zeit. Vertrauen darauf, dass Gott zu seinen Menschen kommt. In den Worten der Elisabeth, der Maria, des Johannes und des Gottessohnes Jesus. Und in den Sakramenten von Taufe und Abendmahl, die Johannes und Jesus als Zeichen der Nähe Gottes einsetzen werden.

Und Vertrauen und Glauben sind im Hebräischen ein und dasselbe Wort. „Selig bist du, die du geglaubt hast“, preist Elisabeth Maria. Lassen wir uns anstecken vom Lobpreis der Maria, glauben und vertrauen neu zu lernen. Zwischen Hoffen und Bangen.

Perikope
23.12.2018
1,39-56