Hunde sind dem Herrn ein Gräuel - ein Beitrag zur Debatte in Sachsen / Predigt zu Matthäus 15,21-28 von Christoph Maier
15,21-28

Hunde sind dem Herrn ein Gräuel - ein Beitrag zur Debatte in Sachsen.[i]

Ja, die lieben Tiere. Sie müssen immer dann herhalten, wenn uns Menschen nichts mehr Besseres einfällt.

Da gibt es Gegenden, die sind durch nichts trefflicher zu beschreiben, als dass sich dort Fuchs und Hase Gute Nacht sagen. Es gibt kluge Füchse, listige Schlangen, arme Schweine und Nachteulen.

Die Tiernamen bringen es auf den Punkt. Tiernamen bringen Dinge zum Ausdruck, die darunter liegen, die mitschwingen und dann gar nicht mehr gesagt werden müssen. Wenn ich jemanden „zur Schnecke“ mache, ist das eben prägnanter gesagt, als wenn ich sage: „Durch meine überzeugende Argumentation musste sich mein Diskutant Stück für Stück zurückziehen, ja meine Wortgewalt war so groß, dass mein Mitdiskutant unter meinem Redeschwall gar nicht mehr sichtbar war und bestenfalls nur noch leer Worthülsen von sich gab.“

In unserem Predigttext begegnen uns heute Hunde und Schafe. Jesus nutzt die beiden Tiernamen, um etwas zu verdeutlichen, was aus biblischer Sicht hinter Hund und Schaf steckt. Dabei lernen wir von unseren Tieren gleich zu Beginn etwas ganz Wesentliches: „Es gibt im Grunde nur zwei Arten des Umganges mit der Bibel: Man kann sie wörtlich nehmen oder man nimmt sie ernst.“ (Pinchas Lapide)

Nehmen wir sie wörtlich dann lesen wir: Ein Schaf ist ein Schaf und ein Hund ist ein Hund.
Was ist für Sie in diesen Bezeichnungen hinterlegt?

Der Hund; der treuste Freund der Menschen. Ein knuddeliger Spielgefährte, gar nicht mal so selten der Ersatz für Kinder. Als Wachhund, Jagdhund oder Hofhund zudem extrem nützlich.

Haben sie schon mal mit einem Schaf gekuschelt? Wir schätzen zwar die Wolle, aber dieses fettige Gezottel, das auch noch sehr stark riecht, lassen wir uns dann doch lieber gewaschen und auf Knäulen gewickelt nach Hause liefern. Schafe haben einen extremen Herdentrieb, der bei unsereins eher verdächtig ist. Hirn ausschalten und den anderen folgen, ein Hirte eine Herde, das sind Parolen, die heutzutage nun wirklich nicht angebracht sind. Als Schaf würde ich mich nicht gerne bezeichnen lassen wollen.

Ein Schaf ist ein Schaf und ein Hund ist ein Hund. Steht doch so da, oder?
Nehmen wir die Bibel an dieser Stelle lieber ernst. Schnell müssen wir dann einsehen, dass es offensichtlich einen Unterschied gibt, zwischen dem was wir unter „Hund“ verstehen und dem, was Jesus hier sagen möchte. Wir können den Zeitgeist, der kulturell bedingt Begriffe füllt und wertet, nicht einfach außen vor lassen, wenn wir die Bibel ernst nehmen wollen. Denn offensichtlich ist die Bewertung unserer beiden Tiere ja genau umgekehrt, wie bei uns heute. Das Schaf ist positiv besetzt und der Hund negativ.

Jesus sieht sich selbst zu den verlorenen Schafen Israels gesandt. Da hören wir den Psalm 23 im Hintergrund, diesen großartigen Vertrauenspsalm. Nehmen wir das Schaf in der Bibel ernst, dann müssen wir wissen, dass eine Kleintierherde im alten Israel als Zeichen großen Reichtums galt. Wer Ziegen oder Schafe hatte, war ein gesegneter Mensch. Und in diesem Sinne gebraucht die Bibel die Beziehung zwischen Hirte und Herde, zwischen verlorenem Schaf und führsorglichem Gott ganz häufig als positives Bildpaar, und meint damit etwas, das sehr wertvoll ist.

Ganz anders die Hunde. Wir sollten wahrscheinlich lieber mit „Köter“ übersetzen, um das ernst zu nehmen, was die Bibel hier meint. Der Hund gilt der Bibel als unreines und wertloses Tier. Wen die „Hunde fressen“, der wurde aufs Elendste gedemütigt (1.Kön 21,19; 22,38; 2.Kön 9,36).

Jesus benutzt also diese beiden Tiernamen, um dieser lästigen Person, dieser kanaanäischen Frau, die ihm und seinen Jüngern nun schon seit einiger Zeit mit ihrem Gepläge (Geschrei) auf die Nerven geht, ganz deutlich zu machen, was sein Auftrag ist und was er von ihr hält:
Eine Frau, zumal eine Frau, die den Hunden zuzuordnen ist, die ist eigentlich noch nicht einmal einer Antwort würdig. Und hätten die Jünger nicht noch einmal nachgefragt, es wäre wahrscheinlich auch dabei geblieben: „Und er antwortete ihr kein Wort.“ (V 23)
Schließlich kennt Jesus seine Bibel und da steht es nun mal schwarz auf weiß: Hunde sind dem Herrn ein Gräuel. Nicht einmal das Geld von einem verkauften Straßenköter war rein, so verhasst waren dem HERRN die Hunde. „Du sollst keinen Hurenlohn noch Hundegeld in das Haus des HERRN, deines Gottes, bringen aus irgendeinem Gelübde; denn das ist dem HERRN, deinem Gott, beides ein Gräuel. (5. Mose 23,19)

Also, um das noch einmal klarzustellen: Jesus ist nur für die verlorenen Schafe da!
Wäre da nicht diese unglaublich ABERgläubische Frau, die Geschichte hätte ein ordentliches Ende gefunden.

ABER –immer wieder dieses ABER:
„ABER, Kyrie eleison! Herr, hilf mir doch!
„ABER, ich habe es doch gerade gesagt. Es ist nicht recht, dass man den Kindern das Brot wegnimmt und es an die Hunde verfüttert“
„ABER trotzdem essen die Hundchen von dem, was ihnen die Herren zuteilen. Kyrie eleison“

Der Evangelist Matthäus, der diese Episode erzählt, versteht es meisterhaft, das in den Vordergrund zu stellen, auf was es ankommt. 5x benutzt er in diesem kurzen Dialog, das Wort „Aber“, wie im Pingpong Spiel fliegen die Entgegnungen hin und her – die deutsche Sprache ist zu sperrig, um das angemessen wieder zu geben. So gesehen ist der Glaube dieser Frau tatsächlich ein ABER-Glaube. Ein ABER gegen die geltende Ordnung. Ein ABER gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. Die kanaanäische Frau nimmt den Heil bringenden Christus für sich und ihre Nachkommen in Anspruch. Sie ist ABERgläubig. Erstaunlich gläubig, unbeirrbar, sie glaubt gegen manchen Widerstand.

Wie schon gesagt, die Geschichte hätte ein ganz ordentliches Ende haben können, wäre da nicht die ABER-witzige Frau gewesen.
Von einem „ordentlichen“ Ende kann allerdings nur dann geredet werden, wenn man den Kontext der damaligen Zeit im Blick hat. Ordentlich in dem Sinn, dass Volk bei Volk bleibt, dass klar bleibt, was sich gehört, nämlich dass Männer, zumal wenn sie etwas auf sich halten, nun mal nicht mit Frauen reden und dass Hunde dem Herrn ein Gräuel sind, dass alles seine Ordnung behält und Religion sich nicht im Zeitgeist der ewigen Vermischung der Völker und in der Auflösung aller Moral verliert, sondern klare Kante und klares Profil zeigen. So wie Jesus zu Anfang der Geschichte.
Hunde sind nun mal Hunde und Schafe sind Schafe, das geht nicht zusammen. Und das Brot der Kinder darf nun mal nicht vor die Hunde gehen. Ist das jetzt klar!

Damals war das Konsens. Wir Heutigen sind da ja eher entsetzt. Entsetzt darüber, dass Jesus dieser Frau nicht helfen will. Dass Jesus sich so radikal abgrenzt. Dass Jesus diese Frau so ausgrenzt. Wir kennen Jesus anders. Wir, das sind die „Kirchensäusler“, wir das sind die „gutbessermenschliche Toleranzbesoffene dauer-empörte Oberschönredner, anbiederungsdemütige Willkommes-Kreischer.“[ii] Wenn wir so weiter machen, dann gehen wir noch alle vor die Hunde!

Aber mit uns heutigen ist eben auch kein Staat mehr zu machen. Der Untergang des Abendlandes – ich weiß, die Sorgen und Nöte der Menschen, mann muss sie ernst nehmen. Da braucht es eben auch Leute, die klare Kante zeigen, die „für unsere Kultur und Werte, für den Schutz der Familie und für die Ächtung von Extremismus“ unter dem Banner von Schwarz, Rot, Gold „für die Schaffung einer souveränen Nation“[iii] auf die Straßen gehen.

Eine christliche Kultur befördert man so freilich nicht. Und die wirklichen Probleme löst man so übrigens auch nicht. Für offene Grenzen braucht es eine klare Identität. Die finden wir nicht im Nationalen, sondern in Christus. Jesus bleibt klar in seiner Sendung, Jesus bleibt klar in seiner Identität, und gerade so hat die Kraft, sich weit von dem zu entfernen, was Andere ängstlich festhalten müssten. So hat Jesus die Macht Grenzen zu überschreiten und schlicht weg, die Person zu sehen, die ihm gegenübersteht.

Diese ganze Geschichte ist eine einzige Grenzüberschreitung. Jesus im Gebiet um Tyrus. Das muss man sich mal auf der Karte anschauen. So weit weg von seinem normalen Wirkungskreis! Was will der da drüben? Was hat der da zu suchen?

Vielleicht will er Brosamen von den Brocken an die Hunde verteilen. Von den Brocken der Fülle Gottes, die Grenzen überwindet. Grenzen zwischen Kulturen und Ethnien, Grenzen zwischen Männer und Frauen, zwischen Althergebrachtem und Neuem. In der Fülle Gottes, in Christus, dem Brot des Lebens, sind Grenzen überwunden. Da sind nicht Hunde und Schafe, „nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Slave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau“ (Gal 3,28), hier ist nicht Homo noch Hetero und sei es dem HERRN noch so sehr ein Gräuel (3. Mose 3,20).

Jesus überschreitet Grenzen. Jesus geht nach Tyrus um von den Brocken zu verteilen an die, die dem HERRN ein Gräuel sind. Jesus verteilt etwas von den Brocken aus den Körben, die übrig geblieben waren. Die überreiche Fülle Gottes teilt er aus. Unsere Grenzüberschreitungsgeschichte ist eingerahmt von der wunderbaren Brotvermehrung. Zuerst die Speisung der 5000. 5000 Mann streiten für Israel. Für Israel 5 Bücher Mose und 5 Brote, 12 Stämme und 12 Körbe mit Brocken. Brocken, die übrig bleiben aus der wunderbaren Fülle Gottes. Brocken deren Brosamen genug wären für die Hunde.

Dann, nach unserem Predigttext, wieder eine Brotvermehrung. Jetzt die Speisung der 4000. Aus jeder Himmelsrichtung 1000. 7 Brote und 7 Körbe vollkommene Fülle übrig mit Brocken. Brocken für alle Welt, grenzenlos, und es wurden alle satt!

Statt eines Nachwortes.
Pinchas Lapide (jüdischer Religionsphilosoph) zitiert aus seinem Buch: „Ist die Bibel richtig übersetzt“:

„Es gibt im Grunde nur zwei Arten des Umganges mit der Bibel: man kann sie wörtlich nehmen oder man nimmt sie ernst. Beides zusammen verträgt sich nur schlecht.
Die Wörtlich-Nehmer, die das Motto »Es steht geschrieben« auf ihre Fahnen geschrieben haben, reduzieren die Schrift zum »papierenen Papst«, der auf eine leblose Dimension beschränkt bleibt. Die Ernst-Nehmer hingegen, die den Mut aufbringen, ihren Text zu hinterfragen, ihn kritisch zu erörtern, um zu seiner ursprünglichen Aussagekraft vorzustoßen, werden einen Hauch jenes Geistes erspüren, der zwar weht, wohin er will, aber stetig neu belebt, zu neuen Einsichten verhilft und eine Spur vom lebendigen, unverfügbaren und immer vorwärts treibenden Gott erahnen lässt.“
(Pinchas Lapide: “Ist die Bibel richtig übersetzt” 2. Auflage, Gütersloh 2008, S. 18)

Amen


[i] Die in der Predigt anklingende Themen, die aktuell in unser Kirchgemeinde diskutiert werden (Homosexualität und deutschnationale Bestrebungen), haben nur auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun. Zur Diskussion um die rechte Schriftauslegung vgl. die Debatte auf www.openpetition.de/petition/online/ja-zur-amtseinfuehrung-aber

[ii] Zitat aus einer E-Mail an den Verfasser, mit der zu einer „Offensive für Deutschland“ am 26.09.2015 in Leipzig eingeladen werden soll.

[iii] Zitat aus oben benannter Einladung zur Demonstration für ein „souveräne Nation“.

 

Perikope
27.09.2015
15,21-28