"Ich bin getauft" - eine lebenslange Zusage - Predigt zu Römer 6,3-8 von Angelika Überrück
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"Ich bin getauft" - eine lebenslange Zusage - Predigt zu Römer 6,3-8 von Angelika Überrück

Liebe Gemeinde,

„Ich bin getauft.“ Der 6. Sonntag nach Trinitatis, den wir heute feiern, hat als Thema die Taufe. Und so ist es schön, dass wir heute in diesem Gottesdienst Kinder taufen. Aber auch wir Erwachsenen sollen uns an diesem Sonntag daran erinnern, dass wir getauft sind und was das für uns heute bedeutet.

Der Predigttext macht es uns dabei nicht gerade einfach. Denn in ihm ist von Sünden, von Tod, Sterben und Auferstehung die Rede.

„So sind wir ja mit Christus Jesus begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.“

Diese Worte entsprechen nicht dem, was wir heutzutage mit Taufe verbinden. Tod und Sterben gehören nicht dazu. Taufe steht doch am Lebensanfang. Sie ist für uns verbunden mit der Freude über die Geburt eines Kindes. Es ist ein fröhliches Fest. Und wer mag da an etwas anderes denken?

Andererseits: Viele Eltern suchen für ihr Kind einen Taufspruch aus, der davon redet, dass das Kind beschützt und behütet sein soll. Es macht deutlich, dass unser Leben nicht gefahrlos ist. Die fröhliche Seite ist bei der Taufe nur ein Aspekt.

„Ich bin getauft.“ schrieb Martin Luther mit Kreide vor sich auf den Tisch, wenn er Angst hatte, wenn er sich bedroht fühlte vom Teufel, vom Satan, der für ihn wirklich und real war - so wird es jedenfalls von Martin Luther berichtet.

„Ich bin getauft“ - diese drei Worte waren für ihn so etwas wie ein Talisman, ein Amulett, das ihn beschützen sollte. Und er war sich sicher, dass ihm nichts geschehen könnte, denn Gott stand an seiner Seite. Was sollte ihm da der Teufel, was könnten ihm da Menschen anhaben, wenn sie ihm Böses wollten?

Martin Luther hat in seinem Leben oft an Gott gezweifelt, an seiner Gnade. Er zweifelte daran, ob er Gott mit seinem Leben genügen konnte.

In diesen Momenten, da waren sie ihm Hilfe, diese drei Worte: „Ich bin getauft.“ Weil sie bekräftigten: Kein anderer als Gott selbst hat mir das Leben gegeben und will, dass ich lebe. Er gibt mir das Recht, so zu sein wie ich bin.

Das „Ja“ Gottes ist unverlierbar, unlösbar, bleibt für immer. Wir leben mit Gott und wir bleiben auch im Tod und darüber hinaus mit ihm verbunden. Gottes „Ja“ geht all unserem Handeln voran. Diese Gedanken gaben Martin Luther Halt für sein Leben.

„Ich bin getauft“. An den Teufel als Person glauben wir nicht mehr. Aber dass es auch heute teuflische Situationen gibt, das wird sicherlich keiner bestreiten. Diese teuflischen Situationen sind beispielsweise Momente, in denen wir zweifeln an uns und unserem Wert. Da mobbt einen jemand im Beruf oder in der Schule. Da ist eine Bewerbung nicht angekommen. Da verliert jemand seinen Job, weil er zu jung oder zu alt ist. Da putzt einen jemand herunter, weil man einen Fehler gemacht hat.

Es sind Momente, in denen wir meinen, wir hätten kein Recht auf dieser Welt zu sein. Gerade viele ältere Menschen, die sich dadurch definiert haben, dass sie für andere da waren, fühlen sich nutzlos und sinnlos, wenn sie nicht mehr aktiv sein können.

Oder es sind Momente, wo wir das Gefühl haben, alles und jeder hätte sich gegen uns verschworen, wir wären allein, hätten keinen, der uns zuhört, in den Arm nimmt, der uns mag. Jugendliche erleben das sehr intensiv. Oder Erwachsene, weil eine Beziehung in die Brüche gegangen ist. Weil eine Lebensplanung zerbrochen ist, Träume zerplatzt sind.

Es sind Momente, in denen wir das größte Unglück, das größte Leid erleben, weil ein geliebter Mensch schwer krank ist, gestorben ist oder einen schweren Unfall hatte. Es scheint nichts zu geben, was uns da heraus holen könnte. Es sind Momente, in denen wir, warum auch immer, alles in Frage stellen: uns selbst, unser Leben. Können wir in diesen teuflischen Momenten auch, wie Martin Luther, sagen oder schreiben: „Ich bin getauft.“? - Vielleicht hilft es, uns in Erinnerung zu rufen, was in diesem Symbol der Taufe drinsteckt.

Wir taufen mit Wasser. Mit ganz normalem Leitungswasser, ein wenig erwärmt, aber eben kein besonderes Wasser.

Wasser lässt Dinge wachsen. Wasser kann reinigen.

Es steht bei der Taufe aber auch stellvertretend für das, was unser Leben bedroht, was uns Angst macht. Gerade in den letzten Wochen haben wir bei den vielen Überschwemmungen erlebt, wie sehr Wasser unseren Besitz und unser Leben bedrohen kann. Wie gefährlich es ist. Früher wurden die Kinder bei ihrer Taufe ganz ins Wasser getaucht. Da wurde das handgreiflich, dass das Leben bedroht ist. Heute feiern wir manchmal Taufen in Flüssen und an Seen, die durch ihre Tiefe und Größe auch deutlich machen, dass Wasser nicht nur schön und lebensspendend ist.

Taufe ist also nicht nur ein fröhliches Fest, sondern sie lässt auch die realen Ängste um das Leben, die Angst vor dem Sterben nicht außen vor. Deshalb redet Paulus in unserem Predigttext von Tod, Sterben und Auferstehung. Er möchte deutlich machen, dass wir durch die Taufe ein von Gott bestimmtes Leben haben und am Ende unseres Lebens auf die Auferstehung hoffen können.

Wasser allein allerdings macht noch keine Taufe. Das wissen Sie.

„Das Wasser dabei allein tut´s nicht, sondern das Wort Gottes, das mit und bei dem Wasser ist, und der Glaube, der diesem Wort Gottes im Wasser traut.“ So hat Martin Luther es im Kleinen Katechismus gesagt, also in dem Büchlein, wo er alles Wichtige zusammengefasst hat, was man als erwachsener Christ wissen sollte.

Das Wort muss zum Wasser kommen. Das heißt, es genügt nicht, wenn ich unseren Täuflingen Wasser über den Kopf träufele, sondern es ist ganz wichtig, dass ich dazu sage: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Das Wasser steht für die Taufe im Namen des dreieinigen Gottes, deshalb wird dem Täufling dreimal Wasser über den Kopf gegossen. Und das Wort dazu macht deutlich, dass diese Handlung nicht eine menschliche ist, sondern dass Gott hier handelt.

Durch dieses „Ja“ Gottes erhalte ich Würde. Nicht Menschen, mit denen ich lebe, sagen mir, was ich wert bin. Auch nicht die Gesellschaft, in der ich wohne, auch nicht durch eine Beziehung, in der ich lebe, erfahre ich, wer ich bin. Meine Würde erhalte ich einzig und allein durch Gott. Nach seinem Bilde hat er jeden von uns erschaffen und uns seinen Atem eingehaucht. Und das macht uns würdig und wertvoll.

Wir sind so geliebt und angenommen, wie wir sind. Mit all unseren Fehlern und Mängeln, all unserem Versagen und unseren Defiziten. Wir müssen bei Gott nicht beweisen, dass wir toll sind, welche Talente und Fähigkeiten wir haben, ganz anders als in der Schule oder im Beruf. Wir müssen auch nicht verbergen, dass wir nicht perfekt sind, sondern wir dürfen so sein wie wir sind, fröhlich und traurig, schlecht gelaunt oder gut gelaunt, mit Ecken und Kanten. Gott nimmt uns so an wie wir sind.

In unserem Leben hören wir oft etwas anderes. Deshalb fällt es uns manchmal schwer anzuerkennen, dass der Satz „Ich bin getauft“ reicht. Durch die Taufe sind wir wertvoll.

Gott sagt zu den Kindern, die wir heute taufen, und auch zu jedem von Ihnen: Ihr seid toll. Ihr seid richtig so, wie Ihr seid. Ihr seid wertvoll und einmalig. Ich habe Euch lieb. Und ich bin für Dich da, Dein Leben lang.

Gott begleitet uns ein Leben lang und das eben auch in den Gefahren und den schwierigen Zeiten unseres Lebens.

In dem Tauflied „Ich bin getauft auf deinen Namen“, das wir als Wochenlied gleich nach der Predigt singen wollen, heißt es: „Mein treuer Gott, auf deiner Seite bleibt dieser Bund wohl feste stehn.“

Dieses „Ja“ Gottes hat Auswirkungen auf unser Leben. Es stellt sich jedem menschlichen „Nein!“ entgegen, das wir so oft gehört haben und hören: „Nein! Du bist es nicht wert, dass man sich für Dich einsetzt.“ Oder: „Nein! Das traue ich Dir nicht zu.“

Bei Gott gilt das „Ja“ und das bleibt bestehen, was auch immer passiert.

In seinem kleinen Katechismus hat Luther als drittes - neben Wasser und Wort - noch den Glauben genannt, der zur Taufe dazugehört: „der Glaube, der solchem Worte Gottes im Wasser traut“. Da die kleinen Kinder noch nicht wissen, was Glauben ist, bekennen sich Eltern und Paten bei der Kindertaufe zum christlichen Glauben. Sie versprechen gleichzeitig, dafür zu sorgen, dass die Kinder etwas über den Glauben erfahren, etwas lernen von der Liebe, mit der Gott uns begleitet. Das Ziel dabei ist, dass auch die Kinder irgendwann selbst zu ihrem Glauben „ja“ sagen. Dass sie nicht irgendwann einmal sagen: „Ich bin getauft – na und“, sondern dass sie spüren, was das für ihr Leben bedeutet.

„Ich bin getauft“, die drei Worte geben mir über mein Dasein hinaus eine eigene, eine unverlierbare Qualität. Sie können auch uns daran erinnern, dass nichts und niemand uns trennen kann von Gott. „Wir glauben, dass wir auch mit Jesus leben werden“, so sagt es unser Predigttext. Und das gilt, was auch immer es an Bedrohlichem und Beängstigendem im Leben geben mag.

„Ich bin getauft.“ Man sollte uns auch anmerken, dass wir getauft sind, indem wir uns so verhalten. Uns selbst gegenüber und auch den Menschen gegenüber, mit denen wir leben. Dass wir getauft sind, sollte unser Denken, Reden und Tun bestimmen. Denn durch die Taufe haben wir alles, was wir brauchen.

In dem Tauflied heißt es weiter: „Du hast zu deinem Kind und Erben, mein lieber Vater, mich erklärt; du hast die Frucht von deinem Sterben, mein treuer Heiland, mir gewährt; du willst in aller Not und Pein, o guter Geist, mein Tröster sein.“

Und darauf können wir bauen in allen Höhen und Tiefen unseres Lebens bis an unser Ende: „So leb ich dir, so sterb ich dir.“ „Ich bin getauft.“ Das wollen wir jetzt singen. Amen.