Jesus Christus als Leitbild - Predigt zu Offenbarung 1,9-18 von Bogislav Burandt
1,9-18

Bilder, liebe Gemeinde, sind lebenswichtig; überlebenswichtig geradezu. Damit meine ich nicht die Bilder aus dem Fernsehen oder dem Kino. Ich meine damit vielmehr die positiven inneren Bilder, die einem selber kommen und zur Verfügung stehen.

 

Neulich las ich ein wenig über Viktor Emil Frankl.1 Frankl war österreichischer Arzt und Psychologe, er hat die Logotherapie und die Existenzanalyse erfunden. Als Jude wurde er mit seiner Familie von den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager gebracht; erst nach Theresienstadt, dann nach Auschwitz. Bilder des Schreckens, der Misshandlung und des Todes griffen ihn an und umgaben ihn. Aber er hielt sich fest an dem Bild, dass er überleben würde und als Wissenschaftler über die Erfahrungen des KZ Vorträge halten würde. Und so geschah es dann auch. Das Bild von einer heilen Zukunft half ihm, an der Gegenwart nicht zu zerbrechen. Dieses Bild war für ihn überlebenswichtig.

 

Von einem anderen Menschen in bedrohlicher Lage haben wir gerade gehört. Ich meine damit den Seher Johannes. Er befindet sich auf der Insel Patmos in Verbannung, an und für sich lebt er mit den christlichen Gemeinden in Kleinasien auf dem Gebiet der heutigen Türkei. Der Seher Johannes ist Prediger und verkündigt Jesus Christus. Aber nun sieht es für ihn schlecht aus. Die Machthaber haben ihn ihre Macht spüren lassen. Im Zweifelsfall ist Johannes geschlagen und mit Drohungen überschüttet worden. Ungefähr so:

Er solle sich sofort die Rede von Jesus aus dem Kopf schlagen, sonst würde er den seinen nicht mehr lange behalten. Er solle Vernunft annehmen und die Leitkultur des römischen Reiches akzeptieren: d.h. die Gewalt des Kaisers in Rom anerkennen, die Wirtschaft mit der einheitlichen Währung des Denars in jeder Hinsicht fördern und den Kaiser als Gott verehren; egal welche Götter auch immer er sonst noch daneben ehren wolle. Kurz: Johannes solle seinen Blick auf die römische Macht wenden. Die Insel Patmos, auf der es nichts zu sehen gibt, solle ihm eine Hilfe sein zur Besinnung zu kommen.

 

Der Seher Johannes, liebe Gemeinde, weiß wovon er spricht, wenn er sich seinen Glaubensgeschwistern so vorstellt: Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus. Johannes geht nicht auf die Gehirnwäsche der Machthaber ein. Er ertrinkt nicht in Werbung und Broschüren, er lässt sich nicht ablenken von seinen christlichen Gedanken. Er hält sich frei für das Wort Gottes und das Zeugnis von Jesus.

 

Und da wird er an einem Sonntag vom Geist ergriffen, und er bekommt etwas zu sehen und zu hören. Er sieht sieben goldene Leuchter und er sieht einen, der war einem Menschensohn gleich, der war angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel... er hat sieben Sterne in seiner rechten Hand und aus seinem Munde ging ein scharfes zweischneidiges Schwert.

 

Bilder, liebe Gemeinde, sind nicht eindeutig. Das ist gerade ihre Stärke. Bilder sind flächig, sie bieten mehr Lesarten als ein ausformulierter Text. Dies gilt auch für die Bilder, die der Seher Johannes schaut. Wir dürfen sie nicht mit klaren Aussagesätzen oder mit exakten Photographien verwechseln. 

 

Es gibt freilich eine gepflegte norddeutsche Nüchternheit, die für Bilder nur einen schrägen Blick übrig hat; insbesondere, wenn sie – wie im Fall des Johannes – als Visionen daherkommen. Ich meine damit den fast sprichwörtlichen Satz von Helmut Schmidt: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“2

Ich finde: Der Satz des Ex-Bundeskanzlers ist in seiner Allgemeinheit falsch. Er bringt ein allzu schlichtes und negatives Verständnis von „Vision“ zum Ausdruck. Verstehen wir unter Vision allgemeiner ein Bild, das sich eingestellt hat bei einem Menschen durch wen oder was auch immer, dann werden wir offener. Dann können wir würdigen, dass Visionen Wege eröffnen und retten.

 

Vor 12 Jahren haben wir in unserer Gemeinde einen Basar begangen unter dem Motto: „Der Wind weht wo er will“. Damals kam ein Alternativer zu uns und baute in unserem Lichthof Info-Tafeln auf. Er sagte, dass Deutschland keine Kernenergie brauche, weil alternative Energien wie z.B. Windenergie alles ersetzen könnten. Seine Vision ist Wirklichkeit geworden!

Visionen retten; wie z.B. die Vision eines ‚berichtenden Wissenschaftlers’ damals Viktor Emil Frankl im KZ gerettet hat. 

 

Eine Vision die rettet, das sind für den Seher Johannes die Bilder, die er schaut. Er versteht sie, weil er den Propheten Daniel, in dem von einer Vision des Menschensohnes die Rede ist, genau kennt. Die Vision kommt für den Seher Johannes unerwartet, aber es sind Bilder, mit denen er sich irgendwie in ähnlicher Weise mal befasst hat. Und dann hört Johannes auch noch, was der, vor dem er sich so erschrocken hat, sagt: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.

 

Die Worte des Menschensohnes, in ihnen hört Johannes Jesus Christus selbst sprechen. Seine Worte sind das Vorzeichen über die Vision und die Bilder, die er geschaut hat. – Für Johannes bedeutet das: Keine Angst vor nichts und niemandem! Jesus Christus lebt. Jetzt. Und er setzt sich am Ende der Tage durch! Nicht die Machthaber haben die Macht, nicht die Wirtschaft wirtschaftet in Ewigkeit, Kultstatus kommt nur einem zu: Jesus Christus, der für Dich und für mich gestorben, durch die Hölle gegangen und von den Toten auferstanden ist!

 

Herrlichkeit verbürgt nur Gottes Sohn. Auch im Evangelium von der Verklärung Jesu ist davon die Rede. Wenn Jesus Christus allein Herrlichkeit verbürgt, dann bedeutet das:

 

Sein Bild steht für mich an erster Stelle. Dann gibt es zwar die Ansprüche der Machthaber und die Ansprüche des Alltags an mich. Aber sie haben nicht das letzte Wort. Die Vision von Jesus Christus, das Bild von ihm ist die entscheidende kritische Instanz! Das tröstet mich. Und es lässt mich auch auf Distanz gehen zu todesverliebten Untergangsszenarien aller Art...

 

Der Seher Johannes jedenfalls schiebt munter alle Untergangsdrohungen gegenüber seiner Person beiseite und schreibt an sieben Gemeinden in Kleinasien sinngemäß: Jesus Christus ist unser Leitbild!

 

 

Ich schließe mit einem Stück eigener Poesie:

 

Bild’ dir nicht ein

ein Bild allein

sei dein.

 

 

Bilder brauchst Du

für deine Ruh

Immerzu.

 

 

Bild’ dir Bilder,

die geben

und bewegen,

was sie leben!

 

 

Bild’ dir Bilder,

die öffnen und heilen,

- nicht rennen und eilen -

bei Hoffnung verweilen!

 

 

Bild’ dir Christus

            von neuem ins Herz

            als Kraft zum Leben

            in Freude und Schmerz.

 

 

AMEN

 

 


1 I S. GPM 72.1, „Zukunft haben“. Predigtmeditation über Offb 1,9-18, Jula Elene Well, (128-133) bes. S.131/132.

2 I S. GPM 72.1, „Nehmt und trinkt, hungert und dürstet!“. Predigtmeditation über Offb 21,6a, Hans-Ulrich Gehring, (93-99) S.98.

Perikope
21.01.2018
1,9-18