Pharisäer und Zöllner
1. Umfeld
Der 11. Sonntag nach Trinitatis liegt mitten in den Sommerferien. Es sind daher zwei Grundgegebenheiten zu beachten:
– es werden nicht allzu viele Konfirmandinnen und Konfirmanden im Gottesdienst sein.
– vielerorts kann der Text also nicht vorab im Konfirmandenunterricht oder einer Gemeindegruppe besprochen werden kann. In manchen Orten gibt es allerdings Kinderferienprogramme, bei denen die Kirchengemeinde mit einigen Jugendlichen diesen Text für den Sonntag aufbereiten kann.
Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten: Entweder besteht die Möglichkeit, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten oder der Gottesdienst muss für die anwesenden Jugendlichen aus sich selbst stimmig sein.
2. Der Text für die Jugendlichen
– Die Ausgangssituation mit „einigen, die sich anmaßten, fromm zu sein und die anderen verachteten“ wird den meisten Jugendlichen unmittelbar einsichtig sein. Vielleicht ist es nicht die Frömmigkeit, sondern eine andere Eigenschaft: Dass einige glauben, aufgrund einer Eigenschaft oder eines Verhaltens besser zu sein als die anderen und deshalb auf diese heruntersehen, kennen Jugendliche aus beiden Perspektiven.
– Spannend ist die Perspektive dessen, der seine „moralische Unterlegenheit“ einsieht. In der Beispielgeschichte wird angedeutet, dass er unter seinen Fehlern leidet. Er bringt sie nichtöffentlich vor Gott.
– Nicht erzählt wird, wie die beiden Betroffenen selbst mit der unerwarteten Lösung umgehen, das gibt Raum für eigene Identifikationen.
– Ferner wird nicht erzählt, was Jugendliche vielleicht am meisten interessiert: Wie reagieren denn jetzt die Leute auf die beiden Personen und die Erläuterung in V. 14?
– Ob V. 14 als allgemeine Regel für das eigene Leben tauglich ist, bedarf noch der Überlegung.
3. Umsetzung
a) Wo es möglich ist, im Rahmen eines Kinderferienprogramms, Waldheims o.ä. den Text mit Jugendlichen und Kindern zu erarbeiten, wird der Wert für die Jugendlichen darin liegen, dass sie als Leitende und Textforscher ernst genommen werden. Daher wäre ein Anspiel mit ihnen gemeinsam zu erarbeiten. Ich würde es so gestalten, dass jeweils ein Vers der Lutherübersetzung verlesen wird und dann verschiedene Szenen aus dem heutigen Leben von Kindern und Jugendlichen angespielt werden. Die Schlussfrage kann in den Anspielen durchaus verschieden beantwortet werden. Aufgabe der Predigt (oder eines Interviews?) wird es dann sein, hier die Bezüge herzustellen, z.B. zur Rechtfertigung ohne eigene Werke, zur Theologie des Reiches Gottes …
b) Wenn eine vorbereitende Erarbeitung nicht möglich ist und der Gottesdienst also für Jugendliche aus sich selbst heraus stimmig sein muss, würde ich auf das Wochenlied entweder ausnahmsweise verzichten, oder dieses als Eingangslied wählen. Dann als Psalmgebet aus unserer Zeit EG 767 und als Schriftlesung das Magnificat der Maria (Lk 1, 46-54). Als weitere Lieder bieten sich an: EG 619; 627; 629, 630; 639.
In die Predigt würde ich ebenfalls mit einer Szene aus dem heutigen Leben einsteigen und dann versuchen, die beiden Personen jeweils als Gott-suchende zu schildern, mit je eigener Lebensgeschichte und einem ernsthaften Anliegen. Dabei würde ich aller Schwarz-weiß-Schematisierung wiedersprechen (Unnötig zu sagen, dass die Pharisäer jahrhundertelang als Zerrbild geschildert wurden …). Mein Predigtziel wäre, dass Gott sich auf verschiedenen Wegen finden lassen mag, egal was die Menschen sagen. Diese Erkenntnis der „Rechtfertigung ohne eigene Leistung“ mag unterschiedliche Menschen ins Gespräch bringen und die eigene Meinung relativieren.
»Ein Mensch betrachtete einst näher / Die Fabel von dem Pharisäer, / Der Gott gedankt voll Heuchelei / Dafür, dass er kein Zöllner sei. / Gottlob! rief er in eitlem Sinn, / Dass ich kein Pharisäer bin!“ (Eugen Roth)