KONFI-IMPULSE für Passion und Ostern von Ulrich Erhardt

KONFI-IMPULSE für Passion und Ostern von Ulrich Erhardt

Die „hohe Zeit des Kirchenjahres“ ist im Konfirmandenjahr zugleich eine „Pausenzeit“. Durch Ferien und ein „langes Wochenende“ von Karfreitag bis Ostermontag sind Familien in Urlaub, auf Verwandtschaftsbesuchen oder die Jugendlichen haben in einer solchen  „Chillout-Zone“ einfach nicht auf dem Schirm - auch als Konfirmandinnen und Konfirmanden -, zum Gottesdienst zu gehen. In unserer württembergischen Landeskirche gibt es zudem nach wie vor viele Kirchengemeinden, die an den Sonntagen vor Ostern konfirmieren und erst nach den Ferien mit der neuen Gruppe starten. In  den Kirchengemeinden, die – wie das Gros in unserer Landeskirche – unmittelbar nach Ostern Konfirmation feiern, haben viele der Jugendlichen ihre „Gottesdienstpflicht“ bereits „abgeleistet“ (die Wortwahl zeigt bereits die hier nicht zu diskutierende Problematik).  Folglich lassen sich vermutlich einzelne Gottesdienstelemente kaum im Konfirmandenunterricht vorbereiten und in die Gottesdienste einbringen. Wer dafür dennoch Material sucht, wird für das Passionsgeschehen beim „ökumenischen Jugendkreuzweg“ fündig (www.jugendkreuzweg-online.de). Dabei sollten allerdings die einzelnen Stationen mit den Jugendlichen sorgfältig vorbereitet und nicht einfach „heruntergelesen“ werden. Für die Gestaltung der Osternacht habe ich  selber einen Vorschlag für eine ganze Nacht erarbeitet, der auch als „Steinbruch“ für kleinere Aktionen oder Gottesdienste dienen kann und gerne per Mail bei mir erhältlich ist (Adresse s.u., außerdem gibt es gute Ideen bei www.jugonet.de).
Obwohl solche aufwändigeren Vorhaben in der Karwoche und der Osterzeit meist an den äußeren Gegebenheiten scheitern, will ich doch gerne die Konfirmandinnen und Konfirmanden mit im Blick haben bei der Gottesdienstgestaltung in dieser Zeit. Dazu die folgenden Gedanken
  
  Passionsandachten in der Karwoche
Ich habe die Konfirmandinnen und Konfirmanden im Unterricht anonym aufschreiben lassen, was ihnen schwer macht, an Gott zu glauben. Die Antworten waren die zu erwartenden: „Weil es keine Beweise gibt.“ „Weil man ihn nicht sehen kann.“ „Wenn dir etwas passiertist und du denkst, warum hat Gott mir nicht geholfen.“ „Schicksal, Zweifel, Hass, Krieg.“ Ich bringe diese Aussagen in meiner Ansprache zusammen mit dem neuen Bild von Sieger Köder „Der Gekreuzigte“ (erhältlich auch als „Meditationsbild“ beim Rottenburger Kunstverlag VER SACRUM www.versacrum.de). Darauf sieht man den Gekreuzigten, wie er sich Menschen zuwendet im Spalt des zerrissenen Tempelvorhangs, auf dem in hebräischer Sprache und Schrift der Anfang von Psalm 22 geschrieben ist: „Mein Gott, mein Gott – warum hast du mich verlassen?“ Ich nehme diesen Vorhang mit dieser Frage aus dem Psalm als Symbol für unsre Fragen und Zweifel, für die Erfahrung der Unsichtbarkeit und Abwesenheit Gottes. Was heißt es da, dass durch den leidenden Christus dieser Vorhang zerreißt? Welche neue Perspektiven auf unsere Fragen und Zweifel ergeben sich daraus?
  
  Karfreitag
Der Predigttext aus Hebräer 9  spricht für mich folgende Punkte aus der Lebenswelt Jugendlicher an:
Der Mittler (v.15) ist ja der, der einen Riss, eine Spaltung überbrückt. Oft zeigt sich dieser Riss in der Kluft zwischen dem Anspruch, den ich an andere oder an mich richte, und der Realität. Jugendliche empfinden das noch stärker: Sie weisen uns darauf hin, wenn wir Erwachsene uns nicht unseren Idealen gemäß verhalten oder Dinge tun, die wir Jugendlichen – zumindest in ihrer Perspektive verwehren. Dazu nehme ich bei Jugendlichen ebenso einen gesteigerten Anspruch an sich selbst wahr verbunden mit einem – ob selbst gemachten oder vom Elternhaus induzierten – Leistungsdruck. Mir stehen da die Jugendlichen aus der siebten Klasse vor Augen, die ich im letzten Schuljahr im Religionsunterricht hatte und die in den nächsten Wochen konfirmiert werden. Oder eine zehnte Klasse (also schon über das Konfi-Alter hinaus, in der die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler als typische Eigenschaft von sich sagte: „Ich bin ehrgeizig!“  Wen diese Beobachtung überrascht, der möge eine anonyme Umfrage in der eigenen Gruppe durchführen zum Thema „Ideal und Wirklichkeit“. Oder: Wie ich gerne sein möchte! Ich spreche in diesem Zusammenhang ein Moment der Faszination der „Harry-Potter-Romane“ an: Der Wunsch, dass auch  ich normaler, manchmal gemobbter Jugendlicher durch einen Brief aus einer andren Welt plötzlich zu einer bedeutenden Person werde. Da dieser Wunschtraum so nicht realisierbar ist, bringen wir beim Versuch, diesen Riss zu überwinden, bereitwillig Opfer. Wenn Christus in diese Riss tritt als Mittler, als scheinbar Gescheiterter eine Perspektive über das Scheitern hinaus bietet, ist das durchaus ein Thema.
Damit sind wir beim zweiten Begriff des Predigttextes, der auf Pausenhöfen, in Schulbussen und beim Konfirmandenunterricht immer wieder fällt: Opfer (v.26b). „Du Opfer“ sagen Jugendliche zueinander, wenn einer Pech hatte und ihm ein Missgeschick passierte. Dass am Karfreitag einer freiwillig die Opferrolle übernahm, ist in diesem Kontext erst einmal verblüffend. Und er dies „ein für allemal“ tat, also kein anderer mehr Opfer sein oder Opfer bringen muss, entlastet. Weil Jugendliche und Erwachsene gerne andere für ihr Ergehen verantwortlich machen – also sich zum Opfer erklären anstatt die eigenen Handlungsspielräume zu erproben. Weil andere zu Opfern gemacht werden, um selbst besser da zu stehen (ob beim Mobbing, beim Ausnutzen von Freunden …). Weil wir uns selbst opfern für unsere Ziele (Wie viele Jugendliche nehmen Psychopharmaka, um die gewünschte Leistungen und Verhaltensweisen zu erbringen? Wie viel Zeit erfordert eine GFS-Präsentation von der ganzen Familie, so dass dieses Kürzel statt amtlich korrekt „Gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen“ mit „Ganze Familie schafft“ wiedergegeben wird?).  Das Grundbedürfnis, dem wir bereitwillig unsere Opfer darbringen:  von anderen anerkannt werden und Erfolg haben. Hier kann das „ein für allemal“ des Hebräerbriefes neu durchbuchstabiert werden. Wer hier noch etwas in der Gruppe vorbereiten kann, kann eine Umfrage oder ein Rollenspiel initiieren zum Thema „Opfer“   mit den Stichwörtern: „Du Opfer“ oder „Für welches Ziel wäre ich bereit, was zu opfern?“
Schließlich kann Leiden thematisiert werden, da im Text vom Tod und seiner Überwindung die Rede ist (vv.27f.). Worunter leiden Menschen (vielleicht auch Tiere)? Wie kann das Leiden vermindert werden? Die Hoffnungsperspektive des Glaubens auf die Rettung (v.28) kann in diesem Kontext artikuliert werden, vielleicht unter der Frage, die ein Schüler in der 9. Klasse mir kürzlich gestellt hat, als ich mit ihnen Eric Claptons „Tears in Heaven“ anhörte: „Warum ist die Hoffnung auf den Himmel eine Antwort auf die Frage nach dem Warum des Bösen?“
  
  Ostersonntag
Das Loblied der Hanna (1. Samuel 2,1-6a) und sein Hintergrund dürfte manchen Jugendlichen noch aus der Grundschule bekannt sein bzw. es lässt sich leicht daran erinnern. Die Erfahrung der zwar geliebten, aber scheinbar erfolglosen und wertlosen Hanna gegenüber Peninna lässt sich einfach öffnen für analoge Erfahrungen Jugendlicher, die sich ständig mit anderen vergleichen, Zurückweisungen erfahren und nach Erfolg gieren. Die zwar wissen, dass sie geliebt sind von ihren Eltern (und wie sie unsere evangelischen Predigten und Unterrichtsstunden hören auch von Gott), aber  was hilft mir das, wenn die Klassenkameraden mich „dissen“? Wenn wir dann Hannas Erfahrung der Errettung durch Gott, damit verbunden die Kraft Gottes, die stärker ist als der Tod, thematisieren, dann wäre es wichtig nicht nur bei diesen vergangenen exemplarischen Begebenheiten (Hanna und Samuel, Auferstehung Jesu, ein paar ergreifende evangelische „Hagiographien“) stehen bleiben könnten, sondern auch Beispiele für neues Leben im Alltag Jugendlicher finden. Mir steht eine neunte Klasse vor Augen, die ich derzeit unterrichte und die im Laufe des Schuljahres drei neue Schülerinnen aus prekären Verhältnissen neu in die  Klasse bekam und die bisher diese Jugendlichen gut aufnahm. Oder eine Konfi-Gruppe, die ich vor einigen Jahren konfirmierte mit einem geistig behinderten Jugendlichen. Die Eltern hatten im Vorfeld viel Angst, wie das wird. Doch die Gruppe akzeptierte diesen Jungen akzeptierte und nahm ihn gut mit bis zur Konfirmation. Wie können wir in unseren Gruppen diese Dynamik des neuen Lebens, wie sie bei Hanna und in der Auferstehung deutlich werden, umsetzen? Dazu passt das Lied: „Wo einer dem andern neu vertraut“ (EG Württemberg 551).