KONFI-IMPULSE zu 1. Mose 4, 1-16a von Gerlinde Feine
4,1
In der Geschichte von Kain und Abel sind auf mythologische Weise mehrere Themen der Geschichte Israels verarbeitet worden:
- Der Wechsel von der nomadischen zur bäuerlichen Kultur, die von Gott sichtbar mehr Anerkennung erfährt
- die Konflikte, die bei der Umwandlung von Weideland in Kultur- und Ackerland ausgetragen wurden
- die Koexistenz der Hirtenstämme neben den seßhaften Stämmen innerhalb eines Staates
- die gemeinsamen Wurzeln und die Verehrung eines gemeinsamen Gottes durch sehr unterschiedliche und einander nicht immer friedlich gesonnene Gruppen („Bruderzwist“)
- die unterschiedlichen Erfahrungen des „Wohlwollens“ und des „Segens“, abgeleitet durch meßbare Zeichen wie Wohlstand, Wachstum, Bewahrung, Frieden
- das „Ausgesondertsein“ durch ein bestimmtes, im Text nicht näher erklärtes, aber augenfälliges Zeichen, das den Nomaden schützt.
Im Blick auf das gezeichnete Gottesbild ist die Geschichte ambivalent:
- Gott bevorzugt einen der beiden Brüder deutlich
- Er warnt den anderen Bruder vor den eigenen negativen Gefühlen und stellt ihn zur Rede (V. 6f.9)
- Er straft Kain nach dem Mord an Abel, läßt ihn aber am Leben (V.11f.)
- Er nimmt den Täter unter seinen besonderen Schutz (V.15)
Die bekannten Inkongruenzen („Wer sollte Kain verfolgen, wenn doch Adam und Eva das erste Menschenpaar waren?“ usw.) bestätigen die Funktion des Mythos als Deutung von Urerfahrungen. Eine psychologisierende Auslegung, die sich den Gefühlen der Benachteiligung, des Jähzorns, der „Dämonen vor der Tür“ (V.7) widmet, ist daher legitim und wird auch für Jugendliche viele Anregungen enthalten. Dass hier von Gott ganz anthropomorph die Rede ist, weil die Erzählung keine historischen Fakten liefern, sondern geschichtliche Entwicklungen interpretieren möchte, sollte man wenigstens am Rande thematisieren, freilich so, daß deutlich wird, wie diese alten Überlieferungen zu unserer eigenen Glaubenstradition gehören und nicht einfach „nur Märchen“ sind.
Die den Jugendlichen eigenen Zugänge zur Geschichte machen sich an folgenden Themen fest:
- „Hast du uns nicht gleich liebt?“: Die (scheinbare) Ungerechtigkeit Gottes, den wir im christlichen Gottesdienst „Vater“ nennen
- „Ich kann machen, was ich will…“: unterschiedliche Begabungen von Geschwistern - wie ist es, der/die Benachteiligte zu sein? Was, wenn ich der bin, dem alles zufliegt?
- „Bin ich meines Bruders Hüter?“ Verantwortung (besonders für jüngere Geschwister) vs. Verwirklichung eigener Ziele; Ehrlichkeit, Offenheit
- „Wohin mit meiner Wut?“ – Aggressionen gegen andere beherrschen, Aggressionen von anderen spüren, mit den inneren „Dämonen“ umgehen lernen
- „Wer schützt mich jetzt noch?“ – In der Geschichte ist es mit der Strafe Gottes getan. In der Realität bleibt man „Opfer“, und die „Zeichen“ (Aussehen, Kleidung…) schützen nicht, sondern lassen zur Zielscheibe für andere werden (Bsp. entlassene Straftäter, die öffentlich verfolgt werden und von der Gesellschaft ausgeschlossen bleiben, „MOF“s in der Schule, Minderheiten…)
.
Hinweise für Gottesdienst und Konfi-Arbeit:
Das Zeichen, das Kain schützt, wird im Text nicht näher beschrieben. Die Beschneidung daraufhin zu deuten würde gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion ein Nebenthema eröffnen. Sollte im Gottesdienst eine Taufe gefeiert werden, lassen sich ggf. Parallelen ziehen (Taufe als Zeichenhandlung, die vom Tod errettet und unter Gottes ganz besonderen Schutz stellt).
Der Friedensgruß ist ein sichtbares Zeichen dafür, daß wir in der Gemeinde als Geschwister leben, so unterschiedlich wir auch sind und so verschieden wir vor Gott stehen und uns geliebt fühlen. Unabhängig von der Feier des Abendmahls kann (zB nach der Predigt) dazu eingeladen werden, „einander ein Zeichen des Friedens zu geben“, dabei aber bewußt auf Menschen zuzugehen, die nicht in der Nähe des eigenen Platzes sind, mit denen man womöglich noch nie persönlich gesprochen hat oder denen man selten begegnet. Vor dem eigentlichen Friedensgruß sollte man sich gegenseitig mit Namen vorstellen, evtl. ein paar Worte wechseln. Gerade für die Konfis als „Neue“ der Gemeinde ist es wichtig, andere kennenzulernen, um sich im Gottesdienst wohlzufühlen.
Für die Nacharbeit im Konfis bietet sich eine Unterrichtseinheit an zum immer noch aktuellen Thema „Blutrache“ in Albanien, dem „Gesetz der Berge“, das zur Wiederherstellung der Ehre einer Familie unbarmherzig selbst Kinder verfolgt und dem die christlichen Kirchen weitgehend machtlos gegenüberstehen. Die Ordensschwester Christina Färber kümmert sich um Jugendliche, die von Blutrache bedroht sind, und arbeitet für Versöhnung zwischen den Familien. Über ihre Arbeit gibt es umfangreiches Film- und Unterrichtsmaterial, das u.a. hier abgerufen werden kann.
http://www.reli.ch/uploads/media/Rotner_Blutrache_RL_4-06.pdf
http://programm.ard.de/TV/einsfestival/blutrache---das-gesetz-der-ehre/…
Der Film „Blutrache – Das Gesetz der Ehre“ ist auch auf youtube abrufbar (Copyright und Vorführrechte beachten!)
- Der Wechsel von der nomadischen zur bäuerlichen Kultur, die von Gott sichtbar mehr Anerkennung erfährt
- die Konflikte, die bei der Umwandlung von Weideland in Kultur- und Ackerland ausgetragen wurden
- die Koexistenz der Hirtenstämme neben den seßhaften Stämmen innerhalb eines Staates
- die gemeinsamen Wurzeln und die Verehrung eines gemeinsamen Gottes durch sehr unterschiedliche und einander nicht immer friedlich gesonnene Gruppen („Bruderzwist“)
- die unterschiedlichen Erfahrungen des „Wohlwollens“ und des „Segens“, abgeleitet durch meßbare Zeichen wie Wohlstand, Wachstum, Bewahrung, Frieden
- das „Ausgesondertsein“ durch ein bestimmtes, im Text nicht näher erklärtes, aber augenfälliges Zeichen, das den Nomaden schützt.
Im Blick auf das gezeichnete Gottesbild ist die Geschichte ambivalent:
- Gott bevorzugt einen der beiden Brüder deutlich
- Er warnt den anderen Bruder vor den eigenen negativen Gefühlen und stellt ihn zur Rede (V. 6f.9)
- Er straft Kain nach dem Mord an Abel, läßt ihn aber am Leben (V.11f.)
- Er nimmt den Täter unter seinen besonderen Schutz (V.15)
Die bekannten Inkongruenzen („Wer sollte Kain verfolgen, wenn doch Adam und Eva das erste Menschenpaar waren?“ usw.) bestätigen die Funktion des Mythos als Deutung von Urerfahrungen. Eine psychologisierende Auslegung, die sich den Gefühlen der Benachteiligung, des Jähzorns, der „Dämonen vor der Tür“ (V.7) widmet, ist daher legitim und wird auch für Jugendliche viele Anregungen enthalten. Dass hier von Gott ganz anthropomorph die Rede ist, weil die Erzählung keine historischen Fakten liefern, sondern geschichtliche Entwicklungen interpretieren möchte, sollte man wenigstens am Rande thematisieren, freilich so, daß deutlich wird, wie diese alten Überlieferungen zu unserer eigenen Glaubenstradition gehören und nicht einfach „nur Märchen“ sind.
Die den Jugendlichen eigenen Zugänge zur Geschichte machen sich an folgenden Themen fest:
- „Hast du uns nicht gleich liebt?“: Die (scheinbare) Ungerechtigkeit Gottes, den wir im christlichen Gottesdienst „Vater“ nennen
- „Ich kann machen, was ich will…“: unterschiedliche Begabungen von Geschwistern - wie ist es, der/die Benachteiligte zu sein? Was, wenn ich der bin, dem alles zufliegt?
- „Bin ich meines Bruders Hüter?“ Verantwortung (besonders für jüngere Geschwister) vs. Verwirklichung eigener Ziele; Ehrlichkeit, Offenheit
- „Wohin mit meiner Wut?“ – Aggressionen gegen andere beherrschen, Aggressionen von anderen spüren, mit den inneren „Dämonen“ umgehen lernen
- „Wer schützt mich jetzt noch?“ – In der Geschichte ist es mit der Strafe Gottes getan. In der Realität bleibt man „Opfer“, und die „Zeichen“ (Aussehen, Kleidung…) schützen nicht, sondern lassen zur Zielscheibe für andere werden (Bsp. entlassene Straftäter, die öffentlich verfolgt werden und von der Gesellschaft ausgeschlossen bleiben, „MOF“s in der Schule, Minderheiten…)
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Hinweise für Gottesdienst und Konfi-Arbeit:
Das Zeichen, das Kain schützt, wird im Text nicht näher beschrieben. Die Beschneidung daraufhin zu deuten würde gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion ein Nebenthema eröffnen. Sollte im Gottesdienst eine Taufe gefeiert werden, lassen sich ggf. Parallelen ziehen (Taufe als Zeichenhandlung, die vom Tod errettet und unter Gottes ganz besonderen Schutz stellt).
Der Friedensgruß ist ein sichtbares Zeichen dafür, daß wir in der Gemeinde als Geschwister leben, so unterschiedlich wir auch sind und so verschieden wir vor Gott stehen und uns geliebt fühlen. Unabhängig von der Feier des Abendmahls kann (zB nach der Predigt) dazu eingeladen werden, „einander ein Zeichen des Friedens zu geben“, dabei aber bewußt auf Menschen zuzugehen, die nicht in der Nähe des eigenen Platzes sind, mit denen man womöglich noch nie persönlich gesprochen hat oder denen man selten begegnet. Vor dem eigentlichen Friedensgruß sollte man sich gegenseitig mit Namen vorstellen, evtl. ein paar Worte wechseln. Gerade für die Konfis als „Neue“ der Gemeinde ist es wichtig, andere kennenzulernen, um sich im Gottesdienst wohlzufühlen.
Für die Nacharbeit im Konfis bietet sich eine Unterrichtseinheit an zum immer noch aktuellen Thema „Blutrache“ in Albanien, dem „Gesetz der Berge“, das zur Wiederherstellung der Ehre einer Familie unbarmherzig selbst Kinder verfolgt und dem die christlichen Kirchen weitgehend machtlos gegenüberstehen. Die Ordensschwester Christina Färber kümmert sich um Jugendliche, die von Blutrache bedroht sind, und arbeitet für Versöhnung zwischen den Familien. Über ihre Arbeit gibt es umfangreiches Film- und Unterrichtsmaterial, das u.a. hier abgerufen werden kann.
http://www.reli.ch/uploads/media/Rotner_Blutrache_RL_4-06.pdf
http://programm.ard.de/TV/einsfestival/blutrache---das-gesetz-der-ehre/…
Der Film „Blutrache – Das Gesetz der Ehre“ ist auch auf youtube abrufbar (Copyright und Vorführrechte beachten!)
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