KONFI-IMPULSE zu Jeremia 9,22-23 von Angelika Volkmann
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KONFI-IMPULSE zu Jeremia 9,22-23 von Angelika Volkmann

Die KonfirmandInnen und Jeremia 9,22-23 – eine erste Annäherung
  Folgende Fragen und Kommentare wurden nach dem ersten Lesen des Luther-Textes von der Konfigruppe geäußert, und zeigen wie der Text verstanden und auch – für mich völlig unvermutet - missverstanden wird. Ich ahne mal wieder, dass wir oft viel zu viel voraussetzen.
  
  •    Was heißt denn "sich rühmen"?
  Dieser Ausdruck ist den Jugendlichen fremd. Die Übersetzung mit "angeben" war hilfreich und nötig, um den Text zu verstehen.
  
  •    Warum soll man sich seiner Stärken nicht rühmen, wenn man sie hat?
  Jugendliche wollen und brauchen Anerkennung. In ihrer Lebenswelt (und in der von uns Erwachsenen) zählt gerade das, was hier kritisiert wrid: wer reich und stark und klug ist und das nicht versteckt, kommt im Leben weiter. Lübking spricht von einer typischen double-bind-Situation für die Jugendlichen: Sie sollen in der Kirche etwas gut finden, woran sich im Alltag  - mit Erfolg! - keiner hält.
  
  •    Im Text ist ein Widerspruch. Man soll sich nicht rühmen und dann steht da doch: "wer sich aber rühmen will, der rühme sich". Soll man nun oder nicht?
  
  •    Es steckt etwas Tiefgründiges dahinter.
  Das gilt es herauszuarbeiten.
  
  •    Muss man unbedingt klug sein, um Gott zu kennen?
  Auch über dieses Missverständnis bin ich erschrocken. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass sie den Text so lesen.
  
  Methoden im Konfirmandenunterricht
  Ich habe eine Doppelstunde (90 Minuten) für die Vorbereitung des Gottesdienstes verwendet. Es ist aber auch möglich, einzelne Schritte herauszugreifen und den KONFIS z.B. gleich eines der Beispiele vorzulegen und sich von da aus sich dem Bibeltext anzunähern oder eines Beispiele für die Predigt herauszunehmen.
  
  Gespräch: Was kennt ihr für Beispiele, wo jemand damit angibt, wie intelligent, stark oder reich er ist? Und wie ist das für die anderen? Wie ist das für den Angeber/die Angeberin selber? Jetzt? Und später?
  
  Die Konfirmanden nennen Beispiele aus Schule und Sport. Es fällt ihnen leicht, die Situationen zu schildern aus der Perspektive dessen, der bei einer Angeberei zuhören muss und dabei auch abgewertet wird.
  
  Daran anschließend: Schreibaufgabe
  Denkt euch jeweils zu zweit eine Geschichte aus, die in eurem Alltag so passieren könnte, wo jemand damit angibt, dass er intelligent, stark oder reich ist, und schreibt sie auf. Also  eine konkrete Situation. Achtet darauf, dabei zu erwähnen, wann und wo das Ganze passiert, wer die Beteiligten sind und wie es denen geht, vor denen der Angeber angibt.
  
  Beispiele der KONFIS:
  Morgens 8.30 Uhr in der Schule. Der Lehrer fragt die Schüler was, aber nur eine Schülerin weiß es: B. In der Pause gibt sie damit an und sagt, die anderen seien doch dumm. Sie redet sehr "fühlerisch" (Jugendsprache für: "von sich eingenommen, eingebildet"). Die anderen ärgern sich über sie.
  
  F. Ist 21 Jahre alt und sehr reich, weil seine Eltern es sind. Er kann sich ein eigenes, schickes Auto leisten und tolle Markenklamotten.  Er verachtet Leute, die jeden Tag arbeiten, um Geld zu verdienen und sagt zu ihnen arrogante Sachen, z.B. " Ihr armen Leute, ihr seid wirklich zu bedauern – was habe ich es doch gut!". Auf einer Brücke in der Stadt schreit er einen Obdachlosen übel an, dass er hier nicht herumsitzen soll und nicht so einen hässlichen Anblick bieten soll. Für den Obdachlosen ist das schlimm.
  
  Frank ist 17. Er geht täglich mindestens für zwei Stunden ins Fitnesssudio und trainiert hart. In seinem Leben ist nur das Aussehen und das Coolsein wichtig. In der Schule ist er schlecht. Er hat einen Mitschüler, Tim, der Probleme hat mit Übergewicht und der aber sehr gut ist in der Schule. Diesen Mitschüler mobbt Frank vor der ganzen Klasse. Er macht ihn lächerlich, sagt zu ihm, wie fett er ist und nennt ihn einen Streber. Deine guten Noten bringen dir doch später gar nichts, sagt er. Für Tim ist das sehr schlimm. Wenn Frank soetwas sagt, fühlt er sich noch dicker und kann sich selber nicht mehr leiden. Er ist sehr verzweifelt.
  
  Gespräch:
  Wenn einer angibt und dabei andere abwertet:
  wie fühlt ihr euch dabei, wenn ihr so eine Situation mitkriegt?
  Was wünscht ihr euch? Was soll geschehen?
  Was könnt ihr tun?
  Was meint ihr: was fehlt denn dem, der angibt?
  Warum geben Menschen an? Was könnte helfen?
  Und wie ist es für euch, wenn jemand, der euch ganz wichtig ist, zu euch sagt: So wie du bist gefällst du mir?
  
  Die KONFIS äußern, dass sie Situationen, in denen einer angibt und jemanden fertigmacht, schlimm finden und dass sie sich imgrunde danach sehnen, dass eine erwachsene Person kommt und das Ganze beendet. Sie befürchten jedoch, dass das auch nicht klappt und dass es hinterher noch schlimmer und peinlicher ist, und dass der Angeber zu der Autoritätsperson, die ihn konfrontiert, auch frech ist, seine Worte nachäfft etc.
  Als ich frage: was würde hier helfen, fällt ihnen nichts mehr ein und ich spüre Hilflosigkeit, die sie tatsächlich in ihrem Alltag erleben. Ich frage, wollt ihr wissen, was ich einem solchen Jugendlichen sagen würde? Sie wollen. Und ich schildere ihnen fast wie im Rollenspiel eine kraftvolle Anrede an den, der angibt  (Frank), ohne ihn abzuwerten, und in einer Weise, wo ich mit ihm in Beziehung trete: "Hör mal Frank, es ist definitiv nicht ok, wie du mit Tim umgehst. Und wenn ich dir das sage,     machst du mich lächerlich. Das ist ebenfalls nicht ok. Das ist mir nicht egal, und ich nehme das nicht hin. Denn Tim ist mir wichtig und du bist mir auch wichtig.  Ich will, dass das das aufhört. Das hat hier keiner nötig, du auch nicht, dass wir so     miteinander umgehen. Nach der Stunde kommst du zu mir, da rede ich mit dir allein."  
  Die KONFIS sind baff. Ich frage, ob etwas in dieser Art helfen würde, und sie sagen, ja, das würde helfen. Aber das passiert fast nie.
      
  Erläuterung der Pfarrerin/des Pfarrers zu Barmherzigkeit und Gerechtigkeit (V 23)
  Ja, manchmal warten wir auf Gott und sehnen uns nach Gott. Gott würde so mit uns umgehen. Gott will nicht, dass einem Menschen Unrecht geschieht. Gott will Gerechtigkeit. Gott will, dass jedem Menschen geholfen wird, auch dem Angeber.
  So geht Gott mit uns Menschen um.
  Gott will nicht diese ganze Anstrengung, möglichst der Beste, Klügste, Stärkste, Schönste, Coolste sein zu müssen. Denn das ist grausam. Wenn man es gerade mal geschafft hat, geht es einem  für kurze Zeit gut, und schon muss man sich wieder anstrengen, dass es so bleibt. Das ist Stress.
  Wisst ihr, was das Gegenteil davon ist?
  Die Bibel sagt dazu Barmherzigkeit. Dass jeder so sein darf, wie er ist, und so anerkannt wird. Dass dieser Stress aufhört.
  Und dass es gerecht zugeht. Dass z.B. Einer, der etwas gut kann, einem anderen hilft (z.B. Bei den Hausaufgaben, oder auch dabei, Freunde zu finden), dass man freundlich über andere redet.  Dass einer, der Kraft hat, eingreift in Situationen, wo jemand gemein ist. Oder dass man mit dem, was man hat, auch anderen eine Freude macht.
  Gott will, dass wir bemerken, dass jede und jeder wertvoll ist und anderen etwas geben kann. So geht Gott mit uns um und er wünscht sich, dass wir auch so miteinander umgehen.
  Bei Gott gelten andere Maßstäbe. Wir schlagen die Bergpredigt auf und lesen die Seligpreisungen. Das kann uns alle trösten, wenn wir schwach und bedürftig sind. Gott sieht uns dann und ist uns nahe.
  
  Schreibaufgabe: schreibt bitte auf (anonym auf Zettel, die eingesammelt werden), was es für euch bedeutet, Gott zu kennen.
  
  Antworten der KONFIS:
  Es bedeutet für mich, dass ich in schwierigen Situationen einen Ansprechpartner habe.
  Es bedeutet, dass ich jederzeit über alles mit ihm reden kann. Dass ich zu ihm beten kann für eine Freundin, die sehr krank ist.
  Es bedeutet für mich, zu wissen, dass es irgendwo, ganz nah jemanden gibt, der mich versteht und der mich akzeptiert, so wie ich bin.
  Ich denke, in schwierigen Situationen bin ich nicht alleine. Dazu passt die Geschichte von den Spuren im Sand, wo Gott sagt: da habe ich dich getragen.
  Gott hat einen immer lieb, egal wie man ist. Gott kennen heißt, zu wissen, jemand sieht es, wenn ich gemobbt werde.
  Gott ist mein Zuhörer und mein Kraftgeber. Und wenn es niemanden gibt, von dem ich mich geliebt fühle, ist da noch Gott, der mich geschaffen hat und mich liebt.
  Es bedeutet für mich, immer jemanden an meiner Seite zu haben. Aber ich weiß nicht, ob ich Gott gut genug kenne.
  
  
  Gestaltungsmöglichkeiten im Gottesdienst
  •    einige KONFIS lesen im ersten Teil der Predigt die selbst geschriebenen Beispiele vor.
  •    Die Predigt greift  - durchaus neben einem Beispiel aus der Lebenswelt Erwachsener eines dieser Beispiele auf und gestaltet es aus, beschreibt die Abgründe menschlichen Rühmens und das heilsame Handeln Gottes in der Lebenswelt der Jugendlichen. Wie sehr warten wir manchmal auf Gott!
  •    Am Ende der Predigt lesen zwei oder drei KONFIS  die Antworten auf die Frage vor: was bedeutet es für mich, Gott zu kennen. Es ist wichtig, dass die Pfarrerin vorher sagt, dass das keine persönlichen Antworten sondern anonymisierte Antworten sind (was Jugendliche antworten würden).
  •    Schriftlesung: Matthäus 5,3-10
  •    Lieder: Fürchte dich nicht, den Frieden zu leben, fürchte dich nicht, der Schwächere zu sein  Liederbuch für die Jugend 524; Selig seid ihr EG  Regionalteil Württemberg 651
  
  
  Literaturhinweis:
  Hans-Martin Lübking (Hrsg.), Gottesdienst für Jugendliche, Praxismaterialien für alle Sonn- und Feiertage des Kirchenjahres, Perikopenreihe 4, 1999