Kreuz und Krippe – Predigt zu 1. Korinther 2, 1-10 von Christoph Hildebrandt-Ayasse
2,1-10

1. Korinther 2, 1-10

Auch ich, meine Brüder und Schwestern, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten oder hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu predigen. Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten. Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern; und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft, auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft. Von Weisheit reden wir aber unter den Vollkommenen; doch nicht von einer  Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen. Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist, die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit, die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Sondern wir reden, wie geschrieben steht (Jesaja 64,3): »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.« Uns aber hat es Gott offenbart durch den Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen Gottes.

 

Liebe Gemeinde,

wenn man sie fragte, was für sie das Wichtigste am christlichen Glauben ist, was würden Sie antworten?

Die Antwort des Paulus im Korintherbrief hier ist: Jesus Christus, der Gekreuzigte, ist das Wichtigste, die Hauptsache des christlichen Glaubens. „Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten“, schreibt er nach Korinth. Das ist eine knappe, eindeutige Antwort.

Noch von Weihnachten und Epiphanias herkommend fällt mir ein Zitat von Luther dazu ein, was das Wichtigste am christlichen Glauben ist: Gott wurde Mensch in Jesus Christus im Stall von Bethlehem. Mit den Worten Luthers: „Wir fassen keinen andern Gott als den, der in jenem Menschen ist, der vom Himmel kam. Ich fange bei der Krippe an.“ Diese Antwort klingt nach mehr, nach mehr Geschichten und Berichten, angefangen bei der Krippe.

Wo würden Sie anfangen, wenn es um den christlichen Glauben geht: Bei der Krippe oder beim Kreuz?

Oder würden sie mit der Auferstehung? Oder der Schöpfung? Oder den 10 Geboten? Natürlich gehört dies alles zusammen. Aber wenn Sie gefragt würden, was würden Sie als erstes sagen?

Es ist heute ja gar nicht so unwahrscheinlich, dass man gefragt wird: Was glaubst Du als Christ eigentlich?

Der Nachbar, dessen Familie schon seit zwei oder drei Generationen nicht mehr zu einer Kirche gehört, könnte so fragen. Oder der muslimische Arbeitskollege. Oder ein Atheist aus dem Freundeskreis. Oder ein religiös Unentschlossener in der Familie.

Die Menschen in unserem Lebensumfeld werden immer unterschiedlicher. Das ist nicht nur in den großen Städten so. Auch an vielen Orten auf dem Land lebt man meist nicht mehr in einer religiös homogenen Umgebung.

Und als Christenmenschen leben wir heute damit in einer missionarischen Situation. Damit meine ich nicht, dass wir nach Afrika oder Asien reisen sollten um sogenannte Heiden zu bekehren. So einseitig stellt man sich Mission ja leider immer noch vor. Nein, unter Mission verstehe ich das, was der 1. Petrusbrief so ausdrückt: „Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Ehrfurcht.“ (1. Petr. 3, 15f.) Mission heißt also zunächst einfach: Auskunft geben können über die Hoffnung, über den Glauben, der in mir ist; und das nicht herablassend oder aggressiv, sondern freundlich und voll Achtung dem anderen, Andersgläubigen oder Nichtgläubigen gegenüber. Mit Sanftmut und Ehrfurcht Auskunft geben, was das Wichtigste im Glauben ist.

Also: wo anfangen; was ist das Wichtigste?

Der Apostel Paulus stellt den gekreuzigten Jesus Christus ins Zentrum des Glaubens. Nicht die Krippe, nicht die Auferstehung, nicht die Schöpfung, nicht die 10 Gebote,  – und auch kein leeres Kreuz als christliches Symbol; nein: den leidenden, gekreuzigten Christus stellt er in die Mitte. Er, so schreibt Paulus, war und ist die Mitte seiner Predigt und seiner Worte. Einfacher konnte und wollte er es sich nicht machen. Für manche in Korinth war der gekreuzigte Jesus Christus eine Dummheit, für andere ärgerlich. Griechen und Juden konnten da nur den Kopf schütteln über diesen leidenden Gott am Holz der Schande, dem Kreuz.

Werfen wir einen Blick in die christliche Gemeinde von Korinth, an die der Brief gerichtet ist. Paulus gründet sie ungefähr im Jahr 50 und dient in ihr für 1 ½ Jahre. Dann reist er weiter. Unsere Verse aus dem Korintherbrief schreibt er etwa 5 Jahre später aus Ephesus. Die Gemeinde hatte sich kräftig entwickelt. Korinth war eine Großstadt mit Menschen unterschiedlichster Herkunft und Religion. Viele Menschen waren zur Gemeinde gekommen und hatten sich taufen lassen. Aber es gab immer mehr Spannungen in der Gemeinde.

Die Gründe für die Spannung waren zum Teil solche, wie wir sie auch heute aus unseren Großstädten kennen. Da gibt es soziale Spannungen. Da gibt es Reiche, eine Mittelschicht und Arme in der Gemeinde. In Korinth droht der Zusammenhalt der verschiedenen sozialen Schichten unter den Christen verloren zu gehen.

Dann gab es auch damals in Korinth dies: da gehen manche lieber zum Pfarrer x., weil er so anspruchsvolle, intellektuelle Predigten hält. Andere gehen wegen der aktuellen, politischen Predigten lieber zur Pfarrerin y.. Und die meditativ-musikalischen Gottesdienste in der z-Kirche finden ihr eigenes Publikum. Andere engagieren sich in der Diakonie, aber bleiben den Gottesdiensten fern. Personen, Richtungen, Frömmigkeitsstile – eine Großstadtgemeinde differenziert sich aus. Damals wie heute. Aber eigentlich gehören sie als Christenmenschen zusammen.

Nur: was hält sie zusammen, die Gemeindeglieder, die Kirchengemeinden, die christlichen Konfessionen? Sind es besondere Persönlichkeiten Prediger, Pfarrerinnen, Bischöfe, Aktionen? Was ist wirklich echt, wo ist das Wichtigste; und was ist nur aufgesetzt oder nur oberflächlich?

Paulus hat den Eindruck, dass es inzwischen viel Äußerlichkeit, viel Aufgesetztes in der Gemeinde gibt.

Er erinnert die Korinther daran wie er selber aufgetreten ist, damals als er als Missionar die Gemeinde gründete. „Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern;

 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten der Weisheit, sondern im Erweis des Geistes und der Kraft, auf dass euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.

Paulus hatte damals auf die Korinther nicht besonders intellektuell gewirkt, war nicht besonders eloquent gewesen. Er fühlte sich schwach in seiner Arbeit. Er hatte Angst, wenn er mit den Menschen sprach. Und seine Knie zitterten beim Predigen. Wenig beeindruckend hatte er als Missionar auf andere gewirkt. Aber Paulus war es damals gleichgültig und es ist ihm fünf Jahre später immer noch egal wie er auf andere wirkt. Nicht er, nicht seine Weisheit sollte im Vordergrund stehen, so schreibt er, sondern allein das Evangelium. Gewirkt hat das Evangelium bei euch, schreibt er. Nicht ich. Gewirkt hat die Kraft Gottes. Gewirkt hat durch die Schwäche des Paulus hindurch Jesus Christus, der Gekreuzigte.

Und davon will Paulus predigen, davon wie Gott wirkt. Er stellt dem Wirken Gottes das Wirken der Herrschenden gegenüber. Und er stellt der Weisheit der Welt die Weisheit Gottes entgegen. Und dies sind wirkliche Gegensätze.

Er stellt fest: Gottes Weisheit kümmert sich um Leidende, Schwache, Arme und Sterbende. Die Weisheit der Welt aber kann man an den Herrschenden ablesen: sie üben Gewalt aus, und sie sind doch selber vergänglich. Am gekreuzigten Jesus Christus dagegen kann man die Weisheit Gottes sehen. Schwach sieht sie aus und elend und leidend, die Weisheit Gottes.

Aber das Geheimnis und die Tiefe der Weisheit Gottes kannst du sehen, hören und spüren; so wie es schon bei Jesaja heißt: »Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.«

Paulus hat das in seiner Missionsarbeit in Korinth erlebt. Gottes Kraft war in der Schwachheit, in der Paulus auftrat, stark und mächtig.

Wenn ein Schwacher sich aufrichten kann, ein Elender aufatmen kann, ein Leidender lächeln kann, dann sieht, hört und spürt man diese Weisheit Gottes in Jesus Christus, dem Gekreuzigten.

„Ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, ihn, den Gekreuzigten.“ Das ist das Wichtigste am christlichen Glauben, schreibt Paulus.

Mit den Worten Luthers: „Wir fassen keinen andern Gott als den, der in jenem Menschen ist, der vom Himmel kam. Ich fange bei der Krippe an.“

Und da sind sie ganz nah beieinander, Paulus und Luther, in ihren Worten. Das Kind in der Krippe, das da elend, nackt und bloß liegt, wie es im Weihnachtslied heißt, und der Gekreuzigte zeigen die Weisheit Gottes.

Was ist das Wichtigste am christlichen Glauben? Das Kreuz oder die Krippe? Die 10 Gebote, die Schöpfung oder die Auferstehung? Wie immer wir unsere Schwerpunkte im Glauben setzen, was immer uns als das Wichtigste erscheint alles wird Jesus Christus, den Gekreuzigten widerspiegeln.

Amen

Perikope
14.01.2018
2,1-10