Kurzandacht zu Jeremia 8, 4-7 von Johannes Neukirch
8,4-7

"Sprich zu ihnen: So spricht der HERR: Wo ist jemand, wenn er fällt, der nicht gern wieder aufstünde? Wo ist jemand, wenn er irregeht, der nicht gern wieder zurechtkäme? 5 Warum will denn dies Volk zu Jerusalem irregehen für und für? Sie halten so fest am falschen Gottesdienst, dass sie nicht umkehren wollen. 6 Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden. Es gibt niemand, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was hab ich doch getan! Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt. 7 Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des HERRN nicht wissen."

Ist er sauer? Oder macht er sich nur Sorgen? Es ist ja manchmal schwierig, das auseinanderzuhalten. Eltern sagen gerne, "wir machen uns doch nur Sorgen um dich" wenn sie losschimpfen. Aber wie ist das bei Gott? Auf jeden Fall ist es für ihn ein völliges Rätsel, warum das Volk Israel – und das nehme ich nun mal stellvertretend für uns alle – warum wir also "das Recht des Herrn nicht wissen" wollen. Der Prophet Jeremia drückt das in Bildern aus, die wir heute noch genau so gut verstehen wie die Menschen vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren. Erstaunlich – bestimmte Verhaltensweisen scheinen sich nie zu ändern… "Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt".

Über den Propheten Jeremia lässt Gott ausrichten: Es ist gar nicht so schwer, den richtigen Weg zu gehen! Wenn der Storch, die Turteltaube, Kranich und Schwalbe innehalten können und wissen, wann es genug ist mit dem blinden Zorn – warum könnt ihr das dann nicht? Eigentlich – eigentlich! – ist es doch so: Wenn jemand fällt, steht er gerne wieder auf, und wenn jemand in die Irre geht, dann kehrt er doch gerne wieder um.

Ist das so? "Jeder ist fähig, einen anderen zu töten" behauptet der Biochemiker Hans Günter Gassen in seinem neuesten Buch. Es liege in unseren Genen und sei ein Teil unseres Verhaltens, das wir nicht loswerden können. Dass Menschen Böses tun, so Gassen, liege eben ganz einfach daran, wie sich die Menschen von der Steinzeit an entwickelt hätten. Das für den Überlebenskampf zuständige Stammhirn sei schuld. Eine Erziehung zum Guten verhindere nur das Schlimmste. Also doch: "Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt"?

Grundsätzlich sind sich Gassen und der Prophet einig: Menschen sind fähig, Böses zu tun und den falschen Weg zu gehen. In der Folge ist der Unterschied dann aber doch gewaltig: Gott lässt ausrichten, dass er im Blick auf uns doch noch Hoffnung hat! Wir können wieder aufstehen, wir können wieder zurechtkommen – wenn wir innehalten, wenn wir uns dessen bewusst werden, dass das Recht der Herrn – Frieden, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Güte – ein möglicher Weg für uns ist. Mit anderen Worten: Gott hat einen gnädigen Blick auf uns, er sieht ein großes Potenzial, wenn wir die Wahrheit reden, wenn uns die Bosheit leid wird und wenn wir reuig sagen: „Was hab ich doch getan!“

Niemand lässt sich gerne ermahnen. Aber Tausend Mal lieber lasse ich mich auf den erhobenen Zeigefinger Gottes ein als auf das ungnädige und unbarmherzige Menschenbild eines Biochemikers!

Perikope
17.11.2013
8,4-7