Lebendiges Wasser für dich - Predigt zu Offenbarung 21,6 von Peter Schuchardt
21,6

Liebe Schwestern und Brüder,

 

in vielen Städten gibt es wie bei uns einen Brunnen auf dem Marktplatz. Meist sind diese Brunnen sehr alt. Denn das war früher der Ort, wo die Menschen ihr Trinkwasser her bekamen. Mit großen Eimern holten sie es und brachten es dann in die Häuser. Heute ist das nicht mehr nötig. Heute drehe ich den Wasserhahn in der Küche auf und habe frisches sauberes Wasser. Darum sind heute diese Brunnen oftmals nur zur Zierde da. Der Brunnenrand ist schön eingefasst, eine Figur thront über dem Ganzen. Denkt an die Tine in Husum und an den wohl berühmtesten Brunnen der Welt, an den Trevi-Brunnen in Rom. Touristen lassen sich davor fotografieren. Im Sommer baden die Kinder ihre Füße in dem Wasser. Aber trinken sollte man das nicht. Oftmals ist ein großes Schild angebracht:  „Kein Trinkwasser!“. Das Ganze ist nur noch eine Spielerei fürs Auge und für die Touristen. Den richtigen Durst musst du woanders löschen.

 

Durst gehört zu den quälenden Erfahrungen, die du machst. Ein Sprichwort sagt „Durst ist schlimmer als Heimweh“.  Das kann richtig quälend in dir brennen, die Sehnsucht nach einem frischen Schluck Wasser. Bei Kleinkindern und Älteren muss man sorgsam darauf achten, dass sie genug trinken. Dahinter steckt die Erfahrung: Jeder Mensch braucht lebensnotwendig etwas zu trinken. Sonst stirbt er ganz schnell. Ein Mensch kann zwar viele Wochen ohne Essen auskommen. Aber schon nach wenigen Tagen stirbt er, wenn er nichts zu trinken bekommt. Wer auf einer langen ermüdenden Wanderung seine Trinkflasche vergessen hat, der kennt die große Freude, endlich an einen Bach mit frischem klarem Wasser zu kommen, um seinen Durst zu stillen. Ich erinnere mich gut an den Kirchentag in Stuttgart vor wenigen Jahren. Mit einem Mal brach eine Hitzewelle aus. Selbst die Einheimischen stöhnten unter der ungewohnten Wärme. Die Wasserwerke bauten überall in der Stadt Versorgungsstellen auf, wo jeder umsonst Wasser abfüllen konnte. Dieses normale Wasser schätzen wir oft viel zu gering. Denn leider fallen wir immer wieder auf die Versprechungen der Werbung herein und trinken süßes Zeug wie Cola oder Brause. Das aber macht den Durst nur noch schlimmer. Es schmeckt gut, süß und prickelnd, aber es hilft nichts. Das ist dann so ähnlich wie die Brunnen, die schön aussehen, aber kein Trinkwasser enthalten.

 

Es gibt auch noch einen Durst, der tiefer sitzt. Das ist der Durst nach Leben, nach Liebe und Geborgenheit. In jedem Menschen brennt dieser Durst in seinem Herzen. Es gibt Zeiten, da brennt dieser Durst besonders stark in dir. Unsere Jugendlichen und Konfirmanden machen sich auf den Weg in ihr eigenes  Leben. Sie spüren ganz doll diesen Durst. Sie wollen das Leben kennenlernen, wollen Neues ausprobieren und erfahren. Die sind richtig durstig nach Leben. Das ist gut und wunderbar. Manch anderer erlebt sein Leben wie eine Wanderung durch eine unendliche Wüste. Schon so lange hat er nicht mehr gespürt, was das Leben eigentlich ist und wie es schmeckt. Er ist gefangen in Routine, wird zerrieben zwischen dem Druck der Arbeit und der Anforderungen anderer. Trotzdem ist doch der Durst nach Leben weiter da. Der begleitet uns unser ganzes Leben lang. Wie bitter ist es, wenn dieser Lebensdurst nicht gestillt wird, wenn ein Mensch innerlich verdurstet.

 

Aber es gibt ja bunte Orte und Attraktionen. Die sehen aus wie die Brunnen auf den Marktplätzen der großen Städte. Viele Menschen  drängen sich davor. Es scheint genau hier zu sein, wo das Leben wie aus einer großen Quelle sprudelt. Diese Attraktionen heißen Drogen, Alkohol, sie heißen Arbeit und Anerkennung. Auch die Kaufhäuser und die bunten Internetseiten, die so viel versprechen, wirken wie solche Brunnen, an denen ich scheinbar meinen Durst nach Leben stillen kann. Bei meiner Arbeit als Klinikseelsorger treffe ich immer wieder Menschen, die an diesen Brunnen geschöpft haben, weil sie so durstig waren. Immer wieder und jahrelang. Sie haben Alkohol getrunken, haben Drogen genommen, haben ihr Haus wie aus einem Katalog eingerichtet, haben gearbeitet ohne Ende, waren immer bereit, noch mehr zu tun. Sie haben dabei aber immer nur mehr Durst bekommen. Denn alles das ist wie das süße Zuckerzeug, das uns die Werbung als Durstlöscher anpreist. Das hilft vielleicht kurze Zeit. Aber der Durst wird nur größer. Das Bittere dabei ist: Oft wird das Ganze teuer bezahlt. Denn es ist wie so oft: Ganz schnell hast du zu viel davon genommen, vom Alkohol, von der ständigen Arbeit, und dann macht es dich kaputt. Dein Durst nach Leben wird dadurch nicht gestillt, sondern nur für kurze Zeit betäubt. Liebe Schwestern und Brüder, in der Klinik sind ja nur die Menschen, die das gemerkt haben. Unzählige andere machen das auch, ohne es offen zu zeigen oder noch trauriger: Ohne es zu merken!

 

Denn so wie die Touristenhighlights in Rom und anderswo ziehen diese Brunnen viele andere Menschen an. Es ist ganz schwer einzusehen: Hier bin ich völlig verkehrt, wenn ich meinen Durst wirklich stillen will. Es ist schwer, sich von den anderen Menschen zu lösen und sich auf die Suche zu machen nach dem, was wirklich den Lebensdurst stillt. Die Jahreslosung, das Wort aus der Bibel für das neue Jahr 2018, erzählt uns von der wahren Lebensquelle: Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Dieses Wort steht in der Offenbarung des Johannes im 21. Kapitel. Die Offenbarung ist ein spannendes Buch mit einer geheimnisvollen Sprache. Mancher von euch kennt den Ausdruck „ein Buch mit 7 Siegeln“. So verschlossen erscheint manchem dieses Buch, wenn er zu lesen beginnt. Dazu musst du wissen: Johannes schreibt sein Buch, als seine Mitchristen und er vom römischen Staat verfolgt werden. Er muss so geheimnisvoll reden, weil nicht alle das verstehen sollen. Nur die Christen, die davon lesen und hören, verstehen es. Denn Johannes schreibt davon, dass die Verfolger, so mächtig sie auch jetzt noch erscheinen, von Christus und seiner Liebe besiegt werden.

 

Am Schluss dann schreibt er: Gott wird uns trösten und heilen. Darum ruft er uns zu sich: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Bei Gott ist die wahre Lebensquelle. In einer Werbung für ein Mineralwasser (Apollinaris) hieß es vor einiger Zeit: Aus dieser Quelle trinkt die Welt! Das stimmt längst nicht mehr, denn diese Firma verkauft nichts mehr ins Ausland. Hier nun wirklich die Quelle, der Brunnen, aus dem die ganze Welt trinken darf. Denn bei Gott ist die Quelle, die niemals versiegt. Das, was uns leben lässt, ist Gottes Liebe. Und die Liebe hört niemals auf (1 Kor 13,8). Seine Liebe ist ein Menschen geworden. In Jesus Christus, Gottes Sohn, bekommt diese Liebe Hand und Fuß. Im Wasser der Taufe können wir dieses Lebenswasser sehen. Ich muss nichts dafür tun, um getauft zu werden. So schenkt uns Gott seine Liebe auch völlig umsonst. Das Reformationsjubiläum im letzten Jahr hat uns das doch wieder in Erinnerung gerufen. Du musst nichts dafür tun, dass Gott dich liebt, keinen Ablassbrief kaufen, keine guten Taten vollbringen. Lass dich einfach beschenken.

 

Für mich ist das einfach nur tröstlich. Ich darf kommen. Ich darf meinen Lebensdurst stillen. Ich werde erfrischt und gestärkt meinen Weg weitergehen. Und wann immer meine Lasten zu schwer, mein Leben zu verworren, mein Durst zu brennend wird: Ich darf immer wieder kommen. Ich darf aus dieser Quelle immer wieder von Gott nehmen, so viel ich brauche. Da steht nicht: „Kein Trinkwasser!“, sondern „Reinstes Lebenswasser!“ Und sein Lebenswasser lässt mich nicht verbittert und von Durst gequält zurück. Sein Lebenswasser schenkt mir den Trost und die Geborgenheit und die Liebe, die ich so sehr suche. Und wenn ich davon getrunken habe und mich umsehe, dann erkenne ich: Aus dieser Quelle trinkt wirklich die Welt. Alle sind eingeladen, und so viele kommen. Die Starken, die Verwundeten, die Klugen, die Verzweifelten, die Zerbrochenen und die voller Freude. So viel Platz ist an dieser Quelle, und sie sprudelt und quillt ohne Ende. Wenn wir nachher das Abendmahl feiern und aus dem Kelch des Heils trinken, dann bekommt ihr eine Ahnung davon.

 

Für mich ist das ein gutes Wort für das neue Jahr. Nun kann ich mich getröstet und gestärkt auf die Reise machen. Was immer auch passieren wird, ich weiß ja, wo ich genug zu trinken finde, wenn mein Lebensdurst sich wieder meldet. Bei Christus, meinem und unserem Herrn, der Quelle der Liebe und des Lebens. Und du darfst auch kommen. Jeder von euch. Es ist genug da. Ich wünsche euch allen eine gute Reise durch dieses Jahr.

Amen

 

 

Perikope