"Licht der Gerechtigkeit", Predigt zu Jesaja 9, 1-6 von Reinhard Schmidt-Rost
9,1
Licht der Gerechtigkeit
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.
Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.
Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst;
auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.
Liebe Gemeinde,
ist das etwa noch ein Loblied auf einen jungen hoffnungsvollen Politiker? Hatten wir davon nicht schon genug in diesem Jahr? Noch eine Lobrede auf einen Thronfolger, von dem jetzt alle alles erwarten? Wunder-Rat, Gott-Held, Friedefürst. Das Jahr 2011 hat so viele Sterne am politischen Himmel aufsteigen und sinken sehen, - man könnte meinen, es ließe sich bald eine ganze Milchstraße mit den gefallenen Sternen des politischen Himmels pflastern.
Im Rampenlicht der Massenmedien waren sie aufgestiegen wie der, der hier als Thronfolger Davids ins Licht der Öffentlichkeit seiner Zeit tritt. Aber das Rampenlicht der Massenmedien ist nicht das Licht der Gerechtigkeit, das den Weg in ein Reich ewigen Friedens erhellt. Das Rampenlicht der Massenmedien ist zumeist ein Schein-Werfer, der die wenigen auf der Bühne des politischen Geschehens grell anstrahlt und dabei so blendet, das sie alle anderen nur als ihr Publikum ansehen und allenfalls schematisch, als Schatten wahrnehmen. Nur gelegentlich bringt ein verantwortungsvoller Publizist an den Tag, was die Wirksamkeit von Recht und Gerechtigkeit hindert, heute wie in früheren Zeiten.
Vielleicht kann man Jesaja tatsächlich als politischen Kommentator auffassen, vielleicht ist der Bericht von der Geburt eines Königssohnes und die Hoffnung auf den Beginn eines Friedensreichen ursprünglich ein Kommentar eines kritischen Publizisten zu den Ereignissen seiner Zeit gewesen, eine zugleich warnende und ermutigende Stimme, als die Bürger Jerusalems endlich Licht am Ende des Tunnels zu sehen meinten, als sie auf die Aufhebung von Bedrohung und Belagerung durch die Großmacht aus dem Osten hofften, ein politischer Kommentar zur Lage in Jerusalem, als Samaria, das Nordreich, von assyrischen Truppen en besetzt wurde (722) oder als zwanzig Jahre später die Assyrer unter dem Kommando von Sanherib Jerusalem zu stürmen versuchten, aber aus ungeklärten Gründen die Belagerung abbrachen (701). Ermutigend, voller Hoffnung auf ein Friedensreich, aber zugleich warnend, dass die Bürger Jerusalems sich keiner Großmacht-Politik hingeben sollten. Sie sollten ihre Hoffnung nicht auf sich und ihre Könige setzen, sondern auf Jahwe Zebaoth, meint Jesaja.
Dieser Kommentar passte auch hundert Jahre später noch in die politische Landschaft, als die Heere Babylons Jerusalem bedrohten. Aber der Ruf des Propheten – und damals war es dann Jeremia – verhalte ungehört.
Es klang ähnlich, aber nicht mehr so hoffnungsvoll:
So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
23 Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.
Und immer wieder passte der Kommentar des Propheten zur Lage in die politische Landschaft, ob zur Zeit der Makkabäer-Aufstände, ob unter der römischen Besatzung zur Zeit des Kaiser Augustus, ob im 17.Jahrhundert nach Christi Geburt, als Michael Schirmer 1640 die Worte dichtete, die wir eingangs gesungen haben: „Kein Zepter, keine Krone sucht er auf dieser Welt.“ Und auch das 20.Jh. hat genug schreckliche Anschauung geliefert, was dabei herauskommt, wenn Menschen, die über Macht verfügen, den letzten Satz des alten Kommentars verachten: „Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth.“ Auf diesem letzten Satz liegt der Ton.
Dieser Kommentar mit diesem Akzent passt immer, passt noch immer. Nicht von ungefähr ist aus dem tagespolitischen Kommentar nach und nach eine allgemeine Betrachtung zur Lage der Menschheit geworden, Ein Stück eines Dankliedes über das Kriegsende, wo endlich die Waffen schweigen wurde mit einem Lied zur Thronbesteigung eines neuen Hoffnungsträgers verbunden und zu einer Vision eines ewigen Friedensreiches geformt. In dieser Form wird dieses Lied immer wieder zitiert, weil es Worte zur Deutung einstweilen noch jeder Aktualität beiträgt, zur Zeit Jesu wie heute: Das Friedensreich, das von Gerechtigkeit erhellt wird, kommt nicht durch Menschenmacht, sondern durch Gottes Geist, der allein väterlich-wohltätig wirken kann und der deshalb als einzige Macht den Frieden pflegt. Wenn die Menschen Gott als Vater und Ratgeber allein wirken lassen, dann besteht Hoffnung auf friedliche Zeiten. Wie immer sich die Menschen Gott vorstellen, die Einsicht, dass der ewige Friede nicht von Menschen aus eigener Macht hergestellt und garantiert werden kann, sondern ein Geschenk ist, lässt den Gedanken an Gott als den besten aller möglichen Väter fast selbstverständlich im Herzen der Menschen aufblühen.
Die Menschheit wird mit dieser Orientierung nicht still gestellt, wird nicht zum staunenden Publikum degradiert, nicht geblendet vom Glanz eines Stars oder unterdrückt von einer militärischen Übermacht, ganz im Gegenteil. Wenn Gerechtigkeit die Gesellschaft in ein mildes und gütiges Licht taucht, dann können die dafür Empfänglichen gar nicht anders, als Zeugen zu werden für den Geist Gottes und seine Wirksamkeit, sie werden in das Lebensprogramm einbezogen.
Lassen Sie uns einen Augenblick nachsinnen, wo jeder für sich in das Leben stiftende Programm Gottes immer wieder einbezogen worden ist.
Zwischenspiel
Liebe Gemeinde!
Das Volk wandelt weiterhin in der Finsternis. Die Finsternis, die die Menschheit umgibt, ist nicht Not oder Krankheit, nicht Erdbeben, noch Sturmflut. Das sind schreckliche Katastrophen und Unfälle. Der Menschen Finsternis aber bildet sich unvermeidlich in der Gesellschaft, zwischen den Menschen. Wie sich zwischen den hellen Hütten auf den Weihnachtsmärkten abends tiefe schwarze Schatten bilden, wenn das Tageslicht nicht mehr alles von außen umhüllt, so ist es auch zwischen den Menschen, jeder mag auf seine Weise eine Leuchte sein, aber nicht nur zwischen Menschen mit einer besonderen Ausstrahlung, sondern zwischen allen, zwischen jeder und jedem kann sich tiefste Finsternis ausbreiten. Und Finsternis umgibt die Völker, weil sie auf Ausstrahlung aus sind und sich dabei gegenseitig gerade mit ihren Leistungen in den Schatten zu stellen versuchen, bis auf den heutigen Tag.
Der düstere Alltag der Selbstbehauptung des Einzelnen, der Kämpfe und Kriege zwischen Familien, Stämmen und Völkern prägt das kulturelle Gedächtnis der Menschheit seit unvordenklichen Zeiten, tränkt die Felder und Seelen bis in die Gegenwart mit Blut und Tränen, kaum einmal, dass eine Region für längere Zeit zur Ruhe kommt. Und die Hoffnung auf einen Friedefürsten, auf einen Vater aller Menschen in Ewigkeit, strandet regelmäßig an der Erfahrung, wie begrenzt doch die Wirkungsmöglichkeiten auch der mächtigsten Herrscher immer wieder sind, zum Frieden zu wirken, und wie unerbittlich und damit gefährlich selbstbezogen das Herz des Menschen ist.
Aber doch muss man dann auch sagen, dass der Menschheit Merkwürdiges widerfahren ist. Die Szene und der Kommentar zur Lage mögen nahezu zeitlos sein, noch jeder Herrscher ist von seinen Anhängern mit solchen Vorschußlorbeeren bedacht worden: Fürst, der Frieden schafft für alle Zeiten, weiser Ratgeber, väterlicher Freund. Aber je länger man diese Szene von dem hoffnungsvollen Thronfolger betrachtet, umso mehr wirkt sie ambivalent, sie lässt sich unterschiedlich betonen, lässt sich doppelt deuten. Je länger man dieses Bild betrachtet, um sehr mehr kippt es um: Zunächst steht die Ehrung eines neuen Regenten im Vordergrund, der einfach als Nachkomme aus königlichem Hause zum Hoffnungsträger wird, aber dann tritt in dieser Betrachtung des künftigen Herrschers das Kind in den Vordergrund. Sollte Jesaja schon daran gedacht haben, dass die eigenartige Kraft eines Kindes der Menschheit heilsam sein würde? Sollte er schon die Szene in Bethlehem, wie sie Lukas beschreibt, vor Augen gehabt haben? Ich weiß es nicht, ich bin mir aber sicher, dass die Worte vom großen Licht, das das Volk im finsteren Lande sieht, einen bedeutenden Schritt in der Entwicklung der Menschheit darstellt: Die Finsternis, die die Menschen und Völker isoliert und entzweit, ist nicht undurchdringlich, sie wird faktisch immer wieder gemildert und aufgehoben, und zwar am meisten dort, wo sich Erwachsene um Kinder kümmern, um ihnen ins Leben zu helfen, um ihnen gerecht zu werden.
Die allmähliche Aufhebung der Finsternis geschieht vom Anfang menschlichen Lebens auf dieser Erde an, einfach dadurch, dass Menschen von Kindesbeinen an die wohltuende Kraft der Liebe spüren, die sie ins Leben gebracht hat und erhält und sie drängt, diese Liebe weiterzugeben.
Dass wir Christen selbst an Weihnachten, selbst beim Blick auf das Kind in der Krippe zugleich auf das Kreuz schauen, hat damit zu tun, dass Menschen, auch wir heute das Licht der Gerechtigkeit nicht lebenslang und in allen Lagen aushalten. Man kennt sich gut genug, um zu wissen, dass man nicht selbst das Licht ist, das die Gerechtigkeit verbreitet, und so geschieht es immer wieder, dass die Sonne der Gerechtigkeit abgewehrt und verdunkelt wird. Ausgelöscht werden kann dieses Licht der Gerechtigkeit nicht, Christus ist auferstanden, das Licht der Gerechtigkeit erhellt auch unser Leben.
Viele fühlen sich aber selbst vom Licht der Gerechtigkeit geblendet, sie scheint ihnen zu hell in ihr Leben hinein, sie wollen auf der Bühne des Lebens nicht so gerne mitspielen, - ich würde es nicht sagen, wenn ich dieses Gefühl nicht selbst kennen würde, aber die Sonne der Gerechtigkeit hat uns alle längst entdeckt und zu Mitspielern auf der Bühne eines gerechten Lebens gemacht; und mögen wir uns oft nur als Statisten sehen, wir sind Mitspieler im großen Spiel der Gnade Gottes mit den Menschen – und wenn man mal auf der Bühne steht, dann möchte man seine Sache so gut wie möglich machen.
Dazu gebe uns Gott seinen Geist der Liebe, der Fantasie und der Gerechtigkeit. Amen.
Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.
Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt.
Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.
Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst;
auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.
Liebe Gemeinde,
ist das etwa noch ein Loblied auf einen jungen hoffnungsvollen Politiker? Hatten wir davon nicht schon genug in diesem Jahr? Noch eine Lobrede auf einen Thronfolger, von dem jetzt alle alles erwarten? Wunder-Rat, Gott-Held, Friedefürst. Das Jahr 2011 hat so viele Sterne am politischen Himmel aufsteigen und sinken sehen, - man könnte meinen, es ließe sich bald eine ganze Milchstraße mit den gefallenen Sternen des politischen Himmels pflastern.
Im Rampenlicht der Massenmedien waren sie aufgestiegen wie der, der hier als Thronfolger Davids ins Licht der Öffentlichkeit seiner Zeit tritt. Aber das Rampenlicht der Massenmedien ist nicht das Licht der Gerechtigkeit, das den Weg in ein Reich ewigen Friedens erhellt. Das Rampenlicht der Massenmedien ist zumeist ein Schein-Werfer, der die wenigen auf der Bühne des politischen Geschehens grell anstrahlt und dabei so blendet, das sie alle anderen nur als ihr Publikum ansehen und allenfalls schematisch, als Schatten wahrnehmen. Nur gelegentlich bringt ein verantwortungsvoller Publizist an den Tag, was die Wirksamkeit von Recht und Gerechtigkeit hindert, heute wie in früheren Zeiten.
Vielleicht kann man Jesaja tatsächlich als politischen Kommentator auffassen, vielleicht ist der Bericht von der Geburt eines Königssohnes und die Hoffnung auf den Beginn eines Friedensreichen ursprünglich ein Kommentar eines kritischen Publizisten zu den Ereignissen seiner Zeit gewesen, eine zugleich warnende und ermutigende Stimme, als die Bürger Jerusalems endlich Licht am Ende des Tunnels zu sehen meinten, als sie auf die Aufhebung von Bedrohung und Belagerung durch die Großmacht aus dem Osten hofften, ein politischer Kommentar zur Lage in Jerusalem, als Samaria, das Nordreich, von assyrischen Truppen en besetzt wurde (722) oder als zwanzig Jahre später die Assyrer unter dem Kommando von Sanherib Jerusalem zu stürmen versuchten, aber aus ungeklärten Gründen die Belagerung abbrachen (701). Ermutigend, voller Hoffnung auf ein Friedensreich, aber zugleich warnend, dass die Bürger Jerusalems sich keiner Großmacht-Politik hingeben sollten. Sie sollten ihre Hoffnung nicht auf sich und ihre Könige setzen, sondern auf Jahwe Zebaoth, meint Jesaja.
Dieser Kommentar passte auch hundert Jahre später noch in die politische Landschaft, als die Heere Babylons Jerusalem bedrohten. Aber der Ruf des Propheten – und damals war es dann Jeremia – verhalte ungehört.
Es klang ähnlich, aber nicht mehr so hoffnungsvoll:
So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
23 Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.
Und immer wieder passte der Kommentar des Propheten zur Lage in die politische Landschaft, ob zur Zeit der Makkabäer-Aufstände, ob unter der römischen Besatzung zur Zeit des Kaiser Augustus, ob im 17.Jahrhundert nach Christi Geburt, als Michael Schirmer 1640 die Worte dichtete, die wir eingangs gesungen haben: „Kein Zepter, keine Krone sucht er auf dieser Welt.“ Und auch das 20.Jh. hat genug schreckliche Anschauung geliefert, was dabei herauskommt, wenn Menschen, die über Macht verfügen, den letzten Satz des alten Kommentars verachten: „Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth.“ Auf diesem letzten Satz liegt der Ton.
Dieser Kommentar mit diesem Akzent passt immer, passt noch immer. Nicht von ungefähr ist aus dem tagespolitischen Kommentar nach und nach eine allgemeine Betrachtung zur Lage der Menschheit geworden, Ein Stück eines Dankliedes über das Kriegsende, wo endlich die Waffen schweigen wurde mit einem Lied zur Thronbesteigung eines neuen Hoffnungsträgers verbunden und zu einer Vision eines ewigen Friedensreiches geformt. In dieser Form wird dieses Lied immer wieder zitiert, weil es Worte zur Deutung einstweilen noch jeder Aktualität beiträgt, zur Zeit Jesu wie heute: Das Friedensreich, das von Gerechtigkeit erhellt wird, kommt nicht durch Menschenmacht, sondern durch Gottes Geist, der allein väterlich-wohltätig wirken kann und der deshalb als einzige Macht den Frieden pflegt. Wenn die Menschen Gott als Vater und Ratgeber allein wirken lassen, dann besteht Hoffnung auf friedliche Zeiten. Wie immer sich die Menschen Gott vorstellen, die Einsicht, dass der ewige Friede nicht von Menschen aus eigener Macht hergestellt und garantiert werden kann, sondern ein Geschenk ist, lässt den Gedanken an Gott als den besten aller möglichen Väter fast selbstverständlich im Herzen der Menschen aufblühen.
Die Menschheit wird mit dieser Orientierung nicht still gestellt, wird nicht zum staunenden Publikum degradiert, nicht geblendet vom Glanz eines Stars oder unterdrückt von einer militärischen Übermacht, ganz im Gegenteil. Wenn Gerechtigkeit die Gesellschaft in ein mildes und gütiges Licht taucht, dann können die dafür Empfänglichen gar nicht anders, als Zeugen zu werden für den Geist Gottes und seine Wirksamkeit, sie werden in das Lebensprogramm einbezogen.
Lassen Sie uns einen Augenblick nachsinnen, wo jeder für sich in das Leben stiftende Programm Gottes immer wieder einbezogen worden ist.
Zwischenspiel
Liebe Gemeinde!
Das Volk wandelt weiterhin in der Finsternis. Die Finsternis, die die Menschheit umgibt, ist nicht Not oder Krankheit, nicht Erdbeben, noch Sturmflut. Das sind schreckliche Katastrophen und Unfälle. Der Menschen Finsternis aber bildet sich unvermeidlich in der Gesellschaft, zwischen den Menschen. Wie sich zwischen den hellen Hütten auf den Weihnachtsmärkten abends tiefe schwarze Schatten bilden, wenn das Tageslicht nicht mehr alles von außen umhüllt, so ist es auch zwischen den Menschen, jeder mag auf seine Weise eine Leuchte sein, aber nicht nur zwischen Menschen mit einer besonderen Ausstrahlung, sondern zwischen allen, zwischen jeder und jedem kann sich tiefste Finsternis ausbreiten. Und Finsternis umgibt die Völker, weil sie auf Ausstrahlung aus sind und sich dabei gegenseitig gerade mit ihren Leistungen in den Schatten zu stellen versuchen, bis auf den heutigen Tag.
Der düstere Alltag der Selbstbehauptung des Einzelnen, der Kämpfe und Kriege zwischen Familien, Stämmen und Völkern prägt das kulturelle Gedächtnis der Menschheit seit unvordenklichen Zeiten, tränkt die Felder und Seelen bis in die Gegenwart mit Blut und Tränen, kaum einmal, dass eine Region für längere Zeit zur Ruhe kommt. Und die Hoffnung auf einen Friedefürsten, auf einen Vater aller Menschen in Ewigkeit, strandet regelmäßig an der Erfahrung, wie begrenzt doch die Wirkungsmöglichkeiten auch der mächtigsten Herrscher immer wieder sind, zum Frieden zu wirken, und wie unerbittlich und damit gefährlich selbstbezogen das Herz des Menschen ist.
Aber doch muss man dann auch sagen, dass der Menschheit Merkwürdiges widerfahren ist. Die Szene und der Kommentar zur Lage mögen nahezu zeitlos sein, noch jeder Herrscher ist von seinen Anhängern mit solchen Vorschußlorbeeren bedacht worden: Fürst, der Frieden schafft für alle Zeiten, weiser Ratgeber, väterlicher Freund. Aber je länger man diese Szene von dem hoffnungsvollen Thronfolger betrachtet, umso mehr wirkt sie ambivalent, sie lässt sich unterschiedlich betonen, lässt sich doppelt deuten. Je länger man dieses Bild betrachtet, um sehr mehr kippt es um: Zunächst steht die Ehrung eines neuen Regenten im Vordergrund, der einfach als Nachkomme aus königlichem Hause zum Hoffnungsträger wird, aber dann tritt in dieser Betrachtung des künftigen Herrschers das Kind in den Vordergrund. Sollte Jesaja schon daran gedacht haben, dass die eigenartige Kraft eines Kindes der Menschheit heilsam sein würde? Sollte er schon die Szene in Bethlehem, wie sie Lukas beschreibt, vor Augen gehabt haben? Ich weiß es nicht, ich bin mir aber sicher, dass die Worte vom großen Licht, das das Volk im finsteren Lande sieht, einen bedeutenden Schritt in der Entwicklung der Menschheit darstellt: Die Finsternis, die die Menschen und Völker isoliert und entzweit, ist nicht undurchdringlich, sie wird faktisch immer wieder gemildert und aufgehoben, und zwar am meisten dort, wo sich Erwachsene um Kinder kümmern, um ihnen ins Leben zu helfen, um ihnen gerecht zu werden.
Die allmähliche Aufhebung der Finsternis geschieht vom Anfang menschlichen Lebens auf dieser Erde an, einfach dadurch, dass Menschen von Kindesbeinen an die wohltuende Kraft der Liebe spüren, die sie ins Leben gebracht hat und erhält und sie drängt, diese Liebe weiterzugeben.
Dass wir Christen selbst an Weihnachten, selbst beim Blick auf das Kind in der Krippe zugleich auf das Kreuz schauen, hat damit zu tun, dass Menschen, auch wir heute das Licht der Gerechtigkeit nicht lebenslang und in allen Lagen aushalten. Man kennt sich gut genug, um zu wissen, dass man nicht selbst das Licht ist, das die Gerechtigkeit verbreitet, und so geschieht es immer wieder, dass die Sonne der Gerechtigkeit abgewehrt und verdunkelt wird. Ausgelöscht werden kann dieses Licht der Gerechtigkeit nicht, Christus ist auferstanden, das Licht der Gerechtigkeit erhellt auch unser Leben.
Viele fühlen sich aber selbst vom Licht der Gerechtigkeit geblendet, sie scheint ihnen zu hell in ihr Leben hinein, sie wollen auf der Bühne des Lebens nicht so gerne mitspielen, - ich würde es nicht sagen, wenn ich dieses Gefühl nicht selbst kennen würde, aber die Sonne der Gerechtigkeit hat uns alle längst entdeckt und zu Mitspielern auf der Bühne eines gerechten Lebens gemacht; und mögen wir uns oft nur als Statisten sehen, wir sind Mitspieler im großen Spiel der Gnade Gottes mit den Menschen – und wenn man mal auf der Bühne steht, dann möchte man seine Sache so gut wie möglich machen.
Dazu gebe uns Gott seinen Geist der Liebe, der Fantasie und der Gerechtigkeit. Amen.
Perikope