"Mach's wie Gott - werde (Mit-)Mensch!", Predigt über Philipper 2, 1-5 von Thomas Ammermann
2,1
MACH´S WIE GOTT, - WERDE (MIT-)MENSCH!
Liebe Gemeinde, es geht heute um nichts Geringeres, als das - wie Paulus sagt – dem Leben in Jesus Christus entsprechende Verhalten der Christen untereinander. Wir bekommen es da mit jener Maßeinheit für ein gelingendes (Gemeinde-) Leben zu tun, die Gott selbst unter den Menschen eingeführt hat: Die Nächstenliebe. Für uns Gemeindechristen ist es immer wieder höchst angebracht, unser eigenes Gewissen gewissermaßen auf dieses göttliche Maß menschlicher Zuwendung “neu zu eichen”. Und genau dies wollen wir jetzt tun, im Nachdenken über den Predigttext zum heutigen 7. Sonntag nach Trinitatis: Philipper 2, 1-4 (5).
1) Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, herzliche Zuneigung und Erbarmen, 2) so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, in Liebe verbunden, einmütig und einträchtig. 3) Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre (Prahlerei) willen, sondern in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst. 4) Ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem anderen dient. 5) Seid so unter euch gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht.
Liebe Gemeinde!
Ist nun bei Ihnen Ermahnung in Christus, Trost der Liebe, Gemeinschaft des Geistes, herzliche Zuneigung und Erbarmen?... Wie halten Sie es mit der christlichen Ermahnung? Was heißt das eigentlich: "Ermahnung in Christus"? – Bei einer derartigen Formulierung denke ich unwillkürlich an die Karikatur so eines geistlichen Oberlehrers, eines schmallippigen „Helden der Moral“ mit kleinen, verkniffenen, fanatischen Augen, dessen „erlöstes Lächeln“ an die Physiognomie eines versteinerten Reptils erinnert... Und innerlich weiche ich erschrocken zurück, angesichts der Vorstellung, dass er mit seinem drohend erhobenem Zeigefinger - natürlich nur in "liebevoller" Absicht (!) - zur "brüderlichen Ermahnung" durchs Knopfloch direkt in die Seele bohrt, um mein Gewissen aufzuspießen!
Okay, ich übertreibe vielleicht ein wenig. Aber Sie müssen zugeben, dass das Wort "Ermahnung" bei uns tatsächlich eher mit negativen Assoziationen verknüpft ist. (Genau wie das Lächeln urzeitlicher Panzerechsen.) Vorstellungen von Bevormundung, moralischer Beckmesserei, selbstgerechter Strenge und religiöser Intoleranz klingen da mit an. Und immer empfinden wir es als eine Bedrohung, wenn jemand uns gegenüber zu einer „Ermahnung“ ansetzt. – Weil wir Heutigen diesen Begriff nämlich gemeinhin in eben diesem Sinne verstehen: als eine milde Form der Drohung. Und so etwas mögen wir uns, als vollmündige Bürger, natürlich (und zu Recht) nicht gern gefallen lassen. Am allerwenigsten im Bereich der Kirche und des Glaubens, wo wir doch niemand anderem Rechenschaft schuldig sind als Gott!?
Darauf, unsererseits die anderen zu ermahnen, verstehen wir uns hingegen ganz gut. "Manchen Leuten muss man halt auf die Finger klopfen, damit sie merken, dass es so nicht geht, gell?"... – Unserem zähnefletschenden Geltungsverständnis gemäß leben wir in einer ermahnungsfreudigen Zeit. Jeder ermahnt jeden: Eltern ermahnen Kinder zu mehr Disziplin (andernfalls droht das Internat); Schiedsrichter beim Fußball ermahnen mit der gelben Karte und drohen mit Platzverweis; es gibt Leute, die sogar unter einer demokratischen Wahl kaum mehr verstehen als eine Gelegenheit, Politikern mit radikalen "Denkzetteln" zu drohen (oft ohne Umweg über das eigene Denkvermögen), aber auch solche, die mit der ökosozialen Knute (ausgerechnet) zu mehr Verantwortung im Umgang mit der Schöpfung mahnen wollen... Hier wird zu entschlossenem Handeln ermahnt, dort zur Besonnenheit, die einen drohen schärfere Gesetze an, die anderen mahnen zur Toleranz usw... Des Mahnens ist kein Ende in dieser bedrohlichen Welt und wer nicht mithalten kann bei der allgemeinen „Ermahnungs-Manie“, wird schlicht nicht für voll genommen. Indes, so unterschiedlich die Inhalte der Ermahnungen auch sind, in einem sind sie alle gleich: Man droht mit negativen Konsequenzen auf menschliches Fehlverhalten oder das, was man dafür hält.
Und damit ist gleich noch ein Grundzug unserer "Ermahnungskultur" aufgedeckt: Alle, die solcherart mit erhobenem Zeigefinger agieren, tun dies selbst aus dem Gefühl des Bedrohtseins heraus - oder mindestens des Unbehagens: "Etwas ist nicht, wie es sein sollte" - das bereitet ihnen Sorgen - und sie machen andere dafür verantwortlich...
„Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, herzliche Zuneigung und Erbarmen, so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, in Liebe verbunden, einmütig und einträchtig.“ - Liebe Gemeinde, Sie haben sicher längst gemerkt, dass die Ermahnung, welche Paulus hier anspricht, einem anderen Geist entspringt. „Ermahnung in Christus“ hat nichts mit Drohung zu tun und auch nichts mit der Besserwisserei jener, die sich für besonders erleuchtet oder tugendhaft halten! Hinter ihr steckt auch nicht das besorgte Gefühl der Mahner, dass "etwas nicht in Ordnung ist" oder ihr Bedürfnis, bestimmten Leuten für etwaige Missstände die Schuld zuzuweisen und mal so richtig die Leviten zu lesen. Christliche Ermahnung weist nicht knurrend auf einen Missstand hin, sondern ist – im Gegenteil - eine Form des Verweisens auf den Heilsstand der Christen bei Gott. Sie ist etwas Erfreuliches! „Ist nun bei euch Ermahnung in Christus (...), so macht meine Freude (...) vollkommen...“, ermuntert der Apostel.
Diesen fundamentalen Unterschied erkennt man (schon) an dem griechischen Begriff, den Paulus hier anstelle unseres deutschen Wortes "Ermahnung" verwendet. Bei Paulus heißt das Wort: "Paraklesis". Darin steckt der Begriff "Paraklet" – von Luther als "der Tröster" übersetzt. Paraklet wird im Neuen Testament auch der Heilige Geist genannt. Und der ist tatsächlich dazu da, die Menschen aufzubauen, ihnen das Heil Gottes ganz nahe zu bringen.
Die christliche Paraklesis ist also genau das Gegenteil der üblichen Drohungen nach dem Motto mottiger Gardinenpredigten: „Wenn du dich nicht schleunigst besserst, setzt´s was!“... - Nämlich: Ermahnung im Sinne einer Erinnerung, einer Ge-mahnung an etwas sehr Heil- und Trostvolles, an jene Verheißung nämlich, für die der Heilige Geist selbst allen Getauften (und sicher nicht nur ihnen) Pate steht: „Erinnere dich an Gottes Segenszusage und sei wohlgemut!“...
Die Fähigkeit zur Ermahnung wird denn von Paulus auch als eine echte Geistgabe verstanden - wie Zungenrede, Krankenheilung und die Kunst, die Heilige Schrift auszulegen. Wo unter Christen "Ermahnung in Christus" stattfindet, da wirkt der Heilige Geist, der Tröster, unter ihnen. Und der Heilige Geist ist bekanntermaßen kein pfeifender Schiedsrichter mit gelber oder gar roter Karte, der schlechten Spielern mit Platzverweis droht, sondern dessen genaues Gegenteil: Er weist Menschen ihren Platz auf dem „Spielfeld des Lebens” zu, indem er andere bewegt, seelsorgerlich mit ihnen umzugehen und sie befähigt, buchstäblich Gottes Zuwendung „ins Spiel zu bringen“, sie auf das konkrete Dasein ihrer Mitmenschen hin auszulegen und jenen so ihren eigenen, ganz konkreten Zugang zu Gott zu eröffnen.
Wo solches Wirken des Geistes durch Menschen geschieht, wo Menschen also auf andere zukommen, und ihnen etwas von jenem Glück abgeben, das sie selber im Glauben empfangen haben, da  - und nur da - ereignet sich das, was Paulus "Ermahnung in Christus" nennt. Wer "in Christus" ermahnt, der fordert nicht etwas von anderen, sondern hat ihnen etwas zu geben, nämlich den Trost Gottes.
Solche Ermahnung gelingt natürlich nicht vor dem Hintergrund eigener Mangel- oder Beklemmungsgefühle der Mahner – und womöglich als Akt ihrer Sorge um sich selbst -, sondern entspringt der überschäumenden und fröhlichen Gewissheit jener Menschen, die sich selbst befreit wissen und nun auch ihre Mitmenschen daran erinnern wollen, dass Gottes Erlösung gerade ihnen gilt, die ihnen helfen wollen, jene Lebensperspektive zu ergreifen, die Gott speziell für diese Menschen offen hält.
„Ermahnung in Christus“, wie sie Paulus meint, ist ein Akt fürsorglicher Mitmenschlichkeit!
Liebe Gemeinde, im Wort von der „Ermahnung in Christus“ sind all die weiteren Tugenden, die der Apostel hier aufzählt, schon mit angesprochen: Trost der Liebe, Gemeinschaft des Geistes, herzliche Liebe und Erbarmen. – Erbarmen vor allem, denn das bedeutet Mitgefühl. Sich-Hineinversetzen in andere Menschen und ihre jeweilige Lage, um ihnen zu geben – oder sie daran zu erinnern – was Gott für sie tun will... So ist denn Ermahnung in Christus nicht nur eine Tätigkeit, sondern eine Lebenshaltung: Es ist die Auslegung der Heilsbotschaft für die anderen durch unser eigenes Leben. Fast erübrigt es sich zu sagen, dass dieses dann auch ein Leben für die anderen bedeutet.
Noch einmal: Die Ermahnung in Christus geht eigentlich vom Heiligen Geist aus. Sie geschieht da, wo Menschen im Geist Christi für einander die Zusage Gottes auslegen, wo sie einander an die Erlösung und das Heil erinnern, welches Gott uns allen verheißen hat. Solche Ermahnung „ist Trost, ist herzliche Zuneigung und Erbarmen“. - Zum Drohen braucht man nur den Zeigefinger, die Ermahnung des Geistes aber fordert den ganzen Menschen, besonders aber sein Herz!
Und so bittet der Apostel: „Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst. Ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem anderen dient.“
Sosoll das aussehen, ein Leben für die anderen.
Aber ist das nicht ein bisschen viel verlangt, so ganz in Demut und Uneigennützigkeit aufzugehen wie ein Stück Zucker im Hagebuttentee christlicher Wohltätigkeit? Können wir wirklich "den anderen höher achten, als uns selbst"? - Ein derartiger Anspruch muss ja doch bloß wieder zur Bildung frommer Illusionen oder Überheblichkeitsphantasien führen, oder? Dazu, dass wir vor uns selbst nicht mehr zugeben können, wie allzu menschlich wir in Wirklichkeit sind: ruhmsüchtig noch in unserer Güte, missgünstig und eitel in aller frommen Demut...!?
Nun, Paulus denkt bei all dem sicher nicht an einen Haufen scheinheiliger Betschwestern, die, zwischen demütig eingezogenen Schultern hervor, lauernde Blicke auf alles werfen, was noch lebt, jung und schön ist, und die mit ihren karitativ gezückten Stricknadeln am liebsten alle erdolchen würden, die sich nicht ebenso im Namen des Kreuzes das Kreuz brechen ließen, sondern sich so etwas wie Lebensfreude und Sinn für Genuss bewahrt haben...
Was Paulus im Sinn hat, das fasst er in dem schlichten Satz zusammen (Vers 5): „Seid so unter euch gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht!“  - Wir müssen diesen fünften Vers unbedingt zu unserem Predigttext hinzuziehen. Ist er doch die Quersumme und Zusammenfassung all dessen, was Paulus von uns, denen er die „christliche Ermahnung“ ans Herz gelegt hat, verlangt: „Seid so unter euch gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht“! 
Von Jesus Christus her sollen wir also interpretieren, was ein Leben in Eintracht, Uneigennützigkeit, Demut und Hochschätzung des anderen bedeutet. - Das kann natürlich wieder alles und nichts heißen und macht uns auch nicht schlauer, es sei denn, es wird uns nun auch gesagt, was das Wesentliche an Jesus Christus ist. Und genau darüber lässt Paulus sich im Folgenden aus. Wir wollen daher noch ein wenig weiter über unseren Predigtabschnitt hinausblicken: In den unserer Textstelle unmittelbar anschließenden Versen des Philipperbriefes heißt es (Philipper 2, 6-8): „Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als ein Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tod, ja zum Tode am Kreuz.“
Liebe Gemeinde! Wir wissen, in Christus kam Gott selbst zur Welt - im doppelten Sinn des Wortes -, wurde Mensch und erlitt das Schicksal eines Menschen.
Wir wissen auch, dass der, "der in göttlicher Gestalt war" dieses menschliche Schicksal nicht aus "göttlicher Abenteuerlust" - womöglich als eine Art Camel-Tour für Himmelsbewohner - auf sich genommen hat, sondern um uns Menschen nahe zu kommen - sich uns nahe zu zeigen wie ein Mensch -, um uns eben damit zu helfen, ihm nahe zu sein, - zu Gott zu kommen wie zu einem Menschen.
Der, der seiner Natur nach Gott ist ... „hielt nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern ... nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als ein Mensch erkannt“. - Mit anderen Worten: ER „tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern“ achtet die Menschen „höher als sich selbst“!
Gott will nicht anders Gott sein als dadurch, dass er Mensch wird und als Mitmensch für die Menschen da ist. Für die Menschen trägt er das Schicksal Jesu Christi, Gott ist nicht sich selbst Gott, - was er ist, das ist er für uns. Denn Gott will nicht ohne uns Gott sein, er will unser Gott, er will Gott für uns sein.
Liebe Gemeinde, das ist das Entscheidende. Alles, was wir als Christen zu tun haben ist: dies zu begreifen, uns dies gesagt sein zu lassen. Alles, was wir sonst noch tun können, was immer darüber hinaus zum Christsein gehört, ist bloß die Ableitung, die logische Folge von dem, was in diesem paulinischen Grundbekenntnis über Gott gesagt ist. Deshalb kann Paulus einfach auf die Gemeinschaft mit Christus verweisen als demjenigen, anhand dessen Vorbild sich interpretieren lässt, was es heißt: in Eintracht zu leben, demütig zu sein und vor allem: den anderen höher zu achten als sich selbst: „Seid so unter euch gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht.“
Für uns heißt das nun: Gott kam zu uns Menschen, er erniedrigte sich und wurde Mensch wie wir und gab uns damit die Richtung an, wo er von uns gesucht und gefunden werden will: In der Zuwendung der Menschen zueinander!
So, wie Gott eben nicht für sich selbst Gott sein will, sondern Gott für uns, so kann es auch für uns nicht angehen, dass wir "für uns selbst" Christen sind, - etwa in dem berühmten stillen Herzkämmerlein, in dem, wie man uns beten lehrte, "niemand drin wohnen soll als Jesus allein". -  Christen sind wir nur, indem wir es für andere sind!
Denn das hat Jesus Christus ja offenbargemacht: Gott als der, der er für uns ist, Gott in Jesus Christus, ist Gott in einer unauflöslichen Beziehung zu den Menschen!
Entsprechend bedeutet „Nachfolge Christi“ (...Sie erinnern sich: „Seid so unter euch gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht“...)das Folgende:
Zu dem, was das Christsein ausmacht - zu uns selbst als Christen – finden wir keineswegs dadurch, dass wir bei uns selbst bleiben und nur für uns selbst - etwa mit Blick auf die Verwirklichung unseres eigenen Christseins - versuchen zu leben wie Jesus Christus. Denn wir sind ja nicht schon dadurch Christen, dass wir uns - wie Christus - "ganz anständig" benehmen und, wie er, Gutes tun, vielleicht sogar bereit sind zu leiden und zu hoffen wie Christus. Auch dann nicht, wenn uns das alles meisterhaft gelingt. - All dies allein würde nämlich nicht bedeuten, dass wir sind wie Christus, sondern nur, dass wir so tun als wären wir wie er. Es wäre nicht Nachfolge, sondern Nachahmung Christi und würde wohl - je nach Temperament - in der bigotten Prüderie der erwähnten vertrockneten Betschwestern oder der ätzenden Tugendhaftigheit des eingangs beschriebenen moralisierenden Obermahners mit Fossilienausstrahlung enden. Denn Christus war der, der er war, gerade nicht nur für sich, sondern immer nur in Blick auf die Menschen, für die er gekommen war und gelitten hatte.
Wirkliche christliche Nachfolge heißt daher, dass wir uns selbst beim Nächsten suchen,dass wir als Christen zu uns selbst kommen und Christen werden, indem wir, von uns und der Sorge um unser eigenes Christsein weg, auf den Anderen sehen undsein Heil im Auge behalten!  Keiner kann wirklich Christ sein, ohne wirklichen, liebenden Bezug zum Nächsten. 
Man kann sich das mit dem Christsein so vorstellen wie mit dem Muttersein: "Mutter" wird eine Frau ja nicht bloß dadurch, dass sie alle möglichen guten, mütterlichen Eigenschaften hat - all das könnte sie auch für sich selbst haben oder sich aneignen -, sondern allein dadurch, dass es ein Kind gibt, für welches diese Frau Mutter ist. Das Kind macht die Mutter, im Verhältnis zu ihrem Kind ist sie, was sie ist und sie ist es für das Kind. Genauso verhält es sich mit unserem Christsein: Durch unseren Nächsten, dem wir uns konkret zuwenden, für den wir uns als Botschafter der Liebe Gottes erweisen, an dessen Berufung zum Heil wir glauben und in dessen Augen wir als Christen und Christus als unser aller Retter erkannt werden, auf dem Umweg über unsere Mitmenschen also, für die wir Christen uns einsetzen, werden  wir erst zu solchen. Unser Christsein ist etwas, das wir durch die anderen sind - indem wir für sie Christen sind.
Die gelebte menschliche Liebe, das Besorgtsein um das Heil des Anderen und das Nicht-Ohne-Ihn-Glücklich-Sein-Wollen hat Paulus im Blick, wenn er bittet: „Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst. Ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem anderen dient.“ Abschließend fasst er all das, wie gesagt, in dem einen Satz zusammen: „Seid so unter euch gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht.“
Man könnte diese Mahnung zu guter Letzt auch mit den Worten eines bekannten christlichen Graffitis auf den Punkt bringen: Mach´s wie Gott, - werde (Mit-)Mensch!
AMEN
 
Perikope