Maria lacht - Predigt zu Johannes 20,11-18 von Karoline Läger-Reinbold
20,11-18

Maria lacht - Predigt zu Johannes 20,11-18 von Karoline Läger-Reinbold

Maria schweigt.

Da war zu viel Gerede in den letzten Tagen, in Jerusalem. Gerüchte. Vermutungen. Fragen.  

Worte, die einfach nicht passen. Worte, die nicht stimmig sind, die nicht beschreiben können, was sie gehört und erlebt hat. Was sie alle gesehen haben und doch nicht glauben mochten: der Abschied von Jesus. Das Kreuz. Die vielen Menschen und die aufgebrachten Rufe. Fassungslos die einen, hämisch lachend die anderen. Schließlich die Schreie und Schmerzenslaute, dort draußen auf Golgatha.  

Warum? Und was nun?

Worte, Fragen und Geräusche, das alles klingt noch nach in ihrem Kopf. Quält sie. Macht unruhig. Maria schweigt.

Einatmen. Ausatmen. Und dann zieht es sie mit Macht zurück an sein Grab. Dorthin, wo sie ihn abgelegt haben: Jesus. Seinen Körper, eingehüllt in ein Tuch. Der Gefährte, ihr Lehrer und Freund. Damals, als sie so unendlich krank war, da war er ihre Rettung gewesen. Ihre Begegnung hatte sie geheilt. Hatte sie befreit von den Dämonen der Angst und des Leids.

Maria weint.

Ihre Tränen laufen still und sie lässt es geschehen. Warum denn auch nicht? Jesus ist tot. Doch das Grab – das ist leer.

Wie konnte das sein? Am frühen Morgen waren sie losgezogen, sie und die Freundinnen.  Mit duftenden Ölen wollten sie ihn salben. Eine letzte Wohltat für den reglosen Körper, den geschundenen Leib.

Und jetzt: Zittern und Entsetzen. Jesus ist… auferstanden? Was mag das bedeuten? Er ist nicht hier.

Maria weint. Sie schmeckt das Salz ihrer Tränen und legt die Hand auf ihre Brust. Ihr Herz ist so schwer, und doch – da verändert sich was. Aber noch immer hat sie keine Worte.

Er ist nicht hier? Was soll das denn heißen?

Maria schluckt. Die Tränen fließen immer noch. Vielleicht tut das Weinen ganz gut. Maria denkt, ein bisschen fließt jetzt auch das Dunkle, fließt der Schmerz und die Trauer dahin.   

Jesus ist tot. Aber irgendetwas ist passiert an diesem neuen Tag! Maria beugt sich noch mal tief hinunter, schaut in die Grabkammer hinein. Sie will es sehen und verstehen, und darum muss sie einfach nochmal näher dran.

Und dann sieht sie: die Engel.

Zwei Gestalten im weißen Gewand. Der eine steht am Kopf-, der andere am Fußende des Grabes. Das glaubt mir doch kein Mensch, durchzuckt es sie.

Was weinst du, Frau? So fragen die Engel. Und Maria räuspert sich und spricht es irgendwie aus: Das Unbegreifliche. Das, was ihr auf der Seele liegt.

Der Kyrios, sagt sie. Mein Herr! Jesus, dem wir alle gefolgt sind. Sie haben ihn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.

Und kaum hat sie es gesagt, schaut sie noch mal genauer hin und sieht: da steht ja noch jemand. Und wieder wird sie gefragt: Was weinst du? Wen suchst du denn?

Da geht ein Ruck durch Maria. Sie bemüht sich um Haltung, um Klarheit. Maria überlegt: dann wird das wohl der Gärtner sein. Noch einmal ringt sie um Luft und dann fragt sie den Unbekannten: Hast du ihn etwa weggetragen? Wo hast du ihn hingebracht? Wo kann ich ihn finden?

Der Fremde sieht Maria an. Mit ganz viel Liebe im Blick. In seinen Augen blitzt etwas auf. Er lächelt. Und dann sagt er ihren Namen: Maria!

Ihr Herz macht einen kleinen Hops. Und Maria reibt sich die Augen. Mit ihren Händen wischt sie die Nässe fort. Sie blinzelt und fängt an zu erkennen. Blinzelt nochmal und ist plötzlich sicher: das ist er!

Rabbuni! Mein Lehrer, mein Meister, mein Herr! Maria streckt ihre Hand aus. Begreifen möchte sie das! Und ihn berühren natürlich auch. Die Wärme seiner Finger spüren, so tröstlich und gut. So wie damals, als er mit seiner Nähe die Dämonen vertrieben hat. Rabbuni! Gib mir die Hand, damit ich fassen kann, was hier gerade geschieht!

Doch Jesus zieht sich zurück. Rühr mich nicht an.

Warum bist du so schroff, denkt Maria. Doch schon im nächsten Moment hat sie verstanden: ich kann ihn nicht halten. Er ist zwar hier, aber er ist nicht mehr da. Das, was geschehen ist, wird nicht mehr rückgängig gemacht. Von Karfreitag bis zu diesem Ostermorgen, da ist etwas passiert.

Halt mich nicht fest, Maria. Ich bin doch auf dem Weg, sagt der Auferstandene im leeren Grab. Ich gehe nun weiter zu meinem Vater. Ich kehre zurück in mein Eigentum. Dorthin, wo ich herkam. Ich fahre auf in den Himmel, zu unserem Vater, unserem Gott.

Und Maria staunt.

Ein tiefes Seufzen kommt aus ihrer Brust. Maria hat ausgeweint. Sie sieht allmählich wieder klar.

Jesus ist da, und doch nicht mehr hier. Jetzt löst sich auch der Kloß in ihrem Hals.

Ja. Es ist so, wie er es gesagt hat. Er kehrt zurück zu seinem Vater. Und wie in einem Puzzle fügt sich nun ein Teil zum andern. Jesus ist gestorben, aber seinen Weg mit uns setzt er fort, denkt Maria. Und nun weiß ich auch, was ich tun muss: Ich gehe los und werde es den Anderen sagen. 

Maria staunt.

Nach all dem Schrecken ist da plötzlich wieder Hoffnung. Leichtigkeit. Ein Stein ist ihr vom Herzen gefallen. Freude macht sich breit in ihrer Brust. Wo eben noch Dunkel und Schmerz war ist plötzlich Licht und leises Singen.

Maria tanzt.

Mit großen Schritten läuft sie auf die Anderen zu und ruft: Denkt nur! Ich hab‘ ihn gesehen! Die Männer sehen sie mit großen Augen an.   

Petrus, Johannes und Thomas! Hört zu! Lasst euch erzählen, was ich da gerade erlebt habe!

Jesus war tot, doch sein Weg, der geht weiter. Der Tod ist besiegt. Das Leben ist stärker. Maria erzählt es den Jüngern in allen Details. Von der Begegnung mit den Engeln und der Begegnung mit Jesus. Auferweckt von den Toten.

Maria, woran hast du ihn erkannt?

Er hat meinen Namen gesagt. Und das war ganz so wie immer. Auch wenn er nicht mehr hier ist, er bleibt unter uns. Das, was wir mit ihm erlebt haben, es ist nicht vorbei. Der Tod hat seine Macht verloren. Das ist die Botschaft an diesem Morgen. Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Er bleibt bei uns.

Maria lacht.

Sie singt und sie springt. Die richtigen Worte zu finden, das fällt ihr immer noch etwas schwer. Der Sieg des Lebens über den Tod. Auferstehung und Hoffnung und helles Licht an diesem Morgen. Und tief im Herzen die Gewissheit: er ist nicht fort. Er ist bei uns. Alle Tage, bis ans Ende der Welt.

Amen.

Perikope
Datum 21.04.2019
Bibelbuch: Johannes
Kapitel / Verse: 20,11-18