Mit Gottes Hilfe auf neuen und ungewohnten Wegen weitergehen - Predigt zu Joh 6,37-40 von Thomas Volk
6,37-40

Mit Gottes Hilfe auf neuen und ungewohnten Wegen weitergehen - Predigt zu Joh 6,37-40 von Thomas Volk

Mein Herz braucht eine Pause

Liebe Gemeinde!

„Mein Herz braucht eine Pause“ singt die junge Sängerin Antje Schomaker und meint, dass ihr gerade alles viel zu schnell geht und ihre Gefühle und Stimmungen dadurch ständig durcheinander geraten.

Vielleicht empfindet das jemand von uns genauso: „Mein Herz braucht auch eine Pause.“ So vieles hat sich verändert, seit ich alleine in der Wohnung lebe. Der Abschied nimmt mich so mit. Mein Leben ist aus der Bahn geworfen. Meine Tage sind ohne eine feste Struktur. Seit er tot ist, weiß ich nicht mehr, wofür ich lebe. Sie war mir so nahe und so lieb. Und ich merke auch, dass manche Menschen nicht mehr so selbstverständlich für mich da sind. Wenn mir nur klar wäre, wohin ich mit meinem Leben möchte?

 

Pausen laden zum Träumen ein

„Mein Herz braucht eine Pause.“ Danach sehnen wir uns oft im Alltag. Der Gottesdienst am Totensonntag will eine solche Pause in einem vielleicht noch neuen und ungewohnten Lebensalltag sein. Und – sozusagen als Pausenlektüre – hören wir aus dem 6. Kapitel des Johannesevangelium, die Verse 37–40:

[Christus spricht:]

37Alle, die mein Vater mir anvertraut,
werden zu mir kommen.
Und wer zu mir kommt,
den werde ich nicht abweisen.

38Denn dazu bin ich vom Himmel herabgekommen:
Nicht um zu tun, was ich selbst will,
sondern was der will, der mich beauftragt hat.

39Und das ist der Wille dessen, der mich beauftragt hat:
Ich soll keinen von denen verlieren,
die er mir anvertraut hat.
Vielmehr soll ich sie alle am letzten Tag
vom Tod erwecken.

40Denn das ist der Wille meines Vaters:
Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben,
werden das ewige Leben erhalten.
Am letzten Tag werde ich sie vom Tod erwecken.“

(Basis Bibel)

Vom mühevollen Alltag lenkt Christus unseren Blick in die Ewigkeit.
„Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, werden das ewige Leben erhalten“ (V.40).
Und wenn ich noch nicht so weit nach vorne schauen kann? Viel zu oft zieht es mich in die Vergangenheit. Mein Herz braucht eine Pause, um all die Erinnerungen zu sortieren.
Wie schön wäre es, wenn es etwas geben würde, das für „ewig“ ist und „für immer“ bleibt. Wie gern hätte ich noch Zeit mit meiner Liebsten verbracht. Es hätte ja nicht unbedingt „auf ewig“ sein müssen. Es hätte schon gereicht, wenn einfach noch etwas Zeit geblieben wäre.
Und ich möchte auch, dass das Andenken bleibt. Alle Liebe, die sie gegeben hat, soll in dieser schnelllebigen Welt nicht verloren gehen. Alles, was sie ausgezeichnet und einzigartig gemacht hat, soll einen festen Platz im Herzen behalten. Das, was die Bibel mit Ewigkeit benennt, soll auch für sie gelten.

 

Das ewige Leben beginnt beim täglichen Brot

Das ewige Leben beginnt beim täglichen Brot. So erzählt es die Geschichte von der Speisung der 5000 unmittelbar vor unserem Abschnitt.
Viele Menschen wollen Jesus unbedingt sehen. Sie scheuen nicht einmal eine Fahrt über den gefährlichen See Genezareth. Sie haben am Tag davor erlebt, wie er mit fünf Broten und zwei Fischen über fünftausend Menschen satt gemacht hat. Wer, wenn nicht er, soll der längst verheißene Messias sein, auf den schon ihre Väter und Mütter und Generationen davor gehofft haben?
Doch Jesus entweicht auf die andere Seite des Sees nach Kapernaum. Vergeblich! Viele Menschen reisen ihm nach. Sie wollen weitere Wunder bestaunen können. Und Jesus weicht ihren Fragen nicht aus. Seine Antworten gipfeln in einer schlichten und zugleich provozierenden Behauptung: „Die Antwort auf alle eure Fragen steht vor euch: Ich bin es!‚ ‘Ich bin das Brot des Lebens!‘“ (Johannes 6,15). Und: „Wer zu mir kommt, denn werde ich nicht abweisen“ (vgl. V.37). Vertraut mir!

 

Brot für jeden neuen Tag

Brot für jeden neuen Tag – das ist Christus. Um den einzelnen Tag geht es. Für die 5000 Menschen damals, weil sie in der Begegnung mit Jesus, dem Brot des Lebens, satt geworden sind. Und für uns heute ist Christus ist wie das tägliche Brot, das man in der Wohnung jetzt vielleicht alleine zu sich nehmen muss, weil es uns hilft, über diesen einen Tag zu kommen.
Christus ist das tägliche Brot, das alle einsamen Stunden mit uns teilt, vor allem dann, wenn man sich im Esszimmer umschaut und an so manchen Abend denkt, an dem der Raum mit vielen Personen gefüllt war. Christus, das tägliche Brot, ist da und bleibt da und gibt uns zu verstehen: Ich gebe dir viel Kraft auf allen neuen Wegen. Ich mache dich mutig, durch ungewohnte Türen zu gehen. Ich gebe dir einen langen Atem, wenn die trüben Tage nicht enden wollen.
Und auch wenn manche Wohnungen vom bisherigen Freundeskreis auf einmal wie verschlossen sind, so weist Christus niemanden ab. Auf ihn, auf seine vielen Möglichkeiten, uns immer wieder neuen Mut zukommen zu lassen, können wir uns verlassen. Er ist unser stiller Begleiter, wenn wir Tage durchleben müssen, die ganz anders sind und die wir uns wirklich nicht ausgesucht haben. Christus ist das tägliche Brot, das uns hilft, in einem neuen Lebensabschnitt zurechtzukommen.

 

Niemand soll verloren sein

Christus spricht: „Und das ist der Wille dessen, der mich beauftragt hat: Ich soll keinen von denen verlieren“ (V.39). Das sagt er in eine Welt hinein, in der einiges verloren geht. Das spricht er in ein Leben hinein, in dem so viel zwischen unseren Händen zerrinnt.
Für den heutigen Totensonntag übertragen: Niemand soll sich auf neuen und ungewohnten Wegen verloren vorkommen. Nicht heute. Nicht morgen. In aller Zukunft nicht. Was für eine Zusage, dass wir auf allen neuen Wegen niemals alleine sind, sondern begleitet und getragen?

 

Die Hoffnung für unsere Verstorbenen - In Gott geborgen sein

Diese Zukunft ist nicht nur uns Lebenden verheißen. Sie gilt auch für unsere Verstorbenen.
„Alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, werden das ewige Leben erhalten. Am letzten Tag werde ich sie vom Tod erwecken“ (V.40).
Unsere Verstorbenen sind „auf ewig“ bei Gott geborgen. Dass ist unsere christliche Hoffnung. Deshalb finde ich auch die Aufschrift „Hier ruht in Gott …“ auf manchen Holzkreuzen, die man auf ein frisches Grab stellt, so tröstlich. Hier ruht jemand in Gott. Hier ist jemand in Gottes ewiger Welt geborgen. Ich brauche diese Person nicht mehr festhalten. Ich kann mich meinem Leben und dem, was vor mir liegt, wieder mehr zuwenden.
Die Vorstellung, dass unsere Verstorbenen „in Gott ruhen“ beruhigt mich, auch wenn ich nicht weiß, wie das „ewige Leben“ aussieht. Ich muss es auch nicht wissen. Und ruhen ist für mich auch mehr als ein Schlafen. Es ist ein Geborgensein bei Gott und eine neue Lebendigkeit, auch wenn ich sie nicht näher beschreiben kann.

 

Eine Utopie mit verändernder Kraft

Dieser Glaube ist wirklich eine Utopie. Ein Zukunftsraum. Gleichzeitig hat er „verändernde Kraft“ hat. Unser Leben besteht ja nicht darin, dass wir ständig die Vergangenheit wiederholen. Die besten Jahre liegen nicht immer nur hinter uns.
Dieser Glaube verändert mich und meinen Alltag. Er hilft mir, mit Abschieden umzugehen und mit all allem, was ich im Leben nicht festhalten und nicht ändern kann.
Dieser Glaube macht mich mutig. Er hilft mir trotzig nach vorne zu schauen.

 

Der Glaube wird uns nicht enttäuschen

Vielleicht brauchen Sie noch länger eine Pause, um alle Gedanken zu sortieren. Vielleicht spüren Sie aber auch schon, dass bald die Zeit da ist, wieder auf neuen Wegen weiter zu gehen. Auf alle Fälle: Der Glaube wird uns nicht enttäuschen. Er hilft uns, dass wir mutig und trotzig, jeden Tag aufs Neue, uns auf ungewohnten Wegen zurechtfinden.

Und die Weite Gottes, die umfassender und höher und umfangreicher ist als alles, was uns in seinen Bann ziehen will, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Pfarrer Thomas Volk: 

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ich habe die Predigt für Menschen geschrieben, die in der Kirchengemeinde, in der ich tätig bin, am Totensonntag um 15:00 Uhr zum Gedenkgottesdienst an die Verstorbenen kommen. Die Angehörigen sind dazu schriftlich eingeladen worden und die Gottesdienstgemeinde besteht aus Erfahrung fast ausschließlich aus den Personen, die in den letzten 12 Monaten an einem offenen Grab gestanden haben und immer noch oder immer wieder trauern.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Ich versuche mich in Menschen hineinzudenken, die, wenn Sie ihre/n Liebste/n verloren haben, nun gar nichts mehr vom Leben erwarten oder nicht mehr die anderen Menschen wahrnehmen, die auch noch da sind und Hilfe anbieten. Dabei macht der christliche Glaube doch Mut, „auf neuen und ungewohnten Wegen“ dem Leben wieder auf die Spur zu kommen.

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
In dem auf den ersten Blick nicht gerade „seelsorgerlichen“ Abschnitt Johannes 6,37-40 habe ich die Formulierung neu entdeckt, dass bei Christus „niemand verloren ist, der ihm anvertraut“ ist (Johannes 6,39). Das hat mir kürzlich selbst geholfen, als ich bei „meinen Lieben“ auf dem Friedhof war. Bei dieser Aussage von Johannes 6,39 habe ich nicht das Bild eines „Schutzmantelchristus“ vor Augen, sondern eines, in dem Christus Menschen wieder in ihr Leben schickt.

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Das Coaching war wieder richtig gut. Ich hatte in meinem ersten Entwurf manche wichtigen Aussagen und Passagen wieder durch bestimmte Formulierungen oder durch apologetische Passagen oder „Lieblingsfüllwörter“ abgeschwächt Und „Weniger ist mehr“. Durch das Coaching habe ich noch einmal viel gekürzt und die Abschnitte sind dabei klarer geworden.

Perikope
Datum 20.11.2022
Bibelbuch: Johannes
Kapitel / Verse: 6,37-40