"Mut zur Veränderung" - Predigt über Lukas 19, 1-10 von Frank Fuchs
19,1
Mut zur Veränderung
Liebe Gemeinde,
fällt Ihnen spontan jemand ein, der sein Leben radikal geändert hat? Jemand, der ganz normal gelebt, und plötzlich eine neue Aufgabe entdeckt hat? Vielleicht auch jemand, der in seinem Wirkungskreis bleibt, aber sich plötzlich ganz anders – besser – verhält?
  (Hier ergeben sich möglicherweise spontane Äußerungen.)
Mir fällt Karlheinz Böhm ein. Er war ein beliebter und erfolgreicher Schauspieler. Nachdem er bei einem Besuch in Afrika die Armut kennen gelernt hatte, wollte er sich für die Menschen dort einsetzen. Deshalb wettete er vor mehr als 30 Jahren bei Wetten dass, dass nicht einmal ein Drittel der Zuschauer bereit ist, eine D-Mark für die Menschen in der Sahelzone zu spenden. Seine Wette wollte er gerne verlieren für den großen Spendenbetrag. Zwar gewann er seine Wette, es wurde also nicht so viel wie erhofft gespendet, aber es gingen immerhin 1,2 Millionen D-Mark ein. Damit fing er an, sein Hilfsprojekt „Menschen für Menschen“ aufzubauen. Sein Leben hatte sich damit völlig verändert. Von nun an lebte er die meiste Zeit in Äthiopien, wo er viele Hilfsprojekte umsetzte.
Natürlich gibt es in der langen Geschichte der Kirche Menschen, die ihr Leben völlig geändert haben. Hier ist zum Beispiel an Franz von Assisi zu denken. Sein Vater hatte es durch Tuchhandel zu Wohlstand gebracht. Ein Leben im Wohlstand hätte auch Franz vor sich gehabt. Seine Eingebung war es, Bitteres für Süßes zu nehmen. So ekelte er sich nicht mehr vor einem Aussätzigen, sondern gab ihm ein Geldstück und küsste ihm die Hand. Darin entdeckte er den Sinn des Evangeliums, dass das Mindere erwählt ist und hoch angesehen wird. Dann entschied er sich, eine Kirche instand setzen zu lassen. Noch kam es ihm nicht in den Sinn, selbst Hand anzulegen. Er nahm einen Tuchballen des Vaters und veräußerte ihn, ohne seinen Vater zu fragen. Das Geld wollte er für die Kirche spenden. Als Franz so in Konflikt mit seinem Vater geriet, entledigte er sich allen Reichtums. Seine Nahrung erbettelte er sich fortan und machte sich selbst daran, als Arbeiter eine Kirche zu renovieren. Es dauerte nicht lange, da stießen Mitbrüder zu Franz hinzu. Sie nannten sich mindere Brüder im Gegensatz zu denen, die in der Gesellschaft hoch angesehen waren. Auch wenn sie von vielen als Narren beschimpft wurden, erblickten sie gerade darin, dass sie den Spott aushielten, den tieferen Sinn ihres gelebten Christentums. Als ihre Aufgabe sahen sie es an, andere zu erbauen und ein leuchtendes Beispiel zu geben.
In unserem Predigttext geht es ebenfalls um einen Menschen, der sein Leben völlig verändert hat. Lukas 19,1-10
1 Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch. 2 Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. 3 Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt. 4 Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen. 5 Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. 6 Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden. 7 Als sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt. 8 Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. 9 Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams Sohn. 10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.
Zachäus hatte als Zöllner einen schlechten Ruf. Denn unter der römischen Herrschaft hatten die Zöllner das Recht, die Zölle beliebig aufzustocken und so ihr Geld zu verdienen. Er war reich und doch schlecht angesehen. Sein gesellschaftliches Renommee war gering – ähnlich gering wie das der minderen Brüder, die sich vom Betteln ernährten. Was Zachäus wohl dazu gebracht, Jesus sehen zu wollen? Vielleicht hatte er von seinen Taten gehört und sehnte sich nach Gemeinschaft. Den Geringen und Ausgestoßenen wandte sich dieser Jesus zu. Ja, sogar mit Sündern aß er an einem Tisch. Er war neugierig geworden. Diesen Jesus wollte wenigstens mal ansehen.
Weil er aber klein von Wuchs war, sah er nichts hinter der Ansammlung von Menschen, die auch Jesus sehen wollten. Deshalb hatte er die Idee, auf einen Baum zu klettern. Das war für einen Oberzöllner sehr ungewöhnlich. Ja, er machte sich lächerlich und zum Narren. Sicherlich hat er spöttische Blicke auf sich gezogen und sicher auch hämische Kommentare: „Na, der Kleine will ja hoch hinaus.“
Aber Jesus bewegt es, dass Zachäus ihn unbedingt sehen will und dafür sogar in Kauf nimmt, sich lächerlich zu machen. Jesus wendet sich Zachäus zu und spricht ihn an: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. Sicherlich übersteigt das selbst die kühnsten Erwartungen des Zachäus. Nicht nur, dass er Jesus sehen kann, er kommt sogar zu ihm nach Hause. Kein Wunder, dass sich die Menschen, die das sehen, beschweren und es nicht fassen können: Bei einem Sünder ist er eingekehrt.
Viele finden das sicher ungerecht und denken: „Ich habe immer ehrbar gelebt, mir nichts zuschulden kommen lassen und andere gut behandelt. Zu mir kommt Jesus nicht, aber zu so einem Halunken, der andere beim Zoll über den Tisch gezogen hat. Das ist nicht in Ordnung.“ Jesus antwortet aber auf solche Bedenken: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams Sohn. Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.
Der Menschensohn kommt nicht zuerst zu denen, die angesehen sind und ehrbar leben. Er kommt zuerst zu denen, die verloren sind. Indem sich Zachäus zum Narren macht, wird er selbst zum minderen Bruder. Indem er sich lächerlich macht und auf einen Baum klettert, wird er von Jesus als ein solcher Bruder erkannt. Jesus kommt und macht den selig, der verloren ist.
Wer sich so angesprochen ist und davon ergriffen ist wie Zachäus, der ist gerne bereit, etwas in seinem Leben zu ändern. Zachäus teilt aus diesem neu erfahrenen Reichtum des Heils gerne aus. Er gibt den Armen von seinem Geld und demjenigen, dem er zuviel abgenommen hat, sogar mehrfach zurück.
Zachäus ändert sein Leben. Wie wir gesehen haben: Manche Menschen schaffen das. Sie geben ihrem Leben eine positive Wendung. Wie Franz von Assisi, der sein Leben radikal geändert hat und sein früheres Leben aufgegeben hat. Franz gründete einen Orden, der seit vielen Jahrhunderten viel bewirkt hat. Auch Karlheinz Böhm hat sein früheres Leben aufgegeben und seinen alten Beruf an den Nagel gehängt. Karlheinz Böhms Einsatz für arme Menschen in Afrika wurde mit Auszeichnungen und Preisen geehrt. Menschen, die sich so verändern, beeindrucken.
Auch Zachäus verändert sein Leben. Aber nicht so, dass er alles alte hinter sich lässt. Er bleibt seinem Beruf und seinem Umfeld treu. Er fühlt sich nicht zu einer neuen Aufgabe verpflichtet. Dennoch gibt er seinem Leben eine völlig neue Richtung. Er teilt seinen Besitz und will das getane Unrecht wiedergutmachen. Große Sympathien bei vielen Menschen sind ihm nun gewiss.
Wenn es jemandem wie Franz von Assisi oder wie Karlheinz Böhm gelingt, sein Leben zu ändern, dann verdient das unseren Respekt.
  (Hier kann auf weitere Personen eingegangen werden, die am Anfang von Predigthörern genannt wurden.) Wir sind beeindruckt von dem, was sie getan haben, und was daraus geworden ist.
Doch es bleibt die fortwährende Aufgabe des Christen / der Christin, für Veränderung bereit zu sein. Im Augsburger Bekenntnis heißt es, dass Buße nichts anderes ist als Reue oder Leid in Anbetracht der Einsicht, dass Fehler geschehen sind. Diese Erkenntnis in Anbetracht des Glaubens an die Vergebung führt zur Umkehr. Eine neue Richtung wird eingeschlagen. Davon heißt es im alten Bekenntnis: „Dieser Glaube tröstet wiederum das Herz und macht es zufrieden.“ (CA Artikel 12)
Mehr kann Glauben wirklich nicht bewirken. Dass er das Herz tröstet und es zufrieden macht  - und hoffentlich Mut zur Veränderung schenkt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
 
Die Geschichte von Franz von Assisi ist aus dem Buch von Adolf Holl entnommen:
Vgl. Holl: Die Welt zum Narren halten. Demut als Lebensprogramm, München 1993
Perikope
16.06.2013
19,1