Nach Hause … - Predigt zu Genesis 3,1-19 von Peter Michael Schmudde
3,1-19
Eigentlich träume ich immer noch: Kaffee und angebrannter Toast.
Am Wintermorgen die Atemluftwölkchen über dem Federbett.
Vater kratzt die Asche aus den Kachelöfen.
Im Advent kleine Päckchen am bestickten Stoffkalender.
Zu Weihnachten immer Schnee.
Zu Ostern dieses Bunte zwischen den Osterglocken, pfeifende Stare in den riesigen Ahornbäumen, der Laubduft, zu allen Jahreszeiten anders.
In der Küche beschlagene Fensterscheiben.
Eisblumen strahlen im Wintersonnenlicht. Eigentlich träume ich immer noch: Die Tage - groß und endlos und jeden Morgen neu.
An den Abenden fallen die Schneeflocken in die Lichtkegel der Straßenlampen.
Oder singen die Mücken und die Mauersegler.
Bellen die Rehböcke und Füchse.
Am Fluss die großen Blätter mit ihrem Geruch.
Im Frühling mit Gummistiefeln auf die Wiese.
Und im Herbst der Wald voller Pilze.
Spinnweben in der Abendsonne.
Im Sommer im Straßenteer Dein Fußabdruck für die Ewigkeit.
Eigentlich träume ich immer noch.
Ich träume mit, wenn Menschen sich an Menschen erinnern und ihre Augen dabei leuchten.
Ich träume mit Eltern, die ihrem Kind ein Wunderleben schenken wollen.
Ich träume mit denen, die etwas verloren haben und wieder etwas finden müssen.
Ich träume mit ihnen. Und sie träumen mit mir.
Wir träumen. Von dem was war. Und, dass es wird. Bei all den Disteln und Dornen.
Wir träumen vom Paradies.
Ab und zu bin ich mal dort gewesen. Dort, wo meins war. Mein Paradies. Ich hab’s nicht mehr gefunden. Oder ich bin zu groß dafür geworden. Die großen Straßen, die endlosen Wälder und die unendlichen Tage und Nächte sind dort genauso überschaubar geworden wie überall.
Es gibt kein Zurück. Der Weg ist gegangen und geht immer weiter. Ich bin himmelweit weg.
Irgendwann sind wir gegangen. Jeder von uns. Ich auch. Selbst die, die dortgeblieben sind. Keiner kann es anders.
Irgendwann brichst Du auf in etwas, das Du Dein eigenes Leben nennen kannst. Alles, was um Dich war, wird zu klein für Dich und für das, was Du kannst. Du musst es ausprobieren: All das, was Dein Paradies Dir mitgegeben hat an Möglichkeiten und Kräften.
Das ist schon ganz am Anfang so: Du kommst auf die Welt. Du lässt es hinter Dir, wo es Dir gut ging. Du bist zu groß für den Bauch Deiner Mutter. Dein Leben dort in diesem ersten Paradies endet. Und es beginnt ein neues. Etwas, wovon Du nichts geahnt oder gefühlt hast. Vielleicht müssen wir alle deswegen schreien.
Und genau so geht es weiter: Du gehst Deinen Weg und lässt etwas zurück und gehst in das Neue, das Unbekannte.
Bis Du zurückkehrst zur Erde, von der Du genommen bist.
Ganz am Anfang erzählt die Bibel von diesem Aufbruch. Es ist wie die Ouvertüre zu dem großen Schauspiel des Lebens, in dem Du und ich stehen und gehen. Zu all dem Kommen und Gehen, all den Disteln und Dornen, zu den Schmerzen beim Großwerden und dem unausweichlichen Ende am Ende.
Ich stelle mir vor, wie sie damals geschwiegen und genickt haben als sie diese Geschichte gehört haben von Adam und Eva und von der Schlange und davon, wie Gott sie in die Welt geschickt hat. Und vielleicht haben die Männer an all die Disteln und Dornen auf ihren Äckern gedacht. Und die Frauen an ihr Schreien bei der Geburt ihrer Kinder.
Aber alle haben gewusst: Es geht nicht anders und es ist nie anders gegangen. Nie hätte es mehr als diese beiden ersten Menschen geben müssen. Denn Adam und Eva hätten ewig gelebt in dieser ewig-guten Welt im Garten Eden. Und über Gut und Böse hätten sie nie etwas erfahren müssen. Das Leben wäre nie zu Ende gegangen. Wäre das die Idee des Schöpfers gewesen?
Vielleicht haben sie auch gelächelt, wenn sie sich vorgestellt haben, dass Gott sie mit allem Nötigen ausgestattet hat - wie ein guter Vater seine Kinder. Trotz tragischer Trennung: Er ist für sie da. Bis sie zurückkehren zu der Erde, von der sie sind. Bis dahin sind sie frei. Frei zu tun, was dem Leben dient. Beauftragt mit der Fürsorge für das Leben. Beauftragt auch, das Leben weiterzugeben. Und die Erde zu füllen mit Leben.
Die Sehnsucht nach dem, der dieses Leben in Gang gesetzt hat, die ist geblieben. Sehnsucht nach Bleiben. Sehnsucht nach einer Welt ohne Disteln und Dornen und Schreien und Schmerzen.
Einmal kam einer, der hat dieses Sehnen neu aufflammen lassen. Er wusste, woher er kommt und wohin er geht. Mit Schreien ist er auf die Welt gekommen. Und er hat die Welt kennengelernt, hat am eigenen Leib gespürt, wie weh Disteln und Dornen und harte Äcker tun. An einem groben Holzkreuz an einem dunklen Freitag hat er Gott diese Sehnsucht entgegengeschrien. Dann ist er gestorben.
Und im Licht eines Frühlingstages ist er wieder da gewesen: Er hat im Vergehen das Leben gefunden. Ein Leben, das bleibt. Ein Leben, das er weitergibt an die, die seine Sehnsucht teilen.
Und die Geschichte vom Werden und Vergehen leuchtet seitdem in einem anderen Licht. Der Tod ist besiegt. Die Tore zum Paradies stehen offen.
Ich vertraue darauf, dass Gott mit mir alle Tore meines Lebens öffnet, auch die, an die ich nie klopfen wollte. Am Ende stehe ich mit ihm im Licht des Ostermorgens.
Bis dahin träume ich immer noch: Die Träume leuchten wie der guten Anfang.
Für gute, flüchtige Augenblicke duftet es nach früher.
Und ich bin in meinem Paradies das ich kenne.
Ich gehe mutig weiter, solange ich kann. Ich bin nicht allein.
Nach allen Wegen werde ich zurückkommen. Und werde staunen.
Amen.
Predigtlied: Er weckt mich alle Morgen (EG 452)
Bellen die Rehböcke und Füchse.
Am Fluss die großen Blätter mit ihrem Geruch.
Im Frühling mit Gummistiefeln auf die Wiese.
Und im Herbst der Wald voller Pilze.
Spinnweben in der Abendsonne.
Im Sommer im Straßenteer Dein Fußabdruck für die Ewigkeit.
Eigentlich träume ich immer noch.
Ich träume mit, wenn Menschen sich an Menschen erinnern und ihre Augen dabei leuchten.
Ich träume mit Eltern, die ihrem Kind ein Wunderleben schenken wollen.
Ich träume mit denen, die etwas verloren haben und wieder etwas finden müssen.
Ich träume mit ihnen. Und sie träumen mit mir.
Wir träumen. Von dem was war. Und, dass es wird. Bei all den Disteln und Dornen.
Wir träumen vom Paradies.
Ab und zu bin ich mal dort gewesen. Dort, wo meins war. Mein Paradies. Ich hab’s nicht mehr gefunden. Oder ich bin zu groß dafür geworden. Die großen Straßen, die endlosen Wälder und die unendlichen Tage und Nächte sind dort genauso überschaubar geworden wie überall.
Es gibt kein Zurück. Der Weg ist gegangen und geht immer weiter. Ich bin himmelweit weg.
Irgendwann sind wir gegangen. Jeder von uns. Ich auch. Selbst die, die dortgeblieben sind. Keiner kann es anders.
Irgendwann brichst Du auf in etwas, das Du Dein eigenes Leben nennen kannst. Alles, was um Dich war, wird zu klein für Dich und für das, was Du kannst. Du musst es ausprobieren: All das, was Dein Paradies Dir mitgegeben hat an Möglichkeiten und Kräften.
Das ist schon ganz am Anfang so: Du kommst auf die Welt. Du lässt es hinter Dir, wo es Dir gut ging. Du bist zu groß für den Bauch Deiner Mutter. Dein Leben dort in diesem ersten Paradies endet. Und es beginnt ein neues. Etwas, wovon Du nichts geahnt oder gefühlt hast. Vielleicht müssen wir alle deswegen schreien.
Und genau so geht es weiter: Du gehst Deinen Weg und lässt etwas zurück und gehst in das Neue, das Unbekannte.
Bis Du zurückkehrst zur Erde, von der Du genommen bist.
Ganz am Anfang erzählt die Bibel von diesem Aufbruch. Es ist wie die Ouvertüre zu dem großen Schauspiel des Lebens, in dem Du und ich stehen und gehen. Zu all dem Kommen und Gehen, all den Disteln und Dornen, zu den Schmerzen beim Großwerden und dem unausweichlichen Ende am Ende.
Ich stelle mir vor, wie sie damals geschwiegen und genickt haben als sie diese Geschichte gehört haben von Adam und Eva und von der Schlange und davon, wie Gott sie in die Welt geschickt hat. Und vielleicht haben die Männer an all die Disteln und Dornen auf ihren Äckern gedacht. Und die Frauen an ihr Schreien bei der Geburt ihrer Kinder.
Aber alle haben gewusst: Es geht nicht anders und es ist nie anders gegangen. Nie hätte es mehr als diese beiden ersten Menschen geben müssen. Denn Adam und Eva hätten ewig gelebt in dieser ewig-guten Welt im Garten Eden. Und über Gut und Böse hätten sie nie etwas erfahren müssen. Das Leben wäre nie zu Ende gegangen. Wäre das die Idee des Schöpfers gewesen?
Vielleicht haben sie auch gelächelt, wenn sie sich vorgestellt haben, dass Gott sie mit allem Nötigen ausgestattet hat - wie ein guter Vater seine Kinder. Trotz tragischer Trennung: Er ist für sie da. Bis sie zurückkehren zu der Erde, von der sie sind. Bis dahin sind sie frei. Frei zu tun, was dem Leben dient. Beauftragt mit der Fürsorge für das Leben. Beauftragt auch, das Leben weiterzugeben. Und die Erde zu füllen mit Leben.
Die Sehnsucht nach dem, der dieses Leben in Gang gesetzt hat, die ist geblieben. Sehnsucht nach Bleiben. Sehnsucht nach einer Welt ohne Disteln und Dornen und Schreien und Schmerzen.
Einmal kam einer, der hat dieses Sehnen neu aufflammen lassen. Er wusste, woher er kommt und wohin er geht. Mit Schreien ist er auf die Welt gekommen. Und er hat die Welt kennengelernt, hat am eigenen Leib gespürt, wie weh Disteln und Dornen und harte Äcker tun. An einem groben Holzkreuz an einem dunklen Freitag hat er Gott diese Sehnsucht entgegengeschrien. Dann ist er gestorben.
Und im Licht eines Frühlingstages ist er wieder da gewesen: Er hat im Vergehen das Leben gefunden. Ein Leben, das bleibt. Ein Leben, das er weitergibt an die, die seine Sehnsucht teilen.
Und die Geschichte vom Werden und Vergehen leuchtet seitdem in einem anderen Licht. Der Tod ist besiegt. Die Tore zum Paradies stehen offen.
Ich vertraue darauf, dass Gott mit mir alle Tore meines Lebens öffnet, auch die, an die ich nie klopfen wollte. Am Ende stehe ich mit ihm im Licht des Ostermorgens.
Bis dahin träume ich immer noch: Die Träume leuchten wie der guten Anfang.
Für gute, flüchtige Augenblicke duftet es nach früher.
Und ich bin in meinem Paradies das ich kenne.
Ich gehe mutig weiter, solange ich kann. Ich bin nicht allein.
Nach allen Wegen werde ich zurückkommen. Und werde staunen.
Amen.
Predigtlied: Er weckt mich alle Morgen (EG 452)
Perikope