Nicht im Himmel – Predigt zu Römer 10,5-17 von Angelika Volkmann
10,5-17

Nicht im Himmel – Predigt zu Römer 10,5-17 von Angelika Volkmann

5 Mose nämlich schreibt von der Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt (3.Mose 18,5): »Der Mensch, der das tut, wird dadurch leben.«
6 Aber die Gerechtigkeit aus dem Glauben spricht so (5.Mose 30,11-14): »Sprich nicht in deinem Herzen: Wer will hinauf gen Himmel fahren?« – nämlich um Christus herabzuholen –,
7 oder: »Wer will hinab in die Tiefe fahren?« – nämlich um Christus von den Toten heraufzuholen –,
8 sondern was sagt sie? »Das Wort ist dir nahe, in deinem Munde und in deinem Herzen.« Dies ist das Wort vom Glauben, das wir predigen.
9 Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet.
11 Denn die Schrift spricht (Jes 28,16): »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.«
12 Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen.
13 Denn »wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden« (Joel 3,5).
14 Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?
15 Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jes 52,7): »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!«
16 Aber nicht alle sind dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht (Jes 53,1): »Herr, wer glaubt unserm Predigen?«
17 So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.

 

Liebe Gemeinde,
wie erreicht uns das Wort?
Das Wort, das befreit. Das Wort, das uns wohltut.
Du gehörst dazu.
Ich stehe hinter dir.
Ich verlasse dich nicht.
Dir ist verziehen.

Wie erreicht uns das Wort?
Das Wort, das uns den Weg weist? Das uns sagt, was wir tun sollen?
Das Wort, das uns hoffen lässt?
Das Wort, das uns fröhlich macht, uns Leben schenkt?

Es ist nicht im Himmel. Es ist nicht fern.
Ganz nahe bei dir ist das Wort,
in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.

Mose hat es von Gott gehört, das wunderbare Wort:

Denn das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist nicht zu hoch und nicht zu fern. Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren und es uns holen, dass wir es tun und hören? Denn das Wort ist ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, das du es tust. (5.Mose 30,11-14)

Wer auf die Stimme Gottes hört und seiner Tora, seiner Weisung folgt, wird leben.

Wer Gott liebt und seinen Nächsten wie sich selbst, wird leben.

Die Tora ist nicht im Himmel, sondern Gott hat sie den Menschen gegeben. Das Wort ist nicht im Himmel. Es ist ganz nah. Es ist nicht zu schwer. Mose hört. Mose versteht. Dadurch, dass die Menschen es tun, wird ihnen das Wort zum Segen, entfaltet das Wort seine Kraft. Dadurch, dass sie es tun, werden sie es hören.

Paulus liest, was Mose schreibt. Paulus hört in Moses  Worten die Gerechtigkeit aus der Tora sprechen. Wer auf das Wort Gottes vertraut und es tut, wird nicht zuschanden werden. Gottes Wort für sein Volk.

Paulus nimmt die  seine Worte, um den Glauben an Christus zu beschreiben, der für uns zur Gerechtigkeit wird:
Aber die Gerechtigkeit aus dem Glauben spricht so (5.Mose 30,11-14): »Sprich nicht in deinem Herzen: Wer will hinauf gen Himmel fahren?« – nämlich um Christus herabzuholen –, oder: »Wer will hinab in die Tiefe fahren?« – nämlich um Christus von den Toten heraufzuholen –, sondern was sagt sie? »Das Wort ist dir nahe, in deinem Munde und in deinem Herzen.« Dies ist das Wort vom Glauben, das wir predigen.

Gottes gutes Wort für die Menschen aus den Völkern weltweit.

Das Wort ist nicht im Himmel.
Christus ist nicht im Himmel.
Christus ist nicht fern, nicht unerreichbar, sondern auf die Erde, zu den Menschen gesandt. Er begegnet uns im Bruder, in der Schwester, im Mitmenschen.
Christus begegnet uns im Wort, das unserem Herzen wohl tut, das uns zurecht bringt, das uns heilt. Das ist das Wort vom Glauben, das wir predigen.

Paulus entfaltet in Kapitel 9-11 des Römerbriefes einen großen Gedankengang. Paulus, selbst Jude, pharisäisch gebildet, ist voller Sehnsucht, dass Israel in Jesus Christus den Messias erkennen möge. Er gibt Gott die Ehre. Er vereinnahmt Gott nicht für seine eigene Haltung, sondern ist selbstkritisch und sieht Gott auf der Seite derer, die anders denken, die nicht an Christus glauben. Und sieht sie bei Gott unanfechtbar aufgehoben. 1
Diese drei Kapitel des Römerbriefes sind in den letzten Jahrzehnten die Grundlage gewesen, das Verhältnis von christlichem und jüdischem Glauben zu erneuern. Viele Gedanken aus diesen Kapiteln werden dabei oft zitiert:
Gott hat den Bund mit Israel nie gekündigt.
Wir Christen sind als wilde Zweige in den Ölbaum eingepfropft, der schon vor uns da war und haben Anteil an der Wurzel bekommen.
Wir werden ermahnt, uns nicht über unsere jüdischen Geschwister zu erheben uns nicht einzumischen in den Weg, den Gott mit ihnen geht. Gott geht mit Israel einen anderen Weg als mit den Völkern. Gottes Wege sind unerforschlich. Hat denn Gott sein Volk verstoßen? – Das sei ferne! (Röm 11,1) schreibt Paulus. Ganz Israel wird gerettet werden.
Diese Pointe wird durch das Wort, das uns heute gegeben ist, erst vorbereitet. 2

Die Frage für heute ist: Wie erreicht uns das Wort?
Es ist durch Israel in die Welt gekommen, zu den Völkern, zu uns.

Das Wort vom Glauben ist nicht fern. Nicht im Himmel, sondern nah. Körperlich erfahrbar, wenn wir es mit dem Mund aussprechen und mit dem Herzen vollziehen.
„Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erden.“
„Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.“
„Ich singe dir mit Herz und Mund.“
„Nun danket alle Gott, mit Herzen, Mund und Händen.“

Paulus nimmt Moses Worte, um die Sehnsucht nach Christus zu beschreiben:

Aber die Gerechtigkeit aus dem Glauben spricht so (5.Mose 30,11-14): »Sprich nicht in deinem Herzen: Wer will hinauf gen Himmel fahren?« – nämlich um Christus herabzuholen –, oder: »Wer will hinab in die Tiefe fahren?« – nämlich um Christus von den Toten heraufzuholen –, sondern was sagt sie? »Das Wort ist dir nahe, in deinem Munde und in deinem Herzen.« Dies ist das Wort vom Glauben, das wir predigen.

Wir sehnen uns danach, nicht verloren zu sein in der Welt.
Wir sehen uns danach, dass es Hoffnung gibt.
Dass wir uns an jemanden wenden können.
Dass wir zu jemandem gehören. Dass jemand alles gut macht.

Paulus sagt uns das Wort, das wir glauben können:
Gott hat Christus von den Toten auferweckt. Jesus ist der Herr.

Denen, die sich vertrauensvoll auf dieses Wort einlassen, wird Leben verheißen.
Es war mit dem Tod Jesu nicht zu Ende. Gott selber ist und bleibt der Handelnde bei Tod und Auferweckung Jesu. Gott hat sich an ihm als der gezeigt, der Tote erweckt. Er hat ihn, der das Opfer böser Mächte war, wieder hergestellt, hat ihn ins Recht gesetzt. Wer an Christus als den von Gott Auferweckten glaubt, ist gerettet – er ist nicht mehr verloren in einer Welt voller böser Mächte, sondern bei Gott aufgehoben.

Ja, das will ich glauben.
Bei dir will ich aufgehoben sein. Sagt die Sehnsucht.

Wer das mit dem Munde bekennt und mit dem Herzen glaubt, wird leben.
Wer Jesus als Herrn ansieht und nicht andere Mächte, wer sich ihm unterordnet und bei ihm steht in dieser Welt, wird leben. Dieses Trostwort, dieses Freudenwort ist nicht im Himmel. Es ist ganz nah.

Der ohnmächtig Gekreuzigte hat doch alle Macht. Die Macht der Liebe. Er wird denen Recht geben in der Welt, denen das Recht genommen wurde. Der von den Toten auferweckende Gott steht auf der Seite derer, die bedrängt werden.

Christus ist nicht fern. Er ist ganz nah. Er ist aus dem Himmel herabgekommen, um uns Menschen nahe zu sein. Er ist in die schlimmsten Tiefen, die ein Mensch erfahren kann, hinabgestiegen – und ist daraus wieder auferstanden.

Was mich trifft – Christus lässt sich für mich treffen.
Was mich verletzt – Christus lässt sich für mich verletzen.
Was ich nicht aushalte – Christus hält es für mich aus.
Wo ich schuldig werde – Christus nimmt für mich meine Schuld.
Wo mir Unrecht geschieht – Christus geschieht es.

Er ist mir näher als mein Herz. Er verlässt mich nie.
»Das Wort ist dir nahe, in deinem Munde und in deinem Herzen.«
Dies ist das Wort vom Glauben, das wir predigen.

Denn die Schrift spricht (Jes 28,16): »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.« Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. Denn »wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden« (Joel 3,5).

Amen.

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Die Grundidee zu dieser Predigt und einige konkrete Anregungen habe ich übernommen von Barbara U. Meyer, 17. Sonntag nach Trinitatis: Röm 10,9-17, Nicht im Himmel!, Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext, zur Perikopenreihe II, Herausgegeben von Studium in Israel e.V., Wernsbach 2009, S. 318-321.

1   ebd. S. 319.

2   ebd. S. 319.