Nichts muss bleiben wie es ist - ZDF-Predigt zu Sacharja 8,4-8
8,4-8

So spricht der HERR Zebaoth: Es sollen hinfort wieder sitzen auf den Plätzen Jerusalems alte Männer und Frauen, jeder mit seinem Stock in der Hand vor hohem Alter, und die Plätze der Stadt sollen voll sein von Knaben und Mädchen, die dort spielen. So spricht der HERR Zebaoth: Erscheint dies auch unmöglich in den Augen derer, die in dieser Zeit übrig geblieben sind von diesem Volk, sollte es darum auch unmöglich erscheinen in "meinen" Augen?, spricht der HERR Zebaoth. So spricht der HERR Zebaoth: Siehe, ich will mein Volk erlösen aus dem Lande gegen Aufgang und aus dem Lande gegen Niedergang der Sonne und will sie heimbringen, dass sie in Jerusalem wohnen. Und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein in Treue und Gerechtigkeit. (Sacharja 8, 4-8 )

Gnade und Frieden von Gott, unserem Vater und von unserem Herrn Jesus Christus sei mit uns allen. Amen

Liebe Gemeinde!

Fröhliche Kinder spielen unbeschwert auf Plätzen und Straßen ihrer Stadt. Alte Leute schauen vergnügt zu. Und vergessen darüber ihre schweren Beine oder das Ziehen im Rücken. Diese alte Friedensvision des Propheten Sacharja rührt Menschen an. Auch heute.

Sie spricht eine Sehnsucht aus, die wir in uns spüren. Sie erinnert uns an unbeschwerte Tage – zu Hause auf der Straße, in unserer Siedlung, bei den Großeltern am Küchentisch oder mit den Freunden auf dem Bolzplatz. Sie ruft eine Sehnsucht in uns wach, wie es sein könnte – wie es sein sollte, das Leben: ein Miteinander, auch dann, wenn wir alt und gebrechlich werden. Auch dann, wenn Kinder anstrengend sind und Alte vergesslich.

Die Vision des Sacharja rührt uns an, denn: Die Wirklichkeit, die wir sehen, ist so oft anders. Und wir kennen auch diese Bilder: Kinder und alte Menschen ohne Lebensfreude. Auf engstem Raum, in Flüchtlingszelten nahe der syrischen Grenze, zusammengekauert und müde. Oder in Nigeria, mit wildem Blick und dem Gewehr in der Hand, durch Drogen gefügig gemacht. Und auch ganz in unserer Nähe: auf einem Bahnhof – eine alte Frau, die Pfandflaschen sammelt; in einem Elite-Gymnasium – die Kinder, denen Leistungsdruck und Konkurrenz ein unbeschwertes Spielen verleidet; in einem Seniorenstift – der alte Mann, der seinen Lebensmut verliert.

Die Friedensvision des Propheten Sacharja markiert den Kontrast zu solchen Verhältnissen. Sie ist ein "Anstoß zur Freiheit". Sie reißt heraus aus dem passiven Erdulden von Demütigungen und Gewalt. Dazu hat Gott seinen Propheten Friedensvisionen in den Mund gelegt, dazu hat Jesus Christus auf dieser Erde gelebt und daran erinnern uns auch die spielenden Kinder: Nichts muss so bleiben wie es ist. Wir können uns und unsere Erde verändern. Und Gott will in Treue und Gerechtigkeit gegenwärtig sein.

Visionen der Bibel und Spiele haben eine großartige Gemeinsamkeit: Sie stärken uns auf den Wegen zur Freiheit. Und dabei verdrängen sie bedrückende Erfahrungen nicht. Visionen und Spiele wissen um "Himmel und Hölle". Sie nennen ungleiche Chancen beim Namen. Sie kennen den Schmerz des Verlierens. Aber sie brechen die Macht dieser Erfahrungen. Sie verarbeiten erlittene Schmerzen und erlebtes Unrecht. Sie üben den Wechsel von Perspektiven und Rollen ein. Und sie holen Zukunftshoffnungen schon jetzt in unsere Gegenwart hinein. Sie sind ein Vorgeschmack auf gelingendes Leben und reißen junge wie alte Menschen heraus aus ihrer Traurigkeit und Resignation.

In Jerusalem zur Zeit des Propheten Sacharja waren die Menschen gefangen von Enttäuschungen und Ohnmacht. Und sie konnten nicht glauben, dass Gott in ihrem Elend gegenwärtig sein könnte. Der Prophet Sacharja aber war davon überzeugt: Wenn die Menschen Gottes Wort hören und tun, dann werden sie Gottes Gegenwart spüren – auch wenn noch Trümmer und Ruinen das Bild der Stadt prägen.

Sacharja verkündet: Schon bald werden Alte und Junge miteinander Frieden und Gemeinschaft in der Stadt genießen und sie werden feiern. "In Treue und Gerechtigkeit" wird Gott bei ihnen wohnen. Dieses großartige Versprechen bedeutet: Gott begnügt sich nicht mit einem einmaligen "Anstoß zur Freiheit". Gott spielt seinen Menschen nicht nur einmal einen Ball zu. Gott will unser Lebensspiel begleiten. Und er gibt uns gute Regeln dafür. Damit aus Visionen Realität wird. Auch die hat Sacharja von Gott empfangen:

"Richtet recht, und ein jeder erweise seinem Bruder Güte und Barmherzigkeit, und tut nicht Unrecht den Witwen, Waisen, Fremdlingen und Armen, und denke keiner gegen seinen Bruder etwas Arges in seinem Herzen!" (Sacharja 7,8ff) Diese Regeln hat Jesus Christus aufgenommen und durch sein Leben bekräftigt. Diese Regeln sind klare Worte auch für unsere Zeit. Ich möchte drei von ihnen näher entfalten:

Erstens: Wir Menschen sollen nicht um des eigenen Vorteils willen das Recht beugen. Millionen auf die Seite geschaffen und an der Steuer vorbei, die fehlen uns für Schulen, Straßen und für Schwimmbäder. Das strahlt bis mitten in Fußballspiele hinein! Welcher begeisterte Fußballfan ärgert sich nicht, wenn wegen einer "Schwalbe" ein ungerechter Elfmeter gegeben wird – das ist jetzt hart für euch – aber beim Eröffnungsspiel in Brasilien könnte das so gewesen sein.

Die zweite Regel: Wir Menschen sollen unseren Mitmenschen großherzig helfen. Besonders denen, die ihre Rechte nicht selbst durchsetzen können. Sacharja nennt Witwen, Waisen und arme Menschen. Wir ergänzen heute: und die Kinder. Sie sind auch uns ans Herz gelegt. Durch die Bibel und durch das Grundgesetz. Denn die Regelung des Grundgesetzes "Eigentum verpflichtet" hat eine biblische Wurzel: Wem Gott viel gibt, von dem erwartet er auch viel. Menschen, die ihr Leben an Gottes Wort binden, können sich nicht auf Kosten und zu Lasten anderer Menschen an ihren Reichtümern erfreuen! Und Menschen, die ihr Leben an Gottes Wort binden, sind für Fußball begeistert, aber blenden das Elend nicht aus. Sie treten dem Unrecht entgegen - und der Gewalt - auch außerhalb der Stadien und außerhalb des Scheinwerferlichts - und die Seleção hat mitgesungen, länger als erlaubt, ein tolles Zeichen!

Schließlich die dritte Regel: Tut nicht Unrecht den Fremden! Wie schön, dass in unseren Fußballvereinen Menschen aus vielen Nationen mitspielen. Wie schön, wenn durch das Spiel Menschen unterschiedlicher Hautfarben sich verstehen und ein Team werden. Wie schön, wenn Menschen angefeuert werden, egal, woher sie kommen. Denn sie sind wichtig für die ganze Mannschaft. Die Bibel ist da ganz eindeutig: Wir sollen Fremde und Andersdenkende unter uns respektieren. Das erfordert auch hier in Duisburg Geld und Phantasie, Geduld und Konsequenz. Das kostet uns einiges, aber der Einsatz lohnt. Denn: wir können Gottes Gegenwart nur dann als Segen für uns erfahren, wenn wir die Würde unserer Mitmenschen achten und wenn wir sie verteidigen – über die Grenzen unserer Volkszugehörigkeit hinaus. Alle Länder gehören zu Gottes Schöpfung und alle Menschen sind Gottes Kinder.

Gottes Wort hören und tun - dazu will uns die alte Friedensvision des Propheten Sacharja die Augen öffnen. Gottes Wort will für uns ein begeisternder "Anstoß zur Freiheit" sein. Lassen wir uns beim Anblick von spielenden Kindern und zufriedenen Alten daran erinnern: Nichts muss so bleiben wie es ist. Wir können die Welt neu und anders betrachten. Wir können uns und unsere Erde verändern.

Nehmen wir den Ball auf, den Gott uns heute zuspielt. Bezeugen wir seine Treue und seine Gerechtigkeit. Damit es für Alte und Junge friedliche "Spielräume" gibt. Damit die "Sonne der Gerechtigkeit" aufgeht auch in unserer Zeit und in unserer Welt.

Amen.

Perikope