„Nimm Platz!“ - Predigt zu 1. Korinther 1,26-31 von Wolfgang Grosse
1,26-31

„Nimm Platz!“ - Predigt zu 1. Korinther 1,26-31 von Wolfgang Grosse

Gnade mit euch, ihr vom Geist Getriebenen, ihr getauften Gotteskinder, ihr Klugen und Großen, ihr Zweifler und Verstoßenen, ihr Vornehmen und Einflussreichen, ihr Armen und Schwachen, liebe Schwestern und Brüder, und auch mit mir unter euch,
Gnade sei mit uns allen!

 

I. Wir sind dabei

Wir sind dabei. In der Schar der Gnade Gottes, am großen Tisch von Gottes Festmahl. Heute.  Doch wo sitze ich? Was hat mich angesprochen?  Wo bin ich hängen geblieben? Was hat mich berührt? Bei wem habe ich Platz genommen? Wo würde ich gerne sitzen? Wo sitze ich tatsächlich? So, wie ich jetzt hier bin. Im 7 Tage alten Neuen Jahr. Immer noch mit der Geschichte des Vergangenen. Immer noch mit den guten Vorsätzen des Neuen. Immer noch ich. Mit Allem. Dem Hellen und Dunklem. Dem Guten und Schlechten. Dem Reichtum und der Armut. Dem Glauben und Zweifel. Schaut euch mal an.

 

II. Gegensätze 1

Schaut euch mal an. Nehmt wahr, wer heute hier ist. Wer neben euch sitzt. Oder vor euch. Oder hinter euch. Oder schräg gegenüber.  Seht in die Augen.  Die Leuchtenden. die Glänzenden. Die Erwartungsvollen. Die Traurigen. Die Müden. Die Zweifelnden. Seht, die jungen Hände. Die Falten im Gesicht. Das sind wir. WIR Gemeinde in … und alle haben wir Platz in der Gnade Gottes. Das ist wunderbar. Wir alle hier an diesem Sonntagmorgen am Tisch Gottes. Studium oder Lehre? Lohn oder Gehalt? Gänsebraten oder Kartoffelsuppe? VIP-Lounge oder Stehplatz? Bitte Platz nehmen an der Festtafel Gottes! Wir sind hier, so wie wir sind. Alleine das zählt. Weil wir nach Gott fragen. Und Gott nach uns fragt. Gnade sei mit uns.

 

III. Rückblick

Da sind wir also. Im neuen Jahr. Am 1. Sonntag nach Epiphanias. Und die Weihnachtszeit klingt aus. Die Hirten waren gekommen. Arm und elend und verachtet. Die Weisen waren gekommen. Oder Sterndeuter. Oder Könige. Wer weiß das schon so genau. Jedenfalls durchaus prunkvoll. Alle waren gekommen. Alle waren gekommen zum neuen König. In all seiner Pracht. Waren gekommen zum Kind. In aller Erniedrigung in der Krippe. So standen die Hirten neben den Königen. Der dreckige Leinenumhang neben dem Purpurmantel. Sie aßen gemeinsam vom Brot des Lebens an der Festtafel Gottes im Stall, während das Kind schlief. Keiner musste sich schämen. Es gab keine Unterschiede mehr. Wir gesellten uns zur Krippe. So wie wir sind. Gemeinsam mit den Hirten und Königen fragten wir nach Gott. Denn wir alle tragen dieselbe große Hoffnung in uns. Damals wie heute.

Hoffnung:
Dass uns jemand tröstet. Dass uns jemand führt und leitet. Dass uns jemand heil macht. Dass Frieden wird. Dass jemand Brücken baut. In einer Welt scheinbar unüberbrückbarer Gegensätze.

Gegensätze von Arm und Reich. Von angeblich klug bis dumm. Von ganz Oben bis ganz Unten. Von Dazugehören bis Ausgestoßen Sein. Die Hirten und Könige damals. Wir heute hier, so wie wir sind. Alle mit der großen Hoffnung auf Gott. Denn Gott überbrückt die Gegensätze, die uns gefangen halten.

 

IV. Gegensätze 2

Es fängt schon im Kindergarten an: „Du gehst da nicht zum Kindergeburtstag. Der Papa ist arbeitslos.“ „Mein Haus, mein Auto, meine Familie, mein Urlaub, meine Klamotten, mein Portemonnaie …“ Das alltägliche Prahlen und der versteckte Neid ist uns nicht unbekannt. Es endet schließlich bei der Trauerfeier: „Das war aber ein billiger Sarg und an den Blumen wurde auch gespart.“ Wir machen Unterschiede. Wir urteilen und verurteilen. Immer wieder. Aber nicht hier, nicht in unserer Gemeinde. Nicht bei Gott. Schaut euch an. Alle haben Platz am großen Tisch von Gottes Festmahl!

 

V. Korinth

Und dann schauen wir nach Korinth. Korinth, bis heute eine blühende Stadt. In der Antike umso mehr. Das Biarritz, Nizza oder Cannes des antiken Athen am Mittelmeer. Selbst die reichen Römer fanden es in Griechenland schön. Wer hier eine Bleibe gefunden hatte, Ferienhaus, Sommerresidenz, Liegeplatz für „meine  Yacht“, der hatte es zu was gebracht. Außer – natürlich - den ortsansässigen armen Fischern und Landarbeitern, den Sklaven, Bediensteten und Tagelöhnern … am Rande … am Rande der Stadt. Korinth war Wohlstand, war Reichtum, war Haute Volée. Die Schönen, die Reichen, die Einflussreichen, die „Oberen 10.000“ wie man so sagt. Vor knapp 2.000 Jahren hatte der Apostel Paulus die Stadt besucht. Er war gebildet und ein nicht wirklich armer, römischer Bürger, aber er war aufgrund seiner (chronischen?) Krankheit selbst kein „Winner-Typ“. Spätestens seit seiner Bekehrung gehörte er weder zur römischen noch zur griechischen Welt dazu, sowohl gesellschaftlich als auch religiös. Aber er hatte es gewagt, auf seiner 2. Missionsreise dort einzudringen. Hatte versucht Brücken zu bauen. Alle an den Tisch Gottes einzuladen. Mit seiner Botschaft von diesem Mann aus Nazareth. Paulus hatte gepredigt: Da gibt es keinen Unterschied vor Gott. „Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen Juden und Griechen, zwischen Sklaven und freien Menschen, zwischen Mann und Frau. … zwischen Sparstrumpf und Aktienpaket, zwischen Mietwohung und Villa. Denn durch Jesus Christus sind alle neu geworden.“

Bei Gott sind wir alle reich und groß. Wir sind alle arm und elend. „Wir ermangeln alle des Ruhmes Gottes“, so sagte er. Niemand muss sich oder den Anderen etwas beweisen. Vor Gott zählt das nicht. Keine bemitleidenswerte Blicke. Keine neidischen Blicke. Die linke Hand weiß nicht was die rechte gibt. Eine gute Kartoffelsuppe schmeckt genauso gut wie ein trockener Gänsebraten. Das stille Lächeln über einen einzigen persönlichen Neujahrsgruß ist mindestens ebenso viel wert wie 10 gleichlautende Wünsche von sog. Geschäftsfreunden. Wissen wir alle. Menschenhände reichen über den Tisch von Gottes Festtafel, berühren sich und teilen gemeinsam dasselbe Brot. Das ist Gnade. Und Gott ist groß. Und wir sind groß, weil wir loslassen können und klein werden dürfen. Gotteskinder sind wir. Alle gleich.

Gott verbindet. Er reicht allen die Hand. Er lädt alle an den Tisch. Niemand muss sich schämen ob der Person. Egal ob Hirte oder König. Wir alle sind auf der Suche nach Gott, nach Gottes Gnade. Was für ein Affront damals. Paulus war deshalb durchaus nicht bei allen willkommen. Aber er hatte es trotzdem  hinbekommen, eine kleine, christliche Gemeinde zu gründen. Ohne Kirche. Ohne Prunk. Ganz im Verborgenen. Voller Zweifel. Aber versichert: Gott ist gnädig. Gott schaut mich an. Er ist bei uns. Schaut euch an.

Er schreibt: (Neue Genfer Übersetzung)
Seht euch doch einmal in euren eigenen Reihen um, Geschwister: Was für Leute hat Gott sich ausgesucht, als er euch berief? Es sind nicht viele Kluge und Gebildete darunter, wenn man nach menschlichen Maßstäben urteilt, nicht viele Mächtige, nicht viele von vornehmer Herkunft. Im Gegenteil: Was nach dem Urteil der Welt ungebildet ist, das hat Gott erwählt, um die Klugheit der Klugen zunichte zu machen, und was nach dem Urteil der Welt schwach ist, das hat Gott erwählt, um die Stärke der Starken zunichte zu machen. Was in dieser Welt unbedeutend und verachtet ist und was ´bei den Menschen` nichts gilt, das hat Gott erwählt, damit ans Licht kommt, wie nichtig das ist, was ´bei ihnen` etwas gilt. Denn niemand soll gegenüber Gott ´mit vermeintlichen Vorzügen` prahlen können. Ist es bei euch nicht genauso? Dass ihr mit Jesus Christus verbunden seid, verdankt ihr nicht euch selbst, sondern Gott. Er hat in Christus seine Weisheit sichtbar werden lassen, eine Weisheit, die uns zugute kommt. Denn Christus ist unsere Gerechtigkeit, durch Christus gehören wir zu Gottes heiligem Volk, und durch Christus sind wir erlöst. »Wenn also« – um es mit den Worten der Schrift zu sagen – »jemand auf etwas stolz sein will, soll er auf den Herrn stolz sein.«

 

VI. Am Tisch Gottes

Schaut euch an! Und ich sehe Frau NN, die sich als Vorstandsvorsitzende schon seit Jahren müht und alles beieinander hält, Großes schafft, und manchmal müde Augen hat, ich sehe den Kirchenvorstand, der redlich arbeitet und immer wieder da ist, ich sehe die vielen Ehrenamtlichem in dieser Gemeinde, ich sehe die Jubelpaare des letzten Jahres, die Kindergarteneltern, die Tauffamilien, die Witwen und Witwer, ich sehe euch heute hier im Gottesdienst.

Schauen wir uns an. In aller Armut. In allem Reichtum. Gemeinsam am Tisch Gottes. Alle zusammen. Keine Unterschiede. Gegensätze sind überwunden. Wir fragen nach Gott. Und Gott fragt nach uns. Gnade IST mit uns.

Gott führt Menschen zusammen. Uns. Gotteskinder. Klug und groß, zweifelnd und verstoßen,  vornehm und mit Einfluss, arm und schwach. Schauen wir uns an. Schauen wir uns in die Augen. Schauen wir mit Gottes Augen. Da ist kein Unterschied. Da ist … ein Mensch neben mir! Am Tisch Gottes. Und wir essen gemeinsam vom Brot des Lebens. Darauf dürfen wir stolz sein.
Amen.

 

Tagesgebet:

Nicht
mit allen Wassern gewaschen
sind wir
sondern aus der Quelle des Lebens
sind wir
getauft mit lebendigem Wasser
umsonst
zum Leben.
Danke.
Amen.