Predigt aus dem ZDF-Fernsehgottesdienst in Menden vom 28.02.2016
6,3-8

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da kommen wird. Amen.

 

Teil I

Liebe Gemeinde,

alles wird anders. Mit den Flüchtlingen kommen immer mehr Muslime zu uns, die hier in Deutschland bleiben wollen. Das macht vielen Einheimischen Angst und sie ziehen sich zurück in ihre eigene Welt, in der sie sich gut auskennen. Denn vertraute Lieder, Rituale- und Bräuche - geben Sicherheit.

Aber Rückzug tut nicht gut. Weder Einheimischen noch Einwanderern.  Parallelgesellschaften spalten, grenzen ab und grenzen aus. Oft sind sie Nährboden für gegenseitige Anschuldigungen. Im Extremfall sogar für Übergriffe und Brandbomben. Deshalb müssen wir über Religion reden. Miteinander.

Wo?

Zum Beispiel in der Schule.

Ich habe gute Erfahrungen damit. Seit  vielen Jahren arbeite ich als evangelische Schulpfarrerin am Berufskolleg und unterrichte im Religionsunterricht auch muslimische Schülerinnen und Schüler. Sie kommen aus den verschiedensten Herkunftsfamilien und –ländern, sind zusammen groß geworden und miteinander befreundet. Und lernen zusammen für’s Abitur oder Fachabi.

Im Religionsunterricht begegnen wir uns als Gläubige aus verschiedenen Religionen. Besuchen uns in Kirche und Moschee und diskutieren viel miteinander. Manchmal hitzig, mit gegensätzlichen Ansichten. Denn wir kommen ja nicht nur als Lehrerin und als Lernende miteinander ins Gespräch und reden über irgendeinen Unterrichtsstoff. Wir sind Menschen, denen der Glaube am Herzen liegt, manchmal sogar unter den Nägeln brennt.

Dabei lerne auch ich dazu. Zum Beispiel, dass für Muslime das  Wasser  ein Zeichen für Gottes Güte ist. Besonders seine reinigende Kraft hat für sie eine große Bedeutung. Darum sind die Waschungen für sie so wichtig. Wir haben eben davon gehört.

Wir Christen haben auch ein Ritual der Reinigung. Wie viele Muslime spüren wir die Sehnsucht, ein reines Herz zu haben. Darum begießen wir in der Taufe ein Menschenkind mit Wasser, sprechen ein Bekenntnis und segnen es.

Viele halten dies dies für eine  niedliche Tradition, die man in den ersten Lebensmonaten so mitnimmt. Doch die Taufe weit ist mehr. Der Apostel Paulus sieht darin einen Machtkampf um Leben und Tod. Es geht hier um‘s Ganze! Aber hören Sie selbst aus - seinem Brief  an die Gemeinde in Rom:  

Lesung:

Röm 6,3-8
 

Teil II

Ganz normales Wasser wie in unserem Krug wird in der Taufe zu einem heiligen Zeichen. Denn das Wasser verbindet die Täuflinge mit Jesus Christus. Mit seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung.

 Alle, die „in Jesus Christus hinein getauft“ wurden - so sagt es der Apostel – werden mit ihrer Taufe auch in seinen Tod hineingetauft. Darum wurden die Täuflinge früher  komplett untergetaucht, so wie Jesus im Jordan. Mit der Überzeugung: Jetzt  wird meine  Sünde abgewaschen.  Ja mehr noch: Sie wird  „ersäuft“. Ein für alle Mal. So erlöst uns Jesus Christus von der  Macht des Bösen.

Zugegeben: Dass winzige Säuglinge reingewaschen werden sollen, ist für viele schwer nachvollziehbar. Aber dass in uns allen – in jedem Menschenkind - die Möglichkeit zum Bösen steckt, wird niemand bestreiten. Welche Macht das Böse und die „Sünde“ haben, sehen wir ja täglich bei einem Blick in die Nachrichten. Bekannte und Unbekannte, Vorbilder und Durchschnittsmenschen wie Sie und ich – niemand ist davor gefeit. Und niemand kann sagen, wann sie von uns Besitz nimmt.

Darum taufen wir Christen bereits unsere kleinen  Kinder. Und sagen ihnen damit:  Ihr seid  Töchter und Söhne Gottes. Ihr gehört in Gottes neue Welt. Dort haben weder die Sünde noch der Tod das letzte Wort. Sondern die Liebe und das Leben. So wie Christus gestorben und ins Leben auferstanden ist, sollt auch Ihr leben. Rein und unschuldig. Mit reinem Herzen.

Die schönen weißen Taufkleider sind ein Zeichen dafür. Oft sind sie jedoch viel zu lang. Das ist Absicht. Denn  die Täuflinge müssen ja erst noch in ihre neue Rolle als Christ oder als Christin hineinwachsen.

Davon in der Taufe zu hören, als Eltern und Paten oder als Täufling selbst, ist das Eine. Es will aber auch verinnerlicht werden, jeden Tag auf’s Neue. In der Familie, in der Gemeinde und in der Schule.

Hier können wir voneinander lernen, wie wir als Söhne und Töchter Gottes leben können. Wir alle können einander von Gottes neuer Welt erzählen und uns gemeinsam für sie stark machen. Gottes Welt, in der  es keine Furcht und keine Vertreibung mehr gibt, keine Not, kein Leid, keinen Hass. Gottes neue Welt, in der das Wasser des Lebens fließt und die Völker geheilt werden.

Diese Zeit steht noch aus. Noch haben wir nicht den Himmel auf Erden. Unsere Welt ist noch nicht erlöst. Aber Gott sieht uns schon als neue Menschen im Licht der Ewigkeit und deshalb sollen wir uns auch so sehen. Und etwas aus der neuen Welt, in unsere „alte“ Welt hineinbringen. Uns mit Sanftmut statt Gewalt begegnen, mit Freundschaft statt Hass  und Respekt statt Verachtung.

Denn Gottes Liebe gilt allen seinen Geschöpfen. Bedingungslos. Egal wo sie herkommen und unabhängig davon, woran sie glauben.

Solch eine Haltung schließt klare Standpunkte nicht aus. „Wie stehen Sie denn eigentlich dazu?“ werde ich z.B. oft im Religionsunterricht gefragt. Beide, christliche und muslimische Schülerinnen und Schüler wollen Bescheid wissen. Dann kann ich nicht Drumherum reden, dann muss ich Rede und Antwort stehen, Farbe bekennen und oftmals auch christliche Glaubenssätze verteidigen.

Dann ist mir mein Taufbekenntnis ein Anker . Etwas, das mich festhält, das mir Halt gibt und mich auch mal gegen den Strom schwimmen  und - wenn es nötig ist – vielleicht sogar unbequeme Ansichten vertreten lässt.

In solchen Momenten unterrichte ich besonders gerne, die Getauften und die Ungetauften. Denn gerade unsere Vielfalt trägt zu lebhaftem Unterricht bei.

Unser  Gespräch schult die Auseinandersetzung, fördert das Argumentieren und schafft ganz oft auch Verständnis füreinander.

Unsere Begegnung als Gläubige verschiedener Religionen hat auch meinen eigenen Glauben bereichert. Vor allem habe ich Respekt gewonnen vor dem, was anderen heilig ist.

Und: Im Dialog wird mir mein eigener, mein christlicher Standpunkt viel klarer. Ich erfahre, worin wir uns einig sind und was uns trennt.

Deshalb finde ich es gut, wenn Christinnen  und Muslime zusammen Religionsunterricht haben. Denn hier können wir uns - respektvoll und friedlich  über unseren Glauben austauschen.

Aber er sollte nicht der einzige Ort sein. Das Gespräch zwischen den Religionen  ist so wichtig für unser Zusammenleben und wird darum schon so lange mit guten Erfahrungen bei uns gepflegt. Es sollte überall stattfinden. In Kirchen- und Moscheegemeinden. Auf Bürgerversammlungen und Festen. In Parteien und Vereinen….

Wer sich dem entzieht, dem entgeht etwas.                   

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle - Vernunft, der bewahre – eure  Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.                              

Perikope
28.02.2016
6,3-8