Predigt über 1. Korinther 14, 1-3.20-25 von Andreas Pawlas
14,1
Strebt nach der Liebe! Bemüht euch um die Gaben des Geistes, am meisten aber um die Gabe der prophetischen Rede! Denn wer in Zungen redet, der redet nicht für Menschen, sondern für Gott; denn niemand versteht ihn, vielmehr redet er im Geist von Geheimnissen. Wer aber prophetisch redet, der redet den Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung.
Liebe Brüder, seid nicht Kinder, wenn es ums Verstehen geht; sondern seid Kinder, wenn es um Böses geht; im Verstehen aber seid vollkommen. Im Gesetz steht geschrieben (Jesaja 28,11. 12): »Ich will in andern Zungen und mit andern Lippen reden zu diesem Volk, und sie werden mich auch so nicht hören, spricht der Herr.« Darum ist die Zungenrede ein Zeichen nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen; die prophetische Rede aber ein Zeichen nicht für die Ungläubigen, sondern für die Gläubigen.
Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und alle redeten in Zungen, es kämen aber Unkundige oder Ungläubige hinein, würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen? Wenn sie aber alle prophetisch redeten und es käme ein Ungläubiger oder Unkundiger hinein, der würde von allen geprüft und von allen überführt; was in seinem Herzen verborgen ist, würde offenbar, und so würde er niederfallen auf sein Angesicht, Gott anbeten und bekennen, dass Gott wahrhaftig unter euch ist.
Liebe Gemeinde!
Wenn da in der Bibel direkt im Kapitel vor unserem Predigtwort so wunderbar von der Liebe die Rede war – und das klingt ja in unserem ersten Satz noch mit - dann kann das eigentlich jeder gut verstehen und nachempfinden. Aber was sollte man wohl verstehen und nachempfinden können, wenn es nun in unserem Predigtwort mit so schwierigen und überholten Begriffen weiter geht. Denn wer kann heute noch etwas anfangen mit dem Ausdruck „Zungenrede“ oder auch „prophetische Rede“? Vor allem aber: wen unter uns heutigen Zeitgenossen mag das noch interessieren?
Und außerdem sind wir doch heute im Gottesdienst nicht zusammengekommen, um uns den Kopf über schwierige Reden und Bräuche vergangener Zeiten zu zerbrechen, sondern um so dringend unseren Gott um Hilfe und Stärkung für unsere Seele zu bitten, aber ihm auch für alles Gute zu danken, das er uns hat zukommen lassen.
Jetzt weiß ich nicht, ob ich zu phantasielos bin, aber ich kann es mir nicht anders vorstellen, als dass die christlichen Gottesdienste zu Lebzeiten des Hl. Apostel Paulus im Kern von genau solcher Sehnsucht getragen waren wie heute. Aber wenn es nun nicht anders war als heute, warum ermahnt er uns dann zu dieser „prophetischen Rede“, was immer das auch sein mag?
Mir fällt in diesem Zusammenhang eine Szene auf dem Hamburger Hauptbahnhof ein und vielleicht hat der eine oder andere unter uns schon einmal Ähnliches erlebt. Da steht doch mitten vor dem großen Hauptportal ein vielleicht vierzigjähriger Mann in einem abgewetzten Mantel und wirrem Haar. Er redet laut und blickt dabei starr in die Ferne. Viele Menschen strömen unbeteiligt vorbei. Aber eine kleine Schar Neugieriger verweilt, bleibt stehen, hört ihm zu und lässt sich auch nicht durch die vielen kleinen Tröpfchen schrecken, die er bei seiner wütenden Rede zischend und sprühend um sich verbreitet. Der Mann erzählt oder besser schreit und brüllt von Gott als dem zornigen Richter, der diese Welt verderben wird. Ja, es sei nur noch eine kurze Zeit, in der wir alle Buße tun müssten, alle! Wehe, wenn man deshalb jetzt nicht vor Gott zittert und auf alles verzichtet, auf Geld und Gut, Frau und Kinder, vor allem aber auch auf alles Böse, auf Leichtfertigkeit, Spiel und Vergnügen. Nein, anders könne man dem Zorn Gottes nicht entrinnen, und der würde dann alles vernichten, ja, vernichten!
Was war das für ein Spektakel! Und was war das nun für ein Mann? Ich kannte ihn nicht und habe nie wieder etwas von ihm gehört. Aber war er etwa nun ein Prophet, der von Gott zu uns gesandt war? Und was dieser Mann geredet hatte, war das etwa nun prophetisch? Und sollten wir alle etwa nun genauso reden, schreien, drohen, sei es auf dem Hauptbahnhof oder in unserer Gemeinde?
Ich habe da meine Zweifel. Und dennoch will mich dabei eins nicht loslassen. Denn wenn wir derartiges Reden nicht für uns gelten lassen wollen, dann kommen wir trotzdem nicht an der ganz wichtigen Frage vorbei, wie und was wir eigentlich immer miteinander soreden - vor Gott, mit den Menschen und überhaupt! Reden wir irgendwann einmal mehr oder Inhaltsreicheres als das übliche: „Hallo, wie geht’s?“ „Na, was gab’s denn gestern im Fernsehen?“ „Und was hat Nachbarin XY wieder erzählt?“
Und wie wäre das, wenn wir genau dazu einmal dieses Bild des Hl. Apostels aufnehmen würden und uns fragen, was da wohl passieren würde, wenn bei unserem derartigem Reden ein Ungläubiger oder Unkundiger hereinkäme? Hand aufs Herz! Was würde der wohl sagen? - Würde der etwa sagen, wie es uns hier der Hl. Apostel Paulus ausmalt, „Ihr seid von Sinnen!“? Doch niemals! Oder würde er etwa niederfallen, um Gott anzubeten, weil er merkt, dass Gott unter uns wirkt? Denn das stellt uns doch der Hl. Apostel als die andere, bessere Möglichkeit vor. Aber wer käme auf so etwas, bei dem, was wir eben so üblicherweise über das Wetter oder den neuesten Nachbarschaftstratsch reden? Sondern wenn da ein Ungläubiger oder Unkundiger hereinkäme und zuhörte, der würde sicherlich sagen: „Das ist doch alles ganz normal.“
Und so normal redet man eben bei uns etwa beim Einkaufen oder beim Schulelternabend oder im Sportverein. Nein, es ist alles ganz normal und sogar gemütlich und behaglich. Nein, dass da Leute in Zungen reden und im Glauben begeistert und kaum zu halten sind, nein, das haben wir bei uns nicht. Nein, nein, bei uns ist alles ganz normal. Beruhigend immer ganz normal.
Aber halt! Können wir denn immer „ganz normal“ in unserem ganzen Leben reden? Vor allem: könnten wir das, wenn wir eines Tages Rechenschaft über unser Leben geben sollten? Kann man da „ganz normal“ reden, wie immer, wo man ja meist nichts Besseres zu tun hat, als darzustellen, wie gut man ist, oder was für eine perfekte Hausfrau man ist, oder was für ein überlegener Fachmann man ist? Kann man da „ganz normal“ reden, wie immer, wo man in jedem Gespräch den aktuellen Stand des eigenen Gesundheitszustands ansprechen will, so dass mancher auf dem Bürgersteig schon schnell die Straßenseite wechselt, um sich das ganze hundertfach gehörte Elend nicht noch einmal anhören zu müssen. Kann man da „ganz normal“ reden, wie immer, wenn man damit rechnen muss, dass alles in unserem Leben, was nicht von Gott her und auf ihn hin in unserem Leben ausgerichtet gewesen ist - was eben nicht von Glaube, Liebe, Hoffnung getragen ist -, sich ins Nichts auflöst, weil es nichtig und belanglos ist? Und das schon jetzt und nicht erst im letzten Gericht!
Und wenn man so „ganz normal“ redet, wie immer, in einem Geist der Nichtigkeit und Vergänglichkeit, oder der Selbstdarstellung und Selbsterhöhung oder der Sorge und der Trauer, wie sollte dann irgendjemand, der uns hört, niederfallen und Gott anbeten? Vielleicht würde auch ein ganz Unbefangener sagen: Durch eure Sprache verratet ihr euch und zeigt, was für ein Geist in euch herrscht! Dadurch wie ihr sprecht liegt ihr wie auf einem Präsentierteller und jeder kann sehen und hören, was ihr denkt und fühlt und glaubt.
Ich muss jetzt an eine kleine Begebenheit in unserem Kindergarten denken: Ich guckte einmal für einen kurzen Moment in eine Gruppe hinein und begrüßte winkend alle. Da kam eines der Kinder auf mich zugelaufen und schwatzte fröhlich darauf los: „Ich kenn dich, ich kenn dich. Du bist der liebe Gott.“ Oh, wie erschrak ich da. Hatte ich mich etwa in den Kindergartengottesdiensten unverschämterweise so groß und gewaltig gebärdet und geredet, dass die Kinder meinen mussten, es ginge im Gottesdienst um mich und nicht um den lebendigen Gott, von dem ich Zeugnis abzulegen hatte? Was wäre das für eine sträfliche Unbescheidenheit meiner Sprache, der ich durch dieses Kind überführt wäre?
Aber die Bibel sagt uns da ganz deutlich: Wenn wir überführt würden, dass es in unserer Sprache nur um Selbsterhöhung, um Vergängliches und Belangloses oder um hoffnungslose Sorge unserer leiblichen Existenz ginge, dann wird von unserem Gesagten genauso wenig bleiben wie von uns und unserer ganzen Existenz. Dann wird unser Leben verhallen und vergehen wie ein Geschwätz. Wenn unser Denken, Fühlen und Reden nicht von Ewigem geleitet ist, dann wird es eben vergehen und dann wird eben nur ein dumpfer Plumps zu hören sein, wenn wir von unserem Sockel stürzen.
Als Christenmenschen, also als Menschen, die durch Christus schon mit der Dimension der Ewigkeit vertraut gemacht werden, sind wir nun besonders zur Rechenschaft über unser Reden gefordert. Und reden wir da zumindest genauso respektvoll über das Ewige und Heilige wie etwa die Muslime, von denen wir uns ja sonst auch abgrenzen? Wenn Christus für uns Perspektive der Ewigkeit und des Heiligen ist, dann heißt das zuerst, dass da nicht irgendein anderer in seinem Reden vor Gott geprüft und überführt wird, sondern zuerst genau wir, sondern zuerst genau Du und ich. Da geht es zunächst nicht darum, dass irgendein anderer vor Gott niederfallen, anbeten wird, sondern zu allererst wir. Warum? Weil uns doch plötzlich siedend heiß die Vergänglichkeit unserer Gedanken, Worte und Werke aufgeht. Und wem das in aller Peinlichkeit klar wird, was bleibt dem da wirklich anderes übrig, als niederzufallen und anzubeten und allein auf Christus zu hoffen!
Und genau an dieser Stelle zeigt sich, dass Christen keineswegs besser sind als andere - aber besser dran! Denn, wenn wir uns auf Christus verlassen, dann dürfen wir uns doch auch darauf verlassen, dass am Ende der Zeiten vor Gottes Angesicht zwar alles offen gelegt wird, und dass zwangsläufig angesichts der Ewigkeit alles Vergängliche vergehen muss, dass aber dann Gericht durch das Geheimnis göttlicher Liebe für alle, die im Glauben auf Christus schauen, ein wieder richtiges Ausrichten bedeutet, ein alles wieder gerade richten von allen Verkrümmten in uns, eben Erlösung von Schuld, Vervollkommnung alles Unvollkommenen.
Wer auch nur etwas von diesem Geheimnis verstanden hat, wen hier geheimnisvoll schon jetzt Ewigkeit angerührt hat, wer hier schon wunderbar Ewiges verspüren und fühlen kann, der ist dann vielleicht so entzückt und entrückt, dass es ihm gar nicht möglich ist, diese Erfahrung verständlich auszudrücken. Und da kommt dann vielleicht nur so etwas wie besseres Stammeln heraus, was man früher als „Zungenreden“ bezeichnete.
Aber wenn wir das so Erfahrene nicht bei uns behalten in privater stiller Befriedigung, sondern wenn wir versuchen, das vernünftig, verständlich weiter zu geben, wenn wir versuchen, diese Perspektive der Ewigkeit weiter zu sagen, damit auch andere so im Glauben getragen werden können, genau dann reden und handeln wir prophetisch, so wie es der Hl. Apostel Paulus in unserem Bibelwort beschreibt.
Diese vernünftige Perspektive der Ewigkeit kann und wird – so Gott will – auch ein Ungläubiger oder Unkundiger verstehen. Und dabei kann er ganz deutlich sehen, dass uns Christen einerseits sehr wohl so viel durch Gottes Wort des Gerichtes von unseren Gedanken, Worten und Werken gerichtet, zerbrochen und zerstört ist. Ebenso deutlich kann er dann aber auch sehen, dass wir Christen selbst durch Jesus Christus schon jetzt in diese Perspektive der Ewigkeit hineingenommen sind und darum erlöst und getröstet, und deshalb froh und gelassen sind. Und in diese Perspektive der Ewigkeit, in der alles Vergängliche vergehen muss und alles Ewige strahlend bleiben wird, kann dann ein Ungläubiger oder Unkundiger mit hinein genommen werden. Und dann befindet er sich mit einem Mal mit der Gemeinde zusammen auf dem Weg der im Glauben erlösten zur endgültigen Erlösung. Und er wird dann mit hinein genommen in ein neues dankbares Reden untereinander oder auch in das gemeinsame lobende Schweigen. Denn wenn uns in der Perspektive der Ewigkeit wirklich Gottes Nähe anrührt, dann kann es leicht alle Worte übersteigen. Aber Gott ist größer als alle unsere Worte. Gott sei Dank! Amen.
Liebe Brüder, seid nicht Kinder, wenn es ums Verstehen geht; sondern seid Kinder, wenn es um Böses geht; im Verstehen aber seid vollkommen. Im Gesetz steht geschrieben (Jesaja 28,11. 12): »Ich will in andern Zungen und mit andern Lippen reden zu diesem Volk, und sie werden mich auch so nicht hören, spricht der Herr.« Darum ist die Zungenrede ein Zeichen nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen; die prophetische Rede aber ein Zeichen nicht für die Ungläubigen, sondern für die Gläubigen.
Wenn nun die ganze Gemeinde an einem Ort zusammenkäme und alle redeten in Zungen, es kämen aber Unkundige oder Ungläubige hinein, würden sie nicht sagen, ihr seid von Sinnen? Wenn sie aber alle prophetisch redeten und es käme ein Ungläubiger oder Unkundiger hinein, der würde von allen geprüft und von allen überführt; was in seinem Herzen verborgen ist, würde offenbar, und so würde er niederfallen auf sein Angesicht, Gott anbeten und bekennen, dass Gott wahrhaftig unter euch ist.
Liebe Gemeinde!
Wenn da in der Bibel direkt im Kapitel vor unserem Predigtwort so wunderbar von der Liebe die Rede war – und das klingt ja in unserem ersten Satz noch mit - dann kann das eigentlich jeder gut verstehen und nachempfinden. Aber was sollte man wohl verstehen und nachempfinden können, wenn es nun in unserem Predigtwort mit so schwierigen und überholten Begriffen weiter geht. Denn wer kann heute noch etwas anfangen mit dem Ausdruck „Zungenrede“ oder auch „prophetische Rede“? Vor allem aber: wen unter uns heutigen Zeitgenossen mag das noch interessieren?
Und außerdem sind wir doch heute im Gottesdienst nicht zusammengekommen, um uns den Kopf über schwierige Reden und Bräuche vergangener Zeiten zu zerbrechen, sondern um so dringend unseren Gott um Hilfe und Stärkung für unsere Seele zu bitten, aber ihm auch für alles Gute zu danken, das er uns hat zukommen lassen.
Jetzt weiß ich nicht, ob ich zu phantasielos bin, aber ich kann es mir nicht anders vorstellen, als dass die christlichen Gottesdienste zu Lebzeiten des Hl. Apostel Paulus im Kern von genau solcher Sehnsucht getragen waren wie heute. Aber wenn es nun nicht anders war als heute, warum ermahnt er uns dann zu dieser „prophetischen Rede“, was immer das auch sein mag?
Mir fällt in diesem Zusammenhang eine Szene auf dem Hamburger Hauptbahnhof ein und vielleicht hat der eine oder andere unter uns schon einmal Ähnliches erlebt. Da steht doch mitten vor dem großen Hauptportal ein vielleicht vierzigjähriger Mann in einem abgewetzten Mantel und wirrem Haar. Er redet laut und blickt dabei starr in die Ferne. Viele Menschen strömen unbeteiligt vorbei. Aber eine kleine Schar Neugieriger verweilt, bleibt stehen, hört ihm zu und lässt sich auch nicht durch die vielen kleinen Tröpfchen schrecken, die er bei seiner wütenden Rede zischend und sprühend um sich verbreitet. Der Mann erzählt oder besser schreit und brüllt von Gott als dem zornigen Richter, der diese Welt verderben wird. Ja, es sei nur noch eine kurze Zeit, in der wir alle Buße tun müssten, alle! Wehe, wenn man deshalb jetzt nicht vor Gott zittert und auf alles verzichtet, auf Geld und Gut, Frau und Kinder, vor allem aber auch auf alles Böse, auf Leichtfertigkeit, Spiel und Vergnügen. Nein, anders könne man dem Zorn Gottes nicht entrinnen, und der würde dann alles vernichten, ja, vernichten!
Was war das für ein Spektakel! Und was war das nun für ein Mann? Ich kannte ihn nicht und habe nie wieder etwas von ihm gehört. Aber war er etwa nun ein Prophet, der von Gott zu uns gesandt war? Und was dieser Mann geredet hatte, war das etwa nun prophetisch? Und sollten wir alle etwa nun genauso reden, schreien, drohen, sei es auf dem Hauptbahnhof oder in unserer Gemeinde?
Ich habe da meine Zweifel. Und dennoch will mich dabei eins nicht loslassen. Denn wenn wir derartiges Reden nicht für uns gelten lassen wollen, dann kommen wir trotzdem nicht an der ganz wichtigen Frage vorbei, wie und was wir eigentlich immer miteinander soreden - vor Gott, mit den Menschen und überhaupt! Reden wir irgendwann einmal mehr oder Inhaltsreicheres als das übliche: „Hallo, wie geht’s?“ „Na, was gab’s denn gestern im Fernsehen?“ „Und was hat Nachbarin XY wieder erzählt?“
Und wie wäre das, wenn wir genau dazu einmal dieses Bild des Hl. Apostels aufnehmen würden und uns fragen, was da wohl passieren würde, wenn bei unserem derartigem Reden ein Ungläubiger oder Unkundiger hereinkäme? Hand aufs Herz! Was würde der wohl sagen? - Würde der etwa sagen, wie es uns hier der Hl. Apostel Paulus ausmalt, „Ihr seid von Sinnen!“? Doch niemals! Oder würde er etwa niederfallen, um Gott anzubeten, weil er merkt, dass Gott unter uns wirkt? Denn das stellt uns doch der Hl. Apostel als die andere, bessere Möglichkeit vor. Aber wer käme auf so etwas, bei dem, was wir eben so üblicherweise über das Wetter oder den neuesten Nachbarschaftstratsch reden? Sondern wenn da ein Ungläubiger oder Unkundiger hereinkäme und zuhörte, der würde sicherlich sagen: „Das ist doch alles ganz normal.“
Und so normal redet man eben bei uns etwa beim Einkaufen oder beim Schulelternabend oder im Sportverein. Nein, es ist alles ganz normal und sogar gemütlich und behaglich. Nein, dass da Leute in Zungen reden und im Glauben begeistert und kaum zu halten sind, nein, das haben wir bei uns nicht. Nein, nein, bei uns ist alles ganz normal. Beruhigend immer ganz normal.
Aber halt! Können wir denn immer „ganz normal“ in unserem ganzen Leben reden? Vor allem: könnten wir das, wenn wir eines Tages Rechenschaft über unser Leben geben sollten? Kann man da „ganz normal“ reden, wie immer, wo man ja meist nichts Besseres zu tun hat, als darzustellen, wie gut man ist, oder was für eine perfekte Hausfrau man ist, oder was für ein überlegener Fachmann man ist? Kann man da „ganz normal“ reden, wie immer, wo man in jedem Gespräch den aktuellen Stand des eigenen Gesundheitszustands ansprechen will, so dass mancher auf dem Bürgersteig schon schnell die Straßenseite wechselt, um sich das ganze hundertfach gehörte Elend nicht noch einmal anhören zu müssen. Kann man da „ganz normal“ reden, wie immer, wenn man damit rechnen muss, dass alles in unserem Leben, was nicht von Gott her und auf ihn hin in unserem Leben ausgerichtet gewesen ist - was eben nicht von Glaube, Liebe, Hoffnung getragen ist -, sich ins Nichts auflöst, weil es nichtig und belanglos ist? Und das schon jetzt und nicht erst im letzten Gericht!
Und wenn man so „ganz normal“ redet, wie immer, in einem Geist der Nichtigkeit und Vergänglichkeit, oder der Selbstdarstellung und Selbsterhöhung oder der Sorge und der Trauer, wie sollte dann irgendjemand, der uns hört, niederfallen und Gott anbeten? Vielleicht würde auch ein ganz Unbefangener sagen: Durch eure Sprache verratet ihr euch und zeigt, was für ein Geist in euch herrscht! Dadurch wie ihr sprecht liegt ihr wie auf einem Präsentierteller und jeder kann sehen und hören, was ihr denkt und fühlt und glaubt.
Ich muss jetzt an eine kleine Begebenheit in unserem Kindergarten denken: Ich guckte einmal für einen kurzen Moment in eine Gruppe hinein und begrüßte winkend alle. Da kam eines der Kinder auf mich zugelaufen und schwatzte fröhlich darauf los: „Ich kenn dich, ich kenn dich. Du bist der liebe Gott.“ Oh, wie erschrak ich da. Hatte ich mich etwa in den Kindergartengottesdiensten unverschämterweise so groß und gewaltig gebärdet und geredet, dass die Kinder meinen mussten, es ginge im Gottesdienst um mich und nicht um den lebendigen Gott, von dem ich Zeugnis abzulegen hatte? Was wäre das für eine sträfliche Unbescheidenheit meiner Sprache, der ich durch dieses Kind überführt wäre?
Aber die Bibel sagt uns da ganz deutlich: Wenn wir überführt würden, dass es in unserer Sprache nur um Selbsterhöhung, um Vergängliches und Belangloses oder um hoffnungslose Sorge unserer leiblichen Existenz ginge, dann wird von unserem Gesagten genauso wenig bleiben wie von uns und unserer ganzen Existenz. Dann wird unser Leben verhallen und vergehen wie ein Geschwätz. Wenn unser Denken, Fühlen und Reden nicht von Ewigem geleitet ist, dann wird es eben vergehen und dann wird eben nur ein dumpfer Plumps zu hören sein, wenn wir von unserem Sockel stürzen.
Als Christenmenschen, also als Menschen, die durch Christus schon mit der Dimension der Ewigkeit vertraut gemacht werden, sind wir nun besonders zur Rechenschaft über unser Reden gefordert. Und reden wir da zumindest genauso respektvoll über das Ewige und Heilige wie etwa die Muslime, von denen wir uns ja sonst auch abgrenzen? Wenn Christus für uns Perspektive der Ewigkeit und des Heiligen ist, dann heißt das zuerst, dass da nicht irgendein anderer in seinem Reden vor Gott geprüft und überführt wird, sondern zuerst genau wir, sondern zuerst genau Du und ich. Da geht es zunächst nicht darum, dass irgendein anderer vor Gott niederfallen, anbeten wird, sondern zu allererst wir. Warum? Weil uns doch plötzlich siedend heiß die Vergänglichkeit unserer Gedanken, Worte und Werke aufgeht. Und wem das in aller Peinlichkeit klar wird, was bleibt dem da wirklich anderes übrig, als niederzufallen und anzubeten und allein auf Christus zu hoffen!
Und genau an dieser Stelle zeigt sich, dass Christen keineswegs besser sind als andere - aber besser dran! Denn, wenn wir uns auf Christus verlassen, dann dürfen wir uns doch auch darauf verlassen, dass am Ende der Zeiten vor Gottes Angesicht zwar alles offen gelegt wird, und dass zwangsläufig angesichts der Ewigkeit alles Vergängliche vergehen muss, dass aber dann Gericht durch das Geheimnis göttlicher Liebe für alle, die im Glauben auf Christus schauen, ein wieder richtiges Ausrichten bedeutet, ein alles wieder gerade richten von allen Verkrümmten in uns, eben Erlösung von Schuld, Vervollkommnung alles Unvollkommenen.
Wer auch nur etwas von diesem Geheimnis verstanden hat, wen hier geheimnisvoll schon jetzt Ewigkeit angerührt hat, wer hier schon wunderbar Ewiges verspüren und fühlen kann, der ist dann vielleicht so entzückt und entrückt, dass es ihm gar nicht möglich ist, diese Erfahrung verständlich auszudrücken. Und da kommt dann vielleicht nur so etwas wie besseres Stammeln heraus, was man früher als „Zungenreden“ bezeichnete.
Aber wenn wir das so Erfahrene nicht bei uns behalten in privater stiller Befriedigung, sondern wenn wir versuchen, das vernünftig, verständlich weiter zu geben, wenn wir versuchen, diese Perspektive der Ewigkeit weiter zu sagen, damit auch andere so im Glauben getragen werden können, genau dann reden und handeln wir prophetisch, so wie es der Hl. Apostel Paulus in unserem Bibelwort beschreibt.
Diese vernünftige Perspektive der Ewigkeit kann und wird – so Gott will – auch ein Ungläubiger oder Unkundiger verstehen. Und dabei kann er ganz deutlich sehen, dass uns Christen einerseits sehr wohl so viel durch Gottes Wort des Gerichtes von unseren Gedanken, Worten und Werken gerichtet, zerbrochen und zerstört ist. Ebenso deutlich kann er dann aber auch sehen, dass wir Christen selbst durch Jesus Christus schon jetzt in diese Perspektive der Ewigkeit hineingenommen sind und darum erlöst und getröstet, und deshalb froh und gelassen sind. Und in diese Perspektive der Ewigkeit, in der alles Vergängliche vergehen muss und alles Ewige strahlend bleiben wird, kann dann ein Ungläubiger oder Unkundiger mit hinein genommen werden. Und dann befindet er sich mit einem Mal mit der Gemeinde zusammen auf dem Weg der im Glauben erlösten zur endgültigen Erlösung. Und er wird dann mit hinein genommen in ein neues dankbares Reden untereinander oder auch in das gemeinsame lobende Schweigen. Denn wenn uns in der Perspektive der Ewigkeit wirklich Gottes Nähe anrührt, dann kann es leicht alle Worte übersteigen. Aber Gott ist größer als alle unsere Worte. Gott sei Dank! Amen.
Perikope