Predigt über Epheser 1, 3-14 von Claudia Trauthig
1,3
I
Liebe Gemeinde,
eigentlich könnte alles so einfach sein…:
Wir feiern Trinitatis –Fest des dreieinigen Gottes!
Wir feiern unseres Gottes vollkommene Fülle: drei in eins…
und tun das in der schönsten Jahreszeit,
zwischen Frühling und Sommer.
Draußen grünt und blüht es, dass es eine Lust ist;
die Sonne wärmt die nackte Haut.
Die Luft vibriert vom natürlichen Klang…
und wir könnten uns ganz fallen lassen:
in die Schönheit Gottes, die unendliche Farbigkeit seiner Schöpfung,
seine Güte am Morgen besingen,
seiner Gegenwart bei jedem Wimpernschlag in den eintausend vierhundert vierzig Minuten des Tages vertrauen,
seiner Heiligkeit uns überlassen, wenn wir den Tag beschliessen.
Ja - wir könnten uns hingeben, ganz und gar,
dieser Liebe, die uns gilt:
von Ewigkeit zu Ewigkeit,
größer als alles, was vorstellbar ist:
Vater, Sohn und Heiliger Geist –
lautet unsere mitunter sperrige Formel,
um gedanklich in den Griff zu bekommen,
was ja nicht in Griff zu kriegen ist –
das Geheimnis Gottes:
der für uns als Schöpfer, Erlöser, Vollender,
Ursprung, Befreiung, Begleitung da ist.
Trinitatis – das ist kein römischer Mädchenname,
kein überflüssiger Sonntag im Kirchenjahr,
auch kein Objekt theologischer Spitzfindigkeiten,
wie Jahrhunderte lang in unserer Kirchengeschichte.
Trinitatis ist: Gott für uns,
Fülle des Lebendigen:
vor allem Anfang,
jeden Moment
wie für die Ewigkeit.
Diesem Gott für uns gibt sich der Verfasser unseres heutigen Predigttextes hin.
Er tut das in jenem unbeschreiblichen Überschwang,
aus dem ein Johann Sebastian Bach seine Toccata und Fuge komponiert oder ein Villard de Honnecourt als Baumeister der Kathedrale von Chartres wirkt.
Ein namenloser Schüler des Apostels Paulus ist überwältigt von Gott -
und schreibt überwältigend.
Versuchen Sie, liebe Gemeinde,
nun vielleicht auch wie in einer gotischen Kathedrale
oder wie wenn Bachs Werk erklingt,
einfach wahrzunehmen,
die Worte perlen zu lassen,
für sich geschehen zu lassen:
Epheser 1, die Verse 3-14:
Gelobt sei Gott,
der Vater unseres Herrn Jesus Christus,
der uns gesegnet hat,
mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.
Denn in ihm hat er uns erwählt,
ehe der Welt Grund gelegt war,
dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten;
in seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt,
seine Kinder zu sein
durch Jesus Christus
nach dem Wohlgefallen seines Willens,
zum Lob seiner herrlichen Gnade,
mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten.
In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut,
die Vergebung der Sünden,
nach dem Reichtum seiner Gnade,
die er uns reichlich hat widerfahren lassen
in aller Weisheit und Klugheit.
Denn Gott hat uns wissen lassen,
das Geheimnis seines Willens
nach seinem Ratschluss,
den er zuvor in Christus gefasst hatte,
um ihn auszuführen,
wenn die Zeit erfüllt wäre,
dass alles zusammengefasst würde in Christus,
was im Himmel und auf Erden ist.
In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden,
die wir dazu vorherbestimmt sind,
nach dem Vorsatz dessen,
der alles wirkt,
nach dem Ratschluss seines Willens;
damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit,
die wir zuvor auf Christus gehofft haben.
In ihm seid auch ihr,
die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt
nämlich das Evangelium von Eurer Seligkeit –
in ihm seid auch ihr,
als ihr gläubig wurdet,
versiegelt worden mit dem Heiligen Geist,
der verheißen ist,
welcher ist das Unterpfand unsres Erbes,
zu unsrer Erlösung,
dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.
II.
Liebe Gemeinde,
wer es fassen kann, der fasse es.
Wer es aber schwer fassen kann,
der lasse es sich einfach gesagt sein:
Du Mensch, „Christ-Kind“ gehörst nicht Dir selbst.
Du gehörst Gott:
Du bist erwählt, befreit, geliebt.
Du bist sein.
Ja: Ich bin sein, er ist mein.
Diese Wendungen, erinnern wir uns?,
kennen wir aus der Poesie der Liebe.
Auf die Frage, was ist es genau,
das Du an ihm, an ihr liebst,
gibt es streng genommen,
nur zwei richtige Antworten:
Die eine ist das verblüffte Staunen,
zum Beispiel auf die Frage der Pfarrerin,
in den Augen des Bräutigams beim Traugespräch
und sein spontanes Antworten:
„ALLES!“
Die andere ist:
das nicht enden wollende Aufzählen der Wunder,
die der Liebende am Gegenstand seiner Liebe entdeckt.
So wie Thomas Mann beispielsweise in seinem Roman Der Zauberberg
den jugendlichen Liebhaber Hans Castorp seitenlang, ohne Punkt und Satzende,
über die unvergleichlichen Vorzüge seiner Geliebten
fabulieren lässt,
so findet dieser Briefschreiber
keinen Halt im Staunen über die Liebe,
die ihn mit dem Geliebten, mit Gott verbindet,
bzw. Gott mit ihm:
Der Predigttext für Trinitatis ist der längste aller Sätze
im griechischen Original des Neuen Testaments.
So überwältigt und erfüllt von der Liebe:
Gott ist Liebe,
wer in der Liebe bleibt,
der bleibt in Gott
und Gott in ihm.
Ja, Amen so ist es, eigentlich könnte es ganz einfach sein…
Und uneigentlich?
Uneigentlich stirbt auch an diesem Tag der Fülle, des Lichts und des Lebens alle 5 Sekunden ein Kind an Hunger.
Uneigentlich erfahren wir nicht nur in den Nachrichten,
nicht nur von Ferne,
sondern im Alltag
und ganz in der Nähe:
Leere und Dunkel und Tod:
Da wird ein Schüler ausgegrenzt
eine Jugendliche überfallen,
dort trennt sich schon wieder ein Ehepaar,
hier ereilt den guten Freund
in der Mitte des Lebens: die Krebsdiagnose.
Teilnahmslosigkeit breitet sich aus wie ein Ölteppich im Wasser,
soziale Gräben werden breiter…
Wir spüren, dass vieles so nicht weitergehen kann…
und dann doch wieder einfach so weitergeht:
im Umgang der westlichen Welt mit ihren Rohstoffen,
im Umgang der westlichen Welt mit ihrem Geld - den Reichen,
im Umgang der westlichen Welt mit ihren Armen,
im Umgang der westlichen Welt mit ihren Kindern, Kranken, Alten…
Die große Dichterin der Evangelischen Theologie,
Dorothee Sölle, sagt in einem Gedicht,
in dem sie dem Lobpreis Gottes, persönlich betrachtet, das Recht abspricht:
Außerdem hätte ich nichts gegen Gott,
wenn er sich an seine Versprechen hielte.
(gefunden in: a+b, 10/2012, 6)
III.
Eigentlich könnte alles ganz einfach sein –
aber ist es oft nicht.
Wie die großen theologischen Köpfe der ersten Jahrhunderte
sich den Kopf zermartert haben: über die Trinität Gottes -
und bisweilen in gewaltige, auch gewalttätige Konflikte gerieten,
so quälen wir uns, können es nicht lassen, die Frage nach dem Leiden zu stellen…
und nehmen, wo es gut geht, Zuflucht bei dem Gekreuzigten.
In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut…
Die großen theologischen Köpfe der ersten Jahrhunderte wurden,
wie es scheint, nicht müde, Antworten zu suchen
auf die Frage:
wie geht es in Gott selbst zu,
wie genau ist er nun in sich eins als dies:
Vater, Sohn und Heiliger Geist?
Die großen theologischen Köpfe der letzten Jahrhunderte wurden nicht müde,
Antworten zu suchen auf die Frage:
wie ist Gottes vollkommene Güte
vereinbar mit dem tagtäglichen Leid seiner Geschöpfe?
Man muss da, wo es schwer wird,
beginnen, Gott zu loben…
diesen Satz habe ich kürzlich von jemandem gehört, der es schwer hat.
Mich hat das sehr beeindruckt.
Es beschäftigt mich:
Da, wo es schwer wird, beginnen, Gott zu loben…
Könnte das Lob gerade in schwierigen Zeiten Zuflucht sein?
Ist es etwas Großes,
dass die Engel Gott loben?,
hat Gerhard Tersteegen gespottet.
Nein, antwortet er selbst,
denn wenn wir an ihrer Stelle wären,
würden wir es auch tun –
aber ich meine, dass Hiob auf seinem Misthaufen Gott lobte,
das war etwas Großes und dieses Lob gefiel Gott besser
als das Lob der Engel.
Eigentlich könnte alles ganz einfach sein…
Wer anfängt zu loben,
hört jedenfalls auf zu jammern,
kreist nicht länger um sich selbst,
beginnt Gott als Mitte zu nehmen.
Er beginnt, Gott zu danken,
blickt vom „Misthaufen“ weg, zum Himmel empor.
Der Horizont weitet sich und das Herz auch.
Ob wir das in der langen Zeit, die nach dem heutigen Sonntag ihren Namen hat, also bis zum 22. Sonntag nach Trinitatis,
zumindest immer mal wieder,
mit frischem Mut,
ausprobieren?
Ich denke an eine Freundin,
die die wunderbare Gabe hat,
wie man sie in unseren Breiten nicht oft findet,
viel und oft zu loben,
manche würden sogar sagen:
euphorisch oder gar manisch:
Wenn ich nur eine Kleinigkeit kochen konnte,
schwärmt sie,
wie lecker es doch wieder ist, bei mir,
wie gemütlich und wie schön, dass man zusammen sitzt und Zeit hat.
Wenn meine Kinder nur kurz „Hallo“ sagen,
macht sie Komplimente, wie hübsch sie sind, wie nett
und wie großartig es doch ist, vier Kinder zu haben.
Als ich Susanne kaum kannte, konnte ich gar nicht glauben,
dass das wirklich echt ist.
Die will mir nur schmeicheln, dachte ich.
Mit der Zeit aber wurde mit klar,
dass Susanne einfach so ist –
und das tut gut.
Loben tut gut. Gotteslob tut besser:
Es verändert die Wahrnehmung, verbreitet Licht:
Licht, das von oben kommt.
„Loben zieht nach oben!“ (Anmerkung einer Frau aus meinem Besuchsdienst)
Wissenschaftler fanden heraus,
dass schon beim Singen fröhlicher Melodien
Glückshormone ausgeschüttet werden.
Loblieder verändern das Leben.
Eine Kollegin erzählt von ihrer Arbeit auf einer Krebsstation, dass das kleine Mädchen, das singt und sich dreht und tanzt,
auf einmal ganz woanders ist
als in der Welt der Chemos und Bestrahlungen.
(vgl a+b 10/2012)
Trinitatis,
das Fest der Fülle Gottes lädt ein,
das Leben wie ein Loblied anzustimmen,
trotz allem immer wieder und
darauf zu vertrauen,
dass Gottes Weisheit alles umschließt:
Glück und Leid,
Leben und Sterben
Anfang und Ende…
Am Ende sind wir noch immer bei IHM, denn
In ihm seid auch ihr,
die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt
nämlich das Evangelium von Eurer Seligkeit –
in ihm seid auch ihr,
als ihr gläubig wurdet,
versiegelt worden mit dem Heiligen Geist,
der verheißen ist,
welcher ist das Unterpfand unsres Erbes,
zu unsrer Erlösung,
dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.
Amen.
Liebe Gemeinde,
eigentlich könnte alles so einfach sein…:
Wir feiern Trinitatis –Fest des dreieinigen Gottes!
Wir feiern unseres Gottes vollkommene Fülle: drei in eins…
und tun das in der schönsten Jahreszeit,
zwischen Frühling und Sommer.
Draußen grünt und blüht es, dass es eine Lust ist;
die Sonne wärmt die nackte Haut.
Die Luft vibriert vom natürlichen Klang…
und wir könnten uns ganz fallen lassen:
in die Schönheit Gottes, die unendliche Farbigkeit seiner Schöpfung,
seine Güte am Morgen besingen,
seiner Gegenwart bei jedem Wimpernschlag in den eintausend vierhundert vierzig Minuten des Tages vertrauen,
seiner Heiligkeit uns überlassen, wenn wir den Tag beschliessen.
Ja - wir könnten uns hingeben, ganz und gar,
dieser Liebe, die uns gilt:
von Ewigkeit zu Ewigkeit,
größer als alles, was vorstellbar ist:
Vater, Sohn und Heiliger Geist –
lautet unsere mitunter sperrige Formel,
um gedanklich in den Griff zu bekommen,
was ja nicht in Griff zu kriegen ist –
das Geheimnis Gottes:
der für uns als Schöpfer, Erlöser, Vollender,
Ursprung, Befreiung, Begleitung da ist.
Trinitatis – das ist kein römischer Mädchenname,
kein überflüssiger Sonntag im Kirchenjahr,
auch kein Objekt theologischer Spitzfindigkeiten,
wie Jahrhunderte lang in unserer Kirchengeschichte.
Trinitatis ist: Gott für uns,
Fülle des Lebendigen:
vor allem Anfang,
jeden Moment
wie für die Ewigkeit.
Diesem Gott für uns gibt sich der Verfasser unseres heutigen Predigttextes hin.
Er tut das in jenem unbeschreiblichen Überschwang,
aus dem ein Johann Sebastian Bach seine Toccata und Fuge komponiert oder ein Villard de Honnecourt als Baumeister der Kathedrale von Chartres wirkt.
Ein namenloser Schüler des Apostels Paulus ist überwältigt von Gott -
und schreibt überwältigend.
Versuchen Sie, liebe Gemeinde,
nun vielleicht auch wie in einer gotischen Kathedrale
oder wie wenn Bachs Werk erklingt,
einfach wahrzunehmen,
die Worte perlen zu lassen,
für sich geschehen zu lassen:
Epheser 1, die Verse 3-14:
Gelobt sei Gott,
der Vater unseres Herrn Jesus Christus,
der uns gesegnet hat,
mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.
Denn in ihm hat er uns erwählt,
ehe der Welt Grund gelegt war,
dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten;
in seiner Liebe hat er uns dazu vorherbestimmt,
seine Kinder zu sein
durch Jesus Christus
nach dem Wohlgefallen seines Willens,
zum Lob seiner herrlichen Gnade,
mit der er uns begnadet hat in dem Geliebten.
In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut,
die Vergebung der Sünden,
nach dem Reichtum seiner Gnade,
die er uns reichlich hat widerfahren lassen
in aller Weisheit und Klugheit.
Denn Gott hat uns wissen lassen,
das Geheimnis seines Willens
nach seinem Ratschluss,
den er zuvor in Christus gefasst hatte,
um ihn auszuführen,
wenn die Zeit erfüllt wäre,
dass alles zusammengefasst würde in Christus,
was im Himmel und auf Erden ist.
In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden,
die wir dazu vorherbestimmt sind,
nach dem Vorsatz dessen,
der alles wirkt,
nach dem Ratschluss seines Willens;
damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit,
die wir zuvor auf Christus gehofft haben.
In ihm seid auch ihr,
die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt
nämlich das Evangelium von Eurer Seligkeit –
in ihm seid auch ihr,
als ihr gläubig wurdet,
versiegelt worden mit dem Heiligen Geist,
der verheißen ist,
welcher ist das Unterpfand unsres Erbes,
zu unsrer Erlösung,
dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.
II.
Liebe Gemeinde,
wer es fassen kann, der fasse es.
Wer es aber schwer fassen kann,
der lasse es sich einfach gesagt sein:
Du Mensch, „Christ-Kind“ gehörst nicht Dir selbst.
Du gehörst Gott:
Du bist erwählt, befreit, geliebt.
Du bist sein.
Ja: Ich bin sein, er ist mein.
Diese Wendungen, erinnern wir uns?,
kennen wir aus der Poesie der Liebe.
Auf die Frage, was ist es genau,
das Du an ihm, an ihr liebst,
gibt es streng genommen,
nur zwei richtige Antworten:
Die eine ist das verblüffte Staunen,
zum Beispiel auf die Frage der Pfarrerin,
in den Augen des Bräutigams beim Traugespräch
und sein spontanes Antworten:
„ALLES!“
Die andere ist:
das nicht enden wollende Aufzählen der Wunder,
die der Liebende am Gegenstand seiner Liebe entdeckt.
So wie Thomas Mann beispielsweise in seinem Roman Der Zauberberg
den jugendlichen Liebhaber Hans Castorp seitenlang, ohne Punkt und Satzende,
über die unvergleichlichen Vorzüge seiner Geliebten
fabulieren lässt,
so findet dieser Briefschreiber
keinen Halt im Staunen über die Liebe,
die ihn mit dem Geliebten, mit Gott verbindet,
bzw. Gott mit ihm:
Der Predigttext für Trinitatis ist der längste aller Sätze
im griechischen Original des Neuen Testaments.
So überwältigt und erfüllt von der Liebe:
Gott ist Liebe,
wer in der Liebe bleibt,
der bleibt in Gott
und Gott in ihm.
Ja, Amen so ist es, eigentlich könnte es ganz einfach sein…
Und uneigentlich?
Uneigentlich stirbt auch an diesem Tag der Fülle, des Lichts und des Lebens alle 5 Sekunden ein Kind an Hunger.
Uneigentlich erfahren wir nicht nur in den Nachrichten,
nicht nur von Ferne,
sondern im Alltag
und ganz in der Nähe:
Leere und Dunkel und Tod:
Da wird ein Schüler ausgegrenzt
eine Jugendliche überfallen,
dort trennt sich schon wieder ein Ehepaar,
hier ereilt den guten Freund
in der Mitte des Lebens: die Krebsdiagnose.
Teilnahmslosigkeit breitet sich aus wie ein Ölteppich im Wasser,
soziale Gräben werden breiter…
Wir spüren, dass vieles so nicht weitergehen kann…
und dann doch wieder einfach so weitergeht:
im Umgang der westlichen Welt mit ihren Rohstoffen,
im Umgang der westlichen Welt mit ihrem Geld - den Reichen,
im Umgang der westlichen Welt mit ihren Armen,
im Umgang der westlichen Welt mit ihren Kindern, Kranken, Alten…
Die große Dichterin der Evangelischen Theologie,
Dorothee Sölle, sagt in einem Gedicht,
in dem sie dem Lobpreis Gottes, persönlich betrachtet, das Recht abspricht:
Außerdem hätte ich nichts gegen Gott,
wenn er sich an seine Versprechen hielte.
(gefunden in: a+b, 10/2012, 6)
III.
Eigentlich könnte alles ganz einfach sein –
aber ist es oft nicht.
Wie die großen theologischen Köpfe der ersten Jahrhunderte
sich den Kopf zermartert haben: über die Trinität Gottes -
und bisweilen in gewaltige, auch gewalttätige Konflikte gerieten,
so quälen wir uns, können es nicht lassen, die Frage nach dem Leiden zu stellen…
und nehmen, wo es gut geht, Zuflucht bei dem Gekreuzigten.
In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut…
Die großen theologischen Köpfe der ersten Jahrhunderte wurden,
wie es scheint, nicht müde, Antworten zu suchen
auf die Frage:
wie geht es in Gott selbst zu,
wie genau ist er nun in sich eins als dies:
Vater, Sohn und Heiliger Geist?
Die großen theologischen Köpfe der letzten Jahrhunderte wurden nicht müde,
Antworten zu suchen auf die Frage:
wie ist Gottes vollkommene Güte
vereinbar mit dem tagtäglichen Leid seiner Geschöpfe?
Man muss da, wo es schwer wird,
beginnen, Gott zu loben…
diesen Satz habe ich kürzlich von jemandem gehört, der es schwer hat.
Mich hat das sehr beeindruckt.
Es beschäftigt mich:
Da, wo es schwer wird, beginnen, Gott zu loben…
Könnte das Lob gerade in schwierigen Zeiten Zuflucht sein?
Ist es etwas Großes,
dass die Engel Gott loben?,
hat Gerhard Tersteegen gespottet.
Nein, antwortet er selbst,
denn wenn wir an ihrer Stelle wären,
würden wir es auch tun –
aber ich meine, dass Hiob auf seinem Misthaufen Gott lobte,
das war etwas Großes und dieses Lob gefiel Gott besser
als das Lob der Engel.
Eigentlich könnte alles ganz einfach sein…
Wer anfängt zu loben,
hört jedenfalls auf zu jammern,
kreist nicht länger um sich selbst,
beginnt Gott als Mitte zu nehmen.
Er beginnt, Gott zu danken,
blickt vom „Misthaufen“ weg, zum Himmel empor.
Der Horizont weitet sich und das Herz auch.
Ob wir das in der langen Zeit, die nach dem heutigen Sonntag ihren Namen hat, also bis zum 22. Sonntag nach Trinitatis,
zumindest immer mal wieder,
mit frischem Mut,
ausprobieren?
Ich denke an eine Freundin,
die die wunderbare Gabe hat,
wie man sie in unseren Breiten nicht oft findet,
viel und oft zu loben,
manche würden sogar sagen:
euphorisch oder gar manisch:
Wenn ich nur eine Kleinigkeit kochen konnte,
schwärmt sie,
wie lecker es doch wieder ist, bei mir,
wie gemütlich und wie schön, dass man zusammen sitzt und Zeit hat.
Wenn meine Kinder nur kurz „Hallo“ sagen,
macht sie Komplimente, wie hübsch sie sind, wie nett
und wie großartig es doch ist, vier Kinder zu haben.
Als ich Susanne kaum kannte, konnte ich gar nicht glauben,
dass das wirklich echt ist.
Die will mir nur schmeicheln, dachte ich.
Mit der Zeit aber wurde mit klar,
dass Susanne einfach so ist –
und das tut gut.
Loben tut gut. Gotteslob tut besser:
Es verändert die Wahrnehmung, verbreitet Licht:
Licht, das von oben kommt.
„Loben zieht nach oben!“ (Anmerkung einer Frau aus meinem Besuchsdienst)
Wissenschaftler fanden heraus,
dass schon beim Singen fröhlicher Melodien
Glückshormone ausgeschüttet werden.
Loblieder verändern das Leben.
Eine Kollegin erzählt von ihrer Arbeit auf einer Krebsstation, dass das kleine Mädchen, das singt und sich dreht und tanzt,
auf einmal ganz woanders ist
als in der Welt der Chemos und Bestrahlungen.
(vgl a+b 10/2012)
Trinitatis,
das Fest der Fülle Gottes lädt ein,
das Leben wie ein Loblied anzustimmen,
trotz allem immer wieder und
darauf zu vertrauen,
dass Gottes Weisheit alles umschließt:
Glück und Leid,
Leben und Sterben
Anfang und Ende…
Am Ende sind wir noch immer bei IHM, denn
In ihm seid auch ihr,
die ihr das Wort der Wahrheit gehört habt
nämlich das Evangelium von Eurer Seligkeit –
in ihm seid auch ihr,
als ihr gläubig wurdet,
versiegelt worden mit dem Heiligen Geist,
der verheißen ist,
welcher ist das Unterpfand unsres Erbes,
zu unsrer Erlösung,
dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit.
Amen.
Perikope