Predigt über Galater 2, 16-21 von Markus Kreis
2,16

Predigt über Galater 2, 16-21 von Markus Kreis

Liebe Gemeinde,
eine Prinzessin lässt aus Versehen ihre geliebte goldene Kugel beim Hochwerfen und wieder Auffangen in einen tiefen Brunnen fallen. Sie scheint ihr unerreichbar verloren. Da kriecht ein Frosch aus dem Brunnen und bietet an, ihr die Kugel herauf zu holen. Sie muss ihm dafür versprechen, seine Spielkameradin zu werden und Tisch und Bett mit ihm zu teilen. Sie  willigt ein und als sie die Kugel in Händen hält, läuft sie davon und meint, sich ihrem Versprechen entziehen zu können. Doch der Frosch folgt ihr und auf Drängen ihres Vaters bekennt sie sich zu ihrem Versprechen und dem widerlichen Tier. Als jedoch der Frosch zur Nacht einfordert, dass sie ihn mit in ihr Bett nehmen solle, ist ihre Abscheu so groß, dass sie das Tier an die Wand wirft. Im gleichen Augenblick verwandelt sich der Frosch in einen Prinzen. Nach dem Willen ihres Vaters führt er die Königstochter als seine Gemahlin in einer Kutsche in sein Königreich.
Ja, so sind wir Menschen, auch wenn wir weder adelig noch Kinder sind, sondern Erwachsene und männlich, und dabei mehr oder weniger bürgerlich. Wir sehen unser Leben am liebsten als Spiel, am besten im Grünen - und es erfreut uns ungemein, wenn wir merken, dass wir es mit Geschick spielen: egal wie hoch wir hinaus wollen, und ob wir das schaffen oder nicht – das Leben fällt uns stets in den Schoß zurück.
Wir haben es im Griff, das Leben, sogar mit Leichtigkeit. Unser persönliches Geschick im Sinne von Geschicklichkeit nimmt einen sehr hohen Platz auf der Skala ein. So hoch, dass uns die andere Bedeutung des Wortes namens Schicksal gar nicht mehr in den Sinn kommt. Das Schicksal kann uns nur in die Hände spielen.
Manchmal kommt es anders. Dann spielt das Leben mit uns. Dann fehlt uns das Geschick, sei es die Geschicklichkeit oder seien es die günstigen Umstände. Dann geht die innere und äußere Balance flöten. Und mit ihr geht unser Leben verloren. Was vorher so leicht fiel, entzieht sich in unendliche Ferne. Aus Geschick wird Missgeschick oder Unvermögen oder beides. Der zuvor grüne Garten wird zur graubraunen Einöde. Wir brüten in Schwermut statt leicht herum zu schweben. Wir verlieren unser altes Leben und damit alles Spielerische.
Keine Rettung in Aussicht, kein neues, schönes, spielerisches Leben! Himmel hilf! Und er hilft - doch in welcher Gestalt: einerlei, ob gekreuzigter Christus oder Frosch, schön anzusehen ist der nahende Retter nicht. Aber er hilft. Man sieht gar nicht, was und wie es der Helfer drunten im Grund anstellt, merkwürdig.
Doch Not kennt kein Gebot: wenn das Leben mit einem kurzen Prozess machen will, dann lässt man sich auch auf einen Handel mit zwielichtigen undurchsichtigen Mächten ein. Am Ende jedenfalls ist die goldene Kugel nicht unwiederbringlich verloren, das spielerische Leben ist wieder da.
Doch alles im Leben hat seinen Preis. Und bei mancher Ausgabe ist nicht abzusehen, ob wir uns dabei einen Totalverlust einhandeln - oder ob es darum geht Kosten zu begleichen, die zu einem Gewinn führen können. Der widerliche Frosch verlangt von der Prinzessin bei erfolgreicher Tat, als Spielkamerad anerkannt zu werden. Er will mit ihr zusammen zu leben, sozusagen ganz privat und zweisam. Und auch der Gekreuzigte verlangt nichts anderes: Lebe mit mir und dem Geheimnis, dass ich aus dem Verborgenen heraus wirke! V.20!
In so einer Situation wird in jedermann und in jederfrau ganz schnell die Prinzessin wach. Und der und die denken sich ihren Teil: „Was kann der mir schon wollen? Das kann doch gar nicht gehen! Irgendwie werd ich mich da schon rausziehen können, Versprechen hin oder her.“ 
Und die Prinzessin in uns denkt sich nicht nur ihren Teil, sie handelt auch danach, sie entzieht sich und macht die Flatter. Fällt ihr auch leicht, die Flatter zu machen, mit dem gerade neu gewonnenen spielerischen Leben. Versprochen – gebrochen - egal.
Liebe Gemeinde,
das ist sündige, weil eigenmächtige, Gesetzlichkeit. Wir lassen uns freiwillig auf Vereinbarungen ein, versprechen mal dieses, mal jenes. Und dann spielt uns das Leben so mit, dass wir Versprechen nicht mehr halten können oder wollen - obwohl wir uns daran halten müssten. Dann ist uns auch egal, ob es sich beim Versprechen um einen Vorgesetzten handelt, oder um einen Kollegen, um einen Ehe- oder Geschäftspartner, um Freunde oder die eigenen Kinder. Dann ist uns gleich, ob es um Mitchristen oder um Gott im Gekreuzigten geht.
Wenn wir uns nicht an Versprechen halten können, dann setzen wir uns an die Stelle des Frosches und Gottes als Gesetzesmacht. Dann agieren wir eigenmächtig, gern im Geheimen und Verborgenen, so dass man nichts mitbekommt.
Wir tun nur so, als würden wir die Vereinbarung erfüllen, eigentlich versuchen wir, uns dem Erforderlichen zu entziehen. Wir lenken ab, leiten Abwehrmaßnahmen ein, unterlassen heimlich Hilfepflichten, was auch immer.
Oder wir interpretieren die Vereinbarung um, untersuchen, was im Wortlaut des Versprechens noch alles an Bedeutung stecken könnte. Wenn wir einen offenen Wortlaut entdeckt haben, an dem wir die Sache wenden können, wie es uns in den Kram passt, dann pochen wir laut auf unser Recht. Damit erschaffen wir unser eigenes Gesetz, nur um uns aus der Sache heraus zu winden, um uns selbst zu rechtfertigen.
Das ist sündige, eigenmächtige, Gesetzlichkeit. Um Vergebung zu bitten, fällt uns erst gar nicht ein, obwohl das ja eine Möglichkeit wäre - aber der Gesichtsverlust, und nicht nur der, es droht je nach dem noch anderer Schaden. Das gleiche gilt auch für die umgekehrte Möglichkeit: Vergebung zu gewähren. Da beharren wir lieber auf Erfüllung des Versprochenen, nur ja keine Schwäche zeigen - sonst bekomme ich das, was ich will, nie im Leben erfüllt.
Die größte sündige und eigenmächtige Gesetzlichkeit, die wir begehen, ist folgende: wir unterschieben Gott mehr oder weniger bewusst, dass er den gleichen willkürlichen Umgang mit der Gesetzesmacht pflegt wie wir Menschen. Wir nehmen mehr oder weniger heimlich an, dass Gott sein Gesetz der Gnade und Vergebung missachtet. Wir unterstellen ihm stattdessen, dass er heimlich zu Rache und Gegenschlägen greift. Oder dass er uns mit neuen einklagbaren Ansprüchen verfolgt.
Eigentlich müssten wir erkennen: Die Ausgaben für das Ausleben unserer sündigen Gesetzlichkeit sind ein Totalverlust - null, niente, nada, das bringt nichts. Kurzfristig mögen sie uns als Gewinn erscheinen, kurzfristig können wir die Ausgaben als Kosten sehen, mit denen ein zukünftiger Gewinn verbunden ist. Doch wir zeigen uns uneinsichtig und irgendwann geschieht es: V.17
Zum Glück folgt Gott im Gekreuzigten seinem gnädigen Gesetz der Vergebung und nicht irgendeiner eigenmächtigen Gesetzlichkeit. Wie der Frosch bei der Prinzessin bleibt uns Gott im Gekreuzigten mit seinem Geheimnis auf der Spur. Da hilft uns kein Davonlaufen, kein heimliches und kein offenes. Gott in Christus macht sich uns zum Spielkameraden, ob wir wollen oder nicht! Ob wir unentschieden sind oder gleichgültig, oder misstrauisch: Gott drängt sich uns auf mit seinem Gesetz von Gnade und Vergebung.
Und das unabweisbar, wie wir bei der Prinzessin, bei Paulus, bei Mitchristen und vielleicht in unserem Leben schon bemerkt haben. Das ist Gottes gnädiges Gesetz der Vergebung Er lässt sich als Frosch und strafende Gesetzesmacht vernichten  - von unsrer Prinzess´chennatur. Da vergibt sich Gott nichts, dazu hat er genügend schöpferische Macht und Weitblick, um im Märchen die Wand und im wahren Leben die Wandlung zu meistern. Und er zeigt sich im Gekreuzigten als Prinz und gnädige Gesetzesmacht, als Bewährungshelfer und Persönlichkeitsbildner. 
Gottes  Gesetz der Vergebung wird uns zum Spielkameraden. Er lässt uns wie durch ein Wunder erkennen, dass hinter dem Frosch in Wahrheit ein Prinz steckt, hinter dem Gekreuzigten in Wahrheit eine vergebende und Persönlichkeit erneuernde Gesetzesmacht.
Als Opfer hoffen wir im Blick auf Gottes Gesetz der Vergebung zweierlei zu Recht: dass hinter der Bitte des Täters um Vergebung wahre Einsicht und Reue steckt. Und dass wir als Opfer genügend Stärke finden, das Erlittene zu verkraften.
Im Blick auf Gottes Gesetz der Vergebung hoffen wir als Täter zu Recht ebenso zweierlei: dass unser Opfer über genügend Stärke verfügt, um das Erlittene u verkraften oder gar daran zu wachsen. Und dass wir als Täter genügend Energie aufbringen, das Zugefügte irgendwie gut zu machen.
Ein drittes noch: Menschen sind schöpferisch, nicht nur in böser Absicht, nicht nur durch Zerstörung. Zuweilen finden und stellen wir Menschen zu Recht Ansprüche, die das vereinbarte alte Versprechen übersteigen. Unser Gegenüber ist jedoch davon überrascht und überfordert, fühlt sich hintergangen, gedemütigt, sieht das neue Recht nicht ein. Dazu Beispiele:
So wie es der europäische Adel vor ca. 200 Jahren unmöglich fand, dass gleiches Recht für jedermann und gelten solle. Dass das auch für jede Frau gelte, kam 100 Jahre später, unter ähnlichen widrigen Begleitumständen. Aber auch  wie Arbeitnehmer sich durch die Erfindung und Einführung neuer hilfreicher Technologien herausgefordert sehen. Was die Kommunikationstechnologie angeht, gilt das sogar für den Freizeitbereich und nicht nur für das Arbeitsleben. Ähnliche überraschende Ansprüche mag es im Bereich des persönlichen Zusammenlebens geben.
Gottes gnädige Gesetzesmacht der Vergebung steht auch dafür, diesen Wandel zu bewerkstelligen. Gott ist durch nicht überfordert. Wie auch, hat er im Gekreuzigten doch den Wandel von Tod zum Leben vollbracht.      
Die sündige eigenmächtige Gesetzlichkeit ist uns durch Gottes vergebende Gesetzesmacht im Gekreuzigten verwehrt. Wenn wir ihr nachhängen, dann sind wir dafür selbst verantwortlich. Diesen Totalverlust  können wir nicht dem allmächtigen Gott im Gekreuzigten in die Schuhe schieben. Seine allmächtige Vergebung arbeitet nicht ohne unseren selbstständigen Willen. Und unser Wille will manchmal lieber alleine – selber - ohne Gottes vergebende Gesetzesmacht. Dieses Denken und Tun entspringt eigenmächtiger Gesetzlichkeit: V.18 + 19.
Gottes Gesetz der Vergebung wird uns zum Spielkameraden im Geschick, im Leben. Er hilft unserer persönlichen Geschicklichkeit auf und steht uns in unserem Schicksal bei, egal, ob uns das Leben uns mit seinen Umständen gerade gut oder böse mitspielt.
So müssen wir weder an eigenem Ungeschick zu Grunde gehen, noch an widrigen Umständen. Das hat für uns bereits der getan, der hinab gestiegen ist in das Reich des Todes und am 3. Tage auferstanden. So können wir im Unvermögen neue Fähigkeiten in uns entdecken und wachsen. In widrigen Umständen können wir neue Chancen sehen, unser Leben in der Welt zu bewältigen, gegebenenfalls mit neuer spielerischer Leichtigkeit. Amen.