Predigt über Galater 5, 25-26; 6, 1-3.7-10 von Bert Hitzegrad
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Predigt über Galater 5, 25-26; 6, 1-3.7-10 von Bert Hitzegrad

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Brief an die Galater im fünften und sechsten Kapitel: (Gal 5, 25-26; 6, 1-3.7-10 - Übersetzung: Hoffnung für alle)
„Durch Gottes Geist haben wir neues Leben, darum lasst uns jetzt auch unser Leben in der Kraft des Geistes führen! Wir wollen nicht mit unseren vermeintlichen Vorzügen prahlen und dadurch Kränkungen und Neid hervorrufen.
Brüder und Schwestern, wenn einer von euch vom richtigen Weg abkommt, dann sollt ihr, die von Gottes Geist geleitet werden, ihn liebevoll wieder zurechtbringen. Seht aber zu, dass ihr dabei nicht selbst zu Fall kommt.
Jeder soll dem anderen helfen, seine Last zu tragen. Auf diese Weise erfüllt ihr das Gesetz, das Christus uns gegeben hat.
Wer sich einbildet, besser zu sein als die anderen, der betrügt sich selbst.
Glaubt nur nicht, ihr könntet euch über Gott lustig machen! Ihr werdet genau das ernten, was ihr gesät habt.
Wer sich nur auf sich selbst verlässt, den erwartet der ewige Tod. Wer sich aber durch den Geist Gottes führen lässt, dem wird Gott das ewige Leben schenken.
Werdet nicht müde, Gutes zu tun. Es wird eine Zeit kommen, in der ihr eine reiche Ernte einbringt. Gebt nur nicht vorher auf!
Solange uns noch Zeit bleibt, wollen wir allen Menschen Gutes tun; vor allem aber denen, die mit uns an Jesus Christus glauben.”
Und Gott segne, dieses sein Wort an uns und lasse auch durch uns zu einem Segen werden.
Liebe Gemeinde! Das Leben könnte so einfach sein. Wir stellen uns hinein in den Strom der Liebe Gottes und lassen ihn durch uns hindurch fließen. Wir wären wie ein römischer Brunnen, dessen Brunnenschalen sich mit Wasser füllen. Und so, mit dem frischen klaren Wasser von oben gefüllt, gibt jede Brunnenschale ab, und füllt mit der überfließenden Menge die nächste, die wiederum ihr Wasser abgibt und so die nächste füllt ... und  weiter und so weiter. Und natürlich reicht das Wasser für alle, die Schalen sind gefüllt, mehr können sie gar nicht aufnehmen und geben den Überfluss an andere weitere.
Das Leben könnte so einfach sein. Und doch strömt es nicht so, wie wir uns das wünschen.  Die Brunnenschalen halten fest, was sie bekommen, der Überfluss versiegt in Neid und Angst - ich könnte zu wenig bekommen, die anderen zu viel. Das Wasser, das lebendige, das lebensschaffende und erhaltende Wasser verliert seinen Fluss, wird gebremst, kommt dort nicht mehr an, wo es dringend gebraucht wird.
Das Leben könnte so einfach sein. Und es war einfacher - in der Ferienzeit, im Urlaub als die Termine nicht drückten und die Seele einfach baumeln konnte. Da war der Fluss, der Überfluss zu spüren. Da war der lebendige Gott ganz nah.
Und nun, in den Tagen danach, wie ausgebremst. Die ersten Termine, das geplatzte Geschäft, die mahnenden Worte des Chefs. Nach Feierabend sollten die Akten aufgearbeitet werden - und die Familie wartet. Und schon ist er verebbt, der lebendige Strom, der das Leben leichter machen sollte: „Wir nehmen uns Zeit für das gemeinsame Abendbrot, statt des Fernsehprogramms gibt es einen Spieleabend, wir bringen die Kinder gemeinsam ins Bett - so wie in den Ferien, so wie in der Zeit, die uns gut tat ...”
Das Leben könnte so einfach sein, und wir werden so schnell aus der Bahn geworfen.
Dann scheint es so, als ob wir von allen guten Geistern verlassen sind - und wir haben doch „durch Gottes Geist neues Leben”!
Das, was so einfach klingt, das, was so ohne Druck und Moralin das Leben bestimmen könnte, kommt dort nicht an, wo es gebraucht, versiegt in dem krampfhaften Bemühen, das kleine Leben zu leben.
Leben Christen anders als diejenigen, die Gottes Geist nicht haben? Ist bei ihnen etwas von dem Überfluss des lebendigen Wassers, das Gott schenkt, zu spüren?  Wer in ihrer Nähe ist, wird er gefüllt von dem Reichtum der Gnade Gottes? Strahlt etwas von der Barmherzigkeit hindurch auf die, die im Schatten dieser Welt leben?
Das sind die ewig alten Fragen danach, ob denn Erlöste auch zur Erlösung dieser Welt beitragen. Ob denn derjenige, der Liebe in seinem Leben erfährt, auch Liebe verschenken kann. Sein und Tun, Leben und Handeln, Empfangen und Geben ... Wie einfach könnte das Leben sein, wenn der Brückenschlag gelingen würde.
Müsste die Geschichte der Christen nicht eine Erfolgsgeschichte sein einer zunehmend friedlichen und Gott wohlgefälligen Welt? Aber wo ist das Ende der Kriege, die nach zähen Friedensverhandlungen keinen Nährboden mehr haben? Wo ist die Wende in der Politik, um den Ausstieg aus der lebensbedrohlichen und die Schöpfung zerstörenden Energiegewinnung voranzutreiben? Wo ist das Veto beim Börsengang für Getreide, Mais oder Milch? Mit Produkten, die das Leben sichern, mit Lebensmitteln wird spekuliert und auf der Strecke bleiben die, deren Brunnenschale am untersten Ende sich nicht mehr füllt, weil oben bereits der Überfluss abgeschöpft wurde ...
Und wo ist der Platz für die Flüchtlingsfamilie, die nicht irgendwo in einem Asylantenheim hinter Zäunen abgeschirmt wird, sondern in der Nachbarschaft, in der Schule, am Ort integriert ist? Wo bekommt der Erstklässler aus der Hartz-IV-Familie Hilfe, damit er wie die anderen die notwendigen Bücher, Stifte und den Ranzen zur Einschulung hat. Wo ist die Kirchengemeinde, die seiner Schwester und vielen anderen, die Förderung brauchen, das Gemeindehaus öffnen und Kurse und Betreuung und Unterstützung anbieten?
Wo?
Natürlich, wir wollen der Resignation nicht Tor und Tür öffnen. Es gibt viele gute Ansätze. Es gibt das Plätschern des Brunnenwassers, das müde und kranke Seelen erfrischt. Aber immer noch viel zu wenig. Und so wenig selbstverständlich.
Neue Projekte werden in Hochglanzbroschüren vorgestellt. Gemeindeinnovationen im Internet als „Best Practice” beschrieben. Das ist neues Leben durch Gottes Geist. Uns geschenkt, nicht um zu prahlen oder Neid hervorzurufen, sondern um füreinander da zu sein, Lasten zu tragen, den unendlich ewigen Strom des Lebens für diese Welt zu öffnen.
Warum gelingt es uns so wenig, uns und unser Leben in diesen Strom zu stellen? Warum ist das Leben nicht so leicht, wie es sein könnte?
Weil wir uns mehr zutrauen als Gott selbst und immer wieder scheitern? Weil wird doch von dieser Welt sind, weil der Geist dieser Welt uns weiterhin bestimmt so lange wir Kinder dieser Erde sind? Weil wir nicht genügen hoffen, nicht genügend kämpfen, weil wir immer wieder falsche Kompromisse eingehen und nach unseren Gesetzen leben und nicht nach dem Gesetz Christi?
Er, Jesus Christus, war jemand, der sich ganz und gar dem Lebensstrom Gottes ausgesetzt hatte. Er wurde klein und gering, obwohl wir immer wieder nach Macht und Größe schielen. Er hat die faulen Kompromisse entlarvt, die Wechsler aus dem Tempel geworfen und denjenigen, die mit Höchstleistungen Gottesnähe suchten, Gottesferne bescheinigt. Er hat Lasten mitgetragen, Schwache und Gebeugte aufgerichtet und Trennendes verbunden. „Dir sind deine Sünden vergeben!” - mit diesen Worten hat er Menschen überrascht und aus der Fülle seiner Barmherzigkeit ausgeschenkt. Und schließlich ist er nicht den Weg des geringsten Widerstandes oder des größten Erfolges gegangen, sondern den der Liebe, den Weg im Geiste Gottes. An seinem Leiden und Sterben merken wir, wie weit wir entfernt sind von seinem Weg, von dem Gesetz Christi. Doch seine Auferstehung lässt uns den frischen Wind des neuen Lebens einatmen. Wir dürfen den Geist Gottes spüren - in all unserer Schwachheit und Unvollkommenheit. Aber wir haben auch jemanden, der mitträgt, an unseren Lasten, der auch uns aufrichtet, weil wir wieder einmal gescheitert sind, weil unser Sein in Christus nicht dem Tun in Christus entsprach, weil wir nicht den Himmel offen sahen, sondern nur unser Herz verschlossen haben, weil wir Freiheit wünschten und uns für die Unfreiheit entschieden.
Wie einfach könnte das Leben sein. Doch wir ernten, was wir sähen. Und den Reichtum der Ernte, die Gott uns schenkt haben unsere engen Herzen noch längst nicht im Blick.
Jetzt gerade im September ist Erntezeit. Ein Gleichnis sagt uns was passieren könnte, wenn wir mit unseren Gaben uns in den überfließenden Strom der Gnade Gottes stellen würden. 
„Ein Bauer bestellt im Frühjahr liebevoll seinen Acker. Er bringt das kostbare Saatgut in die Erde. Er wartet Regen und Sonne ab. Das Korn reift. Es wird eine gute Ernte. Der Bauer schneidet das Korn, drischt es und füllt den Ertrag in Säcke. Er hat gut geerntet und ist reich beschenkt. So fährt er fröhlich nach Hause.
  
  Da - so erzählt die Legende - tritt Gott an ihn heran und sagt: "Bauer, du hast reich geerntet. Gib mir dein Korn, ich will etwas daraus machen!" Der Bauer denkt erschrocken: "Mein Korn, meine ganze Habe Gott geben, das geht zu weit! Nachher verschenkt er es noch an andere, die gar nicht gesät haben."
  
  Aber er bindet einen Sack auf, sucht ein winziges Korn heraus und gibt es Gott. Der drückt das Körnlein an sein Herz, und, von der Liebe Gottes durchglüht, verwandelt sich das Weizenkorn in reines Gold. So gibt Gott es dem Bauern zurück und sagt lächelnd: "Ich schenke es dir, mach was daraus!" Dann ist Gott verschwunden.
  
  Da schluchzt der Bauer laut auf und ruft: "Hätte ich doch Gott all mein Korn gegeben, wie reich wäre ich jetzt!" (Quelle unbekannt)
Ja, wie einfach könnte das Leben sein. Wie gut meint Gott es mit uns. Er gibt uns schon jetzt seinen Geist, reichlich und im Überfluss. Eigentlich würde es schon reichen, wenn wir uns ihm nicht in die Quere stellen. Glücklich werden wir aber, wo er uns verwandelt und durch  uns seine Welt! Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus zum ewigen Leben! Amen.