Predigt über Jeremia 23, 16-29 von Agnes Köber
23,29

Predigt über Jeremia 23, 16-29 von Agnes Köber

Liebe Schwestern, liebe Brüder!
  
  Was wünschen Sie sich vom Leben?
  Wenn ich mich an die Gespräche aus dem Jahr des Schulabschlusses erinnere, dann fällt mir als erster Wunsch ein: glücklich sein, Glück im Leben haben.
  Viel Glück, Erfolg und alles Liebe wünscht man sich in jungen Jahren zum Geburtstag.
  Mit zunehmendem Alter wird das „Glück“ konkreter: Familie, Gesundheit, Einkommen zum Auskommen. Glück ist etwas, was eigentlich jeden interessiert.
  Die Suche nach dem Glück wird zur Lebensaufgabe. So wundert es nicht, dass es eine ganze Glücksindustrie gibt: Glückskekse, Glücksbringer…  Man hört von Glückshormonen. Es gibt die Glücksforschung, es gibt eine Fülle an Büchern und Veranstaltungen zum Thema Glück. Daran ist zu erkennen, wie sehr die Leute auf der Suche nach Glück sind und auch, wie vielfältig und schwer zu fassen dieser Begriff ist. Wir lernen von Kindesbeinen an: Jeder ist seines Glückes Schmied, Glück und Glas, wie leicht bricht das…
  
  Umso erstaunter war ich, als ich kürzlich in Nordrhein-Westfalen an vielen Plakatwänden ansprechend grüne Werbeplakate hängen sah, auf denen eine Lotto GmbH wirbt.
  Unter anderem steht da drauf: „Ihr Glück bei uns in sicheren Händen.“
  Glück und sicher? Mein Glück in Händen eines Lotterieunternehmens? Um diesen Fragezeichen beizukommen, habe ich ein wenig recherchiert und herausgefunden:
  Diese Firma verwendet das Wort Glück sehr häufig: Sicheres Glückspiel. Die Zeitschrift dieser Firma heißt GLÜCK. Es klingt fast so, als ob diese Lotto-Firma sich als Garant für Glück versteht: „Wir haben für jeden sein Stück vom Glück“.
  
  Mir schwirrt der Kopf vor lauter „Glück“… Ich empfinde das als Verdrehung dessen, was man umgangssprachlich als Glück verstehen kann: erfüllte gelungene Beziehungen, tiefe Zufriedenheit, Dankbarkeit für den seelischen Zustand des  Wohlbefindens.
  
  In der Befremdung über diese Pervertierung des Begriffes entdeckte ich eine Brücke zum Predigtwort für den 1. Sonntag nach Trinitatis:
  
  16So spricht der HERR Zebaoth: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch; denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN.
  
  17Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen –, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.
  
  18Aber wer hat im Rat des HERRN gestanden, dass er sein Wort gesehen und gehört hätte? Wer hat sein Wort vernommen und gehört?
  
  19Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen.
  
  20Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen.
  
  21Ich sandte die Propheten nicht und doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen und doch weissagen sie.
  
  22Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren.
  
  23 Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?
  
  24 Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe?, spricht der HERR. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt?, spricht der HERR.
  
  25Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt.
  
  26Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen
  
  27und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, wie auch ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal?
  
  28Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen?, spricht der HERR.
  
  29 Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?
  
  In diesem Abschnitt aus dem 23. Kapitel des Jeremia-Buches geht es um wahre und falsche Propheten.  Wir befinden uns zeitlich im 5. und 4. Jahrhundert vor Christus in Juda, dem kleinen Königreich im Süden des heutigen Israel. Der Prophet Jeremia ist von Gott berufen, zu weissagen. Gott hat dem Propheten einiges zugemutet mit seinem Auftrag: Jeremia fühlte sich zu jung für diesen Auftrag – jedoch Gott lässt diesen Einwand nicht gelten und nimmt diesen jungen Mann in seinen Dienst um sein Volk vor einer drohenden Katastrophe zu bewahren.
  Dieses kleine Königreich sah sich bedroht von den Großmächten Assyrien, Ägypten und Babylonien und stand vor der Frage, mit wem es sich verbünden könnte, um bestehen zu können.  Die führenden politischen Kreise versuchten auf politische Bündnisse zu bauen und zu vertrauen und nicht der Macht und der Fügung Gottes.
  Dagegen erhebt Jeremia im Auftrag Gottes seine warnende Stimme. Ich sehe da eine lebendige Szene vor Augen: Da steht auf der einen Seite Jeremia, der den König vor gefährlichen Bündnissen warnt – auf der anderen stehen da andere, selbsternannte Propheten, die Heil verkündigten und den König in seiner Politik voll und ganz unterstützen. Sie berufen sich auf Gott, der ihnen seine Botschaft gegeben habe. Jeremia entlarvt sie aber als betrügerische Propheten, als Lügenpropheten, die ihre Botschaft nicht von Gott bekommen haben, sondern den Mächtigen nach dem Mund reden und dadurch für gute Stimmung im Land sorgen wollen.
  
  Aber Gott ist nicht nur ein naher, ein fürsorglicher Gott, der den Menschen zu Dienste steht, sondern auch ein eifernder, fordernder Gott. Das hat sein Volk in seiner Geschichte bereits schmerzhaft erfahren müssen. Das verkündigt Jeremia. Er will aufrütteln und vor der Gefahr warnen, die in der Gottvergessenheit lauert. Ein Gott, der auch auf Distanz zu seinem Volk geht, wenn dieses Volk ihn verlässt.
  Vertrauen auf irdische Mächte anstatt auf Gottes Macht und das Nicht-Hören-Wollen auf Gottes Botschaft hat dieses Volk damals schließlich in die Katastrophe geführt: es wurde nach Babylon ins Exil deportiert und Jerusalem mitsamt seinem prächtigen Tempel zerstört.
  
  Gott sagt von sich: Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?
  Gott ist nicht nur ein Gott, der sich als der Nahe zu erkennen gibt, sondern auch als einer, der Gott bleibt, auch wenn er ferne ist. Dabei ist es gleich, ob wir „das Weite gesucht“ haben oder ob Gott auf Distanz geht.
  
  Wo werden diese Worte für uns heute aktuell? Wir leben in der Gottesferne. Gott hat in vielen Alltagen keinen Platz mehr. Er wird in den meisten Fällen gar nicht bewusst ausgeschlossen, es passiert einfach so, dass andere Dinge wichtiger sind und man auf andere Stimmen eher hört als auf Gottes Stimme, z.B. in der Lektüre der Bibel. Denn morgens schläft man so lange es nur geht. Abends fällt man geschafft ins Bett. Im Verlauf des Tages nimmt einen Beruf, Familie, Ehrenämter sehr in Beschlag. Sonntagmorgen möchte man einmal ausschlafen. Alles nachvollziehbar und verständlich. Der Mensch erwartet, dass Gott ihn in seinem Denken und So-Sein bestätigt, immer zur Stelle ist, wenn man ihn braucht, aber sonst ja nichts fordert oder Ansprüche stellt.
  
  Das kann dazu führen,  dass auch gläubige Menschen immer mehr den Bezug und Kontakt zu Gott verlieren und, rein „technisch“ gesehen, in die Gottesferne geraten. Dann muss nur mal was „Schlimmes“ passieren wie Krankheit oder Leid oder Unrecht, und schon sitzt der „liebe Gott“ auf der Anklagebank.
  
  Dass das so ist, „verdanken“ wir zum guten Teil den heutigen selbsternannten „Propheten“. Wo sind heute falsche Propheten anzutreffen?
  Man hört sie in den Medien, man sieht sie auf Plakatwänden, man trifft sie in verschiedenen religiösen Bewegungen an, in Gestalt von Gesundheitsaposteln, Versicherungsvertretern, in den Horoskopen, in der Wahrsagerei in ihren vielfachen Gestalten…
  Das sind all diejenigen, die uns suggerieren, dass wir Gott eigentlich gar nicht brauchen, dass wir ausschließlich auf uns selbst vertrauen sollen.  Das sind all jene, die uns glauben machen wollen, wir hätten das Glück selbst in der Hand, wie auch das Werbeplakat der Lotterie, die ihr Produkt das wahrhaft glückbringende anpreist. Da wird uns vorgegaukelt und glaubhaft versichert, dass das Glück mit Händen zu greifen ist. Es wird etwas suggeriert, was gar nicht möglich ist. Rein rational betrachtet, kann man den Machern dieser Werbekampagne gratulieren: bei der gegenwärtigen Glücksjagd haben sie den Nerv der Zeit getroffen.
  Und in Wirklichkeit stehen die Chancen auf den großen Lottogewinn 1: 140 Millionen… Das Glück macht die Lotterie mit den Einnahmen der vielen gutgläubigen Menschen. Und sollte das „Glück“ tatsächlich jemandem „hold“ sein:  bei Lotto geht es in erster Reihe um  Geld – und Geld allein macht bekanntlich nicht glücklich, weder die Betreiber von Lotterien noch die raren Gewinner.
  
  Daran sind die wahren und falschen Propheten zu erkennen: Jeremia litt unsäglich unter der Unheilsprophetie, die er im Auftrag Gottes auszurichten hatte. Sie brachte ihm Spott, Ausgrenzung, Verfolgung und massive Bedrohung. Mehrmals wurden Anschläge auf sein Leben verübt. Am liebsten hätte er geschwiegen. Er steht also mit seiner ganzen Existenz für die Wahrheit Gottes ein. Die Menschen, die Aufsehen erregen, von sich reden machen, sich als Heilsbringer ausgeben und damit gutes Geld verdienen, die erweisen sich dadurch als falsche, verführerische Propheten, die diese Bezeichnung gar nicht verdienen.
  
  Um ganz konkret zu werden: Sie fragen sich, wie Sie Glück erfahren können?
  Sparen Sie vier Wochen das Geld für die Tippscheine und gehen Sie in der Zeit mit offenen Augen durch das Leben. Sie werden bestimmt Menschen sehen, bei denen Ihr Geld besser angelegt ist:  laden Sie die einsame oder notleidende Nachbarin auf eine Tasse Kaffee ein. Oder beschenken Sie ein Kind aus ihrem Umfeld, oder jemand, der Ihnen das Leben schwer gemacht hat. Schenken Sie Zuwendung und sie werden staunen.
  Das entspräche dann auch unserem Auftrag als Christen, der Nachfolge Christi. Das würde bedeuten, dass wir Gottes Stimme hören, denn er spricht auch heute, wie er in Jesus Christus zu den Menschen gesprochen hat, im Besonderen  in der Verkündigung.
  Die Gottesferne, wie sie bei Jeremia beschrieben ist, bedeutet für uns: Gott vertrauen, auch dann wenn er scheinbar schweigt. Wenn das Navigationsgerät nichts sagt, fahren wir weiter auf der Vorfahrtsstraße und machen uns nur selten Gedanken darüber. So ähnlich können wir das auch halten, wenn wir Gott als unser Navi sehen: wenn er nicht spricht, weiter geradeaus.
  In Jesus Christus hat er aber diese Ferne überwunden. Er ist den Menschen nahe gekommen, hilft unterscheiden was Wahrheit und Lüge ist: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“.  Er ermutigt uns, nicht falschen Versprechungen zu vertrauen, sondern eben auf den lebendigen Gott. Auch dann, wenn er uns ferne zu sein scheint.
   
  Wer ihn erfahren hat, weiß, dass das mehr ist als Glück, das ist Glückseligkeit! Und das Schöne daran: Jeder von uns kann diese Glückseligkeit erfahren. Amen