Predigt über Jeremia 29, 1.4-7.10-14 von Joachim Hempel
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Domprediger Joachim Hempel, Braunschweig
 
Sms ist heute die Kurzvariante; E-Mail erfordert Tastenkunde - die Schnelligkeit unserer Kommunikation ist erstaunlich, faszinierend und fehlerbehaftet zugleich. Postkarte oder gar Brief, von Hand geschrieben mit Briefmarke versehen, der Postbeförderung und dem Briefträger anvertraut, ist vielen in der Tat nicht mehr vertraut, klingt nostalgisch - ist auch wirklich „von gestern“.
Aber: verliert der Mensch die Handschrift, verliert er ein Alleinstellungsmerkmal - vielleicht hat der Brief als Kommunikationsinstrument mit seinem besonderen Charme ja doch noch eine Chance.
Ganz früher brauchte es Boten, die liefen, rannten, die schriftliche Botschaft weiterreichten an den nächsten, Staffellauf ist so entstanden, nicht als Medaillendisziplin bei sportlichen Events, sondern als ‘neue’ Errungenschaft des Kommunizierens. Nachrichten waren schon immer begehrt, Informationen zu allen Zeiten notwendig, Grüße willkommen und Lebenszeichen hilfreich - fast so wie heute im Zeitalter des Mobilen “Wo bist’n du grade? - und “Wie is’n das Wetter bei euch?”
In den alten Zeiten hatten die Schreiben oder Briefe allerdings noch mehr Gewicht - was die Inhalte betraf; dazu war diese Form der Kommunikation doch noch zu beschwerlich, zu teuer, zu selten. Geschrieben wurde, wenn’s um Wesentliches, Existentielles ging, - um Wohl und Wehe, nicht nur persönliches Glück, sondern das Wohl ganzer Völker stand da oft auf dem Spiel.
Ein echter Klassiker ist der Brief, den Jeremia an die im Exil lebenden Landsleute schreibt. Es ist quasi eine Auftragsarbeit, die er da ausführt, denn von Gott stammt die Botschaft, die er notiert und auf den mühsamen Weg durch Wüsten, Steppen und an Flußläufen entlang nach Babylon sendet, wohin die gesamte Führungselite des Volkes Israel geschleppt worden war. Die Eroberer Jerusalems hatten einfach die Nase voll von diesem aufmüpfigen Völkchen am Rande der politischen Einflußsphäre, und hatten nach mancherlei Drohungen nun ernst gemacht. Und da saßen sie nun an den Ufern von Euphrat und Tigris und weinten sich die Augen rot.
Was für ein Ereignis: Post aus der Heimat!
Was aber erst für ein Ereignis: Der Inhalt der Post!
“Baut Häuser, wohnt, heiratet, arbeitet: Suchet der Stadt Bestes!!!!
Betet für eure Entführer; geht es ihnen gut, geht es auch euch gut. Richtet euch ein, die Zeit des Exils dauert länger, - die, die wegführt wurden, werden nicht wieder zurückkehren. Eine neue Generation wird das Glück der Heimkehr erfahren!”
Gottes Handeln in der Geschichte dient nicht vordergründigen Dingen, Exil meint Läuterung, Besinnung, Nachdenken, Beten. Exil meint neue Erfahrung machen angesichts erschwerter Umstände.
Jeremias Tintenkunst muß noch mehr notieren, wofür man ihn sicher nicht nur dankend loben wird: Von Verantwortung ist die Rede, von Verantwortung für unverantwortliches Reden und Tun, denn Gott beschreibt den Zusammenhang, der seinem Volk nach dem spektakulären Bundesschluß unter Mose eigentlich klar gewesen sein hätte müssen: Wer Gottes Wort hört, seinen Willen und seine Gebote kennt, sich gerne und ständig auf eine besondere Verheissung beruft, - dem - und vor allem seinen Führern politischer und geistlicher Autorität - sollte auch deutlich vor Augen sein, welche Verantwortung darin liegt, wenn es um die Konsequenzen daraus geht. Unser aller Tun ist ja nicht ohne Konsequenzen, nicht ohne Folgen, nicht ohne Kollaterales: Vom denkenden Menschen darf erwartet werden, dass er denkt; vom Gewissen darf erwartet werden,dass es sich meldet, vom Gefühl der Liebe darf erwartet werden, dass die Liebe nicht auf der Strecke bleibt: Ja, vom Menschen darferhofft werden, dass er vor allem menschlich ist - und das heißt,dem Leben, dem guten Leben, dem gelingenden Zusammenleben verpflichtet und verbunden!
“Wenn ihr mich sucht, nach mir fragt, wenn ihr von ganzem Herzen nach mir verlangt, - spricht Gott -, dann will ich mich finden lassen, denn ich hege Gedanken des Heils und nicht des Leids gegen euch!”
Dieser Briefinhalt verlangt nach Antwort, - nach Antwort im Alltag der Menschen; ein Antwortbrief ist nicht nötig, - hier gibt es noch einen anderen Weg des Kommunizierens, den Weg des Gebetes.
Dieses Gebet ist nicht etwa Formel oder Litanei, sondern Alltags-
sache, “Suchet der Stadt Bestes!” Hier geht es im paulinischen Sinn um den Gottesdienst im Alltag der Welt (Römerbrief). Gott wartet auf eine verläßliche Antwort, nicht auf Worttiraden. In einer Welt unzähliger Papiere, Resolutionen, Erklärungen und Aufrufe - gerade auch in kirchlichen Zusammenhängen - ist Gottes Ruf zu den ‘Basics’, den Wurzeln, den Grundlagen des gelingenden, gesegneten
Lebens die zukunftsweisende Herausforderung.
Nicht wir Menschen sind es, die angesichts Gottes Forderungen zu stellen hätten, sondern wir müssen unserer Verantwortung gewahr werden, die wir für uns anvertrautes Leben haben das eigene kostbar einzigartige Leben, das Leben derer, die Mit-uns-Menschen sind und der Schöpfung, die zu bebauen und zu bewahren wohl immer noch die beste aller Lebensvarianten beschreibt.
“Wer auf Gott vertraut, hat wohl gebaut, im Himmel und auf Erden.”
Prima, was in Holzbalken über die Türen alter Fachwerkhäuser geklopft wurde. Die Exilierten sollten es sogar über ihre Häuser an Babylons Flüssen schreiben, vor allem aber in Herz und Sinn. Das nennt Jeremia “Gewissensschärfung”.
Und seine Botschaft - auf welchem Kommunikationsweg auch immer sie uns Heutige auch erreicht - lautet: Du hast ein Gewissen, benutze es auch! - den Gott läßt dir durch mich sagen, was er von dir will,von dir, einem Gesegneten des Herrn.
Amen.
Perikope
28.10.2012
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