Predigt über Jesaja 55, 1-3b (3c-5) von Christiane Borchers
55,1
Liebe Gemeinde!
Süße Datteln, reife Oliven, milder Honig, guter Wein!
Kauft, Leute, kauft! Beste Ware, erste Qualität!
Kaltgepresstes Öl, frische Schafsmilch,
Ziegenkäse, Fladenbrot, würziger Koriander, Safran,
Kümmel und Dill, alles hier bei mir! Kauft, Leute, kauft!
Wer schon einmal einen orientalischen Obst- und Gewürzmarkt besucht hat - etwa in Istanbul oder in der Altstadt von Jerusalem - dem zieht der Duft der Köstlichkeiten in die Nase, die Sinne berauschen sich an den Obst- und Gewürzständen, an den Kräutern und dem frischgebackenen Brot. Das Auge sieht sich satt an den Farben und der Vielfalt. Es ist ein geschäftiges Treiben, die Händler bieten ihre Waren an. Durch die engen überdachten Gassen läuft der Wasserverkäufer, bietet frisches kaltes Wasser aus einem großen verzierten goldglänzenden Gefäß an, das er auf der Schulter trägt. Wer das Wasser kauft und davon trinkt, dem befeuchtet es die ausgetrocknete Kehle.
„Wohlan, auf, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch!“, ruft Gott durch den Prophetenmund den Leuten zu. Wie ein Händler preist Gott seine Waren an.
Wohlan, auf, los! Mit diesem Aufruf stimmt Jesaja ein Loblied auf die Gnade Gottes an. Gott hat sein Volk in der Vergangenheit begleitet und beschützt, er wird es auch in Zukunft tun. Israel wird Hoffnung gemacht und Zukunft verheißen. Als Jesaja diese Worte schreibt, befinden sich die Israeliten im Aufbruch. Entweder sind sie bereits aus dem babylonischen Exil in ihre Heimat zurückgekehrt oder sie sind im Begriff aufzubrechen. Thema in diesem Bibelabschnitt ist der neue Exodus, der neue Aufbruch des Volkes Israel, die Rückkehr aus der Gefangenschaft. Die Menschen haben ihre Heimat verloren. Das sichtbare Zeichen der Gegenwart Gottes, der Tempel in Jerusalem, ist zerstört. Sie suchen nach Grund, Halt und Neuanfang.
Dreimal ermuntert Gott durch seinen Boten Jesaja im Stil eines Markthändlers herzukommen: Kommt her zum Wasser, kommt her, kauft und esst, kommt her und kauft umsonst Wein und Milch. Zweimal lädt er sie ein, ohne Geld zu kaufen: kauft ohne Geld und umsonst, einmal fordert er sie auf, zu essen und zu trinken.
Kommt her zum Wasser! Das heißt doch: Gott hat gutes, gesundes, frisches Wasser und bietet es wie ein Wasserverkäufer auf einem orientalischen Markt an. Die Menschen sollen trinken von dem köstlichen Nass und sich daran laben. Wasser löscht den Durst, es steht sowohl für elementare Grundnahrungsmittel als auch für Luxus- und Lebensqualität. Wasserflüsse bewässern den Paradiesgarten und fließen von dort aus, von der Quelle in Eden, in die ganze Welt. Ohne Wasser können Menschen, Tiere und Pflanzen nicht leben, ohne gesundes Wasser geht jedes Lebewesen zugrunde. Ein Schluck kühles Wasser erweckt die Lebensgeister, Wasser steht für Luxus und überschwängliche Freude. Kinder plantschen im Wasser, bespritzen sich damit, kreischen vor Freude, Wasserspiele finden sich in kunstvoll gestalteten Gärten, sie bringen Frische und Lebendigkeit. Wasser ist im Alltag nicht wegzudenken, gleich morgens, wenn wir aufstehen, benutzen wir es und abends, bevor wir zu Bett gehen.
Die Bibel ist voll von Bildern, die Gottes und Jesu Handeln und Wesen in Verbindung mit Wasser beschreiben. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser (Ps 23). Während des Exodus, dem Auszug aus Ägypten, lässt Gott Wasser durch die Hand des Mose aus einem Felsen fließen und verhindert so den sicheren Tod des dürstenden Gottesvolkes.
Jesus schenkt der Samariterin am Brunnen das Leben stiftende Wasser (Joh 4), Jesus gibt dem Durstigen von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst (Off 21,6).
Auf, ihr Durstigen, kommt her zum Wasser! Wer wollte da nicht sofort angelaufen kommen! Das ist ein großartiges Angebot. Aber damit nicht genug. Es kostet noch nicht einmal etwas. Gott fordert Menschen auf zu kommen, zu trinken und zu essen, alles umsonst, alles gratis. Umsonst gibt es Wasser, Wein und Milch. Gott preist neben Grundnahrungsmittel auch kostenlos Festspeisen an. Wein ist edles Getränk, gewiss nicht lebensnotwendig, aber köstlich. Gott bringt Wein hervor, der des Menschen Herz erfreut, lobt der Psalmbeter in Psalm 104.
Milch ist wie Wasser ein Grundnahrungsmittel und ein Luxusartikel. Eine Familie im alten Israel, die Schafe, Ziegen oder gar Kamele hat, leidet keinen Hunger und keinen Durst. Die Milch der Tiere ernährt die Jungtiere und die Menschen. Die Milch erhält einen Säugling am Leben. Milch ist ein Schönheitsartikel. Von Kleopatra wird berichtet, dass sie in Eselsmilch badete. So etwas konnten sich nur reiche Leute leisten.
Gott bietet Wasser, Wein und Milch, Waren, die elementar für das Leben notwendig sind und Waren, die für Luxus und Überfluss stehen. Bei Gott ist das ganze Leben zu haben, kostenlos. Nicht zum Supersonderrabatt oder halben Preis, nein, es ist umsonst.
Was umsonst ist, ist nichts wert, dieser Gedanke hat sich bei uns festgesetzt; was nichts kostet, kann auch nichts sein. Ein Händler muss sich wohl überlegen, zu welchem Preis er seine Waren anbietet. Sind sie zu teuer, wird er seine Produkte möglicherweise nicht los, außer bei einer exklusiven Käuferschicht, die über das nötige Geld verfügt. Bietet er seine Waren zu billig an, sinkt der Wert und sie wird verramscht. Wird eine Ware gar umsonst angepriesen als Gratisangebot, so strömen wir entweder dorthin, um etwas abzustauben oder wir sind skeptisch und suchen nach dem Haken.
Gottes hält Leben und Überfluss für uns bereit, sola gratia, allein aus Gnade. Den Überfluss, die Supersonderangebote, die Gratisangebote, die Supermärkte machen, stillen unseren Hunger und Durst nach materiellen Gütern, manchmal nur für kurze Zeit.
Die Lebensmittel, die nahrhaft, schmackhaft und gut sind, stärken und erfreuen unser Herz. Aber Leben ist mehr als Essen und Trinken, Leben ist mehr als kurzfristiger Genuss und Gewinn, Leben ist Segen von oben, vom Himmel her, Leben ist Segen von unten, von der Erde her. Der Mensch braucht Liebe und Zuwendung, er möchte sich gehalten und getragen wissen. Er möchte seine Grundbedürfnisse stillen mit guten Lebensmitteln, er möchte sich kleiden und anziehen können, sich schön machen dürfen für ein Fest, sich laben an Milch und Honig, sich freuen an Musik und Tanz, sich verbunden wissen in der Gemeinschaft der Feiernden, in Gemeinschaft mit anderen im Alltag. Leben heißt: Krisen zu erleben und an ihnen zu wachsen. Menschen werden aufgerufen aufzubrechen, einen persönlichen Exodus zu wagen, wo keine tragfähigen Lebensbedingungen vorliegen. Leben in allem, was dazu gehört, an Schwerem und Schönem, in seiner ganzen Fülle aus Gottes guter Hand zu empfangen, das ist das Angebot, was Gott uns macht. Wohlan, auf, alle, die ihr durstig seid, kommt, kauft ohne Geld, esst, trinkt umsonst Wein und Milch. Eigentlich ein gutes Angebot, aber dennoch nehmen es viele nicht an. Jesaja müsste nicht dazu aufrufen, wenn die Menschen zu seiner Zeit sich Gott voll anvertraut und sich ganz auf ihn verlassen hätten. Schon damals verließen sich viele lieber auf sich selber, trauten der Kraft Gottes nichts zu, gingen vorsichtshalber auf Nummer sicher, glaubten nur das, was sichtbar vor Augen lag. Dabei gibt es weit mehr, als unser menschlicher Verstand begreifen kann und was Wissenschaftler bisher erforscht haben. Wie sind deine Werke so groß und so viel, wussten schon fromme Menschen im alten Israel (Ps 104,24). Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar, ich kann sie nicht begreifen (Ps 139,5).
Gott schenkt Leben und Segen. Es gibt Menschen, die begreifen das von Ferne und nehmen Gottes Gnade von Herzen an. Andere sind skeptisch, können, wollen das nicht glauben und verlassen sich auf ihre eigenen Kräfte.
Gottes Angebot gilt allen Menschen.
Der erste Teil der Rede des Jesaja richtet sich an Menschen, die kein Geld haben und sich nichts leisten können. Sie sollen trotzdem ihre Grundbedürfnisse decken können und Überfluss genießen dürfen. Im zweiten Teil der Rede des Propheten sind die angesprochen, die zwar Geld haben, es aber für unnütze Dinge ausgeben. „Warum zahlt ihr Geld für das, was kein Brot ist?“ Manche geben ihr Geld aus ohne einen angemessenen Gegenwert dafür zu bekommen. Sie bezahlen für Nahrungsmittel, die nicht satt machen. Entweder bekommen sie nicht genügend Lebensmittel für ihr Geld oder es ist keine gute Ware und die Lebensmittel sind nicht nahrhaft. Das mutet fast modern an. Inzwischen entwickelt sich bei uns ein Bewusstsein, dass Lebensmittel gesund und nahrhaft sein müssen. In der heutigen Zeit wird zu viel Zucker verarbeitet, der dick und letztlich krank macht.
Die Formulierung „kein Brot“ kann auch im übertragenen Sinn gedeutet werden. Kein Brot, das ist keine Lebensqualität. Kein Brot, das heißt: Hunger haben, auch seelischen Hunger, Hunger nach Liebe und Anerkennung. Kein Brot, das ist ohne Wärme und Zuwendung sein Leben fristen. Kein Brot, das heißt: Dinge kaufen, die unnütz sind, die den leiblichen und seelischen Durst und Hunger nicht stillen.
Die Lebensgestaltung zielt in eine falsche Richtung. Menschen geben ihr Geld aus für Dinge, die nicht zum Leben und Heil führen. „Warum zahlt ihr Geld, ohne Brot zu bekommen? Warum zahlt ihr euren Lohn, ohne satt zu werden?“, fragt Jesaja und bietet eine Alternative an. „Hört doch auf mich“, übermittelt Jesaja Gottes Wort, „so werdet ihr Gutes essen und euch an Köstlichem laben. Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Hört, so werdet ihr leben.“ Drei Aufforderungen bestimmen das Evangelium: Hört doch auf mich! Neigt eure Ohren! Kommt her! Die Lösung ist einfach. Wir brauchen nur zu hören. Auf was sollen wir hören? Auf Gottes Wort. Wohin sollen wir unser Ohr neigen? Zu Gott und seinem Wort. Wohin sollen wir kommen? Zu Gott und seinem Wort.
Das Wort Gottes ist nach jüdischem Verständnis in der Tora zu finden, der hebräischen Bibel. Im Midrasch, einer jüdischen Schriftauslegung, wird die Tora mit der Fülle, die Gott schenkt, verglichen:
Die Weisen sagen:
Mit fünf Dingen wird die Tora verglichen:
mit Wasser, Wein, Honig, Milch und Öl.
Mit Wasser: Auf ihr Durstigen, geht zum Wasser.
Lest also in der Tora.
Die Tora wird mit Wein verglichen: Trinkt den Wein, den ich eingegossen habe (Spr 9,5).
Lass die Tora, das Wort Gottes, in dich hineinfließen und genieße es.
Die Tora wird verglichen mit Milch und Honig: Milch und Honig sind unter deiner Zunge (Hld 4,11).
Gottes Wort ist köstlich und nahrhaft wie Milch und Honig.
Gott führt sein Volk nach dem ersten Exodus aus Ägypten in ein Land, in dem Milch und Honig fließen.
Die Tora wird verglichen mit Öl: als Öl hat sich dein Name ergossen (Hld 1,3).
Gottes Wort ergießt sich über uns und bringt Heilung.
Gottes Gnadengaben sind in der Tora zu finden. Die ganze Fülle des Lebens hält Gott für uns bereit. Wenn wir auf seine Worte hören, finden wir das Leben.
Jesaja macht Lust auf die Gnadengaben Gottes. Gottes Gnade erweist sich an Leib und Seele. Er erinnert an den Bund, den Gott mit König David geschlossen hat. Ganz Israel ist in diesem Bund mit eingeschlossen. Die Gnadengaben Gottes sind nicht auf David und dem Volk Israel beschränkt geblieben, sie sind ausgeweitet auf alle Völker. Israel ist Zeuge des Gnadenbundes und wird alle Völker rufen, dass sie kommen sollen zum Gott des Heils. Die Völker folgen dem Ruf, sie werden kommen. Diese Vorstellung erinnert an die Vision einer großen Wallfahrt, die am Ende der Zeiten geschieht, an dem alle Nationen nach Zion eilen und Gott die Ehre geben. Gott hat einen Bund mit David geschlossen, er hat ihm seinen Segen verheißen, in diesen Bund ist Israel mit aufgenommen worden. Der Bund ist in Jesus Christus bekräftigt worden, durch ihn sind auch wir Christinnen und Christen in den Bund Gottes mit hineingestellt.
Wohlan, auf, alle, die ihr durstig seid! Hört auf Gottes Wort, neigt ihm euer Ohr, kommt, trinkt und esst! Labt euch an den Köstlichkeiten, die Gott für euch bereit hält. Ihr braucht für Gottes Gnadengaben kein Geld, er schenkt alles, was wir brauchen, wir bekommen seine Lebensmittel umsonst: Wasser, Wein, Milch und Honig, Brot und Öl. Was Gott für uns bereit hält, dient dem Leben. Amen.
Süße Datteln, reife Oliven, milder Honig, guter Wein!
Kauft, Leute, kauft! Beste Ware, erste Qualität!
Kaltgepresstes Öl, frische Schafsmilch,
Ziegenkäse, Fladenbrot, würziger Koriander, Safran,
Kümmel und Dill, alles hier bei mir! Kauft, Leute, kauft!
Wer schon einmal einen orientalischen Obst- und Gewürzmarkt besucht hat - etwa in Istanbul oder in der Altstadt von Jerusalem - dem zieht der Duft der Köstlichkeiten in die Nase, die Sinne berauschen sich an den Obst- und Gewürzständen, an den Kräutern und dem frischgebackenen Brot. Das Auge sieht sich satt an den Farben und der Vielfalt. Es ist ein geschäftiges Treiben, die Händler bieten ihre Waren an. Durch die engen überdachten Gassen läuft der Wasserverkäufer, bietet frisches kaltes Wasser aus einem großen verzierten goldglänzenden Gefäß an, das er auf der Schulter trägt. Wer das Wasser kauft und davon trinkt, dem befeuchtet es die ausgetrocknete Kehle.
„Wohlan, auf, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch!“, ruft Gott durch den Prophetenmund den Leuten zu. Wie ein Händler preist Gott seine Waren an.
Wohlan, auf, los! Mit diesem Aufruf stimmt Jesaja ein Loblied auf die Gnade Gottes an. Gott hat sein Volk in der Vergangenheit begleitet und beschützt, er wird es auch in Zukunft tun. Israel wird Hoffnung gemacht und Zukunft verheißen. Als Jesaja diese Worte schreibt, befinden sich die Israeliten im Aufbruch. Entweder sind sie bereits aus dem babylonischen Exil in ihre Heimat zurückgekehrt oder sie sind im Begriff aufzubrechen. Thema in diesem Bibelabschnitt ist der neue Exodus, der neue Aufbruch des Volkes Israel, die Rückkehr aus der Gefangenschaft. Die Menschen haben ihre Heimat verloren. Das sichtbare Zeichen der Gegenwart Gottes, der Tempel in Jerusalem, ist zerstört. Sie suchen nach Grund, Halt und Neuanfang.
Dreimal ermuntert Gott durch seinen Boten Jesaja im Stil eines Markthändlers herzukommen: Kommt her zum Wasser, kommt her, kauft und esst, kommt her und kauft umsonst Wein und Milch. Zweimal lädt er sie ein, ohne Geld zu kaufen: kauft ohne Geld und umsonst, einmal fordert er sie auf, zu essen und zu trinken.
Kommt her zum Wasser! Das heißt doch: Gott hat gutes, gesundes, frisches Wasser und bietet es wie ein Wasserverkäufer auf einem orientalischen Markt an. Die Menschen sollen trinken von dem köstlichen Nass und sich daran laben. Wasser löscht den Durst, es steht sowohl für elementare Grundnahrungsmittel als auch für Luxus- und Lebensqualität. Wasserflüsse bewässern den Paradiesgarten und fließen von dort aus, von der Quelle in Eden, in die ganze Welt. Ohne Wasser können Menschen, Tiere und Pflanzen nicht leben, ohne gesundes Wasser geht jedes Lebewesen zugrunde. Ein Schluck kühles Wasser erweckt die Lebensgeister, Wasser steht für Luxus und überschwängliche Freude. Kinder plantschen im Wasser, bespritzen sich damit, kreischen vor Freude, Wasserspiele finden sich in kunstvoll gestalteten Gärten, sie bringen Frische und Lebendigkeit. Wasser ist im Alltag nicht wegzudenken, gleich morgens, wenn wir aufstehen, benutzen wir es und abends, bevor wir zu Bett gehen.
Die Bibel ist voll von Bildern, die Gottes und Jesu Handeln und Wesen in Verbindung mit Wasser beschreiben. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser (Ps 23). Während des Exodus, dem Auszug aus Ägypten, lässt Gott Wasser durch die Hand des Mose aus einem Felsen fließen und verhindert so den sicheren Tod des dürstenden Gottesvolkes.
Jesus schenkt der Samariterin am Brunnen das Leben stiftende Wasser (Joh 4), Jesus gibt dem Durstigen von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst (Off 21,6).
Auf, ihr Durstigen, kommt her zum Wasser! Wer wollte da nicht sofort angelaufen kommen! Das ist ein großartiges Angebot. Aber damit nicht genug. Es kostet noch nicht einmal etwas. Gott fordert Menschen auf zu kommen, zu trinken und zu essen, alles umsonst, alles gratis. Umsonst gibt es Wasser, Wein und Milch. Gott preist neben Grundnahrungsmittel auch kostenlos Festspeisen an. Wein ist edles Getränk, gewiss nicht lebensnotwendig, aber köstlich. Gott bringt Wein hervor, der des Menschen Herz erfreut, lobt der Psalmbeter in Psalm 104.
Milch ist wie Wasser ein Grundnahrungsmittel und ein Luxusartikel. Eine Familie im alten Israel, die Schafe, Ziegen oder gar Kamele hat, leidet keinen Hunger und keinen Durst. Die Milch der Tiere ernährt die Jungtiere und die Menschen. Die Milch erhält einen Säugling am Leben. Milch ist ein Schönheitsartikel. Von Kleopatra wird berichtet, dass sie in Eselsmilch badete. So etwas konnten sich nur reiche Leute leisten.
Gott bietet Wasser, Wein und Milch, Waren, die elementar für das Leben notwendig sind und Waren, die für Luxus und Überfluss stehen. Bei Gott ist das ganze Leben zu haben, kostenlos. Nicht zum Supersonderrabatt oder halben Preis, nein, es ist umsonst.
Was umsonst ist, ist nichts wert, dieser Gedanke hat sich bei uns festgesetzt; was nichts kostet, kann auch nichts sein. Ein Händler muss sich wohl überlegen, zu welchem Preis er seine Waren anbietet. Sind sie zu teuer, wird er seine Produkte möglicherweise nicht los, außer bei einer exklusiven Käuferschicht, die über das nötige Geld verfügt. Bietet er seine Waren zu billig an, sinkt der Wert und sie wird verramscht. Wird eine Ware gar umsonst angepriesen als Gratisangebot, so strömen wir entweder dorthin, um etwas abzustauben oder wir sind skeptisch und suchen nach dem Haken.
Gottes hält Leben und Überfluss für uns bereit, sola gratia, allein aus Gnade. Den Überfluss, die Supersonderangebote, die Gratisangebote, die Supermärkte machen, stillen unseren Hunger und Durst nach materiellen Gütern, manchmal nur für kurze Zeit.
Die Lebensmittel, die nahrhaft, schmackhaft und gut sind, stärken und erfreuen unser Herz. Aber Leben ist mehr als Essen und Trinken, Leben ist mehr als kurzfristiger Genuss und Gewinn, Leben ist Segen von oben, vom Himmel her, Leben ist Segen von unten, von der Erde her. Der Mensch braucht Liebe und Zuwendung, er möchte sich gehalten und getragen wissen. Er möchte seine Grundbedürfnisse stillen mit guten Lebensmitteln, er möchte sich kleiden und anziehen können, sich schön machen dürfen für ein Fest, sich laben an Milch und Honig, sich freuen an Musik und Tanz, sich verbunden wissen in der Gemeinschaft der Feiernden, in Gemeinschaft mit anderen im Alltag. Leben heißt: Krisen zu erleben und an ihnen zu wachsen. Menschen werden aufgerufen aufzubrechen, einen persönlichen Exodus zu wagen, wo keine tragfähigen Lebensbedingungen vorliegen. Leben in allem, was dazu gehört, an Schwerem und Schönem, in seiner ganzen Fülle aus Gottes guter Hand zu empfangen, das ist das Angebot, was Gott uns macht. Wohlan, auf, alle, die ihr durstig seid, kommt, kauft ohne Geld, esst, trinkt umsonst Wein und Milch. Eigentlich ein gutes Angebot, aber dennoch nehmen es viele nicht an. Jesaja müsste nicht dazu aufrufen, wenn die Menschen zu seiner Zeit sich Gott voll anvertraut und sich ganz auf ihn verlassen hätten. Schon damals verließen sich viele lieber auf sich selber, trauten der Kraft Gottes nichts zu, gingen vorsichtshalber auf Nummer sicher, glaubten nur das, was sichtbar vor Augen lag. Dabei gibt es weit mehr, als unser menschlicher Verstand begreifen kann und was Wissenschaftler bisher erforscht haben. Wie sind deine Werke so groß und so viel, wussten schon fromme Menschen im alten Israel (Ps 104,24). Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir. Diese Erkenntnis ist mir zu wunderbar, ich kann sie nicht begreifen (Ps 139,5).
Gott schenkt Leben und Segen. Es gibt Menschen, die begreifen das von Ferne und nehmen Gottes Gnade von Herzen an. Andere sind skeptisch, können, wollen das nicht glauben und verlassen sich auf ihre eigenen Kräfte.
Gottes Angebot gilt allen Menschen.
Der erste Teil der Rede des Jesaja richtet sich an Menschen, die kein Geld haben und sich nichts leisten können. Sie sollen trotzdem ihre Grundbedürfnisse decken können und Überfluss genießen dürfen. Im zweiten Teil der Rede des Propheten sind die angesprochen, die zwar Geld haben, es aber für unnütze Dinge ausgeben. „Warum zahlt ihr Geld für das, was kein Brot ist?“ Manche geben ihr Geld aus ohne einen angemessenen Gegenwert dafür zu bekommen. Sie bezahlen für Nahrungsmittel, die nicht satt machen. Entweder bekommen sie nicht genügend Lebensmittel für ihr Geld oder es ist keine gute Ware und die Lebensmittel sind nicht nahrhaft. Das mutet fast modern an. Inzwischen entwickelt sich bei uns ein Bewusstsein, dass Lebensmittel gesund und nahrhaft sein müssen. In der heutigen Zeit wird zu viel Zucker verarbeitet, der dick und letztlich krank macht.
Die Formulierung „kein Brot“ kann auch im übertragenen Sinn gedeutet werden. Kein Brot, das ist keine Lebensqualität. Kein Brot, das heißt: Hunger haben, auch seelischen Hunger, Hunger nach Liebe und Anerkennung. Kein Brot, das ist ohne Wärme und Zuwendung sein Leben fristen. Kein Brot, das heißt: Dinge kaufen, die unnütz sind, die den leiblichen und seelischen Durst und Hunger nicht stillen.
Die Lebensgestaltung zielt in eine falsche Richtung. Menschen geben ihr Geld aus für Dinge, die nicht zum Leben und Heil führen. „Warum zahlt ihr Geld, ohne Brot zu bekommen? Warum zahlt ihr euren Lohn, ohne satt zu werden?“, fragt Jesaja und bietet eine Alternative an. „Hört doch auf mich“, übermittelt Jesaja Gottes Wort, „so werdet ihr Gutes essen und euch an Köstlichem laben. Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Hört, so werdet ihr leben.“ Drei Aufforderungen bestimmen das Evangelium: Hört doch auf mich! Neigt eure Ohren! Kommt her! Die Lösung ist einfach. Wir brauchen nur zu hören. Auf was sollen wir hören? Auf Gottes Wort. Wohin sollen wir unser Ohr neigen? Zu Gott und seinem Wort. Wohin sollen wir kommen? Zu Gott und seinem Wort.
Das Wort Gottes ist nach jüdischem Verständnis in der Tora zu finden, der hebräischen Bibel. Im Midrasch, einer jüdischen Schriftauslegung, wird die Tora mit der Fülle, die Gott schenkt, verglichen:
Die Weisen sagen:
Mit fünf Dingen wird die Tora verglichen:
mit Wasser, Wein, Honig, Milch und Öl.
Mit Wasser: Auf ihr Durstigen, geht zum Wasser.
Lest also in der Tora.
Die Tora wird mit Wein verglichen: Trinkt den Wein, den ich eingegossen habe (Spr 9,5).
Lass die Tora, das Wort Gottes, in dich hineinfließen und genieße es.
Die Tora wird verglichen mit Milch und Honig: Milch und Honig sind unter deiner Zunge (Hld 4,11).
Gottes Wort ist köstlich und nahrhaft wie Milch und Honig.
Gott führt sein Volk nach dem ersten Exodus aus Ägypten in ein Land, in dem Milch und Honig fließen.
Die Tora wird verglichen mit Öl: als Öl hat sich dein Name ergossen (Hld 1,3).
Gottes Wort ergießt sich über uns und bringt Heilung.
Gottes Gnadengaben sind in der Tora zu finden. Die ganze Fülle des Lebens hält Gott für uns bereit. Wenn wir auf seine Worte hören, finden wir das Leben.
Jesaja macht Lust auf die Gnadengaben Gottes. Gottes Gnade erweist sich an Leib und Seele. Er erinnert an den Bund, den Gott mit König David geschlossen hat. Ganz Israel ist in diesem Bund mit eingeschlossen. Die Gnadengaben Gottes sind nicht auf David und dem Volk Israel beschränkt geblieben, sie sind ausgeweitet auf alle Völker. Israel ist Zeuge des Gnadenbundes und wird alle Völker rufen, dass sie kommen sollen zum Gott des Heils. Die Völker folgen dem Ruf, sie werden kommen. Diese Vorstellung erinnert an die Vision einer großen Wallfahrt, die am Ende der Zeiten geschieht, an dem alle Nationen nach Zion eilen und Gott die Ehre geben. Gott hat einen Bund mit David geschlossen, er hat ihm seinen Segen verheißen, in diesen Bund ist Israel mit aufgenommen worden. Der Bund ist in Jesus Christus bekräftigt worden, durch ihn sind auch wir Christinnen und Christen in den Bund Gottes mit hineingestellt.
Wohlan, auf, alle, die ihr durstig seid! Hört auf Gottes Wort, neigt ihm euer Ohr, kommt, trinkt und esst! Labt euch an den Köstlichkeiten, die Gott für euch bereit hält. Ihr braucht für Gottes Gnadengaben kein Geld, er schenkt alles, was wir brauchen, wir bekommen seine Lebensmittel umsonst: Wasser, Wein, Milch und Honig, Brot und Öl. Was Gott für uns bereit hält, dient dem Leben. Amen.
Perikope