Predigt über Jesaja 60, 1-6 von Christiane Borchers
60,1
Liebe Gemeinde !
Wissen Sie, was Licht ist? Ich meine damit keine wissenschaftliche Erklärung, dass Licht eine elektromagnetische Strahlung ist, die für das menschliche Auge nur in bestimmten Wellenlängen zu erkennen ist. Ich meine damit eine Lebenserfahrung, die weiß, was Licht im Leben bedeuten kann. Wer noch nie die Tiefen des Lebens kennen gelernt hat, wer noch nie erlebt hat, was Dunkelheit ist, weiß nicht, was Licht ist.
Licht wird ohne Dunkelheit nicht erkannt, Licht braucht die Dunkelheit, damit es als Licht wahrnehmbar wird. Licht ist auf ihren Gegensatz, die Dunkelheit, angewiesen,
Als Gott Leben erschafft, schafft er zuallererst das Licht. Auf der Tiefe, auf der Erde, ist es dunkel. Bevor pflanzliches, tierisches und menschliches Leben entstehen kann, ist Licht nötig. Bevor das Licht kommt, ist Dunkelheit. Zu Beginn der Schöpfung heißt es: Es war finster auf der Tiefe. Gottes erstes Schöpfungswerk ist das Licht. Mit der Erschaffung des Lichts beginnt das Leben sich zu entwickeln. Ohne Licht wäre jegliches Leben nicht möglich. Licht ist ein Symbol für Leben schlechthin. Licht ist Leben und Leben ist Licht.
Mache dich auf und werde licht ruft der Prophet Jesaja der Stadt Jerusalem zu und leitet damit ein Heilswort ein. Eine Heilszeit beginnt, die Zeit der Klage und der Trauer geht zu Ende. Das Heilswort ist an die Tochter Zion gerichtet. Zion ist der heilige Berg, auf dem König Salomo einst den prächtigen Tempel gebaut hat. Zion ist die Wohnstatt Gottes, die Tochter Zion ist die heilige Stadt Jerusalem. Jerusalem wird personifiziert in der Tochter Zion. Die Tochter Zion ist eigene Person in Beziehung sowohl zu Gott als auch zu der Bevölkerung der Stadt. Sie ist die Stadtgöttin, die von den Bewohnerinnen und Bewohnern Jerusalems neben dem Gott Israels verehrt wird. Als der Tempel von den Babyloniern zerstört wird und große Teile des Volkes Israel nach Babylon ins Exil verschleppt werden, ist sie die klagende Stadtgöttin, die die Zerstörung der Stadt und ihres Tempels beklagt. Sie betrauert den Verlust ihrer Kinder, die im Kampf bei der Eroberung gestorben oder verschleppt worden sind und nun unter fremder Herrschaft im Exil leben müssen. Die Stadtgöttin Tochter Zion betrauert ihre eigene Vertreibung und den Verlust jeglicher politischer und religiöser Ordnung in der Stadt.
Als der Prophet Jesaja die Heilsworte schreibt, geht die Zeit der Trauer und der Klage ihrem Ende entgegen. Der Tochter Zion wird eine neue Heilszeit verkündet. Nachdem sie vertrieben und gedemütigt worden ist, soll sie nun wieder in Ehren erhoben und ihren angestammten Platz wieder erhalten. Eine neue Brautzeit mit Jahwe beginnt, die Wiederkehr ihrer Kinder rückt nahe, sie wird wieder als Königin ihrer heiligen Stadt inthronisiert. Der Tempel und die zertrümmerte Stadt sollen wieder aufgebaut werden. Das Exil der Kinder Israels ist vorbei, König Kyros von Babylon hat ein Edikt erlassen, das die Rückkehr der Vertriebenen in ihre Heimat erlaubt.
Jerusalem darf sich freuen, eine Blüte- und Heilszeit bricht an. Gott wird die Stadt mit seinem Lichterglanz überstrahlen, dass sie selber Licht und Glanz wird. Die Freude wird groß sein, denn Gott kommt, Licht, Wärme, Strahlen erfüllen die Stadt und ihre Menschen.
Kriege und Katastrophen konnten nach altorientalischer Vorstellung als eine Zeit der Abwesenheit der Gottheit gedeutet werden. Die Gottheit hatte sich abgewendet und in ihre himmlischen Wohnsitze zurückgezogen. Wenn Jesaja von der Rückkehr Jahwes in sein Heiligtum spricht, nimmt er diese altorientalische Vorstellung auf. Die Zeit, in der sich Gott abgewendet hat, ist vorbei. Gott hat sein Volk eine Zeit lang verlassen, es fremden Mächten und Herrschern ausgesetzt, nun aber ist die Zeit der Finsternis vorüber, Gott wendet sich seinem Volk wieder zu, lässt es heimkehren. Die Menschen, die nach Babylon verschleppt wurden, dürfen wieder zurück und einziehen in die heilige Stadt, die wieder zum Wohnsitz Gottes wird. Menschen, die in Jerusalem leben, dürfen sich freuen, denn Gott kommt.
Jerusalem wird erhöht werden, zu der Stadt kommt Licht und Glanz, Licht und Glanz wird von ihr ausgehen. Den Menschen wird es wieder gut gehen, ihnen wird Hoffnung gegeben und Perspektive eröffnet. Die Sonne wird über sie und der Stadt aufgehen. Die Tochter Zion verlässt selbst ihr Exil, wird nicht länger vertrieben sein, kehrt zurück in ihr Heiligtum auf dem Zion, feiert die heilige Hochzeit mit ihrem Bräutigam. Tochter Zion, mache dich auf und werde licht, denn dein Licht kommt und der Lichterglanz Gottes geht auf über dir. Das Licht der Stadt und das Licht des kommenden Gottes kommen sich entgegen, vermischen sich, leuchten in ihrer Vermischung heller, wärmer, stärker, glänzender als je zuvor. Im Aufeinanderzugehen und in der Vereinigung vervielfältigt sich die Wirkung: Die Wonne, das Licht, das Heil, werden größer, reicher, umfassender.
Da der Gott Israels, der unsichtbar ist und von dessen Gestalt sich niemand ein Bild machen soll, nicht wie andere altorientalische Gottheiten in konkreter Gestalt eines Götterbildes in seine Stadt und den Tempel Einzug halten kann, kehrt er als Licht und Lichterglanz zurück. Der Lichtglanz zeigt Gottes Präsenz in seinem Heiligtum auf dem Zion und in der Stadt Jerusalem. Das Licht weist auf seine Gegenwart hin. Als Mose die 10 Gebote erhält und wieder vom Berg herunter kommt, liegt auf seinem Gesicht ein strahlender Glanz, der Gottes Lichterglanz widerspiegelt.
Wenn Jerusalem hell leuchtet, so sagt das gleichzeitig etwas über die übrige Welt aus, nämlich dass sie im Dunkeln liegt. Der Glanz Gottes geht über die Tochter Zion, über Jerusalem, auf, denn siehe, fährt der Prophet Jesaja fort, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker.
Damit sollen die Erde und die anderen Völker nicht abgewertet werden, sondern Jesaja bringt damit zum Ausdruck, dass die Erde und die Völker mit in das Licht hineingezogen werden. Ziel ist es, dass die Finsternis überwunden wird. Die Erde und Völker, die im Dunkel leben, werden wie von selbst vom Licht angezogen. Es ist so wie mit einem dunklen Raum, in dem jemand ein Licht anzündet. Unwillkürlich wird alle Aufmerksamkeit auf das Licht gelenkt. Das Licht durchbricht die Dunkelheit, erhellt den Raum, umhüllt alle und alles mit seinem lieblich glänzenden Schein. Die Menschen, die in der Dunkelheit sitzen, wenden sich automatisch dem Licht zu: Das Licht umleuchtet die, die sich in der Dunkelheit befinden, sie werden nicht länger vom Dunkel umschlossen.
Die Völker werden zu deinem Licht ziehen,prophezeit Jesaja der Stadt Jerusalem und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.
Alle werden sie kommen, weil Jerusalem eine so starke Anziehungskraft ausübt, alle möchten vom Glanz beschienen werden, alle möchten Anteil an der Freude und Wonne, am Licht und an der Sonne haben, die über der Stadt aufgeht und scheint. Fremde Völker, die Israelitinnen und Israeliten aus dem Exil, werden sich aufmachen nach Jerusalem, um das ganz große Fest des Lebens zu feiern. Alle werden sie sich versammeln und in den hell leuchtenden Lichterglanz hineingenommen werden.
Tochter Jerusalem,fordert Jesaja die Stadt auf: Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir: deine Söhne und Töchter von weit her, also Israelitinnen und Israeliten aus dem Exil und alle Völker.
Aus allen Himmelsrichtungen strömen die Völker zu der heiligen Stadt, sie bringen Geschenke: Kamele, schwer beladen mit Schätzen und Reichtümern aus Midian, dem Osten; aus Saba, dem Süden, dem Sagen umwobenen Äthiopien, dem Reich, aus dem die Königin von Saba einst Salomo kostbare Geschenke wie Weihrauch und Gold brachte; aus Tarsis (V 9), dem Westen, legen Schiffe, beladen mit Menschen und Gütern, an. Aus dem Norden kommen sie und bringen die wertvollen Zedern des Libanons mit (V 13) zum Schmuck für den heiligen Tempel.
Hinter dem malerischen Bild vom Bringen der Geschenke könnten sich Tributleistungen verbergen. Klingt hier der versteckte Wunsch an, dass die Tributzahlungen, die Israel fremden Herrschern leisten musste, wieder zurückfließen nach Jerusalem? Jesaja verzichtet allerdings in seinem Heilswort auf jegliche kriegerische Begleiterscheinung. Oder will der Prophet den Mächtigen der damaligen Welt, den Babyloniern, denen ein Weltreich zu Füßen lag, mit dem Bringen der Geschenke verdeutlichen, dass der Gott Israels der wahre König ist, dem die Völker sich beugen müssen? Jesaja kündigt eine Heilszeit an, an der die Menschen aus vollem Herzen und freiwilligen Stücken zum Zion wallfahren und Gott die Ehre geben. Sie bringen Geschenke mit, wie man Geschenke mitbringt, wenn man zu einem Fest eingeladen ist. Besondere ausgewählte Geschenke drücken eine besondere Ehrfurcht und Freude aus.
Jesaja verbindet irdische Hoffnung mit zukünftigem Heil. Für die Israelitinnen und Israeliten ist es konkret die Rückkehr in die Heimat, die verbunden ist mit dem Wiederaufbau der Stadt und des Tempels, der gewiss mit großen Mühen verbunden ist und sicher nicht ausschließlich mit Freude und Jubel. Aber das Blatt hat sich gewendet. Sie haben wieder eine Perspektive, wissen, wofür sie sich abmühen, sind getragen von einer lichten Hoffnung, die ihre Kraft ausstrahlt, sich ausbreitet und sie aus dem Dunkel herausholt.
Wie geht es Ihnen mit der Vision von der Heilszeit, die Jesaja verkündet? Können Sie damit etwas anfangen? Entdecken Sie bei sich selber eine Sehnsucht, die sich gut mit diesen Bildern beschreiben lässt? Wünschen Sie sich Licht, wenn Sie selbst im Dunkeln sind? Möchten Sie in ein Licht hineingezogen werden, wenn es in Ihnen selbst nicht licht ist?
Heute ist Epiphanias, das Fest der Erscheinung Gottes. Epiphanias beschließt die Weihnachtszeit. Für uns ist dieser Tag von untergeordneter Bedeutung. Wir feiern das Kommen Gottes in die Welt an Weihnachten. In der östlichen Kirche, der griechisch- und russisch-orthodoxen Kirche oder auch in der Kirche von Äthiopien feiern die Menschen die Geburt Jesu an Epiphanias. Die Weisen aus dem Morgenland gehören in das Bild von Epiphanias. Sie bringen dem Kind mit den berühmten Geschenken - Gold Weihrauch und Myrrhe - ihre Verehrung, fallen nieder auf ihren Knien, und beten es an. Durch den Kniefall, das Gebet und die Geschenke legen sie ein Bekenntnis zu dem ab, der das Licht ist und das Licht bringt. Im Stall vom Bethlehem finden sie das Licht der Welt.
Mache dich auf und werde licht. Ohne Licht sind wir zum Sterben verurteilt. Wenn wir kein Licht sehen und der Dunkelheit verhaftet sind, gehen wir zugrunde. Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker, sagt Jesaja. Die Erde ist bedeckt mit Dunkelheit, auch heute noch. Menschen werden in tiefe Finsternis geworfen, sodass sie keinen Lichtblick und keinen Hoffnungsschimmer haben. Unrecht geschieht in vielerlei Gestalt, im Kleinen wie im Großen. Wo Dunkelheit herrscht, ist die Sehnsucht nach Licht groß. Wer nie Dunkelheit erlebt hat, weiß nicht, was Licht ist.
Der Theologe und ehemaliger Bürgermeister von Berlin Heinrich Albertz schreibt von seiner Lichterfahrung, die er erlebt hat, als er sich in äußerster Not und Nacht befindet. Er hält an Martin Niemöller fest, als der im KZ festsitzt. Auf Grund dessen wird Heinrich Albertz selbst inhaftiert. Er schreibt später über seine Haft in Glatz in Schlesien: Was ist Licht? Ich habe einmal als Strafgefangener in den Kasermatten der Festung Glatz in einem Keller gesessen, mehr gestanden als gesessen – er war für zwanzig Leute gebaut und hundert waren in ihm eingesperrt, acht Tage. Acht Tage gab es kein Licht. Sie wollten uns damit mürbe machen. Aber wenn man genau hinsah, konnte man tagsüber durch die Ritzen der schweren Türen einen blassen Schein sehen. Und wenn wir zum Essenfassen herausgeführt wurden, waren wir wie geblendet. Seitdem …. weiß ich, was Licht ist. Licht erkennt man immer erst, wenn man die tiefste Finsternis erfahren hat. Licht ist dann Befreiung, ist dann Leben….. Ich möchte uns alle so gern spüren lassen, dass unser Leben jeden Tag neu beginnen kann, sinnvoll und bewusst und mit Hoffnung ….
Das Licht scheint in die Welt, nicht die schwärzeste Nacht und die tiefste Finsternis kann ein leuchtendes Licht zum Erlöschen bringen. Die Dunkelheit muss dem Licht weichen. Mit Jesu Geburt ist ein Licht in die Welt gekommen. Ein Glanz legt sich auf die Erde nieder, es ist licht geworden in der Dunkelheit. Das Licht von der Krippe scheint, Gott offenbart sich im Glanz des Lichtscheins von Bethlehem. Mit dem Licht von Bethlehem kommt Gott selbst in die Welt, wendet sich uns zu, nimmt uns hinein in den göttlichen Schein, umleuchtet uns, umfängt uns, holt uns heraus aus der Dunkelheit. Die Dunkelheit hat keine Macht mehr über uns, es ist hell geworden. Uns wird Perspektive und Zukunft eröffnet.
EG-Nr. 13: Tochter Zion, freue dich…
Wissen Sie, was Licht ist? Ich meine damit keine wissenschaftliche Erklärung, dass Licht eine elektromagnetische Strahlung ist, die für das menschliche Auge nur in bestimmten Wellenlängen zu erkennen ist. Ich meine damit eine Lebenserfahrung, die weiß, was Licht im Leben bedeuten kann. Wer noch nie die Tiefen des Lebens kennen gelernt hat, wer noch nie erlebt hat, was Dunkelheit ist, weiß nicht, was Licht ist.
Licht wird ohne Dunkelheit nicht erkannt, Licht braucht die Dunkelheit, damit es als Licht wahrnehmbar wird. Licht ist auf ihren Gegensatz, die Dunkelheit, angewiesen,
Als Gott Leben erschafft, schafft er zuallererst das Licht. Auf der Tiefe, auf der Erde, ist es dunkel. Bevor pflanzliches, tierisches und menschliches Leben entstehen kann, ist Licht nötig. Bevor das Licht kommt, ist Dunkelheit. Zu Beginn der Schöpfung heißt es: Es war finster auf der Tiefe. Gottes erstes Schöpfungswerk ist das Licht. Mit der Erschaffung des Lichts beginnt das Leben sich zu entwickeln. Ohne Licht wäre jegliches Leben nicht möglich. Licht ist ein Symbol für Leben schlechthin. Licht ist Leben und Leben ist Licht.
Mache dich auf und werde licht ruft der Prophet Jesaja der Stadt Jerusalem zu und leitet damit ein Heilswort ein. Eine Heilszeit beginnt, die Zeit der Klage und der Trauer geht zu Ende. Das Heilswort ist an die Tochter Zion gerichtet. Zion ist der heilige Berg, auf dem König Salomo einst den prächtigen Tempel gebaut hat. Zion ist die Wohnstatt Gottes, die Tochter Zion ist die heilige Stadt Jerusalem. Jerusalem wird personifiziert in der Tochter Zion. Die Tochter Zion ist eigene Person in Beziehung sowohl zu Gott als auch zu der Bevölkerung der Stadt. Sie ist die Stadtgöttin, die von den Bewohnerinnen und Bewohnern Jerusalems neben dem Gott Israels verehrt wird. Als der Tempel von den Babyloniern zerstört wird und große Teile des Volkes Israel nach Babylon ins Exil verschleppt werden, ist sie die klagende Stadtgöttin, die die Zerstörung der Stadt und ihres Tempels beklagt. Sie betrauert den Verlust ihrer Kinder, die im Kampf bei der Eroberung gestorben oder verschleppt worden sind und nun unter fremder Herrschaft im Exil leben müssen. Die Stadtgöttin Tochter Zion betrauert ihre eigene Vertreibung und den Verlust jeglicher politischer und religiöser Ordnung in der Stadt.
Als der Prophet Jesaja die Heilsworte schreibt, geht die Zeit der Trauer und der Klage ihrem Ende entgegen. Der Tochter Zion wird eine neue Heilszeit verkündet. Nachdem sie vertrieben und gedemütigt worden ist, soll sie nun wieder in Ehren erhoben und ihren angestammten Platz wieder erhalten. Eine neue Brautzeit mit Jahwe beginnt, die Wiederkehr ihrer Kinder rückt nahe, sie wird wieder als Königin ihrer heiligen Stadt inthronisiert. Der Tempel und die zertrümmerte Stadt sollen wieder aufgebaut werden. Das Exil der Kinder Israels ist vorbei, König Kyros von Babylon hat ein Edikt erlassen, das die Rückkehr der Vertriebenen in ihre Heimat erlaubt.
Jerusalem darf sich freuen, eine Blüte- und Heilszeit bricht an. Gott wird die Stadt mit seinem Lichterglanz überstrahlen, dass sie selber Licht und Glanz wird. Die Freude wird groß sein, denn Gott kommt, Licht, Wärme, Strahlen erfüllen die Stadt und ihre Menschen.
Kriege und Katastrophen konnten nach altorientalischer Vorstellung als eine Zeit der Abwesenheit der Gottheit gedeutet werden. Die Gottheit hatte sich abgewendet und in ihre himmlischen Wohnsitze zurückgezogen. Wenn Jesaja von der Rückkehr Jahwes in sein Heiligtum spricht, nimmt er diese altorientalische Vorstellung auf. Die Zeit, in der sich Gott abgewendet hat, ist vorbei. Gott hat sein Volk eine Zeit lang verlassen, es fremden Mächten und Herrschern ausgesetzt, nun aber ist die Zeit der Finsternis vorüber, Gott wendet sich seinem Volk wieder zu, lässt es heimkehren. Die Menschen, die nach Babylon verschleppt wurden, dürfen wieder zurück und einziehen in die heilige Stadt, die wieder zum Wohnsitz Gottes wird. Menschen, die in Jerusalem leben, dürfen sich freuen, denn Gott kommt.
Jerusalem wird erhöht werden, zu der Stadt kommt Licht und Glanz, Licht und Glanz wird von ihr ausgehen. Den Menschen wird es wieder gut gehen, ihnen wird Hoffnung gegeben und Perspektive eröffnet. Die Sonne wird über sie und der Stadt aufgehen. Die Tochter Zion verlässt selbst ihr Exil, wird nicht länger vertrieben sein, kehrt zurück in ihr Heiligtum auf dem Zion, feiert die heilige Hochzeit mit ihrem Bräutigam. Tochter Zion, mache dich auf und werde licht, denn dein Licht kommt und der Lichterglanz Gottes geht auf über dir. Das Licht der Stadt und das Licht des kommenden Gottes kommen sich entgegen, vermischen sich, leuchten in ihrer Vermischung heller, wärmer, stärker, glänzender als je zuvor. Im Aufeinanderzugehen und in der Vereinigung vervielfältigt sich die Wirkung: Die Wonne, das Licht, das Heil, werden größer, reicher, umfassender.
Da der Gott Israels, der unsichtbar ist und von dessen Gestalt sich niemand ein Bild machen soll, nicht wie andere altorientalische Gottheiten in konkreter Gestalt eines Götterbildes in seine Stadt und den Tempel Einzug halten kann, kehrt er als Licht und Lichterglanz zurück. Der Lichtglanz zeigt Gottes Präsenz in seinem Heiligtum auf dem Zion und in der Stadt Jerusalem. Das Licht weist auf seine Gegenwart hin. Als Mose die 10 Gebote erhält und wieder vom Berg herunter kommt, liegt auf seinem Gesicht ein strahlender Glanz, der Gottes Lichterglanz widerspiegelt.
Wenn Jerusalem hell leuchtet, so sagt das gleichzeitig etwas über die übrige Welt aus, nämlich dass sie im Dunkeln liegt. Der Glanz Gottes geht über die Tochter Zion, über Jerusalem, auf, denn siehe, fährt der Prophet Jesaja fort, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker.
Damit sollen die Erde und die anderen Völker nicht abgewertet werden, sondern Jesaja bringt damit zum Ausdruck, dass die Erde und die Völker mit in das Licht hineingezogen werden. Ziel ist es, dass die Finsternis überwunden wird. Die Erde und Völker, die im Dunkel leben, werden wie von selbst vom Licht angezogen. Es ist so wie mit einem dunklen Raum, in dem jemand ein Licht anzündet. Unwillkürlich wird alle Aufmerksamkeit auf das Licht gelenkt. Das Licht durchbricht die Dunkelheit, erhellt den Raum, umhüllt alle und alles mit seinem lieblich glänzenden Schein. Die Menschen, die in der Dunkelheit sitzen, wenden sich automatisch dem Licht zu: Das Licht umleuchtet die, die sich in der Dunkelheit befinden, sie werden nicht länger vom Dunkel umschlossen.
Die Völker werden zu deinem Licht ziehen,prophezeit Jesaja der Stadt Jerusalem und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.
Alle werden sie kommen, weil Jerusalem eine so starke Anziehungskraft ausübt, alle möchten vom Glanz beschienen werden, alle möchten Anteil an der Freude und Wonne, am Licht und an der Sonne haben, die über der Stadt aufgeht und scheint. Fremde Völker, die Israelitinnen und Israeliten aus dem Exil, werden sich aufmachen nach Jerusalem, um das ganz große Fest des Lebens zu feiern. Alle werden sie sich versammeln und in den hell leuchtenden Lichterglanz hineingenommen werden.
Tochter Jerusalem,fordert Jesaja die Stadt auf: Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir: deine Söhne und Töchter von weit her, also Israelitinnen und Israeliten aus dem Exil und alle Völker.
Aus allen Himmelsrichtungen strömen die Völker zu der heiligen Stadt, sie bringen Geschenke: Kamele, schwer beladen mit Schätzen und Reichtümern aus Midian, dem Osten; aus Saba, dem Süden, dem Sagen umwobenen Äthiopien, dem Reich, aus dem die Königin von Saba einst Salomo kostbare Geschenke wie Weihrauch und Gold brachte; aus Tarsis (V 9), dem Westen, legen Schiffe, beladen mit Menschen und Gütern, an. Aus dem Norden kommen sie und bringen die wertvollen Zedern des Libanons mit (V 13) zum Schmuck für den heiligen Tempel.
Hinter dem malerischen Bild vom Bringen der Geschenke könnten sich Tributleistungen verbergen. Klingt hier der versteckte Wunsch an, dass die Tributzahlungen, die Israel fremden Herrschern leisten musste, wieder zurückfließen nach Jerusalem? Jesaja verzichtet allerdings in seinem Heilswort auf jegliche kriegerische Begleiterscheinung. Oder will der Prophet den Mächtigen der damaligen Welt, den Babyloniern, denen ein Weltreich zu Füßen lag, mit dem Bringen der Geschenke verdeutlichen, dass der Gott Israels der wahre König ist, dem die Völker sich beugen müssen? Jesaja kündigt eine Heilszeit an, an der die Menschen aus vollem Herzen und freiwilligen Stücken zum Zion wallfahren und Gott die Ehre geben. Sie bringen Geschenke mit, wie man Geschenke mitbringt, wenn man zu einem Fest eingeladen ist. Besondere ausgewählte Geschenke drücken eine besondere Ehrfurcht und Freude aus.
Jesaja verbindet irdische Hoffnung mit zukünftigem Heil. Für die Israelitinnen und Israeliten ist es konkret die Rückkehr in die Heimat, die verbunden ist mit dem Wiederaufbau der Stadt und des Tempels, der gewiss mit großen Mühen verbunden ist und sicher nicht ausschließlich mit Freude und Jubel. Aber das Blatt hat sich gewendet. Sie haben wieder eine Perspektive, wissen, wofür sie sich abmühen, sind getragen von einer lichten Hoffnung, die ihre Kraft ausstrahlt, sich ausbreitet und sie aus dem Dunkel herausholt.
Wie geht es Ihnen mit der Vision von der Heilszeit, die Jesaja verkündet? Können Sie damit etwas anfangen? Entdecken Sie bei sich selber eine Sehnsucht, die sich gut mit diesen Bildern beschreiben lässt? Wünschen Sie sich Licht, wenn Sie selbst im Dunkeln sind? Möchten Sie in ein Licht hineingezogen werden, wenn es in Ihnen selbst nicht licht ist?
Heute ist Epiphanias, das Fest der Erscheinung Gottes. Epiphanias beschließt die Weihnachtszeit. Für uns ist dieser Tag von untergeordneter Bedeutung. Wir feiern das Kommen Gottes in die Welt an Weihnachten. In der östlichen Kirche, der griechisch- und russisch-orthodoxen Kirche oder auch in der Kirche von Äthiopien feiern die Menschen die Geburt Jesu an Epiphanias. Die Weisen aus dem Morgenland gehören in das Bild von Epiphanias. Sie bringen dem Kind mit den berühmten Geschenken - Gold Weihrauch und Myrrhe - ihre Verehrung, fallen nieder auf ihren Knien, und beten es an. Durch den Kniefall, das Gebet und die Geschenke legen sie ein Bekenntnis zu dem ab, der das Licht ist und das Licht bringt. Im Stall vom Bethlehem finden sie das Licht der Welt.
Mache dich auf und werde licht. Ohne Licht sind wir zum Sterben verurteilt. Wenn wir kein Licht sehen und der Dunkelheit verhaftet sind, gehen wir zugrunde. Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker, sagt Jesaja. Die Erde ist bedeckt mit Dunkelheit, auch heute noch. Menschen werden in tiefe Finsternis geworfen, sodass sie keinen Lichtblick und keinen Hoffnungsschimmer haben. Unrecht geschieht in vielerlei Gestalt, im Kleinen wie im Großen. Wo Dunkelheit herrscht, ist die Sehnsucht nach Licht groß. Wer nie Dunkelheit erlebt hat, weiß nicht, was Licht ist.
Der Theologe und ehemaliger Bürgermeister von Berlin Heinrich Albertz schreibt von seiner Lichterfahrung, die er erlebt hat, als er sich in äußerster Not und Nacht befindet. Er hält an Martin Niemöller fest, als der im KZ festsitzt. Auf Grund dessen wird Heinrich Albertz selbst inhaftiert. Er schreibt später über seine Haft in Glatz in Schlesien: Was ist Licht? Ich habe einmal als Strafgefangener in den Kasermatten der Festung Glatz in einem Keller gesessen, mehr gestanden als gesessen – er war für zwanzig Leute gebaut und hundert waren in ihm eingesperrt, acht Tage. Acht Tage gab es kein Licht. Sie wollten uns damit mürbe machen. Aber wenn man genau hinsah, konnte man tagsüber durch die Ritzen der schweren Türen einen blassen Schein sehen. Und wenn wir zum Essenfassen herausgeführt wurden, waren wir wie geblendet. Seitdem …. weiß ich, was Licht ist. Licht erkennt man immer erst, wenn man die tiefste Finsternis erfahren hat. Licht ist dann Befreiung, ist dann Leben….. Ich möchte uns alle so gern spüren lassen, dass unser Leben jeden Tag neu beginnen kann, sinnvoll und bewusst und mit Hoffnung ….
Das Licht scheint in die Welt, nicht die schwärzeste Nacht und die tiefste Finsternis kann ein leuchtendes Licht zum Erlöschen bringen. Die Dunkelheit muss dem Licht weichen. Mit Jesu Geburt ist ein Licht in die Welt gekommen. Ein Glanz legt sich auf die Erde nieder, es ist licht geworden in der Dunkelheit. Das Licht von der Krippe scheint, Gott offenbart sich im Glanz des Lichtscheins von Bethlehem. Mit dem Licht von Bethlehem kommt Gott selbst in die Welt, wendet sich uns zu, nimmt uns hinein in den göttlichen Schein, umleuchtet uns, umfängt uns, holt uns heraus aus der Dunkelheit. Die Dunkelheit hat keine Macht mehr über uns, es ist hell geworden. Uns wird Perspektive und Zukunft eröffnet.
EG-Nr. 13: Tochter Zion, freue dich…
Perikope